Die Ungarn in Siebenbürgen und in der östlichen Tiefebene nach der Landnahme

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Die Ungarn in Siebenbürgen und in der östlichen Tiefebene nach der Landnahme
Die archäologischen Funde des im Karpatenbecken neu auftauchenden Volkes der Ungarn zu identifizieren, ist für den Archäologen heute schon Routine. Es gelang bereits 1834 – mittels Datierung durch westeuropäische Münzen des 10. Jahrhunderts –, gewisse Eigenheiten der Bestattung mit Pferd, Pracht und Bewaffnung mit den landnahmezeitlichen Ungarn zu verbinden. Ähnliche Funde häuften sich schnell, sobald die Archäologie sich zu einer Bewegung und dann zu einer Wissenschaft entwickelte, ihre Veröffentlichungen füllten bereits zur Jahrhundertwende (1896, 1905, 1907) dicke Bände. Andererseits führten die stets an Bedeutung zunehmenden Grabungen und Forschungen unseres Jahrhunderts zu der Einsicht, daß die Ungarn des 10. Jahrhunderts nicht nur von einigen hundert Bestattungen berittener Krieger und ihrer weiblichen Angehörigen vertreten werden, können diese doch auch bei optimistischsten Berechnungen pro Generation höchstens von der Mittelschicht, also 20–40 000 Menschen stammen. Das Überleben der ungarischen Sprache und ihres Volkes sicherte ein in geringerem Maß sichtbare Zeugnisse hinterlassendes damaliges Gemeinvolk ebenfalls östlicher Herkunft. Es wurde auch der folgende Prozeß geklärt: Während die „heidnische“ bewaffnete Reiterschicht und ihre von religiösen Vorstellungen durchdrungene orientalische Goldschmiedekunst im 11. Jahrhundert verschwinden, genauer: sich zu einer neuen, christlichen Herrschaftsschicht und Kunst umgestalten, überstehen die Dörfer des Gemeinvolkes und ihre Gräberfelder– und wenn auch nicht diese, so doch das Gemeinvolk selbst – die Erschütterungen der christlichen Staatsgründung. Die Kultur des Gemeinvolkes nimmt seit der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert die örtlichen slawischen Elemente in sich auf, bereichert sich um die christlichen Symbole und wird zu der des Gesamtvolkes: zur „archäologischen Kultur“ des neuen Staates der Arpaden (weshalb sich die slawischen und ungarischen Siedlungen und Gräberfelder auch in Siebenbürgen mit archäologischen Methoden nur ausnahmsweise unterscheiden lassen). Mit der Festigung des Feudalismus und der römisch-katholischen Kirche verblassen und verarmen superethnische Tracht und Ritus des Gemeinvolkes, sein Wesen lebt aber ungebrochen weiter in der Zeit und dem Kreise jener Menschen, die gezwungen wurden, um die Kirchen herum zu beerdigen – bis zur großen Schicksalswende des Mongolensturms 1241/42.
Aufgrund der archäologischen Forschungen läßt sich dies heute bereits mit vielen tausend Fundorten und Bestattungsangaben untermauern. Die symbolischen Pferdebestattungen der militärischen „Mittelschicht“ sind von fast 550 Fundstellen und die Denkmäler der Kultur des „Gemeinvolkes“ – darunter Friedhöfe früher Dörfer mit 600, 900 und 1300 Gräbern – von mehr als 2000 Fundstellen der Ebenen und Hügellandschaften des Karpatenbeckens 128bekannt. Charakteristischerweise sind sie ebenso wie die altungarische Ortsnamengebung von wenigen Ausnahmen abgesehen auch archäologisch unabhängig von den Siedlungen und Begräbnisstätten aller hier früher lebenden Völker.
