Die Rumänen in Siebenbürgen und Kumanien bis zum Mongolensturm

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186Die Rumänen in Siebenbürgen und Kumanien bis zum Mongolensturm
Ein halbes Jahrhundert, nachdem im Heer des byzantinischen Kaisers Manuel I. 1166 auch Rumänen (Vlachoi) in Siebenbürgen einbrachen und es verwüsteten, erwähnen in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Urkunden friedlich unter ungarischer Oberhoheit lebende Rumänen in den Südkarpaten. Sie besaßen auch eine gewisse selbständige Organisation, denn als König Andreas II. 1202 dem am Alt gegründeten Kerner Zisterzienserkloster den schmalen Landstreifen zwischen den Flüssen Alt, Kerz und Árpás bis zum Gebirge schenkte, entzog er ihn der Verfügung der Rumänen (exemptam de Blaccis).* Der diese Schenkung sanktionierenden Urkunde von 1223 zufolge nahm die Besitzeintragung der siebenbürgische Woiwode Benedikt (Benedek) vor, welcher dieses Amt von 1202–1209 innehatte. Die folgende auf die Rumänen zu beziehende Angabe läßt sich auf 1210 datieren, als nach Zeugnis einer 1250 ausgestellten Urkunde der Hermannstädter Gespan Joákim an der Spitze sächischer, rumänischer, Szekler und petschenegischer Truppen (associatis sibi Saxonibus, Olacis, Siculis et Bissenis) den Bulgarenzaren Boris gegen dessen aufständische Vidiner Untertanen unterstützte. Gemeinsam mit Petschenegen besaßen Rumänen nahe dem von Sachsen bewohnten Gebiet, offenbar südlich davon ein Waldgebiet, an dem 1224 auch die Sachsen Nutzungsrechte erhielten (silvam Blacorum et Bissenorum cum aquis usus communes exercendo). Als früheste Information über die Siebenbürger Rumänen galt den Historikern die Urkunde Andreas’ II. von 1222, in der er dem im Burzenland angesiedelten Deutschritterorden neben anderen Vergünstigungen den zollfreien Verkehr durch die Gebiete der Szekler und Rumänen erlaubt (eum transierint per terram Siculorum aut per terram Blacorum). Es wurde zwar kürzlich festgestellt, daß die vertriebenen Ordensritter die Urkunde 1231 in Rom fälschten, um sich wieder in den Besitz des Burzenlandes zu setzen, doch haben wir keinen Grund zu bezweifeln, daß zum gegebenen Zeitpunkt das Burzenland tatsächlich östlich an das Gebiet der damals bereits dort lebenden Sepsier Szekler und westlich an das der zwischen Alt und Südkarpaten lebenden Vlachen-Rumänen grenzte.
Documenta historiam Valachorum in Hungaria illustrantia. Ed. A. FEKETE NAGY–L. MAKKAI, Budapest 1941, 9. Die weiteren nicht angegebenen Zitate stammen aus dieser Ausgabe, in der sie unter dem angegebenen Jahr gefunden werden können.
Der Ausdruck „terra“ bedeutete nicht „Land“ und auch nicht eine politische Verwaltungseinheit, wie einige rumänische Historiker annehmen. Man verstand darunter manchmal nur „Gebiet“ oder „Boden“, eventuell nur den Teil einer Dorfflur wie in Hunderten von Urkunden, manchmal aber ein mehrere Verwaltungseinheiten umfassendes Territorium wie im Falle der umgangssprachlichen, aber nicht amtlichen Bezeichnung des aus mehreren „Stühlen“ bestehenden Szekler- oder Sachsenlandes. Schließlich kann „terra Blacorum“ deshalb nicht der Rechtsnachfolger der Provinz des von Anonymus kreierten dux Gelu sein, weil Anonymus sie in das Samosch-Gebiet verlegt, während sich dieses Gebiet am Alt befindet.
Die „terra Blacorum“ in Urkunden des frühen 13. Jahrhunderts ist, in erster Linie aufgrund der 1231 erwähnten Nachbarschaft zum Burzenland, 187zwischen Alt und dem Kamm der Südkarpaten oder eventuell noch weiter nach Süden hin zu suchen. Wenn wir als Lage des 1224 erwähnten Waldgebietes der Rumänen und Petschenegen das Gebiet südlich von Hermannstadt annehmen, wie dies viele tun, dann erstreckt sich das „Land der Rumänen“ auch rechtsseitig des Alt auf die Umgebung der Burg Talmesch, die den Rotenturmpaß bewacht, und da diese den Namen eines Petschenegenstammes trägt (Talmács), ist hier auch das betreffende Waldgebiet zu suchen.
Wie früher die deutsch-wallonischen Siedler, so nahmen auch die im Alt-Gebiet eintreffenden Rumänen keine unbewohnten Gegenden in Besitz. Entlang des Alt wissen wir von 19 Siedlungen im 13.–14. Jahrhundert – von Westen beginnend, am Nordufer Talmesch (1265), Szakodát/Sakedaten (1306), Földvár/Marienburg (1322), Fogarasch (1291), Halmágy/Halmagen (1211), Galt (an der Stelle der heutigen Ugra, 1211), Miklósvár (1211), Hidvég (1332); am Südufer Kolun (1332), Árpás (1223 Flußname, 1390 Dorf), Szombathely (1291), Betlen, Sárkány/Schirkanyen, Debren (an der Stelle des heutigen Páró/Pîrău), Venice, Kormospatak (das heutige Komána), Héviz/Warmbach, Doboka (alle 1235). Der Name Talmesch geht, wie gesagt, auf einen petschenegischen Namen zurück; Galt stammt vom wallonisch-französischen „noiale galt“ = Walnußwald, Venice vom italienischen Venezia, Kolun vom deutschen Köln/Colonia, es sind also von ausländischen Siedlern gegebene Namen. Die übrigen Dorfnamen sind alle ungarisch, und die aus 1235 bekannten stammen aus päpstlichen Zehntlisten, bezeichnen also katholische Siedlungen. Ein ursprünglich rumänischer oder sich auf griechisch-orthodoxe Bevölkerung beziehender Name ist nicht darunter; ihre rumänischen Namensformen leiten sich ausnahmslos aus diesen Namen ab.
Auf angesiedelte rumänische Bevölkerung verweist erst eine Urkunde von 1332 (Kerch Olachorum, also Oláhkerc, heute Cîrţişoara = Kiskerc bzw. Kleinkerz). Dieser Name erscheint zwar schon 1252, dort bezeichnet er aber ganz allgemein das von Rumänen bewohnte Gebiet um Kerz (terra Olacorum de Kyrch). Zweifellos rumänische Namen in dieser Gegend sind Kucsuláta (Căciulata) und Mundra (Mîndra), über die es Angaben von 1372 bzw. 1401 gibt. Im 15. Jahrhundert enthalten Urkunden dann ein Dutzend rumänisch benannter Dörfer, und zwar in der vom Südufer des Alt entfernteren Hügellandschaft. Diese neuen Dörfer werden von den rumänischen Woiwoden der Walachei angesiedelt worden sein, die seit 1366 mehrmals das Gebiet am Alt bereits mit dem Zentrum Fogarasch als Lehen erhielten. 1372 nennt Woiwode Vlaicu das Gebiet um Fogarasch „nova plantatio“, neue Siedlung; dort erhielten auch walachische Bojaren Besitzschenkungen von ihm, und diese brachten offensichtlich rumänische Siedlungsbauern und – als erste in Siebenbürgen – auch Zigeunersklaven mit. Die seit Beginn des 13. Jahrhunderts in diesem Gebiet gewiß vorhandenen Rumänen schufen sich also erst geraume Zeit später ständige Siedlungen. Wann es im Verlaufe dieses Prozesses am Alt zur teilweisen Ablösung der früheren Bevölkerung kam, läßt sich einstweilen noch nicht klären.
Auf die Herkunft der als Hirtenvolk im Fogarasch-Gebiet eintreffenden Rumänen verweist dessen Name „terra Blacorum“, denn die Walachei trug den rumänischen Namen „Ţara Românească“. In diesem Territorium hatten die Rumänen die frühere slawische Bevölkerung schon bis zum 12. Jahrhundert weitgehend eingeschmolzen, das rumänische Sprachgebiet stand 188in Verbindung mit den Kumanen in den (von mehreren dutzend Flüssen kumanischen Namens bewässerten) Steppen nördlich der Donau. Mit diesen hatte das rumänische Hirtenvolk der Südkarpaten auch schon vorher Kontakte, wenn es jährlich mit seinen Herden auf die Winterweiden an die Donau zog. Es ist nicht auszuschließen, daß die an Kaiser Manuels siebenbürgischem Kriegszug von 1166 teilnehmenden Rumänen aus diesem Gebiet in byzantinischen Sold genommen wurden. Dies läßt sich auch aus den ca. 2700 Stück kleinen byzantinischen Bronzemünzen vermuten, die zwischen 1081 und 1185 geprägt wurden und an 42 Stellen aus 12 Schatz- und 33 Streufunden zum Vorschein kamen. Funde von nach 1185 geprägten byzantinischen Münzen sind viel seltener (322 Stücke), offensichtlich aufgrund der Erhebung der Bulgaren und Rumänen unter rumänischer Führung.
Der bulgaro-vlachische Assenidenstaat setzte den früher von Byzanz geführten Kampf gegen die Ungarn um den Besitz von Belgrad an der Donau und Braničevo/Barancs fort. Auch wenn sie von Zeit zu Zeit Frieden schlossen, ja sogar Bündnisse eingingen (so 1210 anläßlich des erwähnten ungarischen Eingreifens gegen Vidin), waren Zusammenstöße wegen der Herrschaft über Cumania nicht zu vermeiden. Seit dem byzantinischen Angriff von 1166 galt Siebenbürgen als besonders gefährdet. Vermutlich in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts gewann das ungarische Königreich die in den Südkarpaten weidenden und am Oberlauf des Argeş Quartier beziehenden Rumänen dazu, den Grenzschutz zu übernehmen, indem man ihnen auch das im übrigen schon vorher von ungarischen und sächsischen Dörfern besiedelte Gebiet zwischen Alt und Gebirge einräumte. Warum sich dort erst so spät ständigere rumänische Siedlungen finden, dafür gibt es nur eine Erklärung. Wie der rumänische Historiker P. P. Panaitescu treffend feststellte, „gibt es in Siebenbürgen nördlich und westlich der Berge keine guten Weiden. Kein einziger südlicher Hirte würde daran denken, seine Herden in dieses an Weiden arme Land zu treiben“.* Die ständigen Wohnsitze der an die Donau transhumierenden Rumänen mochten im 12. Jahrhundert am Argeş gelegen haben und erst später im Fogarascher Gebiet.
P. P. PANAITESCU, Introducere la istoria culturii româneşti (Einführung in die rumänische Kulturgeschichte). Bucureşti 1969, 146.

Karte 10. Ungarische Siedlungen in Siebenbürgen in der Mitte des 13. Jahrhunderts aufgrund der Ortsnamen
Kumaniens politische Zugehörigkeit entschied sich endgültig, als nach der Vertreibung des Deutschritterordens aus dem Burzenland 1226 der Thronfolger Bela das Regiment in Siebenbürgen übernahm. Die Fürsten der von mongolischer Eroberung bedrohten und 1223 an der Kalka von ihnen schwer geschlagenen, an der unteren Donau Quartier haltenden westlichen Kumanenstämme ließen sich unter Vermittlung der schon zuvor unter ihnen missionierenden ungarischen Dominikaner 1227 nicht nur taufen, sondern erkannten auch die Oberhoheit des ungarischen Königs über ihr Land und Volk an. Mit dem Zentrum Milkó/Milcov in der heutigen südlichen Moldau entstand ein eigenes kumanisches Bistum im Rahmen der erzbischöflichen Provinz Gran. Die Mission erstreckte sich nicht auf die zum orthodoxen Christentum (direkt zum Patriarchen von Konstantinopel) gehörende, aber schon früher zum slawischen Ritus der bulgarischen Kirche übergegangene rumänische Bevölkerung Kumaniens. Diese hatte vermutlich eine eigene Kirchenorganisation, in Abhängigkeit von dem im Donaudelta am Beginn des 13. Jahrhunderts geschaffenen griechischen Bistum Vicina. 1204 zwangen die 189die Kaiserstadt einnehmenden Kreuzritter das Patriarchat Konstantinopel unter die Oberhoheit Roms, und in der Folge versuchte der Papst auch die von Konstantinopel abhängigen orthodoxen Kirchen unter seine Abhängigkeit zu bringen. So sandte er 1204 dem bulgaro-vlachischen Herrscher Kalojan eine Königskrone, zusammen mit dem Titel „rex Bulgarorum et Blachorum “, und verlieh dem Metropoliten von Tirnovo den Titel eines Erzbischofs. Kalojans Zusammenstoß mit den Kreuzrittern unterband diese Kontakte. 1234 erhielt Herzog Bela eine päpstliche Verfügung, der kumanische Bischof solle für die unter Belas Regierung stehenden, in Kumanien lebenden Rumänen (populi qui Walaci vocantur) einen eigenen, Rom gehorsamen Bischof einsetzen, denn sie empfangen die Sakramente „von gewissen Pseudobischöfen vom griechischen Ritus“ (A quisbusdam pseudoepiscopis Grecorum ritum tenentibus) und zwingen sogar die zwischen ihnen siedelnden Ungarn und Deutschen dazu. Dies wäre die erste Initiative zur Kirchenunion der Rumänen gewesen, doch 190kam es praktisch nicht zu ihrer Durchführung. Die Angabe über diesen Versuch ist aber ein Beweis dafür, daß ein erheblicher Teil der Bevölkerung Kumaniens, vielleicht schon die Mehrheit, bereits Rumänen waren.
Für Herzog Bela war die Einbindung des neu gewonnenen Gebietes in das ungarische Königreich vorrangig eine politische und erst in zweiter Linie eine religiöse Frage. Kumanien hatte früher zu Bulgarien gehört und wurde nun auch vom bulgaro-vlachischen Staat beansprucht. Gegen einen zu erwartenden bulgarischen Angriff errichtete Herzog Bela im Westteil Kumaniens bis zum Alt nach dem Muster der kroatischen und slawonischen Provinzen eine Militärgrenzorganisation unter dem Namen Szörényer Banat, angeführt von einem königlichen Amtsträger mit dem Titel Banus, in der Person des damaligen siebenbürgischen Woiwoden Pósa aus dem Geschlecht der Csák. 1233 löste diesen der frühere Mundschenk Lukács ab, und Pósa wurde wieder siebenbürgischer Woiwode. 1228 unternahm Herzog Bela den Versuch, den bulgarischen Brückenkopf am Südufer der Donau, Vidin, einzunehmen, wurde aber zurückgeschlagen. Das Szörényer Banat blieb jedoch erhalten, und die Namen nicht nur zahlreicher Orte, sondern auch Flüsse (Amaradia < Homoród) und Komitate (Mehedinţi < Miháld) bewahren die Erinnerung an die ungarischen Einwanderer. Der wallonische Dorfschulze Corlard von Talmesch erhielt als Schenkung den Jagdplatz Lovista im Latortal. Bereits als König erbat Bela IV. (1235–1270) 1238 vom Papst einen Bischof für die ungarischen und sächsischen Bewohner des Banats. Die kumanischen Führer regierten auch weiterhin nur im Teil Kumaniens östlich des Alt, aber ebenfalls als Beauftragte des Königs, weil Herzog Bela 1233 den Titel König Kumaniens (rex Cumaniae) angenommen hatte.

 

 

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