Ein Fürst mit Sachverstand

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Ein Fürst mit Sachverstand
Mit Gabriel Bethlen kehrte nach Báthorys Maßlosigkeit und leichtsinnigem Mutwillen Ordnung und nüchterne Überlegung in die Regierung Siebenbürgens ein. Auch im Äußeren ist es schwer, sich einen größeren Unterschied als den zwischen Báthory und Bethlen vorzustellen. Der persönliche Charme des stattlichen Báthorys mit seinen gewinnenden Manieren hatte auch seinen Gegnern imponiert, wenn sie in seiner Gesellschaft waren – fern von ihm vergaßen sie ihre plötzlich aufgeflammte Sympathie. Der untersetzte und durch seine Kriegsverletzungen schwerfällig gewordene Bethlen vermochte dagegen beständige Gefühle zu erwecken. Wer ihm nahestand, empfand eher Achtung als Freundschaft für ihn, während seine Gegner unauslöschlichen Haß gegen ihn hegten. Er selbst aber kümmerte sich wenig um die Ansicht der Leute. Bethlen suchte keine Gefühlsbindungen und konnte gerade deshalb mit jedem arbeiten. Es läßt sich nicht nachweisen, daß ihn bei der Auswahl seiner Mitarbeiter jemals subjektive Motive geleitet hätten.
Gabriel Bethlens Familie war in der siebenbürgischen Politik an der Seite Königin Isabellas aufgetreten. Sein Vater war fürstlicher Rat bei Sigismund Báthory gewesen, die Mutter stammte aus der vornehmen Szeklerfamilie Lázár, und Gabriel kam – schon als Waise – mit 13 Jahren an den Weißenburger Hof. Über seine Ausbildung und über die Einflüsse, unter denen sein Talent sich entwickelte, wissen wir nichts. Doch Bethlens Taten vor seiner Regierungszeit zeigen schon zwei ganz besondere Charaktereigenschaften. