Rumänische Knesen und Woiwoden

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Rumänische Knesen und Woiwoden
König Bela IV. vertraute dem kampferprobten berittenen Hirtenvolk der Rumänen die Reorganisation der Provinzen jenseits der Süd- und Ostkarpaten an. Vor allem mußte für geordnete Verhältnisse im Szörényer Banat gesorgt werden. Die Organisationsform fand er im Knesat (keneziatus in lateinischen Urkunden), dessen Namen er von der schon in ungarischer Lautform bekannten Bezeichnung der slawischen Dorfvorsteher in Siebenbürgen (Kniaz) entlehnte (z. B. 1214: Villani kenesii et omnes alii de provincia Doboka,* also in einem Komitat, in welchem im 13. Jahrhundert noch keine Rumänen wohnten). Das Knesat war ein vererbbares Amt, das mit der Führung eines Dorfes oder mehrerer Siedlungen und der Eintreibung der königlichen Einkünfte beauftragt war, verbunden mit gewissen Rechten (z. B. örtliche Rechtsprechung, Anteil an den Einnahmen, das Recht, eine Mühle zu betreiben).
Ebd., Band II, 66
Eine ähnliche Institution in Ungarn war die Befugnis der die Deutschen ansiedelnden Schultheißen (in Oberungarn) und Gräven (in Siebenbürgen). Im Szörényer Banat und in Kumanien wurde allen Anzeichen nach die Knesenorganisation nach dem Mongolensturm von Bela IV. geschaffen, über 193eine frühere Organisation der dort lebenden Rumänen wissen wir nichts. Bei den balkanischen Rumänen und vor allem im mittelalterlichen Serbien gibt es zwar selten das Amt des dem Knesen entsprechenden „kneaz“, aber die Rumänen im ungarischen Königreich verwendeten auch nur die aus ung. „kenéz“ übernommene Form „chinez“. Dies sieht auch der in dieser Frage kompetenteste Vertreter der rumänischen Geschichtswissenschaft, Silviu Dragomir, nicht anders: „Knesen sind auch bei den Siebenbürger Rumänen bekannt, beginnend mit dem 14. Jahrhundert, als Dorfvorsteher. Die hiesige Institution ist aber eigentlich ein eigenes Produkt des ungarischen Feudalsystems und ähnelt fast in nichts dem, was wir bei den Vlachen auf der Balkanhalbinsel finden. Hätten die Dakorumänen den Namen von den Slawen bei ihren gegenseitigen Kontakten übernommen, müßte das Wort organisch in den rumänischen Sprachschatz gelangt sein. Das ist aber nicht der Fall. Es blieb fremd…“* Fremd blieb es freilich nur in dem Sinne, daß es nicht aus der inneren Entwicklung der rumänischen Gesellschaft hervorwuchs, sondern eine ungarische Organisationsform war, ebenso wie die mehrere Knesate umfassende und leitende Woiwodschaft (rum.: voievodat), die den siebenbürgischen ungarischen Woiwodentitel für ein viel bescheideneres Amt verwendete. Für diesen Abwertungsprozeß gibt es im ungarischen Mittelalter mehr als ein Beispiel, so trugen z. B. den Titel „comes“, ursprünglich den Gespanen (ung. ispán) der Komitate zukommend, im 13. Jahrhundert schon sächsische Gräven und im 14. Jahrhundert auch städtische Patrizier, bis schließlich in der Neuzeit schon einfache Gutsverwalter Gespan genannt wurden.
S. DRAGOMIR, Vlahii din nordul Peninsulei Balcanice în evul mediu (Walachen im Norden der Balkanhalbinsel im Mittelalter). Bucureşti 1959, 117.
