Gabriel Bethlen vermeidet den Krieg

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Gabriel Bethlen vermeidet den Krieg
In dieser Situation entschloß sich Bethlen zu einem wahren Verzweiflungsschritt: am 12. September 1612 ging er mit 50 seiner Leute in türkische Emigration. Dies ließ sich sogar als Flucht interpretieren, weil sein Vertrauensverhältnis zum Fürsten zuletzt endgültig zu Bruch gegangen war. Früher war er – vermutlich aufgrund seiner guten Kenntnisse über Konstantinopel – für Báthory unersetzlich gewesen, und seit er ihm die Zustimmung der Pforte zur Herrscherwürde verschafft hatte, war Bethlen in der Achtung des Fürsten immer höher gestiegen. Mit der Absicht Báthorys, sich von den Türken zu lösen, schien er aber einfach überflüssig geworden zu sein. Seine Besonnenheit ausstrahlende Präsenz wurde für den Fürsten schon eine Belastung, da er ihn – unberechtigterweise – der Verschwörung mit den Sachsen verdächtigte und angeblich bereits plante, ihn ermorden zu lassen.
Hinter Bethlens Flucht verbargen sich jedoch über die Sorge für seine Person hinaus weit komplexere Gründe; keinesfalls nur Eifersucht, wenn diese auch hätte mit im Spiel sein können. Denn Ghiczy hatte mit dem bei der Pforte durchgesetzten Befehl, ihn selbst zum Fürsten zu wählen, im Grunde einen von Bethlen stammenden Einfall verwirklicht. Der Gedanke nämlich, türkische Truppen könnten einen Herrscher einsetzen, war Bethlens Kopf entsprungen – schon 1603, als er dem unter der kaiserlichen Besetzung stöhnenden Land einen von der Pforte ernannten Fürsten vermitteln wollte.
Damals hatte Bethlen allerdings Stephan Bocskai für das schwere Amt gewonnen. Und nun sollte Ghiczy auf diese Weise Fürst werden? Mit Recht unternahm er Schritte dagegen. Drei Fürsten hatte Bethlen gedient und für einen von ihnen sogar im Gefängnis gesessen, schließlich alle Stufen auf dem Wege zur Herrschaft durchlaufen. Zweifellos hielt er sich für einen 314geeigneteren Anwärter als jeden anderen, als er nun, in der neuen kritischen Lage, mit der nerven- und zeitraubenden Arbeit begann, für sich selbst die Fürstenwürde zu erkämpfen.
In der Heimat trieben indessen die Ereignisse immer mehr auf ein Habsburg-Bündnis zu. Denn Báthory hatte am 15. Oktober 1612 die in Kronstadt versammelte Opposition in offener Feldschlacht geschlagen. Da Stadtrichter Weiß gefallen war, zogen sich seine Leute nach schlimmen Verlusten gemeinsam mit András Ghiczy hinter die Stadtmauern zurück. Den Fürsten stärkte dieser Triumph erheblich. Auf dem Landtag im November ließ er sowohl die anwesenden als auch die geflohenen Führer der Opposition verbannen, unter ihnen auch Gabriel Bethlen. Dann setzte er die Wahl der Kommissare für die Bündnisverhandlungen mit Wien durch, ernannte aber auf Wunsch der Stände auch Gesandte für die Pforte.
Die Gesandtschaft für Wien begann als erste ihre Tätigkeit. Nach Verhandlungen in Wien und dann in Preßburg kam im April 1613 eine Übereinkunft zustande. Ihr zufolge versagte Fürst Báthory der türkischen Oberhoheit über Siebenbürgen seine weitere Anerkennung. Augenscheinlich wollte er aber einen offenen Bruch mit der Pforte vermeiden, weil er ja auch Gesandte nach Konstantinopel geschickt hatte. Diese trafen am 22. Mai an der Pforte ein, konnten aber gar nichts im Interesse Báthorys erreichen. Großwesir Nassuh erlaubte ihnen nicht einmal, ihre Geschenke zu übergeben. Wenige Wochen vorher hatte der Diwan nämlich entschieden, daß Bethlen an Stelle Gabriel Báthorys Fürst von Siebenbürgen werden sollte.