Am sehenswertesten sind bis heute die Gräber der militärischen Mittelschicht mit ihrem Hauptkennzeichen, der partiellen (symbolischen) Pferdebestattung, die weder für die awarischen Bestattungen der vorangehenden Zeit noch für alle späteren, nach den Ungarn in die Ebenen Osteuropas eingedrungenen Reitervölker charakteristisch ist. Hauptkennzeichen dieser Gräber ist, daß nur die Haut – mit Schädel, Fesseln und Mittelfußknochen – des beim Leichenschmaus verzehrten Pferdes zusammengerollt oder wie ein Pferd ausgebreitet, manchmal mit etwas Stroh ausgestopft, mit ins Grab gelegt wird. Dieser Brauch gründete auf dem finnougrisch-ungarischen Glauben, die Seele des Pferdes – wie die des Menschen – wohne in seinem Schädel, so daß die Bestattung des Schädels ein Weiterleben des Pferdes im Jenseits sichere. Manche legen nur das Pferdegeschirr bzw. den Sattel mit Zaumzeug ins Grab, andere Gruppen oder Familien nicht einmal dies. In solchen Fällen ist (aufgrund östlicher historisch-ethnographischer Parallelen) damit zu rechnen, daß Schädel oder Geschirr, evtl. das ganze ausgestopfte Tier, nach einem später gehaltenen Leichenschmaus über dem Grab befestigt wurden, ebenso wie das Grab üblicherweise mit der hineingestoßenen Lanze des Verstorbenen gekennzeichnet wurde. Fehlen also die Pferdeknochen oder das -geschirr in den Gräbern der Mittelschicht, zeugt dies nur von abweichenden Bräuchen oder Bestattungstraditionen der Gemeinschaften, nicht aber davon, sie seien „keine Ungarn“ gewesen.
Allgemein charakteristisch für die Ungarn im 10.–11. Jahrhundert ist – einschließlich der in reichster Kleidung bestatteten Herren – ihre Bestattung in geringer Tiefe. Im Unterschied zu allen früheren Epochen ist diese ungarische Bestattungsweise ein Zeugnis dafür, daß die Ungarn die Totenruhe im gesamten Land für gesichert gehalten haben. Diese wahrnehmbaren Zeichen spiegeln den mit einer stabilen Herrschaft verbundenen, gern die Dinge leichter nehmenden Volkscharakter wider, ebenso im Falle der „partiellen“ Pferdebestattungen. Uralte östliche Tradition ist der Brauch, die Friedhöfe mit Vorliebe auf Höhen oder südlichen Abhängen von Hügeln und auf urzeitlichen Siedlungs- oder Grabhügeln anzulegen.

129Karte 7. Siebenbürgen und die östliche Tiefebene zur Zeit der ungarischen Landnahme und der Staatsgründung
1 = Gräberfelder und Funde ungarischer Krieger des 10. Jahrhunderts, 2 = Gräberfelder und Funde des ungarischen Gemeinvolkes des 10.–11. Jahrhunderts, 3 = ungarische Gespansburgen, 4 = karolingische, Wikinger- und byzantinische Schwerter, 5 = Siedlungen mit Namen landnehmender ungarischer Stämme, 6 = Quartiere und Besitzungen ungarischer Fürsten und Stammesführer im 10. Jahrhundert, 7 = Ortsnamen vom Stammesnamentyp, 8 = im 10.–11. Jahrhundert weiterbestehende slawische Dörfer, archäologisch belegt, 9 = bulgarische Burgen seit Anfang des 10. Jahrhunderts, 10 = ungarische Grenzsicherung gegen die Bulgaren im 10. Jahrhundert, 11 = frühe Salzgruben
