Ungarn und Slawen. Das Zeugnis der Ortsnamen

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Ungarn und Slawen. Das Zeugnis der Ortsnamen
Die frühe ungarische Grenzwächteransiedlung belegen seit dem 12. Jahrhundert bis heute deutsche Ortsnamen. I. Kniezsas bereits klassische Forschungen besagen: „In den nordöstlichen und südlichen Teilen Siebenbürgens dienen die sächsischen Ortsnamen dieser Gebiete als recht gute Fixpunkte. Denn die deutschen Namen der überwiegend von deutscher Bevölkerung bewohnten Ortschaften im Nordosten, entlang des unweit von Bethlen in den 148Großen Samosch mündenden Sajó und von dort nach Nordwesten sind mit ein bis zwei Ausnahmen alle aus dem Ungarischen übernommen“ (ung./dt./rum.: z. B. Sárvár/Schueret/Şirioara, Kendtelek/Kindeln/Chintelecu, Vermes/Wermesch/Vermeş, Kékes/Kikesch/Chiochiş, Somkerék/Simkrugen/Şintereag). „Ebenso finden sich auch unter den sächsischen Ortsnamen nicht nur im Gebiet zwischen den beiden Kokel, sondern auch des Königsbodens zwischen der Linie Große Kokel-Mieresch und Alt auffällig viele Ortsnamen ungarischer Herkunft. Und diese Namen beweisen klar, daß die Sachsen bei ihrer Einwanderung eine ungarische Bevölkerung mit bereits bestehenden Siedlungen vorfanden. Da wir aber von den Sachsen wissen, daß sie ungefähr in der Mitte des 12. Jahrhunderts in ihr heutiges Siedlungsgebiet eingewandert sind, müssen wir die Zeit der ungarischen Siedlungen früher, auf den Beginn des 12. Jahrhunderts oder eventuell auf die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts ansetzen“ (z. B. Örményes/Irmesch/Ormeniş, Holdvilág/Halwelagen/Hoghilag, Ludas/Logdes/Ludesch/Ludoş, Vessződ/Wassied/Vesăud, Medgyes/Mediasch/Mediaş, Baromlak/Wurmloch/Vorumloc, Sárpatak/Scharpendorf/Şarpotok, Kézd/Keisd/Chizdu, Egerbegy/Arbegen/Agîrbiciu, Bürkös/Bürkesch/Birgiş, Kövesd/Käbisch/Coveş, Homorod/Hamruden/Homorod, Halmágy/Halmagen/Halmeag, Árpás/Arpasch/ Arpaşu, Talmács/Talmesch/Tălmaciu). „Im Burzenland […] stößt man anders als in den bisher behandelten sächsischen Gebieten auf keinen einzigen sächsischen Ortsnamen, der aus dem Ungarischen stammen würde […] vor der Besiedelung der Sachsen konnte es hier keine namhafte ungarische Bevölkerung gegeben haben.“ „Aus unseren Ausführungen folgt auch, daß sich die Szekler im Gebiet des heutigen Stuhles Csík und der Drei Stühle bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts nicht niedergelassen haben können.“
Für das Gebiet von der Latorca über das Tür-Kraszna-Tal bis zur Bistritz wies bereits Kniezsa eine bedeutende slawische Restbevölkerung im 11.–12. Jahrhundert nach. Dies läßt sich durch jüngere Forschungen ergänzen, wonach die große Mehrheit der aus dem Ostslawischen stammenden arpadenzeitlichen Dorfnamen Ardó = Waldhüter/Förster und Daróc = Wildfänger/Waldjäger aus der gleichen Gegend stammen, was zudem belegt, daß die Gebiete Szilágyság, Marmarosch und Bistritz ein riesiges Waldgebiet waren, in dem königliche Dienstvölker mit den obigen slawischen Namen noch im 13. Jahrhundert vorauszusetzen sind. In Ost-Doboka (nordwestlich des Bistritzer Königsbodens, östlich des Sajótals), also dem früheren Grenzödland, taucht zum ersten Mal in Urkunden aus der Zeit Belas III. (1172–1196) ein Dorf mit ungarischem Namen auf, Igalja (Igyalja), das später den Namen der bei seiner ersten Erwähnung bereits stehenden (!) St.Andreaskirche übernahm. Der Besitz bestand aber auch noch 100 Jahre später überwiegend aus Wäldern, Buschwerk, Hainen und Wiesen.