Mit Nassuh, dem schrecklichen Großwesir, war Bethlen schon nach seiner Flucht, irgendwann im Herbst 1612 durch Skender, dem Pascha von Kanizsa, zusammengetroffen. Denn nach seinem Weggang aus Siebenbürgen hatte Gabriel Bethlen der Reihe nach die türkischen Kommandanten im eroberten Gebiet Ungarns besucht. So war er auch in Temeschwar und Ofen und überwinterte dann in Belgrad, weil er wußte, daß sich die Kommandanten der Siebenbürgen umgebenden Gebiete dort mit ihren Vorgesetzten aus Konstantinopel zur Verhandlung der unterschiedlichsten Angelegenheiten zu treffen pflegten. Er nutzte die Gelegenheit, dort vielen wichtigen türkischen Persönlichkeiten zu begegnen.
Nach derartigen Vorbereitungen ging Bethlen im Vorfrühling 1613 nach Adrianopel, wo sich gerade der Sultan und der Großwesir aufhielten. Hier brachte Skender Pascha, der für lange Zeit ein höchst aktiver Förderer seiner Pläne werden sollte, ihn mit Nassuh zusammen. Im März entschied man im Diwan über den neuen Fürsten, Ende April erhielt Bethlen die Herrschaftsinsignien, und mehrere hohe türkische Offizere sowie die beiden rumänischen Woiwoden bekamen den Befehl, ihn zu begleiten.
Der zukünftige Fürst brach mit den unter Skender Paschas Oberkommando stehenden Truppen im August von Konstantinopel auf und erreichte Siebenbürgen Anfang Oktober. Schon vorher, Anfang September, waren weitere türkische Truppen mit dem Woiwoden Mihnea aus der Walachei und der tatarischen Vorhut eingetroffen, drei Wochen später kam der Khan der Krimtataren mit seiner Hauptmacht, und am 3. Oktober erreichte Ali Pascha von Ofen die Residenz Weißenburg. Insgesamt waren es ca. 80 000 Mann, die Siebenbürgen für Gabriel Bethlen erobern sollten. Wohl noch nie hatten sich so viele Türken und Tataren gleichzeitig im Land befunden – über das Schicksal des Fürstentums konnte kein Zweifel bestehen.
315Bethlens Förderer wollten jedoch nicht mit den traditionellen Formen brechen, wodurch allerdings die völlige Abhängigkeit Siebenbürgens nur noch stärker betont wurde. Skender Pascha berief den Landtag ein, obwohl die Stände des Fürstentums noch nie auf Befehl eines Türken zusammengetreten waren. Aber niemand weigerte sich, da Skender mit Krieg drohte. Für die Wahl gab er ihnen fünf Tage Zeit und das genügte auch – bereits am 23. Oktober 1613 war Gabriel Bethlen Fürst von Siebenbürgen.
Gabriel Báthory wurde vom Landtag tags darauf mit einem fein stilisierten Brief verabschiedet, in dem man seine Klagen aufzählte, ihm seine feige Flucht vor den türkischen Truppen und seine Absicht vorwarf, mit der Pforte zu brechen, schließlich aber wiesen die Stände auf die unüberwindliche Bedrohung der türkischen Waffen hin, gegen die sie keinesfalls bestehen könnten. Ob Báthory freilich diesen Brief in Wardein überhaupt erhalten hat, ist unklar, denn vier Tage nach der Wahl Bethlens wurde er – nach Meinung von Zeitgenossen durch von Ghiczy gedungene Haiducken – ermordet.
Auf diese Nachricht hin zogen die türkischen Truppen raubend und plündernd ab, ihre Gefangenen an Ketten mit sich führend. Neben schrecklichen Zerstörungen hinterließen sie auch die Gewißheit, daß Siebenbürgen wieder ganz unter die türkische Oberhoheit gefallen war.

 

 

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