Die militärische Mittelschicht bestattete Männer und Frauen in ihren kleinen Friedhöfen mit einer oder mehreren Reihen in strenger Ordnung, die doch einige Varianten zuließ, die Frauen nicht selten auch unter Beigabe des Pferdes. Die innere Ordnung dieser Friedhöfe erklärte man früher mit ihren blutsmäßigen Banden in der Großfamilie, wogegen sich jedoch ernsthafte biologische Gegenargumente vorbringen lassen. Es wird immer offensichtlicher, daß es sich um den militärischen Stand des 10. Jahrhunderts handelt, dessen Details die zur Zeit noch laufenden Ausgrabungen klären müssen. Ein treuer Spiegel dieses militärischen Standes ist die „uniforme Ausrüstung“ dieser Friedhöfe, die nur deshalb nicht so genannt werden darf, weil es sich um die Erzeugnisse Hunderter von Schmieden und Goldschmieden handelt, die in Wirklichkeit nie „Massenware“ waren. Ungeachtet dessen tauchen aus diesen Gräbern nur die für die Ungarn des 10. Jahrhunderts typischen rundsohlig-birnenförmigen Steigbügelvarianten und Trensenarten auf – natürlich kleinere und größere, aus einfachem Schmiedeeisen oder mit Silber- 130und Goldeinlagen (wie in Klausenburg, Muszka, Perjamosch). Auch die Verzierung der Geschirre trägt den „Steppen“-Charakter aus dem 9. und 10. Jahrhundert, doch Details und Zusammensetzung finden sich so nur bei den Ungarn. Als Beispiel mögen die Pferdegeschirre der Frauen dieser Schicht dienen: mit vergoldeten silbernen oder bronzenen Rosetten-Beschlägen verziertes Zaumzeug und Hintergeschirr, die bisher bereits an 65–70 Fundorten im gesamten ungarischen Siedlungsgebiet zum Vorschein kamen (z. B. Bihar, Sikló, Muszka).
Aufgrund der stark gegliederten inneren Ordnung der Friedhöfe der Mittelschicht ist es bei weitem nicht sicher, daß der Tote alles ins Jenseits mitnehmen konnte, was er in seinem Leben benutzt hatte. Die stufenweise abnehmende Zahl von 8 bis einem Pfeil im eisenbeschlagenen Köcher zeigt klar, daß dem Einzelnen im Tod unterschiedliches „zukam“ – unabhängig von dem unbekannten Faktor, ob all dies aus der Sicht der Himmlischen oder der Irdischen gewertet wurde. Dementsprechend kommt die Nahkampfwaffe der landnehmenden Ungarn, der Langsäbel mit geknicktem Griff und gekrümmter Klinge, im letzten Drittel mit Rückenschneide, nur in ca. 12 % der zwischen 895–980 zu datierenden Reitergräber und kaum 5 % aller Männerbestattungen der gesamten militärischen Mittelschicht vor. Dabei war der Säbel mit Parierstange – natürlich wiederum in seinen Einzelausführungen: in einfacher Holz-Lederscheide oder mit Bronze-, Silber- oder Goldbeschlägen verzierter Scheide – in Wirklichkeit keineswegs so selten, praktisch hatte jeder Reiter seinen Säbel. Das Gegenteil ist ebenso schwer vorstellbar wie die Annahme, die Bogenschützen seien mit 1-8 Pfeilen im bauchigen Köcher in den Kampf gezogen. Zwar entsprach ihrer frühen Kampfweise der Säbel am besten, doch liegen Beweise vor, daß sich schon bei den landnehmenden Ungarn „westliche“ Waffen befanden: normanisch-wikingische (in Siebenbürgen z. B. in Weißenburg) und zweischneidige Schwerter aus Byzanz (St. Georgen). Die aus den Gräbern landnehmender Ungarn stammenden zwei Arten von Hiebwaffen lassen sich also nicht einander „gegenüberstellen“ als Waffen der Eroberer und der „Verteidiger“ (in Arad-Csálya und Diemrich [?] kommen beide gemeinsam vor).