Die wichtigsten Beweise für den Fortbestand der Siebenbürger Slawen sind die Namen kleinerer Flüsse und Bäche. Slawische Namen tragen folgende Nebenflüsse des vereinten Samosch: Krasna, Tur, Turoc, Pisterna, Lekente, Kapnik, Debrek, Debreke mit dem parallelen ungarischen Namen Melsed (= Mély-séd aus der Arpadenzeit); linksseitig des Kleinen Samosch: Ložad, Lona, Gorbo; beidseitig des Großen Samosch: Tiha, Ilošva, Ilva, Salva, Rebra, Besterce/Bistritz, Lekence; seltener sind sie entlang des Mieresch: Kalodva, Orbo, Lekente (von den Nebenflüssen des Aranyos haben Tur und Torocko slawische Namen); häufiger sind sie in Hunyad: Lesnek, Strig, 149Dobra, Černa, Bistra. Von dem parallelen slawischen Namen der beiden Kokel, Tirnava, war schon in der awarisch-bulgarischen Epoche die Rede. Slawische Namen tragen die Nebenflüsse des oberen Alt: Toplica, Kleine Bistritz, Černavoda (Schwarzwasser), Kason, Kovasna, Debren-Bach, in der Gegend des Alt-Knies der Doborka-Bach, Černa-Bach und Gerebene-Bach, von den Nebenflüssen im Hermannstädter Gebiet: Zibin, Černavoda und Zod. Auch die Nebenflüsse im Oberland des Temesch tragen zum guten Teil slawische Namen: Gladna, Bistra, Černa, Lanko.
Erheblich mehr kleinere Flüsse und Bäche ungarischen Namens gibt es in Siebenbürgen; in den Samosch fließen: Szilágy, Egregy, Almás, Lápos, Berekszó, Hagymás, Nádas, Ludas, Kapus, Sóspatak, Füzes, Fejérd, Gyékényes, Hódos, Mélyes, Sajó und Fenes, in den Mieresch: Tekerő, Békány, Köves, Kigyós, Ezenes, Magyaros = Mogyorós, Görgény, Egregy (ung. Name der Černa), Nagyszád, Farkad, Fenes, Gyógy = Diód, ein anderer Gyógy, Aranyos, Komlód, Ludas, Sebes, Küküllő/Kokel und ihre Nebenflüsse: Székes, Buzgósár, Székás, Segesd, Csergőd, Hagymás, Sósséd, Nyárád, in den Alt: Feketeügy (ung. Name der Černavoda/Schwarzwasser), Vargyas, die zwei Homoród, Kozd (1206: Cwezfey), Kormos, Sáros, Sebes, Árpás, Hortobágy, Disznajó, der andere Sebes, Feketevíz. Eine slawisch-ungarische Doppelheit findet sich im Quellgebiet von Kraszna, Berettyó und der Kreisch- Flüsse. In die slawische Krasna fließen die slawischen Sereden und Zolina sowie die ungarischen Előpatak, Bikagyűr, Egres und Székpataka; in den ungarischen Berettyó die slawischen Bistra/Bistrica und Devna und dann die ungarischen Almás, Gyümölcsénes, Gyepes, Ér und Jószás; in die Schnelle Kreisch die slawische (?) Kalota und dann die ungarischen Sebes, Méhséd, Hegyes, Kutas, Nyárér und Kölesér. Die Schwarze Kreisch hatte nur Nebenflüsse ungarischen Namens: Belényes, Fenes, Solymos, Hollód, Hodos und Gyepes. Der große Nebenfluß ungarischen Namens des Temesch ist die Sebes.
