Die „wandernde“ rumänische Urheimat

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Die „wandernde“ rumänische Urheimat
Ansiedlung der Sachsen und Umsiedlung der Szekler nach Osten waren nur eine Zwischenstufe, nicht aber der Schlußabschnitt des aufgrund der sich wandelnden äußeren Gefahren ständigen Umgestaltungen unterworfenen siebenbürgischen Grenzschutzes. Die Serie von Raubzügen östlicher Nomadenvölker war mit der Niederlage der Kumanen 1091 für lange Zeit abgeschlossen. Ein weit gefährlicherer, weil nach Gebietseroberung strebender Feind war das unter Kaiser Manuel I. erstarkende Byzanz, das Ungarn seit 1150 in zwei Jahrzehnte dauernde kriegerische Konflikte verwickelte. Die Kämpfe gingen um Belgrad an der Donau, doch führte Manuel 1166 zum ersten Mal von byzantinischer Seite einen Überraschungsangriff auf Siebenbürgen, bei dem seine Truppen große Verwüstungen anrichteten, Gefangene und Beute machten. Der damalige byzantinische Historiograph schrieb: „Sein großes Heer bestand unter vielen anderen aus einer großen Masse von Vlachen, die sagen, sie seien Abkömmlinge einstiger Siedler aus Italien.“* Mit dem aus dem Germanischen übernommenen slawischen Wort vlach bezeichneten auch die Byzantiner die neulateinisch sprechende, sich selbst „rumîn“ nennende Bevölkerung des Oströmischen Reiches.
FBHH p. 238–239.
Dies ist die erste glaubwürdige historische Quelle, die von in Siebenbürgen auftauchenden Rumänen spricht, und auch nördlich der Donau treten sie zu dieser Zeit erstmals in Erscheinung. 1164 nahmen Vlachen Manuels eingekerkerten, aber geflohenen Rivalen Andronikos an der Grenze Galiziens, also irgendwo auf der moldauischen Seite der Ostkarpaten, gefangen. Es mögen folglich schon vor 1200 an den südlichen und östlichen Flanken der Karpaten Rumänen gelebt haben. Das Gebiet zwischen Donau und Südkarpaten war nach 800 mit dem Südteil Siebenbürgens unter bulgarische Herrschaft gelangt. Die slawischen Lehnwörter des Rumänischen sind bulgarisch-slawischer Herkunft, doch läßt sich aus ihrer Phonetik erschließen, daß es zu intensiven bulgarisch-rumänischen Kontakten erst nach 900 kam (der Vokalwandel a > 0 im 9. Jh., z. B. bab > rum. bob, das Verschwinden des schwachen „jer“-Lautes, z. B. tîminîca > rum. temniţă, das erst um 900 eintrat). Toponyme rumänischer Herkunft finden sich nur um das heutige Sofia bzw. westlich und südlich davon, woraus folgt, daß die Sprachkontakte erst in dem byzantinischen Gebiet entstanden, als dieses unter die Herrschaft des Bulgarenzaren Simeon (893–927) gelangte, der seinen Herrschaftsbereich nach der Einnahme von Sofia bis Thessalien ausdehnte. Solche Sprachkontakte ereigneten sich deshalb keinesfalls vorher in Altbulgarien rechtsseitig der Donau.
Die rumänische Sprache ist einheitlich; zwischen dem sog. Dakorumänischen (und dem von ihm abgespaltenen Istrorumänischen) im Norden und 181dem sog. Mazedorumänischen (und dem ihm nahestehenden Meglenorumänischen) im Süden gibt es nur dialektale Unterschiede. In beiden aber finden sich aus dem Albanischen übernommene oder teils aus der mit dem Albanischen gemeinsamen balkanischen Ursprache (aus deren verschiedenen Dialekten, eventuell aus mehreren indoeuropäischen satem-Sprachen oder deren durch die römische politische Einheit geförderten Mischung) stammende identische Wörter und sogar mit dem Albanischen übereinstimmende grammatikalische Erscheinungen. Die Albaner haben aber immer im mittleren Teil der Balkanhalbinsel gelebt – nur dort können sie Kontakte zu den Vorfahren der Rumänen gehabt haben. Das Gebiet wiederum, in dem die Mazedorumänen leben (bzw. lebten, da ihr überwiegender Teil in unserem Jahrhundert in das heutige Rumänien umsiedelte), kann nicht der Schauplatz der Entstehung des rumänischen Volkes sein. Südlich von Skopje und Sofia war zur Zeit der römischen Herrschaft das Griechische die Umgangssprache, die dortige Bevölkerung konnte sich also nicht romanisiert haben, sondern sie war von Norden zugewandert, offensichtlich nach 600 auf der Flucht vor den damals den Balkan überflutenden Slawen. Byzantinische Quellen enthalten zahlreiche Angaben aus dem 10.–12. Jahrhundert über die mazedonischen und thessalischen Rumänen.
Die gemessen an der heutigen Größe des rumänischen Volkes territorial so weite Verbreitung und besonders sein relativ spätes Erscheinen in Siebenbürgen lassen sich kaum anders erklären als mit der Hirtenlebensweise des zeitweisen Ortswechsels. Sie läßt sich auch aus den dem Albanischen und den beiden rumänischen Hauptdialekten gemeinsamen Wörtern erschließen. Auffallend viele von ihnen beziehen sich auf das Leben der Berghirten oder bilden mit diesem eine Einheit. Andererseits fehlen völlig jene Wörter, die für den Ackerbau sprechen würden, mit Ausnahme der Namen für Erbse (mazăre), Schote (păstaie) und für das hakenartige Gerät (grapă) zum Lockern der Erdschollen (grunz), die von der Feldbestellung mit der Hacke durch die Frauen zeugen, während die Männer fern vom Heim der Hirtentätigkeit nachgingen. (Die Fachausdrücke der Ackerbestellung, ihrer Kulturpflanzen und Geräte sind im Rumänischen lateinischer, slawischer oder ungarischer Herkunft.)
Die sich auf die natürliche Umgebung beziehenden, dem albanischen, mazedorumänischen und dakorumänischen Wortschatz gemeinsamen Wörter (brad = Nadelbaum, bunget = dichter Wald, copac = Baum, curpen = Ranke, druete = Baumstumpf, ghionoaie = Specht, mal = Abhang, măgură = Hügel, năpîrcă = Viper, pîrău = Bach, spînz = Nieswurz, viezure = Dachs) vergegenwärtigen auch das bewaldete Gebirge, besonders das von autochthonen Nadelbäumen beherrschte Gebiet oberhalb 1200 m, den Schauplatz der albanisch-rumänischen Dialekte. Aus den Richtungen und Grenzen der auseinanderstrebenden Siedlungsbewegung der einst zusammenlebenden Bevölkerung zu schließen, mag es sich dabei um das Gebiet um das heutige Skopje mit seiner an Almen reichen Gebirgslandschaft handeln. Diese Hirtenbevölkerung bildete ursprünglich gemeinsam mit den südlich von ihr lebenden, aber von Norden dorthin geflüchteten romanisierten Dorf- und Stadtbewohnern ein Volk: Das belegen die von den Rumänen direkt übernommenen Namen mazedonischer Städte, wie Bitolja > Bitulea, Veria, Seren, Elasson > Lăsun, Kastoria > Kostur, Saloniki > Sărun, Florina > Flărin und zudem die aus dem Rumänischen ins Slawische übergegangene 182Form Hlerin der letzteren. Die irgendwann einst enge Verbindung der bis in die Gegenwart teils in Städten wohnenden, teils ein Hirtenleben führenden Mazedorumänen beweist auch 1066 die Aussage des in Larissa lebenden Führers der rumänischen Empörung gegen die byzantinische Regierung, er könne mit seinen Leuten keinen Kontakt aufnehmen, weil sie sich mit ihren Familien im Sommer in den Bergen Bulgariens (des heutigen Mazedonien) aufhielten.
