Siedlungsgebiete, Dörfer, Häuser und Baudenkmäler der frühen Arpadenzeit

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Siedlungsgebiete, Dörfer, Häuser und Baudenkmäler der frühen Arpadenzeit
Die arpadenzeitliche Siedlungs- und Hausforschung befindet sich auch in Siebenbürgen noch in der Anfangsphase. In Südostsiebenbürgen ist an vielen Orten eine arpadenzeitliche Fortsetzung der früheren slawischen Dörfer (St. Georgen-Kulakert, die späteren Häuser von Siménfalva-Cserealja, der größere Teil der Häuser von Székelyszenterzsébet-Szénásföld, Kézdipolyán – oberste Schicht, mittlere Hausschicht von Alsócsernáton-Domonkos-Kurie, Réty-Suvadástető, Schäßburg-Weingärten) nachgewiesen. Am Samosch handelt es sich um eine solche vermutlich bei der Siedlung in Lemhény. Zwischen den späten slawischen und den frühen ungarischen halb in die Erde eingesenkten Grubenhütten bestand anfänglich kein großer Unterschied, höchstens soviel, daß die arpadenzeitlichen Ungarn – infolge ihrer östlichen 166Traditionen – die in die Erde eingegrabenen Backöfen (z. B. Kreutz-Gyárfás-Garten, Alsócsernáton-Domonkos-Kurie) mehr schätzten als die Steinherde (z. B. Wermesch, Mühlendorf, Erkeden, Betelsdorf) und statt der Backteller lieber eine Backglocke benutzten. Mit früher ungarischer Ansiedlung kann dort gerechnet werden, wo ungarische Metallgegenstände, in erster Linie Pfeilspitzen, Trensen, Säbelbruchstücke, Zaumzeugschmuck, Sporen des 11.–12. Jahrhunderts und ungarische Münzen gefunden wurden (z. B. Csákó, Marosgombás, Lechnitz, Pretai 2. Dorf) oder die für die Ungarn charakteristischen Ton- und Metallkessel. Die Häuser selbst entsprachen den üblichen Typen der Zeit, es waren Grubenhütten mit Satteldach wie beim Gemeinvolk der Arpadenmonarchie überall (Kreutz-Gyárfás-Garten, Nagymedesér, Wermesch, Betelsdorf, Csapószentgyörgy, Erkeden, Mühlendorf, Alt-Klausenburg, Biharvár, Alt-Aradvár). Von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an hatten die Grubenhäuser hier und da auch schon auf Balken ruhende Wände (Kreutz, Mühlendorf), was auch das Erscheinen der 4-6 dachtragenden Pfosten belegt (Nieder Kreuz, Mühlendorf, Csíkszentkirály). Wichtige Haushaltsgegenstände des ungarischen Gemeinvolkes waren die von den Ungarn aus der osteuropäischen „Saltowo-Kultur“ mitgebrachten kleineren und größeren Familien-Kochkessel, die man in den Dörfern auf dem offenen Herd verwendete, während sie in den Sommerlagern die Kochkessel der Hirten waren. Die Tonkessel waren im 10.–13. Jahrhundert in allen von Ungarn bewohnten Gebieten des Karpatenbeckens verbreitet – und zwar nur dort, in den von Slawen bewohnten Gegenden kommen sie nicht vor.