Im einfallsreich konstruierten eisenbeschlagenen Köcher trugen die Ungarn Pfeile mit zweigeteilter „Schwalbenschwanz“- oder flacher rhombenförmiger Spitze, deren Typ und Größe früher im Karpatenbecken ebenfalls unbekannt waren (in Siebenbürgen z. B. in Klausenburg und Diemrich). Den Bogen, eine Arbeit vieler Jahre, und besonders den Bogenköcher, legte man dem Toten selten bei, und an den wenigen Stücken fallen die den Reflexbogen verstärkenden Knochenplatten wieder mit ihrer eigentümlichen Form auf. Eine untergeordnete Rolle bei den Bestattungen spielt die Streitaxt, und – aufgrund des Ritus – finden sich nur vereinzelt Lanzenspitzen in den Gräbern (Siebenbürgen: St. Georgen-Eprestető).

Abb. 7. Bestattung eines landnehmenden ungarischen Kriegers mit Säbel und ausgestopfte Reste eines Pferdes, links landnahmezeitliche, von Grabräubern durchwühlte Kriegerbestattung mit ausgebreiteter Pferdehaut, Klausenburg, ehemalige Zápolya-Str.
Die Kleidung der Männer wird allgemein durch bronzene und silberne Zopfringe, Dolmanknöpfe und leierförmige bronzene (Temeschwar, Petschka, Klausenburg, Stumpach) oder eiserne Gürtelschnallen charakterisiert. Ledergürtel und Ledertasche besaß offensichtlich jeder Krieger. Ziergürtel mit spezifisch östlichen Pflanzenmustern auf ihren Bronze- und Silberbeschlägen bezeichneten schon einen gewissen Rang (z. B. Sajtény, Klausenburg), ebenso wie die edelsteinbesetzten Kopffingerringe mit ihrer einfallsreichen Form und besonders die metallenen Deckplatten der Tasche. 131Die Führer und ausgezeichneten Krieger der westlichen Streifzüge verzierten ihre Kleidung häufig mit aufgenähten Silbermünzen (Sikló, Orschowa) – bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts erleichtern diese die Datierung der Bestattungen. Auch in Ungarn ist der Irrglaube lebendig, die Landnehmenden seien 132ohne Frauen im Karpatenbecken eingetroffen. Wenn dies zutreffend wäre, hätten sie binnen weniger Generationen ihre Sprache verloren. Zwar bewegt sich der Anteil der Frauen in den Friedhöfen militärischen Charakters nur zwischen 30 und 40 % – das zeigt den militärischen Charakter! –, dafür ist dieses Verhältnis in denen des Gemeinvolkes häufig umgekehrt.
Die Kleidung der Frauen läßt sich aus den Metallverzierungen erschließen, den metallischen Dolmanknöpfen, den runden und rhombenförmigen Verzierungen am Ausschnitt des Hemdes oder Kaftans, den kleineren oder größeren Anhängerbeschlägen (z. B. Marosgombás). Nicht selten sind Stiefel mit Metallbeschlägen (Bihar), Hüte und Kopfputz mit Beschlägen und selbstverständlich Schmuckstücke. Mit den Ungarn erschienen im Karpatenbecken erstmals die östlichen Ohrringe mit langen Perlenanhängern (Bihar) und die vom Schwarzmeergebiet stammenden Ohrringe mit Weintraubenanhängern byzantinischer Herkunft (massive oder hohl-granulierte Varianten aus Silber und Bronzenachahmungen der ersteren – Klausenburg, Stumpach usw.). Die größte Bedeutung haben dennoch die in den Zopf eingeflochtenen Anhängerdurchbrochene Gußscheiben (Altbeschenowa, Gálospetri, Weißenburg) oder gravierte Blechscheiben und die breiten Armreifen (nicht selten mit gravierten Verzierungen). Nach der Landnahme tauchen bei den Frauen auch westliche Schmuckstücke auf, Emailleohrringe und Scheibenbroschen. Vereinzelt gelangen diese auch in die östliche Tiefebene (Szalacs, Detta) und nach Siebenbürgen (Weißenburg), als Beute der Streifzüge oder erworbene Handelsware.
