Anarchie und Konsolidierung

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Anarchie und Konsolidierung
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten politische Ereignisse die Expansion des privaten Grundbesitzes vorangetrieben. Um den brennenden Ehrgeiz seines höchst temperamentvollen Sohnes Stephan (István) zu befriedigen, hatte König Bela IV. 1257, wie einst sein eigener Vater, mit ihm das Land geteilt. Den östlichen Teil mit Siebenbürgen überließ er Stephan, der sich außer jüngerer König auch Herzog Siebenbürgens nannte, einen eigenen Hof hielt und eine selbständige Außenpolitik verfolgte. Dieser hat sich große Verdienste um die Neuordnung der nach dem Mongolensturm üblen Verhältnisse in Siebenbürgen und um die Sicherung der Landesverteidigung erworben und belohnte die für ihn Partei ergreifenden Adligen mit reichen Güterschenkungen. Doch der recht bald wieder aufgebrochene Gegensatz zwischen Vater und Sohn stürzte das Land in unselige interne Machtkämpfe. Belas Truppen drängten Stephan ins Burzenland, in die Burg Zeiden, wo er jedoch bei einem Ausfall mit Unterstützung eines überlaufenden Teils des Belagerungsheeres seines Vaters Truppen zersprengte und bei deren Verfolgung bis Pest vordrang. Im Frühling 1265 errang er einen entscheidenden Sieg und zwang Bela, ihm seinen Landesteil weiter zu überlassen. So blieb es bis zu Belas Tod 1270, doch war die Aussöhnung keineswegs aufrichtig, und beide bemühten sich um die Stärkung ihres 200Lagers, was wiederum nicht anders möglich war, als sich die Aristokratie mit ihren bereits gewaltigen Besitzungen durch weitere Schenkungen zu verpflichten.
Als Stephan V. nach zweijähriger Herrschaft plötzlich starb, nutzten die Großgrundbesitzer-Familien die Minderjährigkeit seines Sohnes Ladislaus IV. aus und schwangen sich – gestützt auf die Bewaffneten ihrer Güter sowie die ihnen anvertrauten Komitate als Privatgüter behandelnd – zu wahren Regionalfürsten auf. Als erster verweigerte der rumänische Woiwode Litvaj, der das nach 1260 von den Johannitern verlassene Szörényer Banat verwaltete, offen den Gehorsam, er fiel aber in dem gegen ihn eingeleiteten Kriegszug, und sein Bruder und Nachfolger Bărbat bekehrte sich für gewisse Zeit wieder zur Königstreue und gab die königlichen Einkünfte frei. In den folgenden Jahren gingen aber das Szörényer Banat und sogar das frühere Kumanien völlig für den König verloren, die rumänischen Woiwoden machten sich selbständig, ebenso wie Ungarn selbst in Provinzen der ihre Macht mißbrauchenden Amtsträger zerfiel, wogegen sich auch der 1290 ermordete Ladislaus IV. als machtlos erwies.
Sein Nachfolger Andreas III. erbte völlig unklare Verhältnisse und eine in Frage gestellte öffentliche Sicherheit. Beunruhigt durch die von fremden Mächten unterstützten Thronprätendenten, vermochte er in seiner kurzen Amtszeit die Ordnung nicht wiederherzustellen. Kurz nach seinem Regierungsantritt unternahm er auch eine Rundreise durch Siebenbürgen, um mit seinem persönlichen Auftreten die auch dort um sich greifende Anarchie zu bekämpfen. Die Schwäche der Zentralmacht ermöglichte zahllose Übergriffe, die auch die Anwesenheit des Königs nicht verhindern konnte. Nach seiner Abreise griff der Woiwode selbst, Roland (Lóránd) aus dem Geschlecht Borsa, der mit seinen Brüdern einen beträchtlichen Teil Ostungarns beherrschte, 1294 den Wardeiner Bischof mit Waffengewalt an, ja stellte sich sogar den königlichen Truppen entgegen, die ihn mäßigen sollten. Nach erbitterten Kämpfen konnte er besiegt werden, aber sein Nachfolger, der 1297 ernannte Ladislaus (László) Kán, erwies sich keineswegs als bessere Wahl. Hinter dem Rücken des überall von aufflammenden Erhebungen in Atem gehaltenen Königs beschlagnahmte er die königlichen Einkünfte, er gliederte seiner Woiwodschaft und der Gespanschaft Szolnok auch die sächsischen und Szekler Gespanschaften ein, besetzte die Bergstädte – kurz, er betrachtete Siebenbürgen als seinen Privatbesitz. Zwischen 1307 und 1309 verweigerte er die Neubesetzung des verwaisten siebenbürgischen Bischofsstuhles so lange, bis das Kapitel seinen Kandidaten wählte. In die Burgen setzte er seine Anhänger als Burgvögte ein und enteignete jeden, der zögerte, in seine Dienste zu treten.
Ähnliche Bestrebungen zeigten sich auch in anderen Gegenden des Landes, so daß sich Ungarn 1301 beim Tode Andreas’ III. in den Händen eines Dutzend von Provinzherren befand, die in ihren Gebieten selbständig regierten. Dem Staat drohte die Gefahr der feudalen Zersplitterung. Die jahrelangen Thronzwistigkeiten begünstigten ebenfalls die Oligarchie. Mit Andreas III. war die Herrscherfamilie der Arpaden in männlicher Linie ausgestorben, und es setzte ein erbitterter Kampf um die Nachfolge zwischen den Verwandten der weiblichen Linien ein. Der Papst unterstützte Karl Robert, ein Mitglied der französischen Anjou-Dynastie in deren sizilianischer Linie, der aber anfangs nicht die Sympathie des gesamten Adels für sich zu 201gewinnen vermochte. Die Mehrheit rief zuerst den Böhmenherzog Wenzel zum König aus und nach dessen Abdankung den Bayernherzog Otto. Woiwode Ladislaus Kán lud den neuen König – mit dem angeblichen Angebot der Hand seiner Tochter – nach Siebenbürgen ein, ließ ihn dort gefangen nehmen und nach Bayern zurückschicken. Dann erkannte er 1308 Karl Robert als König an, hielt aber die Königskrone bei sich zurück.
Die öffentliche Meinung war aber nur für den Fall bereit, die Rechtmäßigkeit der Herrschaft Karls anzuerkennen, wenn er sich mit der Krone Stephans des Heiligen krönen ließ. Die wiederum war im Besitz des Woiwoden Ladislaus, der auch nicht am Landtag der Königswahl teilgenommen hatte, sondern zwischen seinen Bergen der künftigen Dinge harrte. Der päpstliche Gesandte Kardinal Gentile regte Verhandlungen mit ihm an, und als diese zu keinen Ergebnissen führten, belegte er ihn 1309 unter dem Vorwand der Heirat seiner Tochter mit dem orthodoxen serbischen König Uros II. mit dem Kirchenbann. Diese schwere Strafe verfehlte nicht ihre Wirkung. Im Jahr darauf übergab der Woiwode die Krönungsinsignien und versprach auch die Rückgabe der usurpierten königlichen Rechte und Einkünfte. Schon 1303 hatte Karl Robert Siebenbürgen besucht, er mußte aber noch ein Jahrzehnt lang blutige Schlachten gegen die Oligarchie schlagen, da diese sich nicht mit der Beschränkung ihrer Macht abfinden wollte. Währenddessen blieb Woiwode Ladislaus weiter der Herr von Siebenbürgen, er ließ die königlichen Wachen nicht in seine Burgen und konnte sogar verhindern, daß sein 1315 ernannter Nachfolger Nikolaus (Miklós) Pok sein Amt tatsächlich antreten konnte. Erst nach seinem Tod gelang es dem königlichen Heer durch die Schlacht bei Diemrich 1316 Siebenbürgen seinen Söhnen wieder abzunehmen. 1318 lag der neue Woiwode Dózsa von Debreczin im Kampf mit dem siebenbürgischen Aristokraten Mojs, der sich mit den aufständischen Borsa verbündet hatte. Aber auch der Nachfolger von Dózsa, der 1320 an seine Stelle getretene Thomas (Tamás) Széchényi aus dem Geschlecht Kácsik, hatte noch damit zu tun, die Macht der Söhne von Ladislaus Kán endgültig zu brechen – 1321 besetzte er ihre letzte Festung, die Burg Csicsó.
