Das Erstarken der türkischen Macht

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Das Erstarken der türkischen Macht
Gabriel Bethlen, der den neuen walachischen Woiwoden empfing und später der bedeutendste Herrscher Siebenbürgens werden sollte, war 1611 bereits einer der führenden Politiker, allerdings noch weit vom Fürstenthron entfernt. Sein Auftreten wurde von der Geschichte gleichsam erzwungen. Den Auftakt für die nun folgende Ereigniskette bildete eine verstärkte außenpolitische Aktivität der Türken auch gegenüber Siebenbürgen.
Der Rückruf von Gabriel Báthory war bereits ein Zeichen dafür gewesen, daß sich der Himmel über den zwei Woiwodschaften verfinsterte. Vergeblich bat Radu Şerban sowohl Wien als auch Polen um Hilfe, er selbst vermochte Mihnea nur für kurze Zeit zu vertreiben. Aus der Moldau wiederum floh die von Polen unterstützte Movilă-Familie, so daß auch dort ein den Türken genehmer Herr eingesetzt wurde. Die Macht der Pforte über die beiden rumänischen Woiwodschaften wurde damit erneut überaus gestärkt.
Von solchen Veränderungen blieb Siebenbürgen einstweilen verschont, wenn auch das Kräftespiel der Großmächte hier ebenfalls bereits begonnen hatte. Der heimkehrende Gabriel Báthory zog den Krieg ins Fürstentum hinein. Zunächst überfielen zwei Paschas von Ungarn her das Land, um den mit der Eroberung der Walachei beschäftigten Fürsten in den Rücken zu fallen. Sie weilten zwar nur kurze Zeit in Siebenbürgen, da sie aber unterwegs die Haiduckensiedlungen überrannt hatten, eilten die Haiducken wie ein Mann aus der Walachei nach Hause. Sie überschwemmten Siebenbürgen und die benachbarten Gebiete des königlichen Ungarn. Die harte Arbeit ihrer Ansiedlung konnte wieder einmal von neuem begonnen werden. Der mißmutig heimgekehrte Fürst – der ihnen den Sold nicht bezahlen konnte – schickte sie in die Nähe des reichen Kronstadt, da er jetzt die Besetzung dieser sächsischen Stadt plante.
Zuerst versuchte der Haiduckenführer András Nagy die Stadt einzunehmen, doch soll ihn der Kronstädter Rat bestochen haben, jedenfalls zog er ab. Dann kam der Fürst selbst ins Burzenland und bat Kronstadt um Einlaß. Nun kam es zum offenen Bruch zwischen Gabriel Báthory und den Sachsen: Statt ihm am 11. Juni 1611 die Tore zu öffnen, drohte ihm der Kronstädter Rat mit bewaffneter Vertreibung. Báthory zog sich nach Hermannstadt zurück, Kronstadt aber konspirierte unter Führung des Stadtrichters Michael Weiß mit dessen altem Bekannten, dem walachischen Woiwoden Radu Şerban, der um Hilfe gebeten wurde. Dessen Lage war selbst nicht gefestigt, doch brach er trotzdem sofort zur Unterstützung der Kronstädter auf. Anfang Juli kam es zu einem Treffen, das Báthory unter großen Menschenverlusten verlor, selbst aber fliehen konnte.
Nach Radus Eingreifen ließ sich die Bewegung der Kronstädter nicht mehr als Sache einer einzigen Stadt betrachten. Viele Vertreter der Adelsopposition schlossen sich an, und die Ereignisse wirbelten auch im königlichen Ungarn viel Staub auf. Gegen Báthory zog der Kaschauer Kapitän Zsigmond Forgách ins Feld, unterstützt von oberungarischen Magnaten und in Begleitung vieler von ihnen. Gemeinsam mit den Truppen aus den Woiwodschaften belagerten sie den in Hermannstadt eingeschlossenen Fürsten. Anfang September kamen 312auch die Türken erneut, Gabriel Bethlen hatte ihre Siebenbürgen benachbarten Befehlshaber ins Land gerufen.
Damit war es im Frühherbst 1611 zu einem heillosen Durcheinander gekommen. Jeder führte Krieg gegen jeden. Schon schien es, als sollte es wieder zu solchen Verwüstungen wie zur Jahrhundertwende kommen, als sich die Lage – unerwartet – zu klären begann.
Denn mit dem Erscheinen der Türken begann Ruhe einzukehren. Wie vor dem Herrn, der nach langer Zeit auf sein ganz vernachlässigtes Gut zurückkehrt, so flüchteten die Kämpfenden jetzt vor den Truppen des bosnischen Paschas Omer. Niemand wartete ein Zusammentreffen mit ihm ab. Sowohl Zsigmond Forgách als auch Radu Şerban zogen Mitte September ab, ohne eine Schlacht geschlagen zu haben, obwohl der Woiwode nicht nach Hause zurückkehren konnte, weil mit den nach Siebenbürgen marschierenden türkischen Truppen Mihnea wieder nach Tîrgovişte zurückgekehrt war.
