Die Umsiedlung der Grenzwächter nach Osten

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170Die Umsiedlung der Grenzwächter nach Osten
Die Verbreitung der Siedlungen der nun bereits auch räumlich in die Tiefe gegliederten berittenen Bogenschützen (sagittarii) als Grenzwächter an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert wird im allgemeinen von der äußeren Linie der Grenzburgen angedeutet, wobei an einigen Orten aber mit vorgeschobenen petschenegischen Grenzern zu rechnen ist. Auf der siebenbergischen Seite des Rotenturmpasses liegt das Dorf Talmács/Talmesch (Tălmaciu bzw. Kis-Talmács = Klein Talmesch, Tălmacel), dessen Name die Mitglieder des Petschenegenstammes Talmat/Talmać östlich des Dnjeprs bezeichnet, die sich seit der zweiten Hälfte (?) des 10. Jahrhunderts auch als Leibgardisten des byzantinischen Kaisers verdingten (talmatzoi),* Der unsichere Anfang dieser Verpflichtung ist kein Beweis für ihr gleichzeitiges Auftauchen im einstigen Ungarn. Die Entstehung der Ortsnamen Talmács in Ungarn ist zusammen mit den Ortsnamen Kölpény aus einem petschenegischen Stammesnamen (Kölpenen) durch das gut datierbare Auftreten letzterer in Byzanz (kulpingoi) in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts zu bestimmen. Diese und der größere Teil der Dorfnamen „Besenyő“ sind über die inneren Gebiete Ungarns verstreut, was ihre – auch historisch zu belegende-Einwanderung in mehreren Wellen während des 11. Jahrhunderts widerspiegelt. Ihre Einwanderung und Verteilung über das Land war kein Hindernis für ihre in der frühen ungarischen Geschichte mehrfach nachweisbare Rolle als Grenzwache und Vorhut, und dies läßt sich gerade – ausnahmsweise – in Siebenbürgen auch durch die vorgeschobene Lage ihrer Siedlungen belegen. Das Dorf Talmács am Rotenturmpaß, Mező-Kölpény (Culpin) im Stuhl Marosch und sechs Dörfer „Besenyő“ zwischen Großem Samosch und Alt fügen sich vorzüglich in das Grenzschutzsystem des 11. Jahrhunderts ein, und daß ihre Bewohner auch im 12. Jahrhundert noch heidnische Petschenegen waren, dafür ist ein durchschlagender Beweis der frühe deutsche Name des Dorfes Besenyő bei Bistritz: Heidendorf.
DAI 37. FBHH p. 41
Von herausragender siedlungsgeschichtlicher Bedeutung sind die kürzlich unter den und um die sächsischen Kirchen Südsiebenbürgens aus dem 12./13. Jahrhundert gefundenen romanischen Stein- und Holzkirchen des 11./12. Jahrhunderts, die Friedhöfe um diese Kirchen, die frühromanischen Kirchen der ungarischen Grenzerdörfer und ihre bis zur Zeit Geysas II. Stephans III. (1162–1172) benutzten Kirchhöfe Szászsebes/Mühlbach, Szászkézd/Keisd, Mediasch, Fehéregyháza/Deutschweißkirch, Kelling, Rohrbach, Szászorbó/Urwegen, Draas. Sie beweisen ferner, daß die katholische Kirchenorganisation bis zu jener Epoche in den Tälern der Sebesch, Großen Kokel und des Homorod(en) bereits verbreitet war und im Süden bis an den Alt (Fogarasch) reichte. Zugleich mit der nach der Mitte des 12. Jahrhunderts beginnenden Ansiedlung der Sachsen wird die Bevölkerung der ungarischen Grenzerdörfer – die Grenzwächtersiedler des 11. Jahrhunderts – ins heutige Szeklerland, vorwiegend in das Drei-Stühle-Becken umgesiedelt. Es kommt vor, daß das frühere Dorfleben für immer abreißt. Am Südufer der Großen Kokel, nicht weit von Mediasch, in der Flur des alten Dorfes Paratéj/Pretai, ist ein durch Münzen auf das 12. Jahrhundert datiertes Dorf mit vielen Tonkesseln des 12. Jahrhunderts verlassen worden, offensichtlich wurden seine Bewohner umgesiedelt.