167Karte 9. Ungarische Siedlungen der Landnahme- und Arpadenzeit mit Töpfen mit geripptem Hals und Tonkesseln östlicher Herkunft im östlichen Drittel des Karpatenbeckens
1 = Töpfe mit geripptem Hals, 2 = Tonkessel
Die auch in Siebenbürgen zahlreich gefundenen Tonkesselreste hält die jüngere rumänische und sächsische Forschung unter Berufung auf die Tonkessel der Moldauer Petschenegen und der Donaubulgaren aus der Dobrudscha und von der unteren Donau (letztere gleichfalls für „Petschenegen“ haltend) für petschenegischer Herkunft und will mit ihnen in Siebenbürgen einfach die massenhafte Anwesenheit des petschenegischen und seit neuestem auch des „römischen“ Elements belegen. Eine massenhafte petschenegische Ansiedlung hat es aber im Karpatenbecken niemals gegeben, geschweige denn in Siebenbürgen, wo von den 103 Petschenegen(= Besenyő)dörfern aus der Arpadenmonarchie nur 6–8 ost- und südsiebenbürgische aus dem 11./12. Jahrhundert bekannt sind, wobei der Name dieser Dörfer an sich schon gegen eine petschenegische Umgebung spricht. Andererseits unterscheiden sich Form und Verzierung der Tonkessel im Karpatenbecken wesentlich von ihren angeblichen Vorbildern, den (tatsächlich meist späteren!) Tonkesseln der Moldau – ihren lokalen Ursprung und insbesondere römische Bronzegefäße als Vorbilder anzunehmen, ist unhaltbar. In zahlreichen Siedlungen Siebenbürgens und Ungarns fanden sich die Tonkessel in durch ungarische Metallfundstücke aus dem 10.–11. Jahrhundert datierten Schichten und Häusern oder gemeinsam mit von Ungarn auf der Handscheibe gedrehten „Saltowo“-Töpfen (Biharvár, Alt-Klausenburg, Alt-Thorenburg, Alt-Aradvár, Weißenburg, Dobokavár, Lechnitz, Csapószentgyörgy, Mühlendorf). Vom 11. Jahrhundert an werden sie durch ungarische Münzen datiert, durch die Grabobolus enthaltenden frühen Friedhöfe auch die ihnen gehörenden Siedlungen. Die frühe Wellenlinienverzierung datiert mehrere Kessel in das 10.–11. Jahrhundert (Alt-Klausenburg, Belényesszentmiklós, Schäßburg-Weingärten, Bultsch-Kápolnás usw.). Die sehr zahlreichen Kesselfunde in der Ebene im Komitat Arad zeigen die Stellen 168der beim Mongolensturm zerstörten ungarischen Dörfer. Insgesamt gesehen sind die bisher ca. 180 Tonkesselfunde aus Siebenbürgen und der östlichen Tiefebene wichtige Beweise für die ungarische Besiedlung in der Arpadenzeit und passen sich nahtlos den gegenwärtig 500–600 Tonkesselfunden in den von Ungarn bewohnten Gebieten an.
Zur Siedlungsgeschichte des 11. Jahrhunderts gehören jene verborgenen Schätze, die zugleich auch die Ereignisgeschichte der Epoche und die wirtschaftlichen Verhältnisse beleuchten. Bei einem Petschenegenangriff vor 1030 oder unter Peters Herrschaft (1038–1044) wurden die silbernen Perlen einer Halskette vom Darufalva (Draßburg)-Jurkovci-Typ in Dobokavár verstreut. Diese Schmuckstücke osteuropäischer Herkunft finden sich in durch Münzen gut datierbaren Schätzen aus den 1030er Jahren. Eher schon beim uzisch-petschenegischen Angriff von 1068 kann ein prachtvoller, gleichfalls aus osteuropäischem Silberschmuck bestehender Schatz auf dem späteren „Königsboden“ in die Erde gelangt sein. Der Silberschmuck beleuchtet die Beziehungen Siebenbürgens zur ostslawischen Welt. In Alsócsernáton in den Drei Stühlen verbarg der slawische Besitzer in einem beim feindlichen Angriff abgebrannten Haus seit dem 10. Jahrhundert gesammelte byzantinische Münzen. Vier gehortete Geldschätze aus Münzen Ladislaus’ I. belegen ausgezeichnet die Route des von Kapoltsch 1091 geführten ersten Kumanen-Angriffs durch Siebenbürgen bis nach Biharvár (Thorenburg, Magyarfráta, Dobokaváralja, Biharszentandrás), zugleich zeigen sie, daß sich fallweise auch im Besitz Einzelner bedeutende Geldvermögen (120–170 Silbermünzen) befanden.
Im übrigen stimmt der „Umlauf“ der ungarischen Münzen – wenn man von einem solchen überwiegend aufgrund von Grabmünzen überhaupt sprechen kann – in der östlichen Tiefebene und im Banat seit Stephan I. mit dem allgemein ungarischen überein. Im Inneren Siebenbürgens waren in den erforschten Machtzentren (Alt-Hunyad, Alt-Thorenburg, Alt-Klausenburg und Doboka) und ihrer Umgebung die Münzen Stephans I. und Peters überall in Gebrauch. Allein von Weißenburg wurde bisher keine Münze vor Andreas I. mitgeteilt, wogegen Peters Münzen im nahen Langendorf belegt sind; also ist ihr Fehlen nur zufällig. Zufall ist auch, daß in Siebenbürgen bisher keine Münzen von Geysa I. gefunden wurden. Von Kolomans Zeit an ist der „Geldumlauf“ im gesamten von Ungarn besiedelten Gebiet allgemein, wie dies der am Ostrand des Siedlungsgebietes aus Kolomans Zeit, 1862 in Homoródszentpál gefundene Münzschatz belegt, dessen Besitzer ihn unter Ladislaus I., Koloman und hauptsächlich Bela II. sammelte und durch irgendein Ereignis gezwungen war, ihn zu verbergen. – Aus der Verbreitung der Münzfunde läßt sich also nicht „auf die Etappen der ungarischen Kolonisation“ folgern. Davon kann höchstens in den späteren Drei Stühlen die Rede sein, wo beginnend mit der Zeit Geysas II. die ungarischen Münzen erstmals und gleichzeitig erscheinen.
Das Ergebnis jüngster Forschungen ist die Entdeckung einer herzoglichen Pfalz (curtis) aus dem 11. Jahrhundert mit dazugehöriger Kapelle nahe Belényesszentmiklós. Der beachtlich große Palast ist der königlich-herzoglichen Pfalz von Dömös an der Donau nahe verwandt – eine wahrscheinlich zur Zeit des Dukats Belas I. und Geysas I. erbaute Residenz. Der 1091 während des Kumaneneinfalls beschädigte Palast mag unter Herzog Almos’ Dukat wiedererrichtet worden sein, wobei auch seine Kirche erweitert wurde. Seine 169spätere Geschichte und Erweiterung verknüpft sich im 13. Jahrhundert mit dem Herrengeschlecht der Borsa.

