Ein Fürst ohne gesellschaftliche Basis

Full text search

309Ein Fürst ohne gesellschaftliche Basis
Diese ihm aufgezwungene Untätigkeit hielt Gabriel Báthory jedoch nicht lange aus. Er war nicht ins Fürstentum gekommen, um als Werkzeug seiner Untertanen zu fungieren, sondern sein brennendes Verlangen nach Herrschaft auszuleben. Und er herrschte auch, doch seine stete Unrast war nicht dazu angetan, seiner Macht ein stabiles Fundament zu verschaffen.
Er umgab sich mit einer sehr heterogenen Runde von Ratgebern, die zum Teil aus den alten, schon seit den Zeiten der Szapolyais in Siebenbürgen bedeutenden Familien stammten. Eine andere Gruppe gehörte zu jenen Familien, die unter der Herrschaft der Báthorys führende Positionen erlangten, wieder andere waren erst während Bocskais Freitheitskampf nach Siebenbürgen gekommen. Zwischen diesen Gruppen bestand eine gesellschaftliche Rivalität, die durch die jüngsten Geschehnisse sich noch zuspitzte. Viele von ihnen waren Verwandte oder Nachkommen der 1594 ausgerotteten türkenfreundlichen Oppositionellen. Andere hatten im Fünfzehnjährigen Krieg für die Herrschaft der Habsburger zu den Waffen gegriffen. Einzelne galten als Anhänger des Woiwoden Michael. Die meisten Berater des reformierten Fürsten waren zwar ebenfalls Reformierte, einige der Vornehmen in seiner Nähe aber auch Katholiken. In Tagen politischer Windstille spielten diese Unterschiede keine Rolle, doch in heiklen Situationen breitete sich sehr schnell Mißtrauen aus.
Anstatt nun diese Gegensätze auszugleichen, steigerte der Fürst sie noch durch höchst launische Besitzschenkungen. Zwischen Verdiensten und Schenkungen ließen sich keinerlei Zusammenhänge wahrnehmen, so daß seine Schenkungen ihm mehr Antipathie als Anhänger verschafften. Man begann von den Geliebten des Fürsten zu tuscheln und brachte damit die Ehefrauen der Ratsherren und vertrauten Würdenträger als Empfänger der fürstlichen Gnade in einem immer schieferen Zusammenhang.
Auch zu den Bürgern verhielt sich Báthory nicht viel besonnener. Obgleich er reihum in den Schlössern der Herren gastierte, dienten ihm auch die Städte als Schauplätze seiner Vergnügungen. Der auf die Herrschaft gänzlich unvorbereitete junge Fürst ruinierte die Städte durch seine Gelage, anstatt durch eine entsprechende steuerliche Belastung den Reichtum der Bürger abzuschöpfen und daraus Nutzen zu ziehen. Von solchen Möglichkeiten hatte er ebensowenig eine Ahnung wie von der Notwendigkeit, daß man die Bürger als Steuerzahler durch Förderung ihrer gewerblichen und Handelsinteressen unterstützen müsse.
Eine allgemeine feindselige Stimmung umgab deshalb seine inadäquate Herrschaft, als er ein Jahr nach seiner Wahl, ungeachtet des Widerspruchs im Landtag, die Vorbereitungen zu einem Feldzug aufnahm. Er wollte mit Hilfe der Moldau gegen die Walachei ziehen.
Krieg entstand einstweilen daraus nicht, weil Gabriel Báthory von einer Verschwörung der führenden Politiker überrascht wurde. Es läßt sich nicht feststellen, seit wann sich diese gegen den Fürsten verbündet hatten. Sicher ist, daß sie im Frühling 1610 beschlossen, ihn ermorden zu lassen. Eine Reise im März schien einen willkommenen Anlaß zu bieten. Doch schrak der Attentäter im letzten Moment davor zurück und erstach Báthory nicht, obwohl er bereits in dessen Zimmer eingedrungen war. Statt dessen gestand er ihm alles. Der Hausherr, Kanzler István Kendi, floh umgehend, den 310Generalkapitän der Szekler, Boldizsár Kornis, der die gesamte Aktion angeregt hatte, ließ der Fürst jedoch festnehmen. Sehr bald stellte sich heraus, daß nur wenige an der Verschwörung beteiligt waren.
