Der Nationsbegriff in Siebenbürgen

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Der Nationsbegriff in Siebenbürgen
Einen gesonderten Abschnitt in der Geschichte des europäischen Feudalismus bildet die Ständeperiode, gekennzeichnet von einer Ablösung der Alleinherrschaft des Herrschers und seiner engeren Umgebung durch die Teilnahme von Körperschaften gewisser privilegierter Schichten an Gesetzgebung und Regierung. Diese Körperschaften werden als Stände, in Siebenbürgen als Nationen bezeichnet. Im allgemeinen waren die Stände des hohen und mittleren Adels sowie des städtischen Bürgertums in den Landtagen vertreten. Der hohe Klerus bildete entweder einen eigenen Stand oder gehörte (wie in Ungarn) der Aristokratie an. Der Entstehungsprozeß der Stände setzte in Ungarn bereits zum Ende des 13. Jahrhunderts ein, als sich im Landtag eine gesonderte Sitzordnung für den Hochadel (die sog. Barone), sowie die mittel- und kleinadligen Grundbesitzer entwickelte. Diese Entwicklung wurde aber durch die Anarchie der Provinzherren und die ausschließlich auf die Barone gestützte Herrschaft der Anjou-Könige bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts unterbrochen. Ein Landtag, der das Gesetzgebungsrecht für sich beanspruchte, tagte erstmals 1439, unter Teilnahme der Vertreter der Barone, des übrigen Adels und der königlichen Freistädte. Fast gleichzeitig beriefen 1437 in Siebenbürgen die Führer der drei „Nationen“ (natio), des Adels, der Szekler und der Sachsen, auf eigene Initiative ihre erste Provinzvollversammlung ein. Ihre Beschlüsse hatten keine Gesetzeskraft, weil solche nur der vollständige ungarische Landtag fassen konnte, an dem auch die Siebenbürger teilnahmen. Sie konnten nur Statuten für die spezifischen Verhältnisse in Siebenbürgen erlassen. Dennoch waren es 218Ständeversammlungen, selbst wenn diese Stände ganz anders geartete politische Gebilde waren als die Stände des ungarischen Landtages. Darum wurden sie auch „Nationen“ genannt.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde in Ungarn im allgemeinen der Adel als „Nation“ verstanden. Dieser Begriff hatte weniger eine ethnische als vielmehr eine gesellschaftlich-politische Bedeutung. Noch stärker traf dies für das Land Siebenbürgen zu, in dem die „Nation“ eine über eigene Privilegien verfügende Gesellschaftsschicht, einen Stand bezeichnete. Mitglieder einer so verstandenen „Nation“ konnten nur über individuelles oder kollektives Besitzrecht verfügende Personen sein; ein besitzloser Bauer ungarischer, sächsischer oder rumänischer Nationalität verblieb außerhalb dieses ständischen Rahmens, genoß keine seiner Freiheiten, sondern war von seinem Grundherrn abhängig.
Der siebenbürgischen Adels-„Nation“ gehörten – der allgemeinen ungarischen Praxis entsprechend – alle freien, kriegspflichtigen Grundherren ohne jeden ethnischen Unterschied an, wenn sie persönlich ein Gut besaßen und nicht Mitglied einer Gemeinschaft wie die Szekler oder Sachsen waren. Szekler und Sachsen konnten gleicherweise Adlige sein, und auch eine beträchtliche Anzahl von Rumänen wurde in die Reihe des Adels aufgenommen. Die Magyarisierung der sächsischen und rumänischen Adligen erfolgte keinesfalls prinzipiell – gab es doch zu allen Zeiten im ungarischen Adel auch eine Schicht nichtungarischer Muttersprache –, sondern durch die Anpassung an die Mehrheit, ohne daß eine Übernahme der ungarischen Sprache irgendwann bewußt erzwungen worden wäre. Die adlige Lebensform war spezifisch ungarisch, ihre Ausstrahlung führte gewollt oder ungewollt zur Assimilation. Die Szekler „Nation“, also die Gesamtheit der Bevölkerung mit Szeklerrecht, hatte damals längst keine eigene ethnische Basis mehr; die Allgemeinheit hielt die Szekler für die ungarischsten aller Ungarn. Nur die sächsische „Nation“ bedeutete zugleich ein eigenes Ethnikum, aber auch dieses umfaßte nicht die Gesamtheit aller Deutschen in Siebenbürgen, weil die deutschen Bürger der Komitatsstädte sowie die sächsischen Hörigen in den Komitaten nicht der natio saxonica angehörten. Eine rumänische „Ständenation“ wiederum existierte überhaupt nicht, weil deren Entwicklung durch die Herrschaft der Woiwoden und Knesen über das rumänische Gemeinvolk, durch die Beseitigung der rumänischen „Freiheit“ verhindert wurde. Die rumänischen Adligen wurden Angehörige der Adels-„Nation“, und die zu ihren Untertanen gewordenen Rumänen verloren ihre Zugehörigkeit zum rumänischen Stand und dem mit ihm verbundenen Recht, außer dem Schaffünzigstel keine Steuer zu zahlen und von selbstgewählten Richtern gerichtet zu werden.