Die erste Erwähnung der dem Woiwoden unterstellten Knesate stammt von 1247, als Bela IV. den Johanniterorden für die Verteidigung gegen die Mongolen gewann und ihnen deshalb das „Land Szörény“ (die spätere Kleinwalachei, rum. Oltenia) mit dem zugehörigen Gebirge bis zum Alt einschließlich der Knesate Johann und Farkas schenkte, die, ihrem Namen nach zu urteilen, auch Ungarn sein konnten. Ausgenommen wurde nur das „Knesat des Woiwoden Litvaj“, das er „den Walachen überließ“. Die Hälfte der Einkünfte dieses Gebietes überließ er den Rittern, die andere behielt er sich selbst vor, ebenso sämtliche Einkünfte des zu Litvajs Gebiet gehörenden Hatzeg (Hatszoc) mit allem, was zu ihm gehörte. Das „Cumania“ östlich des Alt und südlich der Berge bekamen gleichfalls die Ritter „ausgenommen das Land des Szenenlaus’, Woiwoden der Walachen“, das er diesen „unter ähnlichen Bedingungen wie beim Land Litvajs“ überließ. Die rumänischen Woiwoden waren verpflichtet, den Rittern mit ihrer Kriegsausrüstung zu helfen. Wie aus späteren Angaben hervorgeht, mußten die Knesen und die Woiwoden persönlich Kriegsdienst leisten, während die Gemeinrumänen nur Steuer zahlten. Die Einkünfte des Königs von den Rumänen des Szörényer Banats und Kumaniens bestanden aus der Tiersteuer, die alle Rumänen im ungarischen Königreich entrichten mußten und deren Zehnten der König (laut Zeugnis von Urkunden der Jahre 1250 und 1252) an den Graner Erzbischof weiterzugeben verpflichtet war. Aus einer Urkunde vom Ende des 13. Jahrhunderts erfahren wir, daß diese Steuer das sog. Fünfzigstel (quinquagesima) war, auf je 100 Tiere ein lammendes und ein geltes Schaf, 194welche die Knesen einsammelten und ablieferten, während sie selbst außerdem eine grobe Wolldecke und Käse abgaben. Im 14. Jahrhundert zahlten die siebenbürgischen Knesen das Fünfzigstel in Geld, die rumänischen Milchprodukte müssen also bereits einen Markt gehabt haben. Übrigens war das Schaffünfzigstel auch die mittelalterliche Steuer der rumänischen Untertanen der serbischen Könige, und so blieb es auch im ungarischen Königreich. Vom Kirchenzehnten aber waren sie befreit, weil sie nicht zur römischen Kirche gehörten.
Auf die Zeit nach dem Mongolensturm ist auch die Neuerung Belas IV. anzusetzen, dem Szörényer Banat (ebenso wie seine Vorgänger entlang des siebenbürgischen Altlaufes dem „Land der Walachen“) an der Innenflanke der Südkarpaten durch Ansiedlung von Rumänen ein besiedeltes Hinterland zu sichern. Dies war schon deshalb notwendig, weil die Umgebung der neuen Burgen im Gebirge kaum für den Ackerbau geeignet war, andererseits den Hirtenvölkern ein gutes Auskommen bot. So entstanden um die Burg Hatzeg am Oberlauf des Sztrigy rumänische Knesate. Die erste diesbezügliche Angabe stammt von 1263, als ein ungarischer Grundherr das einst von slawischen Jägern bewohnte Dorf Fenes mit seiner Flur erhielt, „ausgenommen die Knesenländer von Dragun und Kodoch“.* Diese hatten sich vermutlich nach Knesenrecht anstelle der vor dem Mogolensturm geflohenen slawischen Jäger dort angesiedelt und gehörten unter die Hoheit des erwähnten Woiwoden Litvaj. Auch entlang des Temesch und am Oberlauf der Karas entstanden nach dem Mongolensturm königliche Burgen, die später dem Szörényer Banat angeschlossen wurden. Die älteste bekannte von ihnen war Krassófő (1247), gleichaltrig mit ihr können aber auch die 1320 und 1333 erwähnten königlichen Burgen mit ebenfalls ungarischen Namen sein, Zsidó, Miháld, Sebes und Illyéd, die im 14.–15. Jahrhundert Zentren autonomer rumänischer Distrikte waren. Das urkundliche Material dieser Gegend wurde zur Zeit der Türkenbesetzung größtenteils vernichtet, weshalb der einzige mittelbare Beweis für die rumänische Ansiedlung im 13. Jahrhundert jene Urkunde von 1350 ist, nach der Jugas Sohn Lupchyn, mit anderem Namen Woiwode Johann, die seinen nicht namentlich genannten Vorfahren im Distrikt Sebes durch Bela IV. geschenkten Güter verlangt und zurückerhält.*
GY. GYÖRFFY, Adatok a románok 13. századi történetéhez és a román állam keletkezéséhez (Angaben zur Geschichte der Rumänen im 13. Jahrhundert und zur Entstehung des rumänischen Staates). Sz. 1964, 7.