Die Zeitgenossen neigten gern zu der Annahme, hinter der Verschwörung habe Boldizsár Kornis’ männliche Eifersucht gestanden. In Wahrheit jedoch war eine interne Machtkrise ausgebrochen, um deren Ursachen sich Báthory aber keineswegs kümmerte. Die Gründe für die über den Kreis der Verschwörer weit hinausgehende Unzufriedenheit untersuchte er nicht. Statt dessen inszenierte er einfach ein großes Schauspiel zur Einschüchterung der Unzufriedenen: er ließ Boldizsár Kornis öffentlich hinrichten. Seine Getreuen wiederum stiegen weiter auf. Statt Kendi wurde János Imrefi, ein alter Günstling Báthorys, Kanzler und Gabriel Bethlen Generalkapitän der Szekler.
Die Wirkung des vereitelten Attentats hielt jedoch nur kurze Zeit vor; Báthory nahm seine Kriegsvorbereitungen schon im Dezember wieder auf. Obwohl die Privilegien der Sachsen den Fürsten nicht berechtigten, auf ihrem Territorium zu wohnen, besetzte er die Hauptstadt der Sachsen, Hermannstadt – eine Tat, die nicht nur unter den Sachsen, sondern in der gesamten Öffentlichkeit eine einmalige Empörung auslöste. Die Behauptung Báthorys, daß sich das in Trümmern liegende Weißenburg nicht als Fürstensitz eignete, traf zwar zu, die Besetzung der reichsten sächsischen Stadt war jedoch ein schreiendes Unrecht. Danach begann der Fürst – wiederum gegen den Widerspruch vieler – seinen Kriegszug gegen die Walachei am zweiten Weihnachtstag 1610, und rechnete mit einem triumphalen Sieg. Woiwode Radu Şerban war jedoch über seinen Einmarsch rechtzeitig informiert und geflohen. Die siebenbürgischen Truppen gelangten ohne jeden bewaffneten Zusammenstoß bis nach Tîrgovişte, wo sich Gabriel Báthory zum Fürsten der Walachei ausrufen ließ. Erst dann fand er Zeit, die Zustimmung der Pforte für seinen Kriegszug einzuholen.
Er schickte eine prächtige Gesandtschaft nach Konstantinopel, um dort einen großangelegten Plan vorzutragen. Demnach hatte Báthory mit Radus Vertreibung die Walachei für die Pforte erhalten wollen. Als nächster Schritt wurde die Einnahme des polnischen Königreichs vorgeschlagen. Im Falle ihrer Zustimmung könnte die Pforte sodann einen dem Türkischen Reich treuen König auf den Thron Polens setzen. Báthory träumte wohl tatsächlich von der polnischen Krone, hatte doch seit der Herrschaft seines Verwandten, König Stephans, jeder siebenbürgische Fürst diesen sich zum Vorbild genommen. Zudem hatte er auch die Kräfteverhältnisse richtig beurteilt, denn Konstantinopel hatte tatsächlich die den Frieden um jeden Preis bewahrende Politik aufgegeben.
Báthory hatte sich freilich nicht darin getäuscht, daß die Pforte sehr wohl zu Kräften gekommen war, aber darin geirrt, daß sie Gabriel Báthory zu ihrem Werkzeug erwählt hätte. Sie übersandte ihm vielmehr den Befehl, heimzukehren und setzte Radu Mihnea als neuen Woiwoden der Walachei ein. Dem Fürsten blieb nichts anderes übrig, als nach zweimonatiger Absenz nach Hause zurückzukehren. Er hielt aber den Schein aufrecht, indem er Gabriel Bethlen mit einer kleinen Truppe in Tîrgovişte beließ. Dieser hatte den Auftrag, den neuen Woiwoden zu empfangen und irgendeinen Vertrag mit ihm abzuschließen. Nach der Einführung des Woiwoden kehrte dann Anfang April auch Bethlen nach Siebenbürgen zurück.

 

 

Noviny Arcanum
Noviny Arcanum

Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť

Arcanum logo

Arcanum Adatbázis Kiadó, popredný poskytovateľ obsahu v Maďarsku, začal svoju činnosť 1. januára 1989. Spoločnosť sa zaoberá hromadnou digitalizáciou kultúrneho obsahu, jeho triedením do databáz a publikovaním.

O nás Kontakt Tlačové správy

Languages







Noviny Arcanum

Noviny Arcanum
Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť