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Klosterneuburg liegt in 192m Seehöhe (48°18' n. Br., 16°19' ö. L. v. Gr.) oberhalb des Donaudurchbruchs zwischen Leopolds- und Bisamberg am rechten Ufer der Donau, von Wien durch den Rücken des Kahlengebirges getrennt. Das Stadtgebiet wird hauptsächlich durch Kierling- und Weidlingbach entwässert, die aus dem Sandsteinbergland (Kreideflysch) des Wienerwald-Hinterlandes kommen und in Klosterneuburg in die Donau münden. Sie gliedern die eiszeitlichen Terrassen des Klosterneuburger Stadtkerns in Ober- und Unterstadt, deren Besiedlung unterschiedlich verlief (1). Die 1954 eingemeindeten Orte Weidling, Weidlingbach, Kritzendorf, Höflein, Kierling und Maria Gugging haben ihre jeweils eigene Siedlungsgeschichte.
(1) Österr. Städtebuch, Bd. 4 Niederösterreich, 2. Teil, 1976, S. 115.
Die Gesamtfläche der Stadt beträgt heute 76,19 km2, die Einwohnerzahl 31.237. Davon entfallen auf das alte Stadtgebiet 17.326, 4.148 auf Weidling, 703 auf Weidlingbach, 3.525 auf Kritzendorf, 1.187 auf Höflein, 3.321 auf Kierling und 1.063 auf Maria Gugging (2). Die die Stadt umgebenden Hänge sind heute bis weit hinauf besiedelt, Wald- und Wiesenland hat nicht mehr die Bedeutung früherer Zeiten. Einzig Weingärten sind nach wie vor im Stadtgebiet vorhanden und spielen wirtschaftlich eine Rolle.
(2) Stand vom April 1990; Auskunft der Stadtgemeinde.
Leopoldsberg und Simonsberg sind gegen Ende der Jungsteinzeit besiedelt. Neolithische Streufunde deuten darauf hin, daß damals auch im eigentlichen Stadtgebiet (Stiftsplatz, Josef-Brenner-Straße) Siedlungen bestanden. In der Bronzezeit bestand auf dem Kumenberg bei St. Andrä, der bis ins Mittelalter ununterbrochen besiedelt gewesen sein dürfte, eine befestigte Anlage mit Wall und Gräbern. Aus der Urnenfelderzeit (1200–700 v. Chr.) wurden Siedlungsreste im Stiftsbereich (Jungherrengarten), bei St. Gertrud und in der Martinstraße gefunden. Funde aus dem Kierlingtal beweisen, daß dieser Weg damals schon begangen wurde (3).
(3) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 116. – H. LADENBAUER-OREL, Eine urnenfelderzeitliche Siedlungsanlage im Stift K., in: Jb. Kl. NF 2, 1962, S. 159 ff.
Im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde im Bereich der Oberen Stadt ein römisches Kastell errichtet. Jüngste dendrochronologische Untersuchungen haben bewiesen, daß dies schon in der Mitte des 1. Jahrhunderts geschah. Auf Grund der gefundenen Ziegelstempel steht fest, daß dieses Kastell stets zur Provinz Pannonien gehörte. Leider ist es bis heute nicht gelungen, seinen Namen festzustellen. Die bisherigen Vorschläge (Asturis, Cannabiaca) kommen deshalb nicht in Frage, weil diese Orte in der Provinz Noricum lagen. Unter Kaiser Valentinian (364–375), der das Befestigungssystem längs der Donau verstärkte, wurden die bis dahin meist hölzernen Bauten des Lagers durch Steinbauten ersetzt. Im Zuge von Restaurierungen der Stiftsgebäude – vor allem im letzten Jahrzehnt – wurden so viele Reste der Römerzeit freigelegt, daß man nun imstande ist, die ursprüngliche Form des Kastells zu rekonstruieren. Dabei wurden alle früheren Hypothesen korrigiert. Es erstreckte sich in schmaler, genau rechteckiger Form von Südwest nach Nordost von der heutigen Hundskehle bis an den Abhang zur Donau. Der mittelalterliche Stiftskomplex nahm etwa die Hälfte des römischen Lagerareals ein (4). Die römische Reichsstraße, die die Provinzhauptstädte Carnuntum und Lauriacum miteinander verband, folgte im Bereich Klosterneuburgs dem Zuge Agnesstraße – Buchberggasse – Kierlinger Straße. Wie üblich lag an dieser Straße der Friedhof. Im Garten des heutigen evangelischen Pfarrhauses hat man Reste der Grabsteine gefunden (5). Von dort wurden auch die Steine geholt, die zum Teil noch in der Spätantike und dann seit dem 11. Jahrhundert im heutigen Stiftsbereich als Baumaterial Verwendung fanden. Südlich und östlich um das Lager, also zwischen dem Lagerareal und der Straße, erstreckte sich der Vicus, das Lagerdorf, wo die Zivilbevölkerung wohnte. Im 5. Jahrhundert wurde der Bereich von den römischen Truppen geräumt und von Föderaten, verbündeten Germanenvölkern (in diesem Fall hauptsächlich suebischen Markomannen) besiedelt. Die römischen Kasernen wurden von Flechtwerkbauten mit Lehmverputz abgelöst.
(4) H. UBL, Neues zum römischen und babenbergischen K., in: Jb. Kl. NF 11, 1979, S. 99 ff.
(5) CH. NEUGEBAUER-MARESCH u. J. NEUGEBAUER, Ein Friedhof der röm. Kaiserzeit in K., in: Archaeologia Austriaca 70, 1986, S. 317 ff. – DIES., K. in der Spätantike, Amtsblatt der Stadt K., Kulturbeilage 4/1986 u. 5–6/1986.
In den Wirren der Völkerwanderung, am Ende des 5. Jahrhunderts, wurde das römische Lager verlassen und dem Verfall preisgegeben. Entgegen früheren Annahmen konnte durch die neueren Grabungen keine Kontinuität der Besiedlung nachgewiesen werden, man fand keine Spuren menschlicher Anwesenheit während des 8. und 9. Jahrhunderts. Erst im 10. oder wahrscheinlicher im 11. Jahrhundert wurde das Areal des alten Römerkastells wieder besiedelt.
Während die alte Anlage auf der Hochterrasse verödete, entstand ein zweiter Siedlungskern knapp 1 km donauaufwärts rings um die nächste Anhöhe in Form einer Kirchsiedlung. War das römische Kastell zur Sicherung des Donauüberganges angelegt worden, so sollte die neue Siedlung die Uferlage wirtschaftlich nutzen: Fischfang und Fährdienste waren hier leicht zu bewerkstelligen. Die Donau war damals der wichtigste Verkehrsweg. Auf dem Hügel stand die dem hl. Martin geweihte Kirche, um die sich die Häuser auf beiden Seiten des Stromes gruppierten.
Bisher wurde von vielen Forschern die Ansicht vertreten, diese Siedlung sei mit dem 791 bezeugten Ort „Omuntesdorf” identisch, wo Karl der Große auf seinem Awarenzug pannonischen Boden betrat. Die Lage an der Westgrenze Pannoniens legte diese Identifizierung nahe, zumal das Patrozinium der Martinskirche für eine fränkische Gründung spricht. Auf Grund der neuesten Grabungsergebnisse muß diese Ansicht wohl revidiert werden. Es fanden sich auf dem Areal der Kirchsiedlung von St. Martin zwar urzeitliche Funde aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. sowie aus der späteren La-Tene-Zeit und der römischen Kaiserzeit. Die älteste mittelalterliche Siedlung stammt jedoch erst aus der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts, reicht also nicht bis 791 zurück. Man fand auch innerhalb der Martinskirche die Reste einer Holzkirche aus der Karolingerzeit (6). Die erste Steinkirche an dieser Stelle entstand nach 1000. Zu diesem romanischen Bau dürften jene zwei Pfeiler mit maskenhaften Menschenköpfen gehört haben, die man in der Martinstraße ausgrub und früher für awarische Stelen hielt (7). Sie waren aber eher Teile eines romanischen Kirchenportals (8).
(6) CH. u. J. NEUGEBAUER, Die Ausgrabungen in der Kirche St. Martin 1977–1982, in: UH 54, 1983, S. 97 ff.
(7) H. MITSCHA–MÄRHEIM, Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren. 1963, S. 152 f., Taf. 30.
(8) NEUGEBAUER, Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von 1977 in K.-St. Martin, in: Jb. Kl. NF 11, 1979, S. 232 ff.
Die Siedlung rund um die Martinskirche erstreckte sich auch auf das linke Donauufer. Die Donau war in viele Arme aufgespalten und umspülte viele kleine und größere Inseln und „Haufen”, was eben den Übergang über den Strom bei Klosterneuburg bedeutend erleichterte. Die häufigen Überschwemmungen führten aber dazu, daß diese vielen Donauarme öfter ihren Lauf änderten, und das war für die Bewohner der Ufer eine Katastrophe. Während die Häuser am rechten Donauufer unmittelbar um den Kirchenhügel relativ geschützt waren, wurden die Bewohner des linken, flachen Ufers immer mehr vom Strom weggedrängt. Für sie war auch der Kirchenbesuch in St. Martin erschwert. In einer Urkunde vom 27. Dezember 1146 spricht Papst Eugen III. ausdrücklich vom Pfarrecht Neuburgs auf beiden Seiten der Donau (9). Eine zwischen 1168 und 1176 anzusetzende Traditionsnotiz nennt bereits einen eigenen Pfarrer auf der anderen Seite der Donau (10). Im Jahre 1212 legten die Bewohner des linken Ufers schließlich weit landeinwärts eine neue Siedlung auf einem sicheren Platz an, der nicht mehr von Überschwemmungen gefährdet war – das heutige Korneuburg. Sie bildete zunächst noch mit dem alten Neuburg ein Gemeinwesen, doch konnte es nicht mehr lange dauern, bis die räumliche Trennung auch rechtlich vollzogen wurde.
(9) Stiftsarchiv K.; M. FISCHER, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt K., 1815, Bd. 2, S. 142 ff.
(10) Codex traditionum. (FRA II/4, 1851) Nr. 283.