Das Gemeinschaftsleben der ständischen „Nationen“ – Ungarn, Szekler und Sachsen – beschränkte sich anfangs nur auf die Bestrebungen zur Aufrechterhaltung und möglichen Ausdehnung ihrer Privilegien sowie auf die lokale Selbstverwaltung. Der Gedanke an eine gemeinsame politische Tätigkeit kam vorerst nicht auf. Spuren des Bewußtseins einer siebenbürgischen Interessengemeinschaft zwischen Adel, Szekler und Sachsen finden sich im 14. Jahrhundert ebenfalls nicht. Zu dieser Zeit war Siebenbürgen bloß ein geographischer Begriff, und wenn man es auch innerhalb des einheitlichen ungarischen Königreiches bis zu einem gewissen Grad als ein gesondertes Gebiet betrachtete, so lag das nicht am Lokalpatriotismus der Völker 219Siebenbürgens, sondern an der außergewöhnlichen Befugnis des Woiwoden. Als Oberrichter, Statthalter und Befehlshaber der siebenbürgischen Komitate in einer Person besaß der Woiwode eine Macht, die die Szekler- und Sachsengebiete unvermeidbar in seinen Herrschaftsbereich mit einbezog. Formal wurden sie allerdings durch vom Woiwoden unabhängige Gespane regiert. Die Szekler und Sachsen bestanden auch darauf, weil sie befürchteten, bei gemeinsamer Gerichtsbarkeit und Verwaltung mit dem Adel würde ihre eigene Rechtsordnung vom Gewicht des Adelsrechtes in den Hintergrund gedrängt werden. Der König war an einer einheitlichen Lenkung der entfernten Provinz interessiert und sicherte im allgemeinen dadurch die Harmonie zwischen den siebenbürgischen Würdenträgern, daß er den Szekler Gespan, der gleichzeitig auch Gespan von drei (Bistritz, Kronstadt und Mediasch-Selyk) der vier sächsischen Distrikte war, aus der Verwandtschaft des Woiwoden oder unter den ihm Nahestehenden auswählte.
Die ersten institutionellen Kontakte zwischen Adel, Szeklern und Sachsen wurden ebenfalls über den Woiwoden geknüpft. Häufig kam es zu besitzrechtlichen, militärischen oder Verwaltungsfragen, zu Prozeßsachen, an denen alle drei interessiert waren. Zur Beilegung dieser Angelegenheiten berief der König am Ende des 13. Jahrhunderts noch persönlich die Provinzvollversammlung (generealis congregatio) ein, an der – wie gesehen – auch die Rumänen noch teilnahmen. Der Woiwode Ladislaus Kán berief im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts eigenmächtig derartige Versammlungen ein, und später in der Zeit zwischen 1322 und 1414 alljährlich der jeweilige Woiwode im Auftrage des Königs, und zwar auf der Kreuzritterwiese bei Thorenburg, einem Besitz des Johanniterordens. Häufig erschienen dabei nur die Adligen, denen sich gelegentlich, wenn es ihnen nötig schien, die Szekler und Sachsen anschlossen. Für die rumänischen Knesen der königlichen Distrikte hielten die Vizewoiwoden gesonderte Gerichtsversammlungen ab. Die Begegnungen bei Thorenburg dienten den Führern des Adels, der Szekler und Sachsen dazu, ihre gemeinsamen Interessen zu erkennen.
Nach 1414 wurden die jährlichen Vollversammlungen der Woiwoden politischer Veränderungen wegen eingestellt, womit sich auch keine Gelegenheiten mehr für institutionelle Kontakte zwischen den drei Nationen ergaben. Mit Ludwig I. (1382) starb die männliche Linie des Hauses Anjou aus, was zu schweren inneren Zwistigkeiten um die Thronfolge führte. Die durch Karl Robert und Ludwig im Schach gehaltene Oligarchie gewann erneut die Oberhand, und Parteienkämpfe erschütterten den Frieden des Landes. Der aus dem Bürgerkrieg als Sieger hervorgegangene neue König Sigismund von Luxemburg (1387–1437) mußte sich damit abfinden, die Herrschaft mit der mächtigen Aristokratie zu teilen. Die Aufmerksamkeit und Tätigkeit der aristokratischen Würdenträger war primär auf die Erhaltung ihres Anteils an der Zentralgewalt gerichtet, teilweise übten sie ihre Ämter nicht einmal mehr persönlich aus, sondern betrauten ihre Familiaren damit. Der König wollte sich damit helfen, daß er für die wichtigsten Ämter jeweils zwei Personen zugleich ernannte, aber auch das änderte nichts an der Lage. In Siebenbürgen versah zwischen 1395 und 1401 und dann zwischen 1409 und 1414 Stibor von Stiboritz, der einstige ausgezeichnete polnische Kriegsführer König Ludwigs I. und Vertraute König Sigismunds, von Zeit zu Zeit noch selbst die Woiwodenpflichten, seine Nachfolger aber, Nikolaus (Miklós) und Ladislaus (László) Csáky, Vater (1415–1426) und Sohn (1427–1437), ließen sich über 220zwei Jahrzehnte lang nicht einmal in Siebenbürgen blicken, an ihrer Stelle regierte der Vizewoiwode Lóránd Váraskeszi Lépes. Zusammen mit seinem Bruder, Bischof György, vertrat er zwar gezielt die Interessen seiner Familie, aber zur politischen Führung der Provinz war er schon deshalb nicht in der Lage, weil ihm als Vizewoiwoden das Ansehen eines Woiwoden mangelte. Gerade aber in diesen Jahren hätte Siebenbürgen in einem der kritischsten Abschnitte seiner Geschichte einer gerechten und Schutz bietenden Herrschaft besonders bedurft.

 

 

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