Eroberung und Einrichtung der Provinz

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Eroberung und Einrichtung der Provinz
Bis zur zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts hatten sich an Rhein und Donau die europäischen kontinentalen Grenzen des Römischen Reiches gefestigt. Der militärische Schutz entlang der Flüsse hatte eine endgültige Form angenommen. Die Wassergrenzen trennten das Reich nicht nur deutlich sichtbar von seinen Nachbarn, sondern schreckten auch die Feinde zurück, kleinere Einfälle zu unternehmen. An den Flüssen wurden an strategisch günstigen Punkten und Furten eine Kette von Befestigungen und Wachttürmen errichtet und auf diese Weise der Verkehr, der Nachschub und der Transport von Baumaterial erleichtert. Die im Limesvorland lebenden Völker wurden freiwillig oder gezwungen zu Verbündeten des Reiches. In dieses System war bisher eine starke Macht jenseits der Grenze, die der Daker, nicht mit einzubeziehen. Darum wurde der im Jahre 89 geschlossene Frieden zwischen dem Imperium und Decebalus von den Römern aufgrund von Erfahrungen der letzten anderthalb Jahrhunderte nicht als endgültig betrachtet. Die politisch, wirtschaftlich und militärisch starke dakische Macht bedeutete eine ständige Gefahrenquelle.
Die innen- und außenpolitische Lage des Reiches machte es aber zwei Jahrzehnte lang nicht möglich, erneut gegen die Daker aufzutreten. Im Jahre 89 erhob sich Antonius Saturninus in Germanien, und an der pannonischen Front wurde der suebisch-sarmatische Krieg fortgesetzt (89-92). Die seit 93 aufeinanderfolgenden Hinrichtungen der oppositionellen Senatoren, die gespannte Lage der Machtkrise führten zur Ermordung Domitians (96). Nach der kurzen Herrschaft Nervas begann dessen Nachfolger, Trajan (98-117), binnen kürzester Zeit mit den Vorbereitungen eines Feldzuges gegen die Daker. Der Kaiser unternahm alles, um sich den Sieg zu sichern. Er verfügte über eine gewaltige Streitmacht. Die Zahl der Legionssoldaten, Hilfstruppen und anderen militärischen Einheiten an der mittleren und unteren Donau erreichte beinahe 200 000 Mann, die überwiegend als Kampfverbände an dem 102 beginnenden Feldzug teilnahmen.
Die Vorbereitungsarbeiten dauerten drei Jahre lang. Von den zeitgenössischen Schriften über die Kämpfe sind nur verschwindend wenige Fragmente erhalten geblieben. Deshalb sind wir bei der Darstellung dieses historischen Ereignisses neben den Büchern des Cassius Dio, eines Geschichtsschreibers aus dem 3. Jahrhundert, über die römische Geschichte und dem 200 m langen bandartigen Relief der nach dem Sieg in Rom aufgestellten Siegessäule auf die archäologischen Grabungsergebnisse angewiesen. Die Heeresführung übernahm der Kaiser selbst, zusammen mit seinem Freund und engsten Mitarbeiter Licinius Sura. Einer der Schwerpunkte der Truppenkonzentration war die Umgebung des Legionslagers Viminacium in Moesia Superior. Zweifellos bestand das Ziel in der Einnahme des Herrschaftszentrums des Decebalus, des befestigten, mit einer Kette von Festungen umgebenen Sarmizegethusa Regia, dem man sich von mehreren Richtungen aus näherte.
Die Hauptangriffsrichtung wurde durch die von der Flotte bewachten Donaufurten bestimmt. Der westlichste Truppenaufmarsch erfolgte aus Lederata (Palanka, Jugoslawien) und führte über den östlichen Teil des 30Banats zum Hatzeggebirge, wo ein Militärstützpunkt eingerichtet wurde. Aufgrund einiger Fragmente, die von den Aufzeichnungen des Kaisers erhalten geblieben sind, kann man darauf schließen, daß auch der Herrscher über diese Strecke ins Innere Dakiens gezogen ist. Der andere wichtige Angriff erfolgte von Drobeta (Turnu Severin). Einige Truppen wiederum überquerten bei Dierna (Orschowa) die Donau.