Ebd., 12
Über die innere Selbstverwaltung der rumänischen Woiwodschaften und Knesate im 13. Jahrhundert wissen wir gar nichts, wir können nur aus Mitteilungen des 14. Jahrhunderts darauf rückschließen. Bedingung für den Erhalt eines Knesats war, wie eine Nachricht aus der Gegend Hatzeg von 1360 besagt, die Besiedlung des Gebietes. Damals erhält eine Knesenfamilie in einem Prozeß das „Knesenrecht“ (ius keneziatus) über zwei Dörfer dadurch zurück, daß sie beweist, die Dörfer hätten ihre Ahnen neu angelegt (ex novo plantassent et condescendissent). Diesen Beschluß faßte unter dem Vorsitz des Hatzeger königlichen Burgvogts bei einer Vollversammlung (congregatio generalis) „der Gesamtheit (universitas) der Knesen und Männer anderen Standes und Ranges des Distrikts Hatzeg“ ein Schwurgericht von 12 Knesen, 6 Priestern und 6 Gemeinrumänen (Olachi populani), das die Rumänen selbst 195gewählt hatten. Auf ähnliche Weise wählten Mitte des 14. Jahrhunderts die im Marmaroscher und Bereger Berggebiet nördlich von Siebenbürgen entstandenen Knesate ihre Woiwoden. Königin Elisabeth (Erzsébet) verbietet in einer Urkunde von 1364, daß der Bereger Komitatsgespan statt eines Woiwoden seinen eigenen Beamten mit der Gerichtsbarkeit über die Rumänen betraut, und erlaubt ihnen, einen „rumänischen Woiwoden (Woyuodam Wolacum), der ihnen brauchbar und anständig erscheint, aus gemeinsamem Willen (de communi voluntate) an ihre Spitze zu stellen, wie auch die Marmaroscher und in anderen Teilen unseres Landes lebenden Rumänen diese Freiheit nutzen […] und dieser Woiwode soll in allen bei ihnen vorkommenden Angelegenheiten urteilen und weiter die uns und den Komitatsgespanen von den Rumänen zukommenden Einkünfte getreulich abliefern“.
Solange die Rumänen in Ungarn in direkt dem König bzw. den von ihm ernannten Beamten unterstellten Siedlungen lebten, genossen sie das Privileg, daß in ihren inneren Angelegenheiten ein nach ihren eigenen Rechtsbräuchen (ius valachicum) selbst gewähltes Woiwoden- oder Knesenschwurgericht urteilte und sie nur das Schaffünfzigstel als Steuer entrichteten. Das änderte sich erst, als die Könige – erstmals Ladislaus (László) IV. zwischen 1272 und 1290 – kirchlichen und weltlichen Grundbesitzern erlaubten, rumänische Siedlungen zu gründen und ihnen dabei auch das Einziehungsrecht des Fünfzigstels überließen. Andreas (András) III. verfügte 1293, daß die ohne königliche Genehmigung umgesiedelten Rumänen notfalls auch gewaltsam auf die Königsdomäne Székes zurückgebracht werden sollten. Zwischen den in den Mieresch mündenden beiden Flüssen Székes befanden sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts 34 Dörfer (von denen später 5 verschwanden, die übrigen existieren bis heute). 21 von ihnen hatten eine römisch-katholische, also ungarische oder sächsische Kirche, doch mag dort auch eine gewisse slawisch sprechende Bevölkerung existiert haben, weil die sich hier ansiedelnden Rumänen fünf Dorfnamen von dieser und nicht von den Ungarn und Deutschen übernahmen. Als in der großen Umgestaltung der ungarischen Gesellschaft am Ende des 13. Jahrhunderts ein großer Teil der königlichen Domänen in die Hand von Grundherren überging, kam auch das Székes-Gebiet mit den hier angesiedelten Rumänen unter grundherrliche Hoheit, und parallel dazu setzte der Verfall der rumänischen Selbstverwaltung ein. Zum letzten Male berief Andreas III. 1291 eine siebenbürgische Generalversammlung nach Weißenburg ein, auf der sich die Adligen, Sachsen, Szekler und Rumänen als ethnische bzw. soziale Gruppen mit eigener Selbstverwaltung vertreten lassen konnten (universis nobilibus, Saxonibus, Syculis et Olachis). Von da an traten nur noch die Knesenstühle oder Woiwodengerichte privilegierter rumänischer Distrikte gesondert zusammen, und damit unterblieb die Entstehung eines einheitlichen autonomen Gemeinwesens der Rumänen wie bei den Szeklern und Sachsen, weil die Knesen und Woiwoden der rumänischen Distrikte sie vermutlich nicht für notwendig hielten.

 

 

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