Während der Metallschmuck und die vom Jenseitsglauben zeugenden Bestattungsbräuche der an sich puritanischen Männer der Mittelschicht in den Gemeinvolkfriedhöfen nur selten sind, bezeugt die Frauentracht der Mittelschicht- und Gemeinvolkfriedhöfe vielmehr enge Verflechtungen und Überschneidungen. Die aus einem einzigen dicken Metalldraht gebogenen oder aus Drahtbündeln gedrehten Hals- und Armreifen sowie Fingerringe – eigentlich auch ein neuer Modeschmuck des 10. Jahrhunderts im Karpatenbecken – der Frauen und Mädchen aus dem Gemeinvolk finden sich aus Silber und sogar Gold auch bei den Vornehmen, und die zweiteiligen Kleidausschnittanhänger der letzteren gibt es in zahlreichen Varianten bei den Frauen des Gemeinvolkes aus Bronze bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts. Nicht selten sind mit runden Bronzebeschlägen benähte Kleider, und sogar bronzene Zopfanhänger kommen vor. Auch die sich im Karpatenbecken erst nach der ungarischen Landnahme verbreitenden bronzenen oder silbernen Armbänder mit einander anblickenden Tierköpfen unbekannter Herkunft (z. B. Thorenburg, Temeschwar, Biharfélegyháza, Petschka) verteilen sich auf die Frauen beider Schichten. Echter weiblicher Schmuck des Gemeinvolkes sind allein die einfachen Drahtarmbänder und Fingerringe, die (den Zopf schmückenden) glatten Haarringe mit eingedrehten oder S-förmigen Enden, die als religiöses Symbol dienenden Halbmondanhänger und die Halsketten aus verschiedenen Glasperlen, letztere teilweise schon hier hergestellt.

Abb. B. Grabbeigaben einer landnahmezeitlichen ungarischen Frau in festlicher Tracht, Marosgombás
In Siebenbürgen und in der östlichen Tiefebene, in den Tälern und Ebenen tritt diese archäologisch gut erfaßbare ungarische archäologische Kultur zur gleichen Zeit auf wie in allen anderen Teilen des damaligen Landes. Dennoch neigten selbst ungarische Forscher zur Unterbewertung der siebenbürgischen Niederlassung der landnehmenden Ungarn. Dabei war nicht die Besiedlung selten und dünn, sondern die Forschung vermochte sich nicht zu entfalten. Sie 133begann ohnehin mit halbhundertjähriger Verspätung – die ersten siebenbürgischen landnahmezeitlichen Gräber wurden erst 1895 entdeckt (Marosgombás) –, und die letzte planmäßige Grabung nach landnehmenden Ungarn wurde 1911 beendet (in der Zápolya-Str. in Klausenburg, deren 134Ergebnisse auch erst 1942 veröffentlicht werden konnten). Zwischen den beiden Weltkriegen wird alles in allem nur von einem landnahmezeitlichen Reitergrab berichtet (Székelyderzs). Nach dem zweiten Weltkrieg fand man zwar an vielen Orten – fast ausnahmslos als „Nebenprodukt“ von Grabungen mit anderem Ziel – Gräber der Mittelschicht, die von den gewissenhaften Archäologen zumeist auch fachgerecht ausgegraben wurden, doch veröffentlichte man keinen Ausgrabungsbericht über diese Friedhöfe (Diemrich, Klausenburg Pata-Str., mehrere in Karlsburg, Köröstarján, Sajtény, Sikló, Arad-Csálya, Temeschwar-Csóka-Wald). Die wenigen Grabbeschreibungen (B-Friedhof von Stumpach, Hodony, Szalacs, Gálospetri) wurden in dem Glauben veröffentlicht, daß diese Gräber nicht von Ungarn stammen, weil sie keine Reiterbestattungen aufwiesen. Die Relationen, gemessen an den Forschungen in Ungarn oder an den anerkennenswerten südslowakischen Ausgrabungen hinsichtlich der Mittelschichtforschung, werden immer ungünstiger; all das trübt die Klarsicht, und die Verheimlichung der Funde führt zu ihrer Über- oder Unterbewertung. Die Grabungen selbst lassen sich ja nur selten geheimhalten: So wurde bekannt, daß man am einstigen Sitz des Gyula, in Weißenburg (Karlsburg) Mittelschicht- und Gemeinvolkfriedhöfe fand, die sich nur an denen der Arpaden von Stuhlweißenburg messen lassen, und daß man im Gebiet Klausenburg mit einem im landnahmezeitlichen Karpatenbecken bedeutenden ungarischen Militärzentrum rechnen kann.