171Beweiskraft für das Auftreten der ungarischen Grenzwächter im 12. Jahrhundert besitzen die beiden großen Friedhöfe im Gebiet des späteren Stuhls Orbai in den Fluren von Gebißdorf (Zabola) und Petersdorf. Beide entstanden vermutlich in der Nähe einer Holzkirche – von deren Existenz gerade 1147 Otto von Freising berichtet – zur Zeit Geysas II., und gemäß der reichlich gefundenen Totenmünzen wurde in ihnen zur Regierungszeit Stephans III. und Belas III., in Petersdorf sogar bis zum Mongolensturm fortlaufend bestattet. Der Ritus der Friedhöfe und die Tracht der Bestatteten sind arpadenzeitlich ungarisch. Auf ihre außergewöhnliche Lage verweist auch ihr Reichtum. Das Haar der Frauen schmückten, für die damaligen Verhältnisse oft, kleine, mittlere und große Haarringe aus Elektron oder Silber, an den Händen trugen sie verzierte variantenreiche silberne Kopffingerringe. Auf den Beruf der Männer verweisen eisenbeschlagene Köcher, eiserne und beinerne Pfeilspitzen, auf ihren nicht allzu festen christlichen Glauben die den Toten ab und zu beigegebenen Hammel-, Rind- und besonders Pferdefleischgerichte. Auf Kontakte mit der örtlichen slawischen Bevölkerung deuten keine konkreten Spuren hin. Die Bewohner Gebißdorfs und Petersdorfs gehörten zu den wohlhabenden Freien Ungarns – all das entspricht genau der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der neu umgesiedelten Grenzwächter. Die nach Osten ausgerichteten Gräber mit Beigaben im Kézder Stuhl vom Ende des 12. Jahrhunderts belegen gleichfalls das Auftauchen der neuen Siedler (Alsócsernáton).
Zugleich mit den Friedhöfen erscheinen auch die damaligen neuen Siedlungen. Im heute zu Torja gehörenden Karatna, im Garten der Apor-Kurie, gelangte ein Haus mit in die Erde eingetieftem Fundament und rundem Backofen zum Vorschein, mit einem runden, in die Erde gegrabenen Backofen im Freien in seiner Nähe. Die Siedlung wird durch Scherben eines Tonkessels, durch mit denen von Gebißdorf verwandten eigentümlichen Pfeilspitzen und Gefäßscherben mit Bodenmarken des 12. Jahrhunderts sicher datiert. Die Siedlungsfunde von Karatna, die Pfeilspitzen vom Zabola- Typ und die Sporen aus dem 12. Jahrhundert datieren und charakterisieren gut die oberste Siedlungsschicht mit rundem, in die Erde gegrabenem Backofen von Alsócsernáton-Domonkos-Garten, die aufgrund der datierenden Münzen auf einer 1068 zerstörten slawischen Siedlungsschicht mit Steinherd entstand (Tonkessel, Pfeilspitze, Sporen) und die Siedlungen St. Georgen-Bedeháza (Tonkessel, Sporen) und -Eprestető (Tonkessel, Pfeilspitze, Spateneisen), Angyalos (Pfeilspitze), Réty (Tonkessel, Sporen) im Gebiet der späteren Drei Stühle. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts finden sich auch im späteren Stuhl Csík frühe Grenzwächtersiedlungen: Niklasmarkt-Schloß Lázár (Tonkessel), besonders im Bereich von Csíkszentkirály, wo ein Haus mit eingesenktem Fundament, aber an den vier Ecken schon mit dachtragenden Pfosten durch Gefäße aus dem 12. Jahrhundert, Tonkessel und Münzen von Isaak Angelos II. (1188–1195) datiert wird. Auch aus Csíkrákos ist charakteristisch ungarische Keramik des 12. Jahrhunderts bekannt. Demnach belegten die jüngsten Grabungen und Funde die Umsiedlung der ungarischen Grenzwache im 12. Jahrhundert nach Osten, während sie die früheren Ansichten nicht bestätigen, welche die erwähnten Siedlungen – in erster Linie aufgrund zu früh datierter Pfeilspitzen – mit hier schon zuvor lebenden Ungarn des 10.–11. Jahrhunderts oder sogar Petschenegen zu verbinden versuchten.

 

 

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