Woiwode Thomas schuf im noch immer gärenden Siebenbürgen mit harter Hand Ordnung. Er zwang die Anhänger des Woiwoden Ladislaus und eine ganze Reihe von auf eigene Rechnung ihr Unwesen treibenden Adligen zur Unterwerfung und wandte sich schließlich gegen die Sachsen. Diese hatten im Laufe ihres endlosen Zwistes mit dem Bischof 1308 erneut Weißenburg verwüstet, und als nach dem Tod des Woiwoden Ladislaus die sächsische Gespanschaft auch weiter mit der Woiwodenwürde verbunden blieb, empörten sie sich unter Führung des Petersdorfer Gräven Henning gegen den neuen Woiwoden. Nur mit Hilfe der aus der Großen Ungarischen Tiefebene herbeigeholten kumanischen Truppen konnten sie 1324 geschlagen werden. Doch wenn sich Thomas Széchényi auch dem König gegenüber gefügig zeigte, war er in Siebenbürgen nicht weniger auf seine Macht bedacht als vor ihm Woiwode Ladislaus. Wie wir aus den Beschwerden des siebenbürgischen Bischofs wissen, mußte dieser oft genug seine Gewaltsamkeit und Besitzgier hinnehmen, mit der er sich und seinen Anhängern Güter aus dem Besitz der Kirche zu verschaffen versuchte.
Der siebenbürgische Sieg Karl Roberts hatte die ihm feindliche Aristokratie empfindlich getroffen. Alte, landnahmezeitliche und später zugezogene große Familien verloren ihre Güter aufgrund ihrer Untreue, und obwohl ihnen der 202König später zum großen Teil verzieh (wie z. B. den Geschlechtern Zsombor und Borsa sowie der Familie Wass), blieb die Führungsrolle doch seinen erprobten Anhängern vorbehalten. Thomas Széchényi blieb bis zu Karl Roberts Tod (1342) Woiwode und erhielt als Lohn für seine Dienste einen erheblichen Anteil von den eingezogenen Gütern der Aufrührer: 1319 die gewaltige Domäne Scharnberg zwischen Bistritz und Mieresch und 1324 die Gemarkung der Burg Salgo im Szebener Komitat. Ähnlich dem Woiwoden Ladislaus nahm auch er eine Piastenherzogin Anna von Auschwitz zur Frau. Stets die Familieninteressen vor Augen, hatte er auch seine Vettern mit nach Siebenbürgen gebracht, von denen er Simon, dem Ahn der Familie Kentelki Radó, die Domäne Groß-Schogen und das einträgliche Amt des Szekler Gespans verschaffte, während Péter Cseh, gestützt auf das Ansehen seines Onkels, die Hand der Erbin der schwerreichen sächsischen Grävenfamilie von Talmesch und damit deren ausgedehnte Besitzungen gewann. Er begründete die Familie Geréb von Weingartskirchen, deren zwei Vertreter im 15. Jahrhundert auch die beiden höchsten Würden Siebenbürgens, die des Bischofs und des Woiwoden, innehatten. Übrigens verheirateten sich die nach Siebenbürgen verschlagenen Mitglieder des Kácsik-Geschlechtes auch in anderen Fällen mit sächsischen Familien. Ein Nachkomme des Szekler Gespans Simon erwarb über die Grävenfamilie von Radna das der Familie den Namen gebende Gut Kentelke/Kindeln, und Péter Csehs Sohn, János, nahm ebenso wie sein Vater eine sächsische Gräventochter zur Frau, die Tochter jenes schwerreichen Michael von Kelnek/Keling, der sechs von seinen sieben Töchtern ungarischen Adligen zur Frau gab. Auch die an Besitz arme ungarische Adelsfamilie Barcsai im Komitat Hunyad machte ihr Glück mit der Erbschaft eines Teils des Vermögens der im Mannesstamme ausgestorbenen sächsischen Grävenfamilie von Alvinc/Winzendorf. Natürlich kamen auch auf umgekehrtem Wege große Familiengüter zustande, so erlangte z. B. die sächsische Grävenfamilie Brassai von Kronstadt durch Einheirat die Besitzungen eines ausgestorbenen Zweiges des Zsombor-Geschlechtes.

 

 

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