Im 10. oder wahrscheinlicher erst im 11. Jahrhundert wurde das Areal des öden Römerkastells auf der Hochterrasse wieder besiedelt, und zwar zunächst nicht in vollem Ausmaß. In der Südwestecke des Kastells entstand das steinerne „Feste Haus” des Stadtherrn. Seine Reste stehen noch heute. Die übrigen Gebäude waren aus Holz und bildeten mehr einen Gutshof als eine Stadt. Für diese erneuerte Siedlung kam nun der Name „Neuburg” auf, – im Gegensatz zur „alten” Burg, als welche man wohl das Römerkastell betrachtete. Die römischen Umfassungsmauern, die geschickt die Geländeformation ausnützten, blieben zunächst weiter bestehen. Die Steine der übrigen Bauten fanden als willkommenes Baumaterial für das „Feste Haus” und für Kirchen Verwendung. Eine dieser Kirchen hat man innerhalb der Johanneskapelle, der „Capella speciosa”, ergraben (11). Sie ist offenbar dem „Festen Haus” zuzuordnen. Wahrscheinlich gab es aber auch schon eine Marienkirche an der Stelle der heutigen Stiftskirche.
(11) A. SCHMELLER, Die Ausgrabungen in K., in: Beiträge zur Kunstgeschichte u. Archäologie des Frühmittelalters, 1962, 308 ff.
Als früheste Nennung des Ortsnamens „Nivvenburg” wurde häufig eine Urkunde Kaiser Heinrichs III. aus dem Jahre 1042 betrachtet, doch bezieht sie sich sicherlich auf einen anderen Ort (12). Eine Urkunde desselben Kaisers von 1045 könnte eher in unserem Neuburg ausgestellt worden sein (13). Der erste absolut sichere Namensnachweis für unser „Nivvenburc” steht in der berühmten Traditionsnotiz vom September 1108 (14).
(12) MGH Diplom Heinrichs III, Nr. 98, 1042 Nov. 8.
(13) MGH Diplom Heinrichs III, Nr. 133, 1045 März 7. – FISCHER (wie Anm. 9) S. 117 f.
(14) FRA IV/2, Nr. 116. – BUB IV/1, Nr. 603. – F. RÖHRIG, Leopold III. der Heilige, 1985, S. 83 ff.
Da viele alte Römerorte schlechthin als „civitas” galten, wurden ihnen Gerichts- und Marktrechte zugestanden, ohne daß diese Rechte förmlich verliehen worden wären. Das muß auch für Neuburg gegolten haben. Es hatte sicherlich seit dem 11. Jahrhundert wie jede Stadt Gerichts- und Marktrecht. Als Stadtherr ist uns vor den Babenbergern ein Graf Walther von Chling überliefert (15). Dieser war mit den Sieghardingern (später Grafen von Burghausen) verschwägert (16), deren Nachfolge die Grafen im Augstgau (später Grafen von Cham-Vohburg) antraten, die gleichfalls in Neuburg Rechte besessen haben müssen. Seit dem Jahre 1113 tritt Markgraf Leopold III. als Herr des Platzes auf und beginnt hier mit dem Bau einer neuen Burg, die noch heute besteht. Im Zusammenhang damit legt er am 12. Juni 1114 den Grundstein zur großen Stiftskirche, wahrscheinlich auf dem Platz der alten Marienkirche, und gründet damit eines der bedeutendsten Stifte Österreichs (17). Es war ein Kollegiatstift für weltliche Kanoniker und wurde vom Markgrafen sehr reich ausgestattet. Die monumentalen Ausmaße der Kirche und mehrere andere Indizien deuten darauf hin, daß der Markgraf aus diesem Stift einen Bischofssitz machen wollte (18). Es kam jedoch nicht dazu, da der von Leopold III. zu dieser Würde ausersehene Sohn Otto in den strengen Zisterzienserorden eintrat und damit aus den kirchenpolitischen Plänen des Vaters ausschied. Diesen Umstand machten sich Erzbischof Konrad von Salzburg, die Bischöfe Reginmar von Passau und Roman von Gurk zunutze und bewogen 1133 den Markgrafen, das Stift in ein Kloster von Augustiner-Chorherren umzuwandeln und damit auf seine Eigenkirchenrechte zu verzichten. Dieser Schritt wurde dadurch begünstigt, daß im selben Jahr Bischof Hermann von Augsburg, der letzte aus der Familie der Grafen von Cham-Vohburg, gestorben war, der in Neuburg noch Rechte besessen hatte. Ihm hatte sicherlich die Afra-Kapelle im Bereich des Stiftes gehört, die die Begräbniskirche des Ortes war. Als die Augustiner-Chorherren einzogen, änderten sie das Patrozinium St. Afra in St. Nikolaus (19). Die Nikolauskapelle war der älteste Teil des Stiftskomplexes und wurde erst 1837 abgebrochen.
(15) MGH Necrologia 5, S. 39.
(16) Freundliche Mitteilung v. Dir. H. KRAL (noch nicht veröffentlicht).
(17) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 79 ff.
(18) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 86 ff.
(19) BUB IV, 1, Nr. 669. – RÖHRIG, Von Afra zu Nikolaus, in: FS. Mezler-Andelberg, 1988, S. 423 ff.
Wie alle Augustiner-Chorherrenstifte des Hochmittelalters war auch Neuburg ein Doppelkloster, das heißt, neben dem Herrenstift befand sich ein Kloster von Augustiner-Chorfrauen, die dem Propst des Herrenstiftes unterstanden. Die Anlage dieses Klosters schloß sich südlich an das Herrenstift an und reichte damit über die Fläche des Römerkastells hinaus. Die alte Chorfrauenkirche dient heute als Pfarrheim (Schiefergarten Nr. 1).
Noch eine zweite Anlage stand außerhalb der alten Römermauern: das Stiftsspital, das mindestens seit 1133, wahrscheinlich aber schon länger bestand. Es liegt etwa 1 km flußabwärts vom Stift auf einer Anhöhe über der Donau und war von einer eigenen Mauer wehrhaft umschlossen, die teilweise heute noch steht. Den Mittelpunkt der Anlage bildete die romanische Kirche. Sie war urspünglich dem Pilgerpatron St. Gotthard geweiht, das Patrozinium wurde aber bald auf St. Gertrud geändert. Ein großes Pilgerhaus mit der Front zur heutigen Leopoldstraße ist noch erhalten, ein rechtwinklig dazu angelegter Trakt über dem südlichen Abhang steht nicht mehr. Um die Gertrudskirche lag ein eigener Friedhof, wie es für ein Hospital üblich war.
Von 1113 bis zum Tode Leopolds III. (1136) war Neuburg der politische Mittelpunkt des Landes. Das Areal des Römerkastells wurde verbaut, doch dürften die Gebäude des Stiftes und der markgräflichen Hofhaltung dessen größten Teil eingenommen haben. Das Leben der Bevölkerung spielte sich zweifellos in der Kirchsiedlung um St. Martin ab, die man später die Untere Stadt nannte. Auch der Markt fand dort statt, da ja viele Waren auf dem Wasserweg herangeschafft wurden. Es ist sicher, daß der Name Neuburg damals auch schon auf diesen Stadtteil ausgedehnt wurde, wie die Papsturkunde von 1146 beweist (20). Nach dem Tode Leopolds III. mußte Neuburg seine Vorrangstellung an Wien abtreten. Dementsprechend dominierte fortan in der Oberen Stadt das Stift allein.
(20) Vgl. Anm. 9.
Für kurze Zeit kehrte der Glanz der herzoglichen Residenz nach Neuburg zurück, als Herzog Leopold VI. (1195–1230) bald nach seinem Regierungsantritt Wien verließ und seine Hofhaltung in Neuburg aufschlug. Die Burg seines Urgroßvaters Leopold III. (das heutige Stiftsarchiv) dürfte ihm allerdings zu klein gewesen sein, denn er ließ den Bereich des alten „Festen Hauses” in der Südwestecke des Römerkastells großzügig ausbauen. Die Stelle der römischen Lagermauer nahm nun eine prächtige Palastfassade ein, die in den letzten Jahren freigelegt werden konnte (zugänglich durch das Stiftscafé). An den Saal des Herzogs schloß sich ein kleiner, etwas rätselhafter Sakralbau an (Sakristei oder eher Schatzkammer) (21) und weiter die ehemals berühmte, doppelgeschoßige „Capella speciosa”, auch marmorsteinerne Kapelle genannt, der erste gotische Prachtbau Österreichs, 1222 geweiht (22). Warum Leopold VI. die mit solchem Prunk ausgestattete Residenz in Klosterneuburg wieder verließ und nach Wien zurückkehrte, ist nicht bekannt. In der Folge wurde die herzogliche Burg den Juden überlassen; dort entstanden das Ghetto und die Synagoge.
(21) UBL (wie Anm. 4) S. 124 f.
(22) A. ESSENWEIN, Die Kapelle des hl. Johannes d. T. zu K., in: Ber. u. Mitt. d. AV zu Wien 5, 1861, S. 1 ff.
In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, unter der Regierung des Böhmenkönigs Ottokar Przemysl II. (1251–1276) wurde die Obere Stadt planmäßig erweitert und befestigt. Bis jetzt wurde ja das Gelände des Römerkastells nur von Stift und Herzogshof eingenommen, wenn auch schon verschiedene Anlagen, wie das Chorfrauenstift, über dessen alte Grenzen hinausragten. Nun wurde die Obere Stadt auf mehr als das Fünffache ihrer Fläche erweitert und zugleich wirksam befestigt. Sie nahm das gesamte Hochplateau ein und reichte bis unter den Hang des Buchbergs. Der Abfall zum Kierlingbach bildete die natürliche Nordgrenze gegen die Untere Stadt. Hier mußte nur die römische Lagermauer um das Doppelte verlängert werden. Der Abhang zur Donau formte eine natürliche Grenze gegen Osten. Hier fungierten die Wehrbauten des Stiftes, die mit ihren Annexen bis an den Rand der Hochterrasse reichten, zugleich als Stadtbefestigung. Die Südseite der Stadt (die gegen Wien gerichtete Flanke) war zur Donau hin gleichfalls durch den Abhang geschützt, aber da dieser Graben gegen Westen hin flacher wurde, verlängerte man ihn durch einen künstlichen Graben vor der Stadtmauer. Die gefährdete Flanke der Oberstadt war die Westseite, von der zwar keine Verkehrswege in die Stadt mündeten, die aber vom Hang des Buchbergs herab leicht eingesehen und angegriffen werden konnte. Erst in der nördlichen Hälfte dieser Seite senkt sich das Gelände wieder in einem natürlichen Graben ab (die heutige Buchberggasse). An dieser nordwestlichen Ecke der Stadt wurde nun die neue landesfürstliche Burg errichtet, an einer strategisch wichtigen Stelle, von wo aus die Straße durch das Kierlingtal in Richtung Westen weiterführte.
Diese neue Anlage war so großzügig, daß sie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Stadt genügend Lebensraum bot. Die Stadtplanung mit dem regelmäßigen Rathausplatz in der Mitte stimmt mit anderen ottokarischen Städtegründungen überein (Bruck a. d. Mur, Marchegg, Budweis u. a.) (23). Es ist auch anzunehmen, daß schon König Ottokar mit dem Bau der Burg in der Nordwestecke begann. Vollendet wurde sie allerdings erst unter dem ersten habsburgischen Landesfürsten, Herzog Albrecht I. (1282–1298/1308), der sich gerne hier aufhielt. 1288 muß die Burg schon fertig gewesen sein, denn in diesem Jahr erteilte der Erzbischof von Salzburg der „neuen Kapelle” des Herzogs zu Neuburg einen Ablaß (24).
(23) A. KLAAR, Der Stadtplan von K. und Korneuburg, in: UH NF 9, 1936, S. 14 ff.
(24) FISCHER (wie Anm. 9) Bd. 2, S. 293 f.
Die neu angelegte Oberstadt war stark befestigt und hatte nur wenige Zugänge. Die Geländestufe zur Donau erlaubte überhaupt nur einen Zugang durch die Stiftsanlage. Dieses Tor besteht als einziges aller Stadttore noch heute, seine derzeitige Form erhielt es 1671. Es hieß früher „Schlagbrückentor” nach der benachbarten Brücke über den Kierlingbach. Von diesem Tor führte anfangs eine Rampe, seit dem Spätmittelalter eine Stiege durch zwei Tortürme in den äußeren Stiftshof hinauf. Dieser steile Weg war sehr stark befestigt und machte Stift und Stadt von dieser Seite her uneinnehmbar. Die Befestigungen des Stiftes gegen die Donau sind zum großen Teil noch erhalten. Alte Mauern stehen noch, vor allem ein runder Wehrturm, der „Sattlerturm”, der 1895 um ein Stockwerk erhöht wurde.
Der Hauptzugang in die Obere Stadt lag an der Südseite, hier wurde das „Wiener Tor” errichtet. Ihm war eine Brücke über den Stadtgraben vorgelagert, seit dem 16. Jahrhundert verstärkten noch zwei Bollwerke die Sicherheit dieses Zugangs. Da die Stadt vom Westen her, vom Hang des Buchbergs, am leichtesten angreifbar war, gab es an dieser Seite überhaupt kein großes Tor. In der Mitte der Westflanke war lediglich ein kleiner Fußgänger-Durchgang, das „EiserneTürl”, durch das die Bürger zu ihren Feldern und Weingärten am Buchberg gelangen konnten. Dieser kleine Eingang wurde angesichts der strategischen Verwundbarkeit mit einem eigenen, massiven Turm geschützt (25). Ob es diesen Zugang von Anfang an gab, oder ob er erst in späterer Zeit zur Bequemlichkeit der Bewohner eröffnet wurde, ist ungewiß (26). Die Nordwestecke der Stadt nahm die neue landesfürstliche Burg ein, ein imposantes Gebäude, das stark befestigt war. Außer einigen Abbildungen aus der Spätzeit, als der Bau schon Ruine war, ist heute nur mehr ein rundes Vorwerk mit der Jahreszahl 1531 erhalten.
(25) RÖHRIG, K. in alten Ansichten, 1973, S. 57 ff.
(26) A. STARZER, Geschichte der landesfürstlichen Stadt K., 1900, S. 61 f.
Ähnliche Rondelle (Barbacane) sicherten auch den Aufgang zur Oberstadt von Norden her, von der Unteren Stadt. Dieser steile, stark befestigte Weg war nur zu Fuß passierbar und führte durch zwei Tore. Der Name „Hundskehle” für diesen Weg ist schon im 14. Jahrhundert urkundlich bezeugt. Es ist daher fraglich, ob er eine irrtümliche Übersetzung des ursprünglich persischen Wortes Barbacane ist. Die Hundskehle war der alte Aufgang zum römischen Kastell beziehungsweise zur frühmittelalterlichen Neuburg. Wo sie die Obere Stadt erreichte, im Bereich der heutigen Albrechtsbergergasse, sicherte wiederum ein Turm den Zugang. Seine Reste wurden erst im 19. Jahrhundert beseitigt.
Die Obere Stadt war also außerordentlich stark befestigt und konnte fast als uneinnehmbar gelten. Es fällt auf, daß diese Befestigungen auch gegen die Untere Stadt hin angelegt waren. Man rechnete also von Anfang an damit, daß die Unterstadt nicht zu verteidigen war und die Oberstadt als Zufluchtsstätte für die gesamte Bevölkerung dienen sollte. Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, daß die Obere Stadt so großzügig dimensioniert war und alle natürlichen Geländevorteile für ihre Befestigung ausgenützt wurden. Die Befestigung der Unteren Stadt war bei weitem nicht so wirksam und auch nicht so alt.
Die starke Befestigung Klosterneuburgs hatte auch in der strategisch wichtigen Lage ihren Grund. Sie sicherte den Donauübergang, der bis zum Bau der ersten Brückein in Wien (1439) der wichtigste in diesem Bereich war, und bewachte zugleich den Zugang nach Wien am rechten Donauufer. Klosterneuburg wurde daher oft als „Schlüssel des Landes” bezeichnet. In den Kämpfen mit Ottokar von Böhmen fiel die Stadt im Oktober 1276 durch List in die Hand Herzog Ludwigs von Bayern, eines Parteigängers Rudolfs von Habsburg (27). König Rudolf und vor allem sein Sohn Albrecht I. zeigten sich hinfort Neuburg sehr gewogen. Herzog Albrecht zog schließlich die Konsequenzen aus dem Umstand, daß sich die beiden Hälften der Stadt „diesseits” und „enhalb der Tunaw” so weit auseinander entwickelt hatten. Er trennte die beiden Stadtteile rechtlich voneinander. Interessant ist, daß das alte Stadtrecht mit dem Markt und dem Landgericht bei der neuen Siedlung am linken Donauufer blieb. Dort saß auch der landesfürstliche Richter. Für die alte Hälfte der Stadt am rechten Ufer, „Neuburg klosterhalben”, erließ Herzog Albrecht am 5. Februar 1298 ein neues Stadtrecht, das der Gemeinde viele Rechte einräumte (Markt, Gericht, Überfuhr usw.) und sie unter die Obrigkeit des Landesfürsten stellte. Dadurch wurden alte Rechte des Stiftes geschmälert. Aus Dank für den Herzog nannte sich daher die Siedlung am Stiftsufer nun „Herzogneuburg”, wie das älteste Stadtsiegel beweist. Das Stift hingegen grollte dem Herzog wegen der Minderung seiner Rechte und sah seine Ermordung 1308 als gerechte Strafe an. Erst allmählich bürgerte sich für die Stadt am rechten Ufer der Name Klosterneuburg ein. Er ist erstmals 1396 schriftlich nachweisbar. Die Siedlung am anderen Ufer führte schon seit 1371 den Namen Korneuburg (28).
(27) STARZER (wie Anm. 26) S. 45 ff.
(28) H. JÄGER-SUNSTENAU, Das Archiv der Stadt K., 1962, S. 57 ff.
Wie schon erwähnt, dürfte Neuburg bereits im 11. Jahrhundert die Rechte einer Stadt besessen haben, doch ist nichts Näheres darüber bekannt. Der erste Stadtrichter, den wir mit Namen kennen, ist ein gewisser Dietrich, der 1281 in einer Urkunde erscheint (29). Das nach der Trennung der beiden Stadtteile von Herzog Albrecht I. dem Neuburg am rechten Donauufer 1298 verliehene Stadtrecht orientiert sich am Wiener Stadtrecht von 1278. Der erste bekannte Stadtrichter von „Herzogneuburg” war Otto der Chreuczer, der 1300 urkundlich bezeugt ist (30). In der Folge wurde das Klosterneuburger Stadtrecht stets dem von Wien angeglichen, wie es durch Erlässe Rudolfs IV., Albrechts III. und des König Ladislaus geschah (31). Maximilian I. ordnete 1506 die Wahl des Stadtrichters neu und verfügte gleiche Rechte für die Bewohner der Oberen und der Unteren Stadt. Stadtherr von Klosterneuburg war der Landesfürst, er sollte auch gemäß dem Stadtrecht von 1298 den Stadtrichter einsetzen, der den Blutbann zu vollziehen hatte. Aber bereits im 14. Jahrhundert wählte sich die Bürgerschaft selbst den Stadtrichter, der allerdings vom Landesfürsten bestätigt werden mußte. Das Gericht zu Neuburg wurde auch verpachtet, aber bereits am Ende des 14. Jahrhunderts erscheint die Stadt Klosterneuburg als Bestandsinhaberin des Gerichtes in ihrem Burgfrieden. 1391 bestimmte die Bürgerschaft, daß der Stadtrichter jeweils auf ein Jahr zu wählen sei (vorher war seine Amtszeit nicht zeitlich fixiert). Er konnte allerdings unbeschränkt wiedergewählt werden. Eine Hofresolution von 1774 bestimmte, daß der Stadtrichter auf drei Jahre zu wählen sei, was von Kaiser Joseph II. auf vier Jahre verlängert wurde. Seit damals führt das Oberhaupt der Stadt den Namen Bürgermeister.
(29) STARZER (wie Anm. 26) S. 178 f.
(30) FRA II/ 10, Nr. 71, S. 93 f.
(31) STARZER (wie Anm. 26) S. 174.
Nun mußte das allein verbliebene „Neuburg klosterhalben” seine Struktur auf das neue Stadtrecht einstellen. Das hieß vor allem, Raum für den Markt zu schaffen. Der große Platz in der Oberen Stadt (heute Rathausplatz) bot zwar genug Raum, war aber von der Donau her nur schwer zu erreichen, und auf dem Wasserweg wurden die meisten Güter herangeschafft. Daher entstanden um 1300 zwei neue Marktplätze. Unmittelbar am Donauufer der Niedermarkt, der heute noch so heißt, wo vielfach gleich von den Marktzillen aus die Waren verkauft wurden. Das war bis zum Bau der Franz-Josephs-Bahn üblich. Westlich daran schloß sich, etwas erhöht, der zweite neue Marktplatz. Er hat die für die Zeit um 1300 charakteristische Form des langgestreckten Straßenplatzes mit seitlichen Rippengassen (32). Dieser Platz – heute Stadtplatz genannt — wurde ursprünglich mit dem „Niederen Markt” als Einheit aufgefaßt und führte denselben Namen. Wichtig waren die nach Norden führenden Gassen, denn sie stellten die Verbindung mit der alten Siedlung um St. Martin her. Zwei davon bestehen noch heute: die Enggasse (arta strata, heute Martinstraße) und die Weitgasse (ampla strata, heute Albrechtstraße). Dazwischen lag in der Mitte noch eine schmale Gasse, die verschwunden ist.
(32) KLAAR (wie Anm. 23) S. 15 f.
Von der Südseite des Platzes zweigten gleichfalls drei Rippengassen ab, die noch heute bestehen: Bachgasse, Kreutzergasse und Hofkirchnergasse. Am westlichen Ende war der Platz geschlossen, man konnte nur über einen kleinen Umweg in der heutigen Hofkirchnergasse (ehemals Fortsetzung der Weitgasse) das Kierlinger Tor erreichen, das auf der Höhe der heutigen Hölzlgasse lag.
Die Untere Stadt war bei weitem nicht so stark befestigt wie die Oberstadt. Eine richtige Mauer besaß sie nur gegen die Donau hin. Diese Mauer war von drei Toren durchbrochen. Das Wassertor, das größte der Stadttore, stand an der Stelle des heutigen Bahnhofs Klosterneuburg-Kierling. Weiter stromaufwärts, an der Mündung der Fischergasse, war das kleine Pachnertor, und am Ende der Mauer, nach Norden gerichtet und zugleich die noch heute so genannte Wasserzeile abschließend, öffnete sich das Fischertor. Die anderen Seiten der Unteren Stadt waren bloß von Hecken und Holzpalisaden eingezäunt, nur die Tortürme waren gemauert. Es waren dies das schon genannte Kierlinger Tor im Westen, und gegen Norden an der Ausmündung der jeweiligen Gassen das Enggassen- und das Weitgassentor. Der abschließende Zaun verlief dazwischen entlang der heutigen Langstögergasse. Damit war aber der Kirchhügel von St. Martin mit der umliegenden Siedlung vom Stadtgebiet ausgeschlossen. Dieser nördliche Stadtteil, der bis zum Chorfrauenstift St. Jakob (gegründet 1261, den Franziskanern 1451 übergeben, heute Erziehungsheim der Stadt Wien) reichte, erhielt eine eigene Umzäunung. In sie führte das später so genannte Franziskanertor und in der Nähe beim Dürnhof (Ziegelofengasse Nr. 2) das kleine Dürnhoftor nach Westen. Obwohl damit die gesamte Untere Stadt in die Befestigung einbezogen war, hatte dies doch eher rechtliche Bedeutung, denn im Falle eines feindlichen Angriffs konnten Hecken und Holzpalisaden keinen wirksamen Schutz bieten. Es war sicherlich von Anfang an geplant, in einem solchen Fall die Unterstadt zu räumen und sich in die Oberstadt zurückzuziehen, wie es tatsächlich mehrmals geschah.
Die Obere Stadt war stark befestigt und noch dazu durch das Gelände, das nach zwei Seiten steil abfiel, strategisch begünstigt. Allerdings gab es hier zwei Siedlungen, die außerhalb der Mauern lagen. Vor dem Wiener Tor erstreckte sich seit dem 14./15. Jahrhundert beiderseits der uralten Reichsstraße (heute Agnesstraße) ungeschützt das „Neusiedel”. Von dort war durch eine Stichstraße (heute Ottogasse) das schon erwähnte Stiftsspital mit der Gertrudskirche zu erreichen, das mit seiner Ummauerung die günstige Lage über der Donau ausnützte.
Innerhalb der Oberstadt, auf dem Areal der verlassenen Herzogsburg, lag das jüdische Ghetto mit der Synagoge. Die Juden waren in das Wirtschaftsleben der Stadt integriert und standen auch mit dem Stift in reger Geschäftsverbindung. Das verhinderte aber nicht, daß in der großen Verfolgung des Jahres 1341 die Juden auch aus Klosterneuburg vertrieben wurden und das Ghetto in Flammen aufging. Die Kleine Klosterneuburger Chronik berichtet, daß „die Juden” getötet wurden, doch entgingen manche dem Tod (33). Der kapitalkräftige Jude Steuß, der sein Haus an der Synagoge gehabt hatte, zog nach Wien. Von ihm hatte sich Herzog Albrecht II. 1.400 Pfund Pfennig entliehen. Zur Tilgung dieser Schuld wurden 1364 die Bürger Klosterneuburgs von Rudolf IV. angehalten, ihre Steuern an Steuß zu entrichten (34). Dessen Sohn Jona machte von Wien aus weiterhin Geschäfte mit den Klosterneuburger Bürgern (35).
(33) Deutsche Chroniken, hrsg. v. H. MASCHEK, 1936, S. 288.
(34) JÄGER (wie Anm. 28) S. 19 f.
(35) JÄGER (wie Anm. 28) S. 24 f.
Das Marktrecht besaß die Stadt wohl schon seit Anbeginn. König Ottokar erneuerte 1256 dieses Recht und verlegte gleichzeitig den Wochenmarkt auf den Montag. Nach der Unterwerfung Ottokars bestätigte König Rudolf I. den Markt aufs neue und verlegte ihn auf den Sonntag zurück (36). Dieser Markt wurde zweifellos am jenseitigen Donauufer, im heutigen Korneuburg, abgehalten. Als dann Albrecht I. die beiden Städte rechtlich trennte, verlieh er der Stadt am rechten Ufer neuerlich einen Wochenmarkt, und zwar an jedem Montag (37). Für diesen Markt wurde, wie vorher erwähnt, der „Niedere Markt” angelegt. Und nun nahm auch die Obere Stadt das Recht in Anspruch, auf dem Oberen Marktplatz (heute Rathausplatz) gleichfalls Markt abzuhalten. Den lange dauernden Streit der beiden Stadthälften schlichtete Kaiser Maximilian I. am 23. April 1506 in dem Sinn, daß jede der beiden an zwei Tagen der Woche, aber nicht zugleich, Markt abhalten dürfe. Für die Wahl des Stadtrichters sollte jeder der beiden Teile die gleiche Zahl von Wahlmännern stellen (38). Wenig später befahl derselbe Kaiser angesichts der Türkengefahr die Ausbesserung der Stadtmauern (39). Das Hochgericht besaß die Stadt Klosterneuburg schon seit dem Stadtrecht von 1298. Die Richtstätte befand sich südöstlich der Stadt oberhalb des Kammerjochs. Das Rathaus steht nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert an der heutigen Stelle. Es ist anzunehmen, daß sich auch der Vorgängerbau dort befand. Davor stand der Pranger an der Stelle der heutigen Mariensäule.
(36) STARZER (wie Anm. 26) S. 45, 49.
(37) JÄGER (wie Anm. 28) S. 57 ff.
(38) JÄGER (wie Anm. 28) S. 31 f.
(39) JÄGER (wie Anm. 28) S. 32.
Im Verhältnis zur Verbauung war das umgrenzte Areal der Stadt sehr groß. Bis ins 19. Jahrhundert bestanden innerhalb der Stadtmauern große Hausgärten, ja sogar zahlreiche Weingärten. Die Haupteinnahme der Bürger bestand im Weinbau. Fast jeder Klosterneuburger Bürger betrieb ihn, oft auch neben einem anderen Gewerbe. Die Hauerzeche wird 1380 urkundlich genannt. Zahlreich waren auch die Gewerbetreibenden, die mit dem Weinbau verbunden waren: Faßbinder, Faßzieher und Wagner. Der Wein wurde vor allem nach Oberösterreich, Salzburg, Bayern und Böhmen verfrachtet, meist auf dem Wasserweg, seltener nach Ungarn. Das Chorherrenstift, der größte Weinproduzent bis auf den heutigen Tag, schenkte seine Weine auch in Wien aus. Wegen des „Leutgebens” in Klosterneuburg gab es häufig Konflikte zwischen Stift und Stadt. Ein Privileg vom Jahre 1400 erlaubte den Klosterneuburger Bürgern, ihre Weingärten in Pacht zu geben oder von Tagwerkern bearbeiten zu lassen. Schon früh wird die Wirtschaft der Stadt durch Einfuhrverbote fremder Weine geschützt. 1415 verbot Herzog Albrecht V. auswärtigen Besitzern die Verpachtung ihrer Weingärten an Klosterneuburger Bürger und bestätigte 1418 das Ausschenkverbot für Pächter auswärtiger Grundherren (40). Das Stift erhielt 1417 das Privileg, Wein frei ausschenken zu dürfen. Viele auswärtige Bistümer und Stifte besaßen rings um die Stadt Weingärten. Ihre Lesehöfe lagen zum Teil innerhalb der Stadtmauern. Solche Lesehöfe hatten die Bistümer Passau (Martinstraße Nr. 61) und Freising (Agnesstraße Nr. 20), die Stifte Kremsmünster (Martinstraße Nr. 12), Wilhering (Albrechtstraße Nr. 61), Mondsee (Albrechtstraße Nr. 69), Schlierbach (Albrechtstraße Nr. 33), Baumgartenberg (Agnesstraße Nr. 10), Lambach (Bachgasse Nr. 2), Berchtesgaden (Agnesstraße Nr. 61), St. Nikola-Passau (Ottogasse Nr. 17) und mehrere andere. Diese Lesehöfe verwalteten etwa das Fünffache der von den Bürgern bearbeiteten Weingartenfläche (41). Der gleichfalls beträchtliche Weingartenbesitz des Landesfürsten wurde vom Berghof (Kierlinger Straße Nr. 13) aus bewirtschaftet. 1480 erhielt die Stadt eine Salzkammer und damit das ausschließliche Recht des Salzverkaufs innerhalb ihres Burgfriedens (42).
(40) JÄGER (wie Anm. 28) S. 24 ff.
(41) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 121.
(42) JÄGER (wie Anm. 28) S. 29.
1461 wurde Klosterneuburg von den Truppen Herzog Albrechts VI. kampflos besetzt und bis zum Tod des Herzogs 1463 gehalten. Am 21. August 1477 erstürmten die ungarischen Truppen des Königs Matthias Corvinus zunächst die Untere Stadt und am nächsten Tag die Obere Stadt, wobei es Plünderungen und Tote gab. Noch im selben Jahr wurde Friede geschlossen, doch brach der Krieg 1481 von neuem aus. 1482 wurde die Untere Stadt von den Ungarn geplündert und in Brand gesteckt, die Obere Stadt konnte sich halten. Am 16. April 1483 rückten neuerlich ungarische Truppen heran, und das Volk erzwang von den Stadträten die Übergabe. König Matthias erwies sich den Klosterneuburgern gnädig und suchte ihre Sympathie zu gewinnen, doch die hohen Lasten, die er der Bevölkerung auferlegte, ließen die anfängliche Begeisterung bald schwinden. Nach dem plötzlichen Tod des Königs belagerte Maximilian I. die Stadt und beschoß sie mit Kanonen, bis sich am 9. September 1490 die ungarische Besatzung ergab (43).
(43) K. SCHOBER, Die Eroberung Niederösterreichs durch Matthias Corvinus in den Jahren 1482–1490, in: BI. LKNÖ NF 14, 1880, S. 113 ff.
Von den Verwüstungen dieser Kämpfe erholte sich die Stadt schnell, ebenso von einer Feuersbrunst im Jahre 1508 (44). Die Heiligsprechung Markgraf Leopolds III. am 6. Jänner 1485 hatte das Stift Klosterneuburg, das schon bisher Ziel vieler Wallfahrer gewesen war, zu einem österreichischen Nationalheiligtum gemacht. Die feierliche Translation seiner Reliquien, die am 15. Februar 1506 unter Beteiligung Kaiser Maximilians und vieler Großer stattfand, wurde zugleich zu einer dynastischen Kundgebung und war Anlaß für einen regelrechten „Historikerkongreß” (45). Es entwickelte sich ein reger Wallfahrtsbetrieb, das ehemals politische Zentrum des Landes wandelte sich zu einem religiösen Mittelpunkt.
(44) H. ZEIBIG, Aufzeichnungen der K.er Stiftsdechante, in: Notizenblatt 4, 1854, S. 265.
(45) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 145 ff.
Am Beginn des 16. Jahrhunderts wuchs die Bedrohung durch die Türken. 1506 befahl Kaiser Maximilian die Ausbesserung der Stadtmauern. Am 27. September 1529 standen die Türken vor Klosterneuburg. Sie bemächtigten sich der Unteren Stadt, die von den Bewohnern geräumt worden war, plünderten die Häuser und steckten sie in Brand, wobei auch die Pfarrkirche St. Martin und die Franziskanerkirche St. Jakob in Flammen aufgingen. Alle Angriffe auf die Obere Stadt konnten jedoch abgeschlagen werden. Am 16. Oktober gaben die Türken die Belagerung auf und zogen ab. Als nun die Chorherren und Chorfrauen, die nach Passau geflüchtet waren, wieder ins Stift zurückkehren wollten, verweigerte ihnen Melchior von Lamberg, der Kommandant der Söldner, die Stift und Stadt verteidigt hatten, den Einlaß. Er hatte nämlich kein Geld, um die Truppe zu entlohnen, und wollte auf diese Art das Stift erpressen. Der Propst mußte Lamberg seine Kosten ersetzen und ihm überdies für die tapfere Verteidigung ein Ehrengeschenk überreichen (46). Durch zwei Jahrhunderte verlangte die Türkengefahr, die auf Österreich lastete, der Stadt und dem Stift große Opfer ab.
(46) V. LUDWIG, Propst Georg Hausmanstetter, in: Jb. Kl. 4, 1912, S. 312 ff.
Wie überall in Österreich, drang die Lehre Martin Luthers auch in die Stadt Klosterneuburg ein. Im Stift konnte sie zunächst nicht Fuß fassen, denn Propst Georg Hausmanstetter (1509–1541) war ein Vertrauter König Ferdinands I. und stand fest auf der Seite der alten Religion, im Gegensatz zum Großteil der Landstände. Eine Visitation im Jahre 1528 ergab, daß unter allen Stiften Österreichs nur mehr Klosterneuburg voll zum katholischen Glauben stand (47). Das änderte sich nach dem Tod des Propstes, bereits 1548 wurden im Stift lutherische Lehren verkündet. Katholischer Gottesdienst wurde nur mehr im Franziskanerkloster gehalten. Das Stift kam personell und wirtschaftlich herunter, das Frauenstift ging gänzlich ein. 1568 starb die letzte Chorfrau. Erst durch energische Maßnahmen der Regierung wurde das Stift zur alten Religion zurückgeführt. Sie setzte gegen heftigen Widerstand des Konvents den katholischen Kaspar Christiani, einen Norddeutschen, 1578 zum Propst ein, und dieser machte den Konvent wieder katholisch. Die Rückgewinnung der Stadt Klosterneuburg war erst am Anfang des 17. Jahrhunderts vollendet (48).
(47) RÖHRIG, Protestantismus und Gegenreformation im Stift K. und seinen Pfarren, in: Jb. KI. NF 1, 1961, S. 106 ff.
(48) RÖHRIG, K. (Wiener Geschichtsbücher Bd. 11, 1972) S. 63 ff.
Die Bedrohung durch die Türken blieb weiterhin akut. Ferdinand I. schenkte der Stadt Klosterneuburg die baufällige, unter Albrecht I. vollendete Herzogsburg, um damit die Abwehrfähigkeit der Stadt zu stärken. Die Burg wurde von der Bürgerschaft instandgesetzt und das städtische Zeughaus darin untergebracht (49). Von den Bauernaufständen und sonstigen Kriegen des 16. und 17. Jahrhunderts blieb Klosterneuburg im wesentlichen unberührt, die Wirtschaft konnte sich zufriedenstellend entwickeln. Das Stift wurde im Zeichen der katholischen Restauration prächtig erneuert, zunächst in jenem nachgotischen Stil, der bewußt an das Mittelalter anschloß, später von italienischen Baumeistern in dem von Italien importierten Frühbarock. Die Umgestaltung der Stiftskirche wurde durch den Türkeneinfall von 1683 jäh unterbrochen.
(49) JÄGER (wie Anm. 28) S. 34.
Überraschend schnell rückte das türkische Heer in Niederösterreich heran. Die Insassen des Stiftes flüchteten nach Passau und Ranshofen, die Bewohner der Unteren Stadt und des Neusiedel zogen sich in die Obere Stadt zurück. Am 17. Juli rückten die Türken über Weidling nach Klosterneuburg vor, plünderten und verbrannten die Untere Stadt (50). Ein Angriff auf das Zeughaus (die alte Herzogsburg) konnte abgeschlagen werden. Am nächsten Tag sandte Herzog Karl von Lothringen, da er den Verteidigungswillen und die gute Kampfmoral der Klosterneuburger Bürger erkannte, eine Kompanie Soldaten zur Verstärkung in die Stadt. Der nächste große Angriff der Türken erfolgte am 26. Juli gegen das Wiener Tor. Sie konnten eine Bresche in die Mauer brechen, wurden aber zurückgeschlagen und erlitten Verluste. Daraufhin steckten sie die Vorstadt Neusiedel und das Stiftsspital in Brand. Am 8. August setzte Oberst Donat von Heißler mit seinen Dragonern über die Donau, schlug beim Kahlenbergerdorf eine starke türkische Streitmacht in die Flucht und kam mit der Beute nach Klosterneuburg. Am 22. August wurde die Untere Stadt neuerlich von den Türken besetzt, am nächsten Tag erfolgte wieder ein Großangriff. Ein Ausfall der Verteidiger durch das Hundskehlentor verlief erfolgreich. Bei einem letzten Angriff mit 12.000–13.000 Mann versuchten die Türken am 24. August wiederum die Obere Stadt zu erstürmen. Da ihnen dies nicht gelang, zerstörten sie die Untere Stadt vollständig und zogen ab. Am 28. August konnte Oberst Heißler eine kleinere türkische Abteilung zurückschlagen. Am 7. September besiegte er eine stärkere türkische Einheit auf der Klosterwiese (Gelände der heutigen Weinbauschule). Das letzte Gefecht fand am 8. September im Schiefergarten (heute Renninger) statt. Durch überlegene Ausnützung des Terrains konnte Heißler mit etwa 300 Soldaten 4.000—5.000 Türken besiegen. Daraufhin zogen die Belagerer ab, Klosterneuburg war gerettet. Zum guten Teil war das das eigene Verdienst der Klosterneuburger. Und da sie damit den Weg für das kaiserliche Entsatzheer frei gemacht hatten, trugen sie wesentlich dazu bei, daß die Stadt Wien im letzten Augenblick aus höchster Gefahr gerettet werden konnte.
(50) Kat. der Ausstellung „K. 1683 – Türkensturm und Verteidigung”, 1983.
Klosterneuburg hatte durch die Belagerung sehr schwer gelitten, Untere Stadt und Neusiedel waren fast völlig zerstört. Der Wiederaufbau der Häuser ging verhältnismäßig rasch vonstatten. Lange zog sich die Fertigstellung der zerstörten Gotteshäuser hin. Die St.-Gertruds-Kirche war 1700 wiederhergestellt (die benachbarte Kapelle St. Barbara und St. Margarete wurde nicht mehr aufgebaut), die Pfarrkirche St. Martin war 1723 fertig, die Franziskanerkirche St. Jakob erst 1732. Die vielen „öden Häuser” boten vielfach Gelegenheit für Grundstücksspekulationen. In der Stiftskirche wurde der barocke Umbau gleich nach dem Ende der Belagerung weitergeführt. Ein Deckenfresko von Johann Georg Greiner zeigt die Belagerung der Stadt und die Gottesmutter Maria, die Stadt und Stift vom Himmel aus beschützt.
Nicht nur durch die Zerstörungen der Türkenbelagerung hatte die Wirtschaft Klosterneuburgs gelitten. Die Stadt wurde auch von der allgemeinen Krise des Weinbaus erfaßt, die durch die Konkurrenz der nun ungehindert eingeführten Ungarweine in ganz Niederösterreich entstand. Unter allen Weinbaugemeinden war Klosterneuburg am schwersten verschuldet. Im Jahre 1725 mußten der Stadt Klosterneuburg allein 249.943 fl. Steuerschulden nachgelassen werden, 1746 betrugen die Steuerrückstände schon wieder 125.363 fl., und es bestand keine Hoffnung, sie je einzubringen (51). Unter solchen Umständen konnte die Stadt keinen großen Aufwand treiben, zumal es kaum ein finanzkräftiges Patriziat gab. Immerhin wurde das Rathaus um das Jahr 1725 vergrößert und mit einer schönen Barockfassade ausgestattet. Zum Dank für den glimpflichen Verlauf der letzten großen Pestepidemie von 1713 ließ der Magistrat die Dreifaltigkeitssäule auf dem Stadtplatz errichten.
(51) F. BALTZAREK, Beiträge zur Geschichte des vierten Standes in N. Ö., in: MÖStA 23, 1970, S. 84f.