Außer den urzeitlichen Namen Maros/Mieresch, Körös/Kreisch – die sich erst in der Großen Ungarischen Tiefebene zu einem Fluß vereinigt –, Szamos/Samosch, Olt/Alt, Ompoly und Berzava (die aber ins Rumänische über slawischen und altungarischen Lautwandel gelangten), lassen sich nur noch im Gebiet am oberen Alt einige Flußnamen mit vermutetem türkischen Namen erwähnen, Barót, Barca und Brassó, und an der unteren Donau Krassó, womit die erwähnenswerten Gewässernamen Siebenbürgens aufgezählt sind.
Aus den Gewässernamen – die sich viel hartnäckiger halten als alle anderen geographischen Namen – läßt sich nur eine Schlußfolgerung ziehen: Siebenbürgen hatte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zwei Bevölkerungsgruppen, eine an vielen Orten weiterlebende slawische aus früherer Zeit und seit dem 10. Jahrhundert kontinuierlich eine ungarische. Die Slawen saßen in fast allen Gebieten Siebenbürgens, doch bildeten sie größere Blöcke – zumindest nach der ungarischen Landnahme – nur im Krasna-Gebiet, zwischen Samosch, Großem Samosch und oberer Theiß, im Becken der Drei Stühle, im Gebiet zwischen Sztrigy und Szeben, in Krassó-Szörény und einen kleineren im Aranyos-Gebiet. Diese Blöcke lösten sich bis zum 12. Jahrhundert weitgehend auf, als die Slawen bereits in fast ganz Siebenbürgen mit Ungarn vermischt lebten. Von den Deutschen (mit Ausnahme der Namen ganz kleiner Bäche) und den Rumänen Siebenbürgens (ausnahmslos) wurden 150die 143 slawischen und ungarischen Gewässernamen übernommen, was bis heute nachvollziehbar ist. Gebirgsbachnamen rumänischer Herkunft lassen sich in Siebenbürgen ebenfalls nicht vor dem 15. Jahrhundert finden.
Die Ortsnamen sollen nur erwähnt werden, weil slawische Ortsnamen von den Ungarn, Deutschen (Rodna, Bistritz usw.) und Rumänen gleicherweise übernommen wurden, meist auch in dieser Reihenfolge. Die Zahl der slawischen Ortsnamen und damit der slawischen „Urbevölkerung“ Siebenbürgens darf aber nicht überschätzt werden; von den aus Urkunden bis 1400 bekannten 1119 Ortsnamen sind bloß 104 slawischer Herkunft, weniger als 10 %. Mit Gewißheit frühe ungarische Übernahmen liegen mitten in Siebenbürgen im Zusammenflußgebiet von Aranyos, Mieresch und Kokel vor, zwei Gerend, dann Dombó, Dombró und Gambuc, in denen die Ungarn – wie überall im Karpatenbecken – die im Slawischen später verlorengegangenen Nasalvokale beibehielten.
In Wahrheit herrscht im gesamten Siebenbürgen die ungarische Namensgebung vor. Im wesentlichen sind es Substantive im Nominativ Singular mit Stammes-, Volks-, Personennamen- oder Berufsbedeutung, seit dem 12. Jahrhundert der Schutzheilige der Kirchen im Nominativ. Eine entsprechende Namensgebung ist im Slawischen, Deutschen und Rumänischen unbekannt. Die slawischen Berufsbezeichnungen Bocsár = Mundschenk, Csatár = Schild-/Waffenmacher, Hari = Koch und Igric = Possenreißer kommen im gesamten Karpatenbecken vor, in ähnlicher Weise sind auch die Berufe bezeichnenden ungarischen Namen von sog. Dienstleute-Dörfern keine siebenbürgische Eigenart: Szántó = Pflüger, Kovácsi = Schmied, Fazekas = Töpfer, Ebes = Hundejunge, Solymos = Falkner, Szőlős = Winzer.

 

 

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