Diese Aussage ist übrigens die erste bekannte Erwähnung der sog. Transhumanz, der Weidewirtschaft mit Winter-Sommer-Weidewechsel. Da die Hirten im Sommer mit ihren Familien in die Berge zogen und im Winter in die Flußtäler oder an die Meeresküste, bezeichnen die byzantinischen Quellen sie als „Nomaden“. Als echten Nomadismus betrachtet man jedoch nur das Weiterwandern mit Familie in immer wieder neue Gebiete, was für das rumänische Hirtenvolk von Zeit zu Zeit zutraf, wenn ihm die Sicherheit fehlte oder die Weiden sich als zu knapp erwiesen; auch in unserem Jahrhundert lebten auf dem Balkan noch rumänische echte Nomadenhirten ohne ständigen Wohnsitz. Durch die Wanderungen verbreitete sich diese zweifellos rumänischsprachige Hirtenkultur vom Pindusgebirge bis zu den Nordkarpaten und hinterließ in den Sprachen vieler anderer Völker bleibende Spuren. Von den 66 (mit unsicheren Etymologien vielleicht etwas mehr) albanischen, mazedo- und dakorumänischen gemeinsamen Wörtern urbalkanischer Herkunft gingen 30 in balkanische Sprachen (ins Griechische, Bulgarische und Serbische) über, von denen wiederum 28 auch ins Ungarische und Ukrainische gelangten. 13 finden sich eigenartiger Weise nur im Ungarischen und Ukrainischen und wurden auf dem Balkan entweder nicht übernommen oder starben inzwischen aus, während 13 bis heute in der polnischen, slowakischen und mährischen Hirtensprache weiterleben. Daß diese Wanderwörter zum Wortschatz wandernder Hirten gehörten, wird durch ihre Bedeutung belegt. Von den 40 balkanischen und ungarisch-ukrainischen Wörtern sind 21 Hirtenwörter (băc = Käse verfertigender Schafhirt, balegă = Dung, barz = graue Tierfarbe, bască = Wolle, brîu = Gürtel, căciulă = Lammfellmütze, căpută = Schäferstrumpf, cătun = Hirtenquartier, fluier = Flöte, gard = Misthaufen, gălbează = Schafegel, mînz = Fohlen, murg = eisgraue Tierfarbe, rînză = Lab, sarbăd = Sauermilch, sterp = unfruchtbar, strungă = Schafstall, şut = hornlos, ţap = Ziegenbock, ţarc = Pferch, vatră = Feuerstelle, vătui = kleines Lamm, zgardă = Hundehalsband), und auch die anderen stehen dem Hirtenleben nicht fern. Der Wortschatz bereicherte sich im Dakorumänischen (und den mit ihm in Berührung stehenden Sprachen) nach der Trennung vom Albanischen und spezialisierte sich auf die Milchwirtschaft. Auch bei den Mazedorumänen blieben noch străgheată = Weichkäse, urdă = Süßquark, zară = Buttermilch, zăr = Molke sowie cîrlig = krummer Hirtenstab erhalten, alle gelangten aber auch zu anderen balkanischen Völkern, den Ungarn und Ukrainern, sogar zum Teil zu den Polen, Slowaken und Mährern. Darüber hinaus sind nur aus dem Dakorumänischen (und von dort aus den balkanischen Sprachen, aus dem Ungarischen, Ukrainischen und teils aus dem Slowakischen, Polnischen und Mährischen) folgende Begriffe bekannt: brînză = Salzquark, bordei = Hirtenhütte, butuc oder butură = Baumstumpf, căpuşă = Holzbock, Zecke, cątă = Hirtenstab, cîrlan = Lamm.
Im Laufe der jahrhundertelangen Wanderungen über die Gebirgsweiden 183des Balkans und der Karpaten hat sich die Terminologie des rumänischen Hirtenvolkes selbstverständlich auch aus anderen Sprachen ergänzt, so aus dem Slawischen durch stînă = Hütte zur Käsebereitung, smîntină = saure Sahne, colibă = Hütte, jintiţă = Molke usw. oder aus dem Ungarischen durch sălaş = Hirtenquartier, lăcaş = Wohnort, răvaş = Rechnungslegung, tărcat = bunte Tierfarbe usw. Auffällig wenige rumänische Wörter der Tierhaltung aus dem Lateinischen (vacă = Kuh, bou = Ochse, taur = Stier, cal = Pferd, oaie = Schaf, capră = Ziege, porc = Schwein, lapte = Milch, unt = Butter, caş = Käse usw.) sind jedoch in andere Sprachen übergegangen (păcurar = Hirt, staur = Stall, turmă = Herde, curastră = Dickmilch), weil sie offensichtlich nicht zur spezifischen rumänischen Hirtenkultur gehörten, sondern zu den Allgemeinbegriffen der Tierhaltung aller Völker.
Der hier vorgeführte Wortschatz belegt auch, daß das rumänische Hirtenvolk in erster Linie aus Kleinviehhaltern, vor allem aus Schafzüchtern bestand, aber auf seiner Wanderung auch nicht auf das Pferd verzichten konnte. Wie Quark- und Käsebereitung sowie Wollweberei diente ihm die Pferdezucht nicht nur zur Selbstversorgung, sondern spielte eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben des gesamten Balkan-Karpatengebietes. Der mit Salz konservierte Quark war in diesem gewaltigen Gebiet im Mittelalter und sogar noch in der frühen Neuzeit eines der wichtigsten Volksnahrungsmittel, die wollenen Webwaren der Rumänen waren auch auf den städtischen Märkten gesucht, und die rumänischen Pferde rechneten nicht nur zu den besten, sondern bewältigten einen großen Teil des Transportverkehrs auf der Balkanhalbinsel. Von den durch die serbischen Könige im 12.–15. Jahrhundert ihren Klöstern zugeteilten rumänischen Hirten werden zwei Kategorien erwähnt, die Militärdienst leistenden Vojniken und die zur Fuhrfron verpflichteten Kjelatoren (aus dem rumänischen Wort lateinischer Herkunft călător = Reisender, vermutlich dessen Spiegelübersetzung ist der Ausdruck „Vlachoi hoditai“ in einer byzantinischen Quelle von 976).
Ein Irrtum (der seit den frühmittelalterlichen byzantinischen Chronisten bis zu neuzeitlichen ungarischen und sogar rumänischen Historikern vielfach begangen wurde) wäre allerdings, die Rumänen als ein rein transhumierendes oder überwiegend nomadisierendes Hirtenvolk zu betrachten. Der auf die Milchwirtschaft spezialisierte Berghirte war auf den städtischen Markt angewiesen, um seine Überschüsse zu verwerten und dort oder in den Dörfern am Wege von den Ackerbauern Getreide zu kaufen. In wechselvollen Zeiten wiederum war er gezwungen, unter den beschränkten geographischen Gegebenheiten der Gebirgsgegend selbst Ackerbau zu treiben. Deshalb blieben sowohl in den nördlichen wie in den südlichen rumänischen Dialekten die Fachausdrücke des Ackerbaus lateinischer Herkunft erhalten: grîu = Weizen, orz = Gerste, secară = Roggen, meiu = Hirse, ara = pflügen, semăna = säen, treera = dreschen, făină = Mehl, pîine = Brot usw. In friedlicheren Zeitläuften gingen immer größere Teile des mehrheitlich ortsfesten transhumierenden Hirtenvolkes zum Ackerbau über und gründeten feste Dörfer. Dies beweisen Hunderte von Toponymen dakorumänischer Herkunft oder solche, die auf rumänische Bewohner hinweisen (Vlasi usw.), in diesem gewaltigen Territorium, das von Sarajewo im Westen bis Sofia im Osten und von Nis im Norden bis Skopje im Süden reichte, auch wenn mit dem Ende des Mittelalters die Rumänen von dort verschwanden, in der serbischen und bulgarischen Umgebung aufgingen oder abwanderten. 