Während im Mittelalter zahlreiche Edelleute in der Stadt ansässig waren, gab es im 18. Jahrhundert nur wenige Adelssitze in Klosterneuburg. In erster Linie ist der Dürnhof oder Thürnhof zu nennen (Albrechtstraße Nr. 93–95), ein ehemals landesfürstlicher, dann bürgerlicher Hof, der nach dem Türkensturm zu einem Gartenpalast ausgebaut wurde. 1723 kam er durch Erbschaft an den Fürsten de Ligne, der hier einen prächtigen Garten mit Wasserspielen und Grotten anlegen ließ (52). Ein zweiter Adelssitz entstand vor dem Wiener Tor auf dem ehemaligen Areal des böhmischen Stiftes Zedlitz. Vom hier errichteten Gartenpalast des Grafen Hadik, der nur aus Grundrissen bekannt ist, hat sich keine Spur erhalten (53). Bescheidener ausgestattet war ein Adelssitz im Neusiedel (Agnesstraße Nr. 55), der zeitweise im Besitz der Kuefstein und Breuner war. Die heutige, barocke Innendekoration geht auf Graf Stockhammer zurück. Auch einige klösterliche Lesehöfe wurden beim Wiederaufbau aufwendiger gestaltet. Zu nennen sind hier vor allem der Kremsmünsterer (Martinstraße Nr. 12) und der Wilheringer Hof (Albrechtstraße Nr. 61) sowie der St. Florianer Hof in Kritzendorf. Auch der landesfürstliche Berghof, ein älteres, mächtiges Gebäude neben dem Kierlinger Tor, wurde 1690 wiederhergestellt, wie die Inschrift am Portal ausweist.
(52) M. WELLNER, Karl Josef de Ligne und der Dürnhof in K., Amtsblatt der Stadt K., Kulturbeilage Oktober-Dezember 1971.
(53) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 73.
Das Chorherrenstift war nicht so stark wie die Stadt von der Wirtschaftskrise erfaßt, da der Weinbau nicht seine einzige Einnahmsquelle war. Der Konvent war seit dem 17. Jahrhundert stark angewachsen, die mittelalterlichen Klostergebäude wurden zu klein. Daher beauftragte das Stift 1715 den bekannten Baumeister Jakob Prandtauer mit der Planung eines Neubaus (54). Warum diese Pläne nicht realisiert wurden, ist unbekannt. Sie hätten das Stiftsgebäude beträchtlich vergrößert, dabei aber viele alte Gebäudeteile integriert (55). Die Anlage der Oberen Stadt wäre nicht wesentlich verändert worden. Ganz anders sollte das bei den schließlich ausgeführten Plänen werden.
(54) W. G. RIZZI, Zur Architektenfrage des Palais Geymann-Windischgraetz und der Projekte für den ehemaligen K.er Stiftshof in der Renngasse in Wien, in: Jb. KI. NF 12, 1983, S. 79 ff.
(55) G. SCHIKOLA, Jakob Prandtauers Entwurf für das Stift K., in: Jb. KI. NF 1, 1961, S. 175 ff.
1730 wollte das Stift den umfangreichen, aber verhältnismäßig schlichten Neubau nach Plänen von Donato Felice d'Allio beginnen. Da griff im selben Jahr Kaiser Karl VI. in die Planung ein, und auf seine Veranlassung mußte der Bau einer aufwendigen Klosterresidenz in Angriff genommen werden. Nach dem Vorbild des spanischen Escorial sollte der riesige, prunkvolle Komplex zur Hälfte Kloster, zur Hälfte Kaiserresidenz werden (56). Neun Kuppeln sollten die Anlage bekrönen, gewaltige Substruktionen sollten ringsherum stufenförmig angelegte Terrassen mit prächtigen Gartenanlagen tragen. Dieser Komplex hätte den größten Teil der Oberen Stadt eingenommen und dazu noch donauabwärts beträchtlich über die alten Stadtmauern hinausgereicht. Das historisch gewachsene Stadtbild von Klosterneuburg wäre grundlegend verändert worden.
(56) W. PAUKER, Beiträge zur Baugeschichte des Stiftes K., 2 Bde., 1907. – E. MAHL, Donato Felice d'Allio und die Planungsgeschichte des Stiftes K., in: Jb. KI. NF 5, 1965, S. 161 ff.
Es stand erst ein kleiner Teil der neuen Anlage – an jener Stelle, wo die wenigsten Eingriffe in vorhandene Bausubstanz nötig waren –, als Karl VI. 1740 überraschend starb. Da auch die finanziellen Mittel des Stiftes erschöpft waren (die Kosten hatte das Stift allein zu tragen), hörte die Bautätigkeit bald auf, blieb der Torso mit zwei Kuppeln unvollendet stehen. Erst 100 Jahre später konnte wenigstens einer der geplanten 4 Höfe fertiggestellt und damit dem Bau ein einigermaßen komplettes Aussehen gegeben werden. Damit blieb die Anlage der Oberen Stadt im wesentlichen unverändert erhalten.
Im Jahre 1763 wurde vom Obersten Schiffmeisteramt eine Werft für den Bau bewaffneter Donauschiffe eingerichtet. Die Stadt Klosterneuburg stellte dafür die „Kühweide” als Zimmerplatz zur Verfügung (57). Die erste Fregatte wurde 1766 fertiggestellt (58). 1767 wurde in Klosterneuburg ein Pontonierbataillon eingerichtet, dem der Dürnhof als Kaserne diente, seit 1810 nur mehr als Trainzeugsdepot. Der Werkplatz (die sogenannte „Werfte”) wurde durch einen Damm gegen Überschwemmungen gesichert und um das Gebiet unterhalb des Stiftsgartens erweitert. Die Viehweide wurde ein Stück donauabwärts verlegt, später auf einen vom Stift gekauften Grund in der Ried „Nuidl” (heute Gadesgasse). Die Pontonier-Garnison hatte wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt. Zu ihrer Versorgung wurde 1767 ein zusätzlicher Viktualienmarkt eingeführt (59). 1802 entstand in Klosterneuburg eine Schule für die Ausbildung von Pontonier-Offizieren (60), 1811 wurde in einem Donauarm eine Militärschwimmschule errichtet, die zweite ihrer Art auf der Welt. 1843 wurden die Pontoniere mit den Pionieren vereinigt. 1810 war das alte Haus der Kreuzzeche (Markgasse Nr. 3) zur Pontonierkaserne umgebaut, aber für die neue Truppe zu klein geworden. Daher wurde 1846 auf dem ehemals Zedlitz'schen Areal an der Stelle des Gartenpalais Hadik die imposante neue Pionierkaserne errichtet, die einen völlig neuen Akzent ins Stadtbild brachte und gleichsam als Gegenstück zum Stift gelten wollte.
(57) STARZER (wie Anm. 26) S. 292 ff.
(58) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 78.
(59) STARZER (wie Anm. 26) S. 292.
(60) FS. 200 Jahre Pioniertruppe in K., 1967, S. 19 ff.
Die Industrie fand nur langsam in Klosterneuburg Eingang. Das erste größere Unternehmen war die 1766 gegründete Barchentweberei des Emanuel Botzenhard (61). Im Franziskanerkloster St. Jakob, das 1784 den Klosteraufhebungen Josephs II. zum Opfer fiel, wurde 1792 eine Zuckerraffinerie errichtet. Durch die Klosteraufhebungen kamen viele Weingärten in bürgerlichen Besitz. Die große Säkularisation von 1803 machte auch dem Besitz aller auswärtigen Stifte am Ort ein Ende.
(61) STARZER (wie Anm. 26) S. 555 f.
Unter den Truppen Napoleons hatte die Stadt zweimal schwer zu leiden. Am 11. November 1805 rückten französische Truppen in die Stadt ein und forderten von Stadt und Stift riesige Summen als Brandschatzung. Als es 1809 neuerlich zum Krieg kam, zogen die Franzosen am 10. Mai in Klosterneuburg ein. Da durch einen unbedachten Schuß aus einem Fenster ein Sergeant getötet wurde, wäre die Stadt fast zerstört worden. Es wurde sehr viel geplündert und requiriert (62).
(62) W. SIMEK, Das Stift K. unter dem Propst Gaudenz Dunkler, in: Jb. KI. NF 2, 1962, S. 110 ff.
Nur langsam konnten sich Stadt und Stift von den schweren Schäden erholen. Die Industrie konnte sich kaum halten, eine Fabrik chemischer Produkte im alten Bürgerspitalgebäude bestand nur 1809–1813 (63). Dafür wurde jetzt das stille Städtchen Klosterneuburg als Sommerfrische entdeckt. In der Biedermeierzeit existierte hier in den Sommermonaten eine regelrechte Malerkolonie (Kupelwieser, Pettenkofen, Loos u. a.). Besonders das malerische Dorf Weidling zog Urlauber an, darunter berühmte Persönlichkeiten wie Joseph v. Hammer-Purgstall, Ferdinand Raimund und Nikolaus Lenau.
(63) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 121.
Das Stift ließ von 1834 bis 1842 den unvollendeten Bau des Kaisertraktes wenigstens zu einem Viertel vom Architekten Joseph Kornhäusel fertigstellen und gab ihm damit seine heutige Gestalt. Damit wurde auch ein repräsentativer Saal für die Stiftsbibliothek geschaffen. Der Stiftgarten wurde vom Kunstgärtner Konrad Rosenthal 1838–40 auf das heutige Ausmaß erweitert und als englischer Garten neu gestaltet (64). Der bis dahin am Stiftsplatz befindliche Friedhof der Oberen Stadt wurde 1839 auf die Ried „Paradeis” am Hang des Buchbergs verlegt, wofür das Stift den Grund der Gemeinde schenkte. Dorthin übertrug man auch das prachtvolle barocke Friedhofstor aus dem Jahre 1734. Die Friedhofskapelle wurde von Carl Roesner 1846–47 erbaut (65). Der Untere Stadtfriedhof, der rund um die Martinskirche bestand, wurde 1860 an seinen heutigen Platz verlegt.
(64) L. STREIT, Das Stift K. unter dem Propst Jakob Ruttenstock, in: Jb. KI. NF 8, 1973, S. 92 ff.
(65) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 89.
Infolge der Revolution von 1848 ging die politische Verwaltung sowie die Gerichtsbarkeit auf den Staat über. Deshalb wurde 1850 die Bezirkshauptmannschaft Klosterneuburg eröffnet, welche die Gerichtsbezirke Klosterneuburg, Tulln und Hernals umfaßte. 1854 wurde sie in ein Kreisamt umgewandelt, jedoch schon 14 Jahre später aufgelassen. 1868 wurde der Gerichtsbezirk Klosterneuburg der Bezirkshauptmannschaft Hernals, 1890 der Bezirkshauptmannschaft Währing und 1892 der Bezirkshauptmannschaft Tulln zugeteilt (66). Dabei blieb es bis zum Jahre 1938.