Nach Beginn des 10. Jahrhunderts lassen sich „einzelne“ Reiterbestattungen – die in den erforschten Gebieten nur von der Oberschicht bekannt waren – oder „Grabgruppen“ von ein bis zwei ungarischen Reitergräbern im späteren Szeklerland (Csíkzsögöd, Szekler Neumarkt, Eresztevény, St. Georgen, Köpec und vielleicht Székelyderzs) nachweisen. Sie sind offensichtlich Spuren des Militärelementes an der Innenseite der südostsiebenbürgischen Pässe als Grenzschutz gegen Petschenegen und Bulgaren – es würde überraschen, wenn es sie nicht gäbe, wurde doch eine bedeutende ungarische Grenzwache jüngst sogar im äußeren Vorfeld der Nordostkarpaten (Przemysl in Südostpolen) entdeckt. Es überrascht auch nicht, daß die Bulgaren direkt dieser südostsiebenbürgischen Grenzwache gegenüber, an der Südseite der Karpaten, gerade an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert auf der den Südausgang des Bodsauer Passes kontrollierenden Terrasse die kaum einige Jahrzehnte zuvor aus Ziegeln errichtete Befestigung von Slon völlig neu aus Steinen aufbauten. Dies beweist handgreiflich, daß in Siebenbürgen eine neue angriffsfreudige Macht erschienen war, gegen die sich die Bulgaren auf eine ständige Verteidigung einrichteten. Bemerkenswert ist, daß man in Slon-Prahova eine (an zwei Ecken mit Rundtürmen und eigentümlichem Torturm verstärkte trapezoide) steinerne Burg entdeckte, wie sie nördlich der unteren Donau einmalig ist. Ihre behauenen Steine und die Mörteltechnik verweisen direkt auf die großen bulgarischen Zentren (Pliska, Preslaw, Madara, Silistra/Dristra). Die Befestigungen von Slon konnten an der Südseite der Karpaten nur Verteidigungszwecken dienen. Nach ihren serienweisen Niederlagen verließen zuerst die Bulgaren und dann auch die Ungarn ihre vorgeschobenen Stellungen.
Im Inneren Siebenbürgens war der einzige teilweise (mit den Ausgrabungen von 1941–42 insgesamt nur 12 Gräber) ausgegrabene und fast völlig veröffentlichte frühe ungarische „militärische“ Friedhof der von Klausenburg in der Zápolya-Str. (heute Dostoievschi-, in der früheren Fachliteratur 135Vişinschi-Str.), dessen Bedeutung sich nur an den reichsten entsprechenden Friedhöfen in Ungarn, an Kenézlő, Bezdéd, Eperjeske und Karos, messen läßt. Allein eine Taschendeckplatte wurde bisher nicht gefunden, wohl weil die Gräber bereits im Mittelalter geplündert wurden oder der Friedhof nicht zur Gänze freigelegt wurde.