184Während in Siebenbürgen, im früheren Dacia, kein einziger römischer Stadtname in der Sprache der Bevölkerung bis zur ungarischen Landnahme erhalten blieb, verweisen die in den nördlichen romanisierten Gegenden der Balkanhalbinsel von den Slawen übernommenen römischen Stadt- und Flußnamen wie Ratiaria > Arcăr, Naissus > Niş, Scupi > Skopje, Serdics > Srjedec usw. bzw. Almus > Lom, Oescus > Iskăr, Augusta > Ogosta usw. darauf, daß bei der slawischen Besiedlung nur ein Teil der romanisierten Stadtbevölkerung nach Süden floh, während die übrigen dort blieben und sich erst im Laufe der Zeit slawisierten. Die rumänische Bevölkerung der umliegenden Dörfer und Hirtenquartiere bewahrte hingegen ihre Sprache weit länger, wie die erwähnten mittelalterlichen rumänischen Ortsnamen belegen – bis zu ihrer Abwanderung nach Norden im 14.–16. Jahrhundert oder ihrer Assimilierung-, und verband ihre Hirtenlebensweise immer mehr mit dem Ackerbau. Durch Kontakte mit den Bulgaren irgendwann nach 900 ergänzte das rumänische Hirtenvolk seinen Wortschatz mit slawischer Ackerbauterminologie, noch während des Zusammenlebens der Sprecher des Nord- und des Süddialektes, weil in beiden Dialekten die Wörter bob = Bohne, brazdă = Furche, coajă = Rinde, coasă = Sense, cociasă = Distel, cucian = Fruchtstiel, grădină = Garten, livadă = Obstgarten, lopată = Schaufel, plug = Pflug, snop = Garbe und stog = Schober mit den gleichen Lautwechseln vorhanden sind, gemeinsam mit anderen bulgarischen Lehnwörtern.
Im Endergebnis lassen die albanischen Lehnwörter im rumänischen Norddialekt und die bulgarischen im Süddialekt darauf schließen, daß die Entwicklung der vlachisch-rumänischen Sprache und ihres Volkes in einem relativ großen Territorium im Laufe von Wanderungen und Rückwanderungen in mehreren Richtungen vor sich ging. Wenn sich von Kontinuität sprechen läßt, dann nicht von territorialer, sondern von Volkskontinuität, an der auch die Nachkommen der 271 aus Dacia an das Südufer der Donau verpflanzten römischen bzw. romanisierten Bevölkerung teilnahmen, die nach 600 von den Slawen weiter nach Süden verdrängt wurden. Die durch die Bulgaren nach 900 in verschiedene Richtungen zerstreute rumänische Bevölkerung sammelte sich infolge der veränderten politischen Verhältnisse von Zeit zu Zeit in anderen Gebieten. Zwischen 900 und 1000 mögen sie im gesamten sich von den Südkarpaten bis nach Thessalien erstreckenden bulgarischen Reich zu finden gewesen sein, einschließlich des Raumes zwischen Karpaten und unterer Donau, wo damals noch eine beträchtliche bulgarisch-slawische Bevölkerung lebte, wie die Flußnahmen Schil-Jil, Jijia, Ialomiţa, Dîmboviţa usw. sowie der der „Vlaška“-Gegend am Unterlauf des Argeş bezeugen. Der letztere verweist auf eine zwischen die slawische Umgebung eingekeilte rumänische Streubevölkerung. Vermutlich in dieser Umgebung gelangten die im rumänischen Süddialekt unbekannten bulgarisch-slawischen Ackerbau-Fachausdrücke in die nordrumänische Sprache, wie ogor = Brache, sădi = pflanzen, ovăz = Hafer, pleavă = Spreu, raliţă = Grabpflug sowie die Bestandteile des Schwerpfluges (plug): brăzdar = Pflugschar, grindei = Pflugbaum, cormană = Streichblech, plaz = Pflugsohle.
Im Jahre 1014 erreichte die byzantinische Eroberung die Donau, der selbständige bulgarische Staat hörte für fast zwei Jahrhunderte auf zu bestehen, und die bulgarisch-slawische Bevölkerung in der Ebene an der 185unteren Donau wurde isoliert. Eingezwängt zwischen der aus dem Norden von den Karpatenabhängen her kommenden rumänischen Hirtenbevölkerung und den von Süden her vordringenden Kumanen rumänisierte sie sich immer mehr. Dasselbe geschah mit den Slawen nördlich des Donaudeltas in der späteren südlichen Moldau. In den historischen Quellen werden dann diese unter kumanische Herrschaft geratenen früher bulgarischen Gebiete zwischen unterer Donau und Karpaten als Kumanenland (Cumania) erwähnt. Zwischen 1014 und 1185 lebten sämtliche balkanischen Rumänen im byzantinischen Reich und – wie gesehen – auch als Mitglieder seines Heeres, doch kam es nicht nur einmal zu Erhebungen aufgrund der harten Besteuerung. 1094 geleiteten rumänische Führer die ins Reich einbrechenden Kumanen über das Balkangebirge. Bereits damals führten sie die bulgarische slawische Kirchensprache in ihrer ursprünglich zuerst lateinischsprachigen Kirche ein und wurden dem Erzbistum Ochrida unterstellt, im 11. Jahrhundert erhielten sie ein eigenes Bistum mit Sitz in Vranje im Moravatal. 1185 standen die mit der byzantinischen Herrschaft unzufriedenen Bulgaren unter der Führung der beiden Rumänen Peter und Asen, die mit kumanischer Hilfe das sog. bulgaro-vlachische, das zweite Bulgarenreich gründeten, das schließlich durch die türkische Eroberung Ende des 14. Jahrhunderts vernichtet wurde. Das rumänische Element spielte bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts keine Rolle mehr darin, es verzog sich seit Ende des 12. Jahrhunderts in großen Massen ins politisch erstarkende Serbien, von wo es dann auch verschwindet, indem es aufgesogen wird oder abwandert. Auf dem Balkan verbleiben nach dem 15. Jahrhundert allein die Mazedorumänen und die von ihnen abgespalteten Meglenorumänen sowie ein nach Istrien gewanderter Rest von Vertretern des Norddialektes, während die Masse der Rumänen sich dann nördlich der Donau sammelt.
Eine derart bewegte Geschichte erlaubt es einfach nicht, die rumänische Urheimat, wie dies viele taten, in einem engeren Gebiet zu suchen, z. B. in dem Dreieck Niš-Skopje-Sofia. Schon der rumänische Linguist Sextil Puşcariu äußerte „nichts hindert uns daran zu glauben, daß in der Epoche der Herausbildung unserer Sprache die relativ spärliche Bevölkerung in einem ausgedehnten Gebiet auf primitiven Wegen über weite Entfernungen die sprachlichen Neuerungen weitergeben konnte“. In diesem Geiste vertrat der rumänische Sprachwissenschaftler Alexandru Niculescu die auch unserer Meinung nach zutreffende Ansicht, daß „sich die Rumänen mit charakteristischer Mobilität von der Donau gleicherweise nach Norden und Süden bewegten […] deshalb hatten Rumänen nicht eine einzige, sondern mehrere ,Wiegen‘, ,Urheimaten‘ in einem gewaltigen Gebiet fern voneinander […] Mittels häufig wiederholter Verschmelzung und Zerstreuung der Gemeinschaften aus dem Karpaten-Donau- und dem Donau-Balkan-Gebiet gelang es den Rumänen, eine mobile Kontinuität zu schaffen.“* In diese „mobile Kontinuität“ muß die Geschichte der Siebenbürger Rumänen eingefügt werden.
A. NICOLESCU, Romania antiqua, Romania nova et la continuité „mobile“ du Roumain. Quaderni di Filologia Romania … Bologna 6, 1987, 21–24. Ebd. auch das obige Puşcariu-Zitat.

 

 

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