V-7 Bericht des ehemaligen Botschafters in Konstantinopel Anton Verancsics an Erzherzog Karl über den Aufbau eines Spionagesystem…

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V-7
Bericht des ehemaligen Botschafters in Konstantinopel Anton Verancsics an Erzherzog Karl über den Aufbau eines Spionagesystems am Hof des Sultans bzw. an der ungarischen Grenze, 28. September 1570, Oláhújvár
Original, Papier, 31 x 22 cm, lat.
Wien; HHStA Hungarica AA Fasc. 96, Konv. B, fol. 72-79, (unediert in Verancsics Antal, 1857-1875).
28Es lag grundsätzlich im Interesse und war unversäumbare Aufgabe des Wiener Hofkriegsrates einen Nachrichtendienst aufzustellen, der im Kampf mit den Osmanen die Pläne des Feindes herausbekommen sollte. Von ebenso wichtiger Bedeutung war es, zur Informationsendung und Kontaktpflege mit den Grenzoberhauptmannschaften die Nachrichtenübermittlung auszubauen. Der siegreiche Kampf gegen die Türken, die erfolgreichen Verhandlungen in der Ostdiplomatie sowie die Lenkung der Grenzverteidigung hingen nämlich größtenteils genau davon ab, ob die militärischen Entscheidungen in Wien und in den wichtigsten Grenzfestungen aufgrund zuverlässiger Informationen und zur rechten Zeit getroffen werden konnten. Der großangelegte Plan von Anton Verancsics, einst Botschafter in Konstantinopel (1553-1557 und 1567-1568) zur Neustrukturierung des Nachrichtendienstes (s.u.), den Erzherzog Karl von Innerösterreich in Auftrag gegeben hatte und der Ende September 1570 vorgelegt wurde, verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Verancsics stellt darin dar, auf welche Personen sich die Habsburgerdiplomatie in der Spionagetätigkeit in Konstantinopel verlassen konnte:
– die Beamten und Diener des Sultans in Serai (Leibwächter, Truchsesse usw.), die meistens Renegaten waren (serbischer, bosnischer, ungarischer, deutscher, italienischer Abstammung),
– die sehr einflußreiche Dolmetscher, die waren aber oft Doppelagenten,
– die jüdischen Ärzte des Sultans,
– die türkischen und renegaten Diener der türkischen Oberstwürdenträger in der Residenz in Konstantinopel,
– Botschafter von anderen christlichen Staaten (darunter auch die von Siebenbürgen),
– die Spionen und die Diplomaten der Feinde der Osmanen, vor allem die der Persier,
– und letztens auch die Geheimagenten, die von Wien ihren ständigen Lohn bekamen, und die im allgemeinen auch vor den Botschaftern in Konstantinopel unbekannt blieben.
Die Möglichkeiten der Spionage an den Grenzen in Ungarn waren auch nach der Mitte des 16. Jahrhunderts sehr günstig. Da das türkische Grenzfestungssystem auf dem Gebiet des ehemaligen mittelalterlichen ungarischen Königreiches ausgebaut wurde, konnten für die Grenzhauptmänner folgende Gruppen mit Informationen dienen:
– eingebaute Personen in den Diwan der benachbarten Paschas und Begs, besonders die ungarischen Schreiber,
– gelegentliche, bezahlte Spionen, die in die feindlichen Grenzfestungen oder während eines Kriegszuges ins Türkenlager beordnet wurden,
– ungarische Richter und Bauer der eroberten oder gehuldigten Dörfer, die unter dem Vorwand der Steuereinzahlung freien Eingang in die türkischen Festungen hatten,
– Kaufleute und Reisende im Osmanenreich,
– christliche Gefangene in osmanischen Burgen (ihre Briefe wurden nämlich durch die Türken nicht unter Zensur gezogen, sie wurden aber wegen Zusammensammlung ihres Lösegeldes freigelassen, vgl. V-9-12),
– Renegaten, die zu den Türken zogen, oder sich auf ihre Religion bekehrten,
– letztens die gefangengenommenen Soldaten und feindliche Untertanen, d. h. die sogenannten „Zungen”.
Literatur: Takáts, 1915, Bd. 2, S. 133-212; Žontar, 1971, S. 167-222; ders., 1973; Lesure, 1983, S. 127-154 und Pálffy, 1999/1, S. 40-54.
 

 

 

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