Adelskomitat und Adel

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Adelskomitat und Adel
In Siebenbürgen entstand das Adelskomitat auf die gleiche Weise wie im Verlauf der allgemeinen ungarischen Entwicklung, nur mit Verzögerungen. Während in anderen Teilen Ungarns die Adelskomitate die Funktion der königlichen Komitate bereits vor dem Mongolensturm zu übernehmen begannen, erlebte in Siebenbürgen die Institution der Burgjobagionen noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre Blütezeit und werden in den Urkunden die Burgjobagionen von (Inner-) Szolnok, Doboka, Kolozs, Torda und Fehér häufig erwähnt. Wohl gerade deshalb, weil die große gesellschaftliche Umgestaltung hier in den Jahren der politischen Krise erfolgte, verschmolzen die Burgjobagionen mit dem Adel nicht zu einer solchen Einheit wie weiter westlich. Diese sich spät aus der Abhängigkeit befreiende Schicht wurde vom Strom der Ereignisse in eine unsichere, soziale Randlage abgedrängt. Fast in jeder Urkunde über Güterverkäufe wird sie erwähnt, in mehreren Fällen sind die Käufer Nachkommen der Geschlechter aus der Landnahmezeit (z. B. Mitglieder der Familien Gerendi, Kecseti, Szentmártoni) oder andere Adlige ungewisser Abstammung, machmal auch Kleriker. Das 203Schicksal jener Burgjobagionen, die ihren Besitz verloren, kennen wir nicht; manche mögen gerade so viel Besitz behalten haben, daß sie ein Leben im Stil des Adels führen konnten. Überwiegend aber wurden sie sicherlich dazu gezwungen, bei vermögenderen Adligen in den Dienst zu treten oder ihr Auskommen bei den neu gegründeten königlichen Burgen zu suchen, denn von keiner der mittelalterlichen Adelsfamilien Siebenbürgens läßt sich mit Sicherheit nachweisen, daß sie von Burgjobagionen abstammt.
In den Teilen der Siebenbürgischen Heide, die zu den Komitaten Inner-Szolnok, Doboka, Kolozs und Torda gehörten, lebte daher im Mittelalter eine einheitliche Adelsgesellschaft, die überwiegend aus Familien bestand, welche von den landnehmenden Geschlechtern abstammten. Sie unterschieden sich allein in ihrem Vermögen, da infolge der vielen Nachfahren mancher Familienbesitz sehr zerstückelt war; manchmal lebten in einer Dorfflur mehrere Familien in ihren Kurien und bebauten den Acker mit eigener Hand. Aber auch die weniger mit Nachkommen gesegneten Familien besaßen nur selten mehr als 10 Dörfer, nur wenige der Reichsten hatten 20–30 Dörfer, aber nicht in zusammenhängenden Blöcken, sondern inmitten der Güter anderer Familien. Einheitliche Domänen von 20–50 Dörfern entstanden am Rande dieses vom Klein- und mittleren Adel bewohnten Gebietes.
Zwar gewährte 1290 ein Gesetz auch für Siebenbürgen der Organisation des Adelskomitats, den Adligen und „den nach Weise der Adligen über freien Besitz verfügenden Siebenbürger Sachsen“* die Steuerfreiheit sowie die Gerichtsbarkeit über ihre Bauern und verfügte ihre persönliche Kriegspflicht, dennoch entfaltete sich die Emanzipation des siebenbürgischen Adels später als in den übrigen Gebieten Ungarns. Noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts zahlten die siebenbürgischen Adligen Steuern an den Woiwoden, wovon sie erst 1324 durch Karl Robert befreit wurden, aus Dank für ihre Verdienste an der Niederschlagung des Sachsenaufstandes. Die Gerichtsbarkeit über die Bewohner ihrer Güter, also die volle Grundherrengewalt, erhielten sie aber erst 1342 vom Woiwoden, bestätigt 1363 durch den König. Umso mehr Bedeutung kam den Beschluß zu, demzufolge der König die von Karl Robert unter der Bezeichnung lucrum camerae verfügte Steuer von 18 Denar pro Bauernhufe den siebenbürgischen Adligen für ihren Militärdienst erließ, also ihnen überschrieb. Somit zahlte der siebenbürgische ungarische und sächsische Hörige nur an seinen Grundherrn Steuer, anders als die Rumänen, die weiterhin ihr Fünfzigstel an den König zahlten.
Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen I. Hermannstadt 1892. 175.