Gleich zu Beginn gelang es den Römern, sich einen entscheidenden Vorteil zu sichern, und die Daker ersuchten um Frieden. Allerdings erschien Decebalus nicht zu den Verhandlungen, und die Kämpfe begannen von neuem. An der nördlichen Grenze Moesia Inferiors drangen die römischen Heerscharen an breiter Front von der Donau in Richtung der Südkarpaten vor. Als sie das Brooser Gebirge eingeschlossen hatten, war Decebalus gezwungen, sich zu ergeben: Die Waffenstillstandsbedingungen bedeuteten praktisch die Liquidierung des dakischen Königreiches. Die Daker mußten ihre Waffen und Kriegsmaschinen ab- und ihre Militäringenieure sowie die römischen Deserteure ausliefern. Die Zerstörung ihrer Befestigungsanlagen wurde angeordnet, und die von den römischen Truppen besetzten Gebiete mußten sie dem Imperium überlassen. Außenpolitisch waren sie Rom unterstellt. Der besetzte westliche Teil des dakischen Königreiches wurde Moesia Superior, der östliche Moesia Inferior angeschlossen. Unmittelbar nach dem Krieg wurde bei Drobeta eine auf Steinpfeilern ruhende Donaubrücke errichtet, die vom Baumeister Trajans, Apollodoros, geplant worden war. Durch diese Brücke wurde ein für alle Mal der Nachschub und der Verkehr über die Donau gewährleistet.
Decebalus versuchte dennoch, erneut sein Militär und damit auch den Widerstand zu organisieren. Er besetzte vereinzelte Gebiete und nahm den Kontakt zu einigen benachbarten Völkern auf. Er ließ einen Offizier hohen Ranges, Longinus, gefangennehmen und versuchte, den Kaiser zu erpressen und später diesen auch umbringen zu lassen. Die Ereignisse veranlaßten die Römer zu einer Endabrechung. Der zweite Krieg brach 105 aus. Das Ziel war die Besetzung des Zentrums des dakischen Herrschaftsgebietes: Trajan zog gegen Sarmizegethusa Regia. Im Jahre 106 besetzte und zerstörte er nacheinander die dakischen Festungsanlagen. Bevor er die letzte Burg einnahm, vergifteten sich ihre Verteidiger. Decebalus flüchtete, um aber nicht in Gefangenschaft zu fallen, brachte auch er sich um. Claudius Maximus war der Soldat, der dem toten König den Kopf abschlug und zu Trajan ins Hauptquartier brachte.
In Rom wurde der Kopf des Decebalus nach dem Triumphzug auf der Gemonia-Treppe öffentlich zur Schau gestellt. Der Sieg über den verhaßten Feind wurde mit Zirkusspielen gefeiert und Münzen mit der Aufschrift DACIA CAPTA geprägt. Das einstige dakische Herrschaftsgebiet wurde von römischem Militär besetzt.
In den zwei dakischen Kriegen überschritt die römische Armee zum erstenmal die an den Flüssen des Reiches festgelegten europäischen Grenzen in der Einsicht, daß die Vernichtung des Feindes und der Schutz der Grenzen nur durch Eroberung, also durch Umgestaltung des Feindgebietes in eine Provinz, verwirklicht werden könne (obwohl der Anspruch auf Beibehaltung des dakischen Gebietes als Provinz bei weitem nicht immer eindeutig war).
Unter der Regierung des ersten Statthalters, Terentius Scaurianus (106–110/12), wurde in schnellem Tempo mit der Organisation der Provinz 31begonnen. 112 wurden die ersten Münzen mit der Aufschrift DACIA AUGUSTI PROVINCIA geprägt. Scaurianus führte erfolgreich alle Maßnahmen durch, die notwendig waren, um ein erobertes Gebiet in eine Provinz umzugestalten. Er ließ eine Volkszählung vornehmen und das Land vermessen. Zu den ersten und wichtigsten Aufgaben gehörte die Festlegung der Grenzen, die Organisation des Verteidigungssystems. In den europäischen Provinzen waren die Legionen und Hilfstruppen an den Grenzflüssen, entlang des Rheins und der Donau, stationiert. Wo das nicht möglich war, wie z. B. im Süden Germanias und Raetias, wurden selbst in zerklüftetem Gelände pfeilgerade Verteidigungslinien, bestehend aus Erdwällen und Gräben, angelegt. Die Beschaffenheit von Bergen und Wasserläufen in Dakien aber war für keine dieser Arten von Verteidigungssystem günstig. Etwa 10 Jahre waren notwendig, um eine strategische Lagerlinie auszubauen. Die Lager am Rande der Provinz bedeuteten auch gleichzeitig die Grenze des Reiches.
Anfangs bildeten zwei Legionen und zahlreiche Hilfstruppen den militärischen Verteidigungskern der neuen Provinz. Die legio IIII Flavia war von 118–119 in Bersovia stationiert. Die andere, die legio XIII Gemina, hatte wahrscheinlich bereits von Anfang an in Apulum, an zentral gelegener Stelle in Siebenbürgen, ihr Lager errichtet.
Außer den beiden Legionen waren noch zahlreiche Hilfstruppen (Reiter- und Fußtruppen von 500 Mann bzw. Reitereinheiten von 1000 Mann) in der Provinz stationiert. Die Militärordnung hatte sich bis zu den 20er Jahren des 2. Jahrhunderts herausgebildet. Zur gleichen Zeit wie die Lager wurden auch die lebenswichtigen Straßen gebaut. Mit dem Bau von Straßen hatte das Militär bereits zu Beginn der Provinzorganisation begonnen, denn die Nachschublinien waren von strategischer Wichtigkeit, besonders in einer Provinz, die tief in feindliches Gebiet hineinreichte.
In der ersten Stadt der Provinz, in Colonia Dacica (Sarmizegethusa), siedelte Trajan die Legionsveteranen aus den dakischen Kriegen an. Um das durch die Kriege stark entvölkerte Gebiet zu bevölkern, siedelte Trajan große Menschenmassen nach Dazien um. Auf den Münzdarstellungen, die die staatsrechtliche Gründung der Provinz feierten, symbolisierten diese Siedler die spielenden Kinder auf dem Schoß der die Provinz Dacia darstellenden Frauenfigur.
Zu Beginn der Existenz Dacias brachen 107–108 an der westlichen Grenze der Provinz Kämpfe aus, von denen wir nur wissen (SHA, Vita Hadr. 3, 9), daß der Statthalter von Unterpannonien, der spätere Kaiser Hadrian, gegen die sarmatischen Jazygen (deren Siedlungsgebiet zwischen Donau und Theiß lag) in den Kampf zog, obwohl diese in den dakischen Kriegen noch die Römer unterstützt hatten. Ein Grund für die Unruhen der Sarmaten könnte gewesen sein, daß Trajan ihnen das Gebiet (östliches Banat), das ihnen Decebalus noch zwischen den beiden dakischen Kriegen genommen hatte, auf ihr Ansuchen hin nicht zurückgegeben hatte (Cassius Dio LXVIII, 10, 3–4). Ein anderer Grund lag wahrscheinlich darin, daß bei der Organisation der neuen Provinz die im Gebiet zwischen Donau und Theiß lebenden Jazygen nun nicht mehr nur von Westen und Süden, sondern auch von Osten her vom Römischen Reich umgeben waren, was eine neue Quelle für Spannungen bedeutete.
Nach diesen Kämpfen beruhigte sich die außenpolitische Lage für kurze Zeit, und die Sicherheit der Provinz schien gefestigt. Die friedliche Zeit war aber nur von kurzer Dauer. Als Trajan 117 starb, spielte sich im Raum Dazien 32die erste große Kraftprobe zwischen dem Römischen Reich und den benachbarten Völkern ab. Die Jazygen und Roxolanen drangen in beide Moesia ein, und die Kämpfe griffen auch auf Dacia über. Durch den Tod des ausgezeichneten, erfahrenen Provinzstatthalters Quadratus Bassus wurde die Lage noch kritischer. Der Krieg wurde im Falle der Roxolanen durch die Verringerung der römischen materiellen Unterstützung, im Falle der Jazygen durch die bereits erwähnten Territorialforderungen ausgelöst sowie durch die Tatsache, daß die neue Provinz an der unteren Donau die beiden verwandten Völker voneinander trennte. Hadrian reiste nach Mösien und gelangte auch nach Dazien, wo er in Drobeta „… aus Furcht davor, daß die Barbaren die Schutzvorrichtungen der Brücke leicht einnehmen könnten und es ihnen dann nicht schwer fallen würde, in Mösien einzudringen, die obere Brückenkonstruktion abreißen ließ“ (Cassius Dio LXVIII, 13, 6). Der Kaiser kam mit den Roxolanen – ihnen die frühere Unterstützung gewährend – schnell zu einem Kompromiß. Um aber die Jazygen zu zügeln, griff er zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Den ausgezeichneten Soldaten im Ritterstand, A. Marcius Turbo, stellte er sowohl an die Spitze Pannonia Inferiors als auch Dacias, der nun auf diese Weise von zwei Seiten aus den Widerstand der Jazygen brechen konnte.
Der Krieg der Sarmaten von 116–118 zeigte, daß Dazien bei der Verteidigung und zum Schutz der südlich der Donau gelegenen Provinzen von geringer Bedeutung war. Mit dem Sieg über Decebalus hatten die Römer zwar eine Gefahrenquelle, aber damit auch ein früheres Puffergebiet beseitigt, das ein Gegengewicht zu den sarmatischen Stämmen hätte bilden können. Die Gefahr einer einheitlichen dakischen Macht war zwar gebannt, aber die immer stärker werdenden Sarmaten bedrohten nicht nur die Donaugrenzen des Reiches, sondern auch die Grenzen Daziens zum Banat und nach Oltenien. Ihrer Reiterkampfweise wegen waren sie zwar in den Bergen des siebenbürgischen Teiles der Provinz weniger gefährlich, aber verbündet mit den an der nördlichen Grenze lebenden „freien dakischen“, keltischen und germanischen Stämmen konnten sie den gesamten Limesabschnitt der unteren Donau und die Grenzen Daziens konzentriert angreifen. So waren also zum Schutz der durch Dazien vergrößerten Reichsgrenze weitaus mehr militärische Kräfte und Aufwand erforderlich als an dem kurzen Donauabschnitt vor der Besetzung. Vielleicht hat Trajan – dessen strategische Vorstellungen eher Schutzcharakter hatten – bereits darum zu Beginn seiner Herrschaft daran gedacht, Dazien aufzugehen (Eutropius VIII, 6, 2). Diese Möglichkeit ist in Anbetracht der militärischen Lage als wahrscheinlich zu bezeichnen. Auch Hadrian war der Gedanke nicht fremd, die von seinem Vorgänger in aufwendigen Kriegen gemachten Eroberungen wieder aufzugeben: Aus den Gebieten jenseits von Euphrat und Tigris ist er beispielsweise tatsächlich abgezogen. Er hat dann aber doch Abstand von seinem Plan genommen und den Schutz der Provinz umorganisiert. Er zog die legio IIII Flavia an ihren ursprünglichen Standort, hinter die Donau, nach Singidunum (Belgrad), zurück. Mit diesem Schritt wollte er den Donaulimes stärken, um sich auf den zu erwartenden Angriff der Jazygen vorzubereiten. Die militärische Rolle Daziens bestand – außer im Schutz des eigenen Gebietes – eher in den einem feindlichen Angriff folgenden Abwehrkämpfen. Die dortige Armee konnte, statt eigene Kampfaufgaben auszuüben, mehrfach nur zusammen mit den Armeen anderer Provinzen erfolgreich eingesetzt werden.
33Das Römische Reich war weitgehend darum bestrebt, in den europäischen Grenzprovinzen eine Verteidigungslinie zu schaffen, die für die im Barbaricum lebenden Völker gut sichtbar die Grenze markierte und zugleich auch zwischen den einzelnen Grenzbefestigungsanlagen eine schnelle Verbindung, entweder zu Lande oder zu Wasser, gewährleistete. Es stellt sich daher die Frage, welche Überlegungen Rom veranlaßten, statt einer den traditionellen Schutzvorstellungen weitaus besser entsprechenden und kürzeren Donaugrenze eine schwer zu überwachende Provinz zu behalten. Warum entschied es sich – wenn auch mit einiger Unsicherheit-, eine Provinz zu behalten, deren Schutz eine weitaus kostspieligere Streitmacht erforderte als andere Provinzen? Wenn Rom nach den dakischen Kriegen nicht gleich dieses Gebiet verließ, so konnte es dies später – des Autoritätsverlustes wegen – kaum noch tun. Bei der Beibehaltung der Provinz spielten wahrscheinlich die Goldfundstätten Siebenbürgens eine große Rolle.

 

 

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