Abb. 11. Herzogspalast aus dem 11.–12. Jahrhundert in Belényesszentmiklós
1 = Palast Belas und Herzog Geysas, 2 = von Herzog Álmos neu errichteter Palast und spätere Anbauten
Ebenso belegten neue fachgerechte Ausgrabungen, daß die aufgrund ihrer Grundrisse – hauptsächlich von ungarischen Kunst- und Architekturhistorikern – ins 10.–11. Jahrhundert datierten Zentralkirchen (Oderhellen-Jesuskapelle, Kézdiszentlélek-Perkő) in Wahrheit spätarpadenzeitliche Bauten in archaisierendem Stil sind. Zu ihnen gehörten, in völligem Einklang der urkundlichen mit den archäologischen Angaben, die um 1300 erbaute orthodoxe Vierapsidenkirche von Gursaden (= Zad, entstand nach urkundlichen Angaben nach 1292), die an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert erbaute Rundkirche von Alt-Klausenburg (in ihr Fundament waren ein Kapitell und die Reliefbasis einer Zwillingssäule aus dem 12. Jahrhundert eingebaut) sowie die von rumänischer Seite neuerlich als aus dem 9.–10. Jahrhundert stammend betrachtete Rundkirche von Ilyéd, die ihr Kirchhof aber ins 12.–13. Jahrhundert datiert.
Die wirklich frühe Architektur ließ die der Romantik verhaftete Forschung außer acht. Nach Maßen, Bau- und Formeigenheiten gehört die teils aus römischen Ziegeln errichtete kleine Rotunde mit halbkreisförmiger Apsis von Gergesdorf (das Pendant zu Wesprim, Sárospatak, Ducó/Ducové und Karlsburg/Weißenburg!) ganz gewiß in die hier behandelte Periode (11.–12. Jh.). Die unbegründet spät datierte, seltsamerweise unbekannte Rundkirche ist wohl der historisch und im heutigen Siebenbürgen älteste erhaltene Kirchenbau.

 

 

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