Mit dem Erscheinen des von Omer angeführten Heeres und der Flucht der Truppen Forgáchs wurde deutlich, daß Siebenbürgen jetzt mit derselben Konstellation der veränderten Großmacht-Kräfteverhältnisse konfrontiert wurde wie die Moldau und die Walachei einige Monate vorher. Die politische Präsenz der Pforte war in diesem Raum wieder zur bedrückenden Tatsache geworden. Unzweifelhaft betrachtete sie diese Stationen auf dem Weg nach Westen – Siebenbürgen und die Woiwodschaften – als zu ihrer eigenen Machtzone gehörige Gebiete und war auch wieder fähig, allfällige Invasoren aus diesen hinauszuwerfen.
Durch die Ereignisse dazu gezwungen, wandte sich auch Kronstadt mit der dort versammelten Opposition des Fürsten der Pforte zu. Mit András Ghiczy, der nun in Báthorys Auftrag nach Konstantinopel gehen sollte, um im Namen des Fürsten für die Hilfe gegen Forgách zu danken, schloß man eine Vereinbarung. Als dieser nämlich auf seiner Reise auch nach Kronstadt kam, trat er der Opposition bei. Im November reiste Ghiczy, nun in ihrem Auftrag, weiter und bat im Namen der drei Nationen des Landes die Pforte um die Vertreibung des despotischen Fürsten.
Damit gaben sich die Führer der in Kronstadt organisierten Opposition erst einmal zufrieden. Das Burzenland, das sächsische Gebiet rings um die Stadt, wurde gleichsam zu einem Staat im Staate; man schlug hier Münzen und bereitete sich auf den von der Pforte unterstützten Kampf gegen Báthory vor. Die Hilfe jedoch ließ lange auf sich warten, weil im Herbst 1611 die Entscheidungen in Konstantinopel erst nach ungewöhnlich großen Schwierigkeiten gefällt werden konnten. Denn der fürchterliche Greis Großwesir Murad Pascha war im August gestorben und sein Nachfolger Nassuh Pascha noch nicht vom persischen Kriegsschauplatz zurückgekehrt.
András Ghiczy erreichte allerdings auch so – vermutlich ohne das Wissen des neuen Großwesirs – eine Entscheidung des Diwans: An Stelle Báthorys sollte er der neue Fürst werden. Es wurde ihm auch militärische Hilfe versprochen. Ghiczy verpflichtete sich seinerseits dazu, Lippa und Jenő zu übergeben und die früheren 15 000 Goldgulden Steuer zu bezahlen. Als Bürgen ließ er seinen Bruder beim Kaimakam Gurdschi Mohammed zurück.
Im Juni 1612 kehrte András Ghiczy nach Hause zurück, doch hatten die Nachrichten von seinen Erfolgen bei der Pforte schon lange vor ihm Siebenbürgen erreicht. Sie steigerten die Entschlossenheit der Opposition, während sie bei Báthory den bei siebenbürgischen Fürsten bereits üblichen 313Reflex auslösten: Auf dem Landtag am 26. Juni 1612 brachte er die Aufkündigung der türkischen Oberhoheit bzw. den Gedanken eines Anschlusses an das königliche Ungarn zum Vorschlag. Mit anderen Worten, er wollte mit dem Hinweis auf die türkische Bedrohung die stets in die Katastrophe führende siebenbürgische Schaukelpolitik erneut beginnen.
Verständlicherweise verschloß sich der Landtag jedoch diesem Plan Báthorys, gegen den nicht nur viele schlimme Erfahrungen in der Vergangenheit sprachen, sondern auch die momentanen Verhältnisse. Die Lage war in erster Linie wegen der Person des neuen Großwesirs Nassuh brisant. Man kannte ihn gut in Ungarn, hatte er doch dort schon im Kriegsdienst gestanden; ihm hatte man am Beginn des Fünfzehnjährigen Krieges die Burg Fülek abgenommen, und jedermann war bewußt, daß er diese Schande seither nie verwunden hatte. Von seinem Racheplan gegen den türkischen Unterhändler für den Frieden von Zsitvatorok, den Ofner Kommandanten Ali Pascha, war er erst auf den ausdrücklichen Befehl des Sultans abgerückt. Mit Nassuh war also der grimmigste Gegner eines Friedens mit Ungarn Großwesir geworden. Auch ohne jede Absicht, Siebenbürgen von der Herrschaft der Pforte zu trennen, durfte man von ihm nichts Gutes erwarten. Was er nun mit Ungarn vorhatte, wozu er als Großwesir alle Vollmachten besaß, ließ sich unmöglich genau ermessen.

 

 

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