(66) STARZER (wie Anm. 26) S. 204 ff.
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden die Stadtmauern und Türme zum größten Teil geschleift, so das Wiener Tor im Jahre 1865. Erhalten blieb die Stadtmauer nur im Bereich des Stiftes (hier steht auch noch der „Sattlerturm”) und teilweise in den Hinterhöfen einiger Häuser in der Franz-Rumpler-Straße und Pater-Abel-Straße. Die Donau hatte damals ihre Funktion als Verkehrsweg bereits weitgehend verloren. Nun wurde Klosterneuburg durch den Bau der Franz-Josephs-Bahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die Strecke Wien – Eggenburg wurde am 23. Juni 1870 eröffnet (67). Sie wurde zunächst eingleisig geführt, erst 1889 kam ein zweites Geleise hinzu. Ein Bahnhof für Personen- und Frachtenverkehr wurde an der Mündung des Weidlingbaches erbaut, der spätere Bahnhof Klosterneuburg – Weidling. 1882 errichtete man einen zweiten Personenbahnhof, der den Namen Klosterneuburg-Kierling erhielt (68). Ihm mußte das schöne alte Wassertor weichen. Im Zusammenhang mit dem Bahnbau entstand 1873 in der Au das Pionier-Zeugsdepot, durch ein Geleise mit der Franz-Josephs-Bahn verbunden (69). Es ist die heutige Magdeburg-Kaserne.
(67) FS. 100 Jahre Franz-Josephs-Bahn, 1970.
(68) STARZER (wie Anm. 26) S. 553.
(69) STARZER (wie Anm. 26) S. 302 f.
Hatte sich schon die Bahnstrecke zwischen die Stadt und den Donaustrom geschoben, so sollte die Regulierung der Donau die Stadt überhaupt vom Strom trennen. In Wien wurde die Regulierung schon 1869 gesetzlich beschlossen und 1870–75 durchgeführt. Niederösterreich folgte später nach. Der Beschluß wurde 1882 gefaßt, die Arbeiten zogen sich bis 1911 hin (70). Die Fahrrinne, der schiffbare Arm der Donau, war bisher an der Innenseite des Stromknies verlaufen, so daß die Schiffe unmittelbar an Klosterneuburg vorbeifuhren. Nun wurde die Fahrrinne weit nach links verlegt, gegen Langenzersdorf und Bisamberg zu. Zwischen dem neuen Donaubett und der Stadt Klosterneuburg erstreckte sich fortan ein dichter Streifen Auwald von mehr als 1 km Breite. Eine Schiffsanlegestelle bestand nur 1896–97, seither besitzt die Stadt, die einstmals von der Donau gelebt hatte, nicht einmal mehr einen Landeplatz. Neben der Franz-Josephs-Bahn wurde der „Durchstich” angelegt, ein offenes Gerinne zur Entwässerung der Stadt, in das alle Kanäle mündeten (71). Die Überfuhr nach Korneuburg besorgte seit 1892 eine „Fliegende Brücke” auf Furkelzillen (72). Sie wurde 1935 durch eine Rollfähre ersetzt. Eine Brücke zwischen Klosterneuburg und Korneuburg war zwar geplant, dürfte aber in absehbarer Zeit nicht zustande kommen.
(70) V. THIEL, Geschichte der Donauregulierungsarbeiten bei Wien, Jb. f. LKNÖ NF 4–5, 1905/06, S. 97 ff. – Akten im Stiftsarchiv K., Donauregulierungskommission.
(71) STARZER (wie Anm. 26) S. 518 ff.
(72) STARZER (wie Anm. 26) S. 226 ff.
Für Klosterneuburg war die Gründung der Obst- und Weinbauschule von Bedeutung. Das Stift rief sie 1860 ins Leben. Sie war die erste Landwirtschaftsschule in Österreich und das zweite Institut seiner Art in Europa. Sie war zunächst im alten Fürstentrakt des Stiftes untergebracht, doch nahm sie einen solchen Aufschwung, daß sie weit über den geplanten Rahmen hinauswuchs, vom Staat übernommen und in eine Fachmittelschule umgewandelt wurde. 1877 übersiedelte sie in das neue Gebäude, für welches das Stift die „Klosterwiese” zur Verfügung gestellt hatte. Hier wurde übrigens die Reblaus aus Amerika eingeschleppt, die sich vom Versuchsweingarten unterhalb des Schwarzen Kreuzes über ganz Europa verbreitete. Sie wurde allerdings gerade von der Weinbauschule in der Folge wirksam bekämpft. Das Gymnasium wurde 1902 in der Nachbarschaft des alten Bürgerspitals an der Hundskehle gegründet, 1903 wurde das neue Gebäude in der Buchberggasse errichtet. Im Stift wurde 1910 die Abteilung für Kirchenmusik der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien neu eingerichtet, die dem Kulturleben Klosterneuburgs kräftige Impulse gab. In der Nachkriegszeit konnte das Stift die finanziellen Zuwendungen an die Akademie nicht mehr leisten, weshalb diese 1924 nach Wien übersiedelte.
Seit dem Bau der Franz-Josephs-Bahn nahm die Siedlungstätigkeit enorm zu. Vor allem am Bahnhof Klosterneuburg-Weidling entstanden zahlreiche Villenbauten, was schon am Ende des 19. Jahrhunderts zum Zusammenwachsen der Orte Klosterneuburg und Weidling führte. Ähnlich war es auf dem Talboden des Kierlingbaches mit dem Dorf Kierling. Auch in Kritzendorf entstanden in jener Zeit zahlreiche Villen. 1908 wurde eine Obus-Linie (Autobus mit elektrischer Oberleitung) vom Bahnhof Klosterneuburg-Weidling nach Weidling eröffnet, eine der ältesten in Europa. 1920 mußte sie aus Kostengründen eingestellt werden (73). Inzwischen hatte sich der Charakter der Stadt grundlegend gewandelt. Sie war nicht mehr Sommerfrische wie in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern wurde in zunehmendem Maße täglich oder zumindest an den Wochenenden von den Großstädtern aufgesucht, die hier ihre Villen oder Mietwohnungen hatten. Villenviertel legten sich überall um den Rand der alten Siedlungskerne. Am ausgedehntesten erstreckt sich das „Sachsenviertel” am Fuß des Leopoldsberges.
(73) J. FORTHUBER, Weidling-Dorf im Donauschicksal, 1983, S. 297 ff.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahmen die Parzellierungen zu. Im Augebiet siedelten sich „wilde Siedler” an, mittellose Menschen, die sich ohne Bewilligung primitive Hütten als sommerliche, mitunter sogar ganzjährige Behausung errichteten. Das Strandbad, das 1922 in der Au eröffnet wurde, zog zahlreiche Erholungsuchende aus Wien an und begünstigte die Entstehung weiterer Wohngebiete. Weiter flußaufwärts wurde die „Schwarze Au” besiedelt. Der Bau der Höhenstraße schuf für den Kraftwagenverkehr eine zusätzliche Verbindung mit der Großstadt. Parzellierungen wurden auch auf dem Gebiet des Freibergs, des Weißenhofes, des Haschberges und auf der „Planierung” in Höflein durchgeführt.
Im Jahr 1938 verlor nicht nur die Republik Österreich ihre Selbständigkeit, sondern auch die Stadtgemeinde Klosterneuburg. Am 1. Oktober 1938 wurde sie auf Geheiß Adolf Hitlers der Stadt Groß-Wien eingegliedert und bildete mit den umliegenden Orten Gugging, Höflein, Kierling, Kritzendorf, Weidling und Weidlingbach den 26. Wiener Gemeindebezirk. Einige Gebiete Klosterneuburgs, die seit der Donauregulierung am jenseitigen Ufer lagen, wurden zur Gemeinde Korneuburg geschlagen und blieben bei Niederösterreich beziehungsweise dem Reichsgau Niederdonau. Alle städtischen Betriebe wurden von der Gemeinde Wien übernommen und gehören ihr zum Teil noch heute.
Das Chorherrenstift, zunächst unter öffentliche Verwaltung gestellt, wurde am 30. April 1941 gänzlich aufgehoben und enteignet (74). Am Stadtbild Klosterneuburgs änderte sich nicht viel. Die neue Kirche St. Leopold im Sachsenviertel, deren Grundstein im Jubiläumsjahr 1936 gelegt worden war, konnte 1938 geweiht werden und wurde 1940 zur selbständigen Pfarre erhoben. Ihr Sprengel wurde vom Gebiet der Stiftspfarre abgetrennt (75).
(74) R. RILL, Geschichte des Augustiner-Chorherrenstiftes K. 1938–1945, 1985.
(75) FS. 50 Jahre Kirche St. Leopold, 1988.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Stadt geringe Schäden durch Bomben (meist Notabwürfe) und Artilleriebeschuß. Beim Herannahen der Roten Armee wurden die Brücken über Weidling- und Kierlingbach gesprengt. Die zehn Jahre dauernde russische Besatzung (1945–1955) war für Klosterneuburg eine sehr harte Zeit. Die Besatzungstruppen waren sehr zahlreich, sie füllten nicht nur die beiden großen Kasernen, es mußten auch ganze Straßenzüge für sie freigemacht werden. Die vertriebenen Chorherren konnten am 30. April 1945 in das Stift zurückkehren und erhielten nach und nach ihr beschlagnahmtes Eigentum wieder zurück. Nach dem Abzug der russischen Truppen begann der Wiederaufbau Klosterneuburgs, eine rege Bautätigkeit setzte ein.
Inzwischen wurden die meisten der nach Wien 1938 eingemeindeten Randgebiete durch Gesetz vom 26. Juli 1946 wieder selbständig. Da jedoch der Alliierte Rat der vier Besatzungsmächte diesem Gesetz zunächst die Zustimmung versagte, erlangte Klosterneuburg erst am 1. September 1954 seine Selbständigkeit. Nach längeren Auseinandersetzungen wurde beschlossen, daß alle Orte, die den 26. Wiener Bezirk gebildet hatten, zur Großgemeinde Klosterneuburg zusammengeschlossen werden sollten (76). Hatte die Gemeinde Klosterneuburg vor dem Anschluß an Wien 12,95 km2 Bodenfläche, umfaßt sie heute 76,19 km2. Sie ist somit die älteste Großgemeinde Österreichs. Inzwischen sind viele andere Gemeinde-Zusammenlegungen erfolgt. Die von Wien abgetrennten Gebiete wurden im politischen Bezirk Wien-Umgebung zusammengefaßt, zu dem seither auch Klosterneuburg gehört.
(76) FS. Stadtgemeinde K. 25 Jahre selbständig, 1979, S. 19 ff.
Nach dem Abzug der russischen Truppen setzte eine vehemente Siedlungstätigkeit ein. Neue Siedlungen entstanden zwischen Klosterneuburg und Weidling, zwischen Klosterneuburg und Kierling, in Weidlingbach, an den Hängen des Freibergs sowie in allen Tälern bis hoch hinauf in den Wienerwald. Um die drohende Zerstörung der Landschaft zu verhindern, hat die Stadtgemeinde strenge Maßnahmen erlassen und umfangreiche Rückwidmungen von Bauland in Grünland vorgenommen.
In der Au unterhalb des Stiftes wurde 1979 das Erholungszentrum „Happyland” mit Hallenbad, Sport- und Tennisplätzen eröffnet, das seither in den Besitz der Stadtgemeinde übergegangen ist. In unmittelbarer Nachbarschaft entstand ein großer Campingplatz. Die Schüttau, bisher hauptsächlich von Gärtnereibetrieben genützt, wurde zum Industriegebiet erklärt. Hier haben sich einige Großbetriebe aus Wien, aber auch aus Klosterneuburg angesiedelt und damit zur Beruhigung des Stadtkerns beigetragen. Damit scheint aber auch die Kapazität der Au an ihrer Grenze angelangt zu sein, eine weitere Rodung des Waldbestandes scheint heute nicht ratsam. Ein Hauptproblem der Stadt ist neben der Zersiedelung der Umgebung, die jetzt gestoppt sein dürfte, der dichte Kraftwagenverkehr auf den Durchzugsstraßen.
Obwohl in Klosterneuburg die Struktur der alten Siedlungskerne weitgehend erhalten blieb, hat sie doch ihren Charakter grundlegend gewandelt. Sie ist heute vorwiegend „Schlafstadt” der Wiener, vor allem der Oberschichten. Damit droht sie aber ihren eigenständigen Charakter zu verlieren und zur bloßen Satellitenstadt Wiens zu werden. Vielerlei soziale und kulturelle Aktivitäten suchen dies zu verhindern. Sie gehen von der Stadtgemeinde aus, ebenso wie von zahlreichen Vereinen und Gruppierungen. Solche Aktivitäten sind besonders in den eingemeindeten Orten lebendig, die damit ihr Eigenleben betonen wollen. Ein Beispiel: Gugging setzte 1989 die Umbenennung des Ortes in „Maria Gugging” durch. So ist die Stadtgemeinde Klosterneuburg politisch zwar eine der größten Städte des Landes, doch im täglichen Leben unterscheiden sich Altstadt und eingemeindete Orte deutlich voneinander.
Floridus Röhrig
Anmerkungen
(1) Österr. Städtebuch, Bd. 4 Niederösterreich, 2. Teil, 1976, S. 115.
(2) Stand vom April 1990; Auskunft der Stadtgemeinde.
(3) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 116. – H. LADENBAUER-OREL, Eine urnenfelderzeitliche Siedlungsanlage im Stift K., in: Jb. Kl. NF 2, 1962, S. 159 ff.
(4) H. UBL, Neues zum römischen und babenbergischen K., in: Jb. Kl. NF 11, 1979, S. 99 ff.
(5) CH. NEUGEBAUER-MARESCH u. J. NEUGEBAUER, Ein Friedhof der röm. Kaiserzeit in K., in: Archaeologia Austriaca 70, 1986, S. 317 ff. – DIES., K. in der Spätantike, Amtsblatt der Stadt K., Kulturbeilage 4/1986 u. 5–6/1986.
(6) CH. u. J. NEUGEBAUER, Die Ausgrabungen in der Kirche St. Martin 1977–1982, in: UH 54, 1983, S. 97 ff.
(7) H. MITSCHA–MÄRHEIM, Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren. 1963, S. 152 f., Taf. 30.
(8) NEUGEBAUER, Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von 1977 in K.-St. Martin, in: Jb. Kl. NF 11, 1979, S. 232 ff.
(9) Stiftsarchiv K.; M. FISCHER, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt K., 1815, Bd. 2, S. 142 ff.
(10) Codex traditionum. (FRA II/4, 1851) Nr. 283.
(11) A. SCHMELLER, Die Ausgrabungen in K., in: Beiträge zur Kunstgeschichte u. Archäologie des Frühmittelalters, 1962, 308 ff.
(12) MGH Diplom Heinrichs III, Nr. 98, 1042 Nov. 8.
(13) MGH Diplom Heinrichs III, Nr. 133, 1045 März 7. – FISCHER (wie Anm. 9) S. 117 f.
(14) FRA IV/2, Nr. 116. – BUB IV/1, Nr. 603. – F. RÖHRIG, Leopold III. der Heilige, 1985, S. 83 ff.
(15) MGH Necrologia 5, S. 39.
(16) Freundliche Mitteilung v. Dir. H. KRAL (noch nicht veröffentlicht).
(17) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 79 ff.
(18) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 86 ff.
(19) BUB IV, 1, Nr. 669. – RÖHRIG, Von Afra zu Nikolaus, in: FS. Mezler-Andelberg, 1988, S. 423 ff.
(20) Vgl. Anm. 9.
(21) UBL (wie Anm. 4) S. 124 f.
(22) A. ESSENWEIN, Die Kapelle des hl. Johannes d. T. zu K., in: Ber. u. Mitt. d. AV zu Wien 5, 1861, S. 1 ff.
(23) A. KLAAR, Der Stadtplan von K. und Korneuburg, in: UH NF 9, 1936, S. 14 ff.
(24) FISCHER (wie Anm. 9) Bd. 2, S. 293 f.
(25) RÖHRIG, K. in alten Ansichten, 1973, S. 57 ff.
(26) A. STARZER, Geschichte der landesfürstlichen Stadt K., 1900, S. 61 f.
(27) STARZER (wie Anm. 26) S. 45 ff.
(28) H. JÄGER-SUNSTENAU, Das Archiv der Stadt K., 1962, S. 57 ff.
(29) STARZER (wie Anm. 26) S. 178 f.
(30) FRA II/ 10, Nr. 71, S. 93 f.
(31) STARZER (wie Anm. 26) S. 174.
(32) KLAAR (wie Anm. 23) S. 15 f.
(33) Deutsche Chroniken, hrsg. v. H. MASCHEK, 1936, S. 288.
(34) JÄGER (wie Anm. 28) S. 19 f.
(35) JÄGER (wie Anm. 28) S. 24 f.
(36) STARZER (wie Anm. 26) S. 45, 49.
(37) JÄGER (wie Anm. 28) S. 57 ff.
(38) JÄGER (wie Anm. 28) S. 31 f.
(39) JÄGER (wie Anm. 28) S. 32.
(40) JÄGER (wie Anm. 28) S. 24 ff.
(41) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 121.
(42) JÄGER (wie Anm. 28) S. 29.
(43) K. SCHOBER, Die Eroberung Niederösterreichs durch Matthias Corvinus in den Jahren 1482–1490, in: BI. LKNÖ NF 14, 1880, S. 113 ff.
(44) H. ZEIBIG, Aufzeichnungen der K.er Stiftsdechante, in: Notizenblatt 4, 1854, S. 265.
(45) RÖHRIG (wie Anm. 14) S. 145 ff.
(46) V. LUDWIG, Propst Georg Hausmanstetter, in: Jb. Kl. 4, 1912, S. 312 ff.
(47) RÖHRIG, Protestantismus und Gegenreformation im Stift K. und seinen Pfarren, in: Jb. KI. NF 1, 1961, S. 106 ff.
(48) RÖHRIG, K. (Wiener Geschichtsbücher Bd. 11, 1972) S. 63 ff.
(49) JÄGER (wie Anm. 28) S. 34.
(50) Kat. der Ausstellung „K. 1683 – Türkensturm und Verteidigung”, 1983.
(51) F. BALTZAREK, Beiträge zur Geschichte des vierten Standes in N. Ö., in: MÖStA 23, 1970, S. 84f.
(52) M. WELLNER, Karl Josef de Ligne und der Dürnhof in K., Amtsblatt der Stadt K., Kulturbeilage Oktober-Dezember 1971.
(53) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 73.
(54) W. G. RIZZI, Zur Architektenfrage des Palais Geymann-Windischgraetz und der Projekte für den ehemaligen K.er Stiftshof in der Renngasse in Wien, in: Jb. KI. NF 12, 1983, S. 79 ff.
(55) G. SCHIKOLA, Jakob Prandtauers Entwurf für das Stift K., in: Jb. KI. NF 1, 1961, S. 175 ff.
(56) W. PAUKER, Beiträge zur Baugeschichte des Stiftes K., 2 Bde., 1907. – E. MAHL, Donato Felice d'Allio und die Planungsgeschichte des Stiftes K., in: Jb. KI. NF 5, 1965, S. 161 ff.
(57) STARZER (wie Anm. 26) S. 292 ff.
(58) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 78.
(59) STARZER (wie Anm. 26) S. 292.
(60) FS. 200 Jahre Pioniertruppe in K., 1967, S. 19 ff.
(61) STARZER (wie Anm. 26) S. 555 f.
(62) W. SIMEK, Das Stift K. unter dem Propst Gaudenz Dunkler, in: Jb. KI. NF 2, 1962, S. 110 ff.
(63) Städtebuch (wie Anm. 1) S. 121.
(64) L. STREIT, Das Stift K. unter dem Propst Jakob Ruttenstock, in: Jb. KI. NF 8, 1973, S. 92 ff.
(65) RÖHRIG (wie Anm. 48) S. 89.
(66) STARZER (wie Anm. 26) S. 204 ff.
(67) FS. 100 Jahre Franz-Josephs-Bahn, 1970.
(68) STARZER (wie Anm. 26) S. 553.
(69) STARZER (wie Anm. 26) S. 302 f.
(70) V. THIEL, Geschichte der Donauregulierungsarbeiten bei Wien, Jb. f. LKNÖ NF 4–5, 1905/06, S. 97 ff. – Akten im Stiftsarchiv K., Donauregulierungskommission.
(71) STARZER (wie Anm. 26) S. 518 ff.
(72) STARZER (wie Anm. 26) S. 226 ff.
(73) J. FORTHUBER, Weidling-Dorf im Donauschicksal, 1983, S. 297 ff.
(74) R. RILL, Geschichte des Augustiner-Chorherrenstiftes K. 1938–1945, 1985.
(75) FS. 50 Jahre Kirche St. Leopold, 1988.
(76) FS. Stadtgemeinde K. 25 Jahre selbständig, 1979, S. 19 ff.

 

 

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