Die Glaubwürdigkeit des Anonymus als „Kriegsberichterstatter“ wird keinesfalls durch den Umstand bestätigt, daß Gräber ungarischer Krieger im Tal des Kleinen Samosch gefunden wurden; die strategische Wichtigkeit des Ortes spricht für sich selbst. An sich beweist dieser relativ kleine Friedhof weder ein bis zum 10. Jahrhundert existierendes „römisches“ Napoca noch ein seit dem 10. Jahrhundert kontinuierliches ungarisches Klausenburg: er liegt nämlich 1275 m östlich der bis dahin mit großer Wahrscheinlichkeit völlig zerfallenen römischen Stadtruinen. Nichts kann die große Entfernung begründen, wenn die Bestatteten sich tatsächlich innerhalb der römischen Mauern, besonders im Bereich der späteren Alten Burg niedergelassen haben sollten – wo es im übrigen keine Spuren von Leben im 9.–11. Jahrhundert gibt. Wo sie dies wirklich taten, wie in Karlsburg in den tatsächlich erhaltenen Mauern Apulums, dort beerdigten sie ohne Umstände innerhalb der Mauern, auf die zerstörte bulgarische Siedlung; weitere Friedhöfe befinden sich außerhalb der antiken Mauern in Fortsetzung des bulgarischen Friedhofs sowie östlich der Burg.
Die obigen Argumente werden auch nicht durch den kürzlich viel näher beim antiken Napoca entdeckten weiteren Friedhof entwertet. Bei Ausgrabungen eines römischen Friedhofs aus dem 2.–3. Jahrhundert fand man im Winkel der Pata-Str. und des Györgyfalver (Gergesdorfer) Weges ca. 30 Gräber-ebenfalls alle mit Beigaben. Die Zahl der Reitergräber ist nicht genau bekannt, doch können es 5 oder 6 sein, mehrere davon mit Säbel und einige mit beschlagenen Gürteln. Pfeilspitzen fanden sich in fast allen Männergräbern, in einem Dutzend von Fällen zusammen mit Knochenplattenversteifungen des Bogens. Die Frauengräber enthielten Zopfringe, Armbänder und Fingerringe – auch Gold- und Silberfingerringe – sowie scheibengedrehte irdene Gefäße des „Saltowo“-Typs, also der Zápolya-Str. ähnliche Funde. Der Friedhof liegt ca. 600 m südwestlich der Zápolya-Str. und war folglich ein selbständiger Bestattungsplatz. In ungefähr ebensolcher Entfernung von diesem nach Nordwesten lag ein dritter damaliger Friedhof in der Farkas-Str., worauf nur ein einziges, am Hals mit Metallbeschlägen verziertes Kleid und silberne Ohrringe mit Weintraubenanhänger eines Frauengrabes verweisen. Aufgrund der drei frühen Friedhöfe kann die landnahmezeitliche Militärsiedlung (können die Siedlungen) im Gebiet zwischen dem Mühlbach und der Budai-Nagy-Antal- (frühere Honved-)Str. vermutet werden.
Im Bereich der Karlsburger Burg wurde ein bei Bauarbeiten zu Beginn des 11. Jahrhunderts zerstörtes ungarisches Reitergrab freigelegt. Außer schriftlichen Mitteilungen über Mittelschichtbestattungen (Zalatnaer Str.) außerhalb der Mauern mit Pferd, Ziergürtel, Köcher, Zopf-Scheibenanhängern und silbernen Ohrringen mit Weintraubenanhängern und über einen frühen Gemeinvolkfriedhof östlich der Burg ist Näheres nicht bekannt. Relativ gut bekannt wiederum sind Details militärischer Friedhöfe der Mittelschicht teilweise mit Reitergräbern einiger älterer (Marosgombás, Magyarlapád) und neuerer (B-Friedhof Stumpach) Grabungen. Über einen ähnlichen, nur in Auswahl veröffentlichten, teilweise freigelegten Friedhof mit Reitergrab 136wissen wir von Diemrich am Mieresch. Nachrichten über unveröffentlichte Reitergräber liegen aus Stumpach und Piski vor.