Die Versuche der Adligen, für ihre Komitate die Autonomie zu erkämpfen, hatten bereits weniger Erfolg. Zwar finden sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch in Siebenbürgen die Komitatsgerichte, zusammen mit den Vertretern der Autonomie, den Stuhlrichtern. Ferner halten einige Komitate auch selbständige Vollversammlungen ab, doch setzten sich bis zur Jahrhundertmitte wieder die Zentralisierungsbestrebungen des Woiwoden durch. Von da an veranstalteten nicht mehr die einzelnen Komitate Vollversammlungen, geleitet von ihren Gesparten, sondern der Woiwode berief sie gemeinsam mit den sieben siebenbürgischen Komitaten (im allgemeinen nach Thorenburg) ein. Hier wählte man auch gemeinsam die Stuhlrichter der Komitate, zwei pro Komitat (nicht vier, wie in anderen Landesteilen). Der Woiwode regierte also die siebenbürgischen Komitate wie ein einziges und verhinderte 204damit weitgehend die Entwicklung in Richtung der lokalen Selbstverwaltung. Somit erhielt der siebenbürgische Adel nur individuell jene Rechte, die ihn landesweit von den Nichtadligen unterschieden, und konnte sein politisches Gewicht als Gremium, als gesellschaftlicher Stand, nicht gegen den Woiwoden ausspielen. Verhindert wurde dies zudem noch durch die soziale Einrichtung der sog. Familiaren, die sich als typische ungarische Variante des Lehnsverhältnisses parallel zur Entstehung des Großgrundbesitzes zu verbreiten begann.
Die ärmeren Freien begannen sich freiwillig in den Dienst Vornehmerer zu begeben, vorwiegend als Mitglieder des militärischen Gefolges oder als Wirtschaftsverwalter der Herrschaftsgüter. Sie wurden von ihrem Herrn in seine Familie aufgenommen (daher der Name familiaris), der damit für ihren Unterhalt und ihren Rechtsschutz aufkam, während sie beeideten, treue Dienste zu leisten. (Der Gutsbesitz der Familiaren war jedoch vom Herrn völlig unabhängig, nach ungarischem Recht konnte nur der König Güter verleihen.) In Siebenbürgen ernannte der Woiwode den Vizewoiwoden meist aus seinen nichtsiebenbürgischen Familiaren; dieser war sein unmittelbarer Stellvertreter, versah gleichzeitig die Aufgaben des Gespans im Komitat Fehér und war Vorsitzender des Woiwodengerichts. Ebenso verfuhr der Woiwode mit den Komitatsgespanen, die wiederum die Vizegespane unter ihren eigenen Anhängern auswählten. Da die Gespanswürde Einkünfte und Ansehen sicherte, bemühten sich auch mehrere Vertreter der vermögenderen siebenbürgischen Familien um sie, womit breite Schichten des siebenbürgischen Klein- und Mitteladels zu Familiaren des Woiwoden wurden, was dessen Macht sehr steigerte. Damit läßt sich erklären, daß es in Siebenbürgen nicht einmal die vermögendsten Aristokratenfamilien mit dem gesellschaftlichen Ansehen des Woiwoden aufnehmen konnten, obwohl dieser im allgemeinen kein Siebenbürger war, sondern aus anderen Landesteilen stammte und deshalb in Siebenbürgen auch keinen umfangreichen Besitz sein eigen nannte.
Das Hauptmotiv für die große gesellschaftliche Umgestaltung, in deren Rahmen der Adel entstanden war, bildete die bewußte Verteidigungspolitik der Könige. Diese sorgten nicht nur dafür, daß die freien Ungarn und die zu Freien gewordenen Burgjobagionen den Adelsstand auffüllten und persönlichen Kriegsdienst leisteten, sondern sie unterstützten im Interesse der Landesverteidigung stets auch jene Elemente in der Szekler, sächsischen und rumänischen Gesellschaft, die am besten für den Militärdienst geeignet waren. Den ungarischen Soldaten umgab der Nimbus des Kreuzritters, und da nun Adel und Soldat miteinander identifiziert wurden, bildete die adlige Lebensform neben ihren gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Vorteilen (dem mit der kostenlosen Arbeitskraft des Bauern bearbeiteten freien Grundbesitz, der Steuerfreiheit und der Unterstellung unter direkte königliche Gerichtsbarkeit) auch eine moralische Anziehungskraft für die Szekler, sächsische und rumänische Gesellschaft, und diese Anziehungskraft prägte den gesamten Prozeß der Umgestaltung.

 

 

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