Außer dem an der Samosch-Furt bei Klausenburg wurden sämtliche landnahmezeitlichen militärischen Friedhöfe im Miereschtal gefunden, die Friedhöfe der Militärstationen setzen sich an beiden Seiten des sich zur Tiefebene hin öffnenden Flußtales und im Arankatal fort (Ópálos, Fönlak, Deutsch-St. Peter, Arad-Csálya, Groß-St. Nikolaus, Perjamosch, Petschka, Sajtény). Im Tal der Schnellen Kreisch ist bisher nur Krajnikfalva als ungarische Militärsiedlung bekannt, und von solchen im Gebiet der Meszeschpforte wissen wir nichts.
Die Friedhöfe in der östlichen Tiefebene gehören zum zentralen Siedlungsgebiet der Ungarn. Ein solcher ist der Friedhof von Bihar (der einzige am Jahrhundertbeginn teilweise ausgegrabene und veröffentlichte), nicht weit von ihm der militärische Friedhof mit Reitergräbern in Köröstarján sowie der in Ártánd im heutigen Ungarn. Im Érgebiet (Gálospetri, Szalacs) siedelten die Vertreter der Mittelschicht ebenso wie im vermutlichen frühen Zentrum der Gyulas östlich des heutigen Gyula (Gyulavarsánd, Muszka, Sikló). Im Banat liegt eine lange Kette reicher militärischer Friedhöfe der Mittelschicht und Gräberfelder von Sippenoberhäuptern (Triebswetter, Vizesd, Marienfeld, Komlosch, Hodony, Temeschwar-Csóka-Wald, Detta), hinunter bis zur Grenzwache an der unteren Donau, in Orschowa, wo durch westliche und byzantinische Münzen datierte, überraschend reiche landnahmezeitliche ungarische Funde zum Vorschein kamen. Im letzten Drittel des 10. Jahrhunderts hatten die Militärsiedlungen im Érgebiet-Schnelle Kreisch anders als im Siebenbürgen der Gyulas auch Grenzschutz- (Szekler-) funktion, während die Kräfte im Banat zu Beginn des 11. Jahrhunderts in Ajtonys Diensten standen.
Die nicht allzu großen Friedhöfe des 10. Jahrhunderts des Gemeinvolkes von ausgesprochen östlicher ungarischer Herkunft fanden sich in Siebenbürgen fast ausschließlich im Miereschtal (Maroscsapó, Marosnagylak, Karlsburg – mindestens zwei, Magyarlapád, Unterwintz-Burgberg, Stumpach, Diemrich), aber auch die Ausnahmen liegen noch im Miereschgebiet (Thorenburg, Zeikdorf, Kelling). Aus der östlichen Tiefebene, dem Banat und dem Gebiet an der unteren Donau sollen nur einige wichtigere erwähnt werden: Karol, Hegyközkovácsi, Großwardein, Gyulavarsánd, Petschka, Brukenau, Ligeth, Mehádia. Diese frühesten ungarischen Siedlungen und ihre Friedhöfe – und das ist wiederum eine Erfahrung aus dem gesamten Land – überstehen auch in Siebenbürgen nur selten die inneren Kämpfe und Erschütterungen im Verlaufe der Staatsgründung, die Umsiedlungen im Zuge der Staatsorganisation. Es gibt auch eine Periode des 10. Jahrhunderts der späten slawischen Urnenfriedhöfe (vom Mediasch-Typ) um das Siebenbürgische Hochland herum, wie dies die Benutzung des bulgarischen Friedhofs von Csombord im 10. Jahrhundert oder die gemeinsamen Bestattungen der Bulgaren, Slawen und Ungarn in Karlsburg belegen. Auch in den Gräberfeldern einiger bulgaro-slawischer Siedlungen im südlichen Banat wurde archäologisches Material des 10. Jahrhunderts gefunden (Altmoldova, Felsőlupkó/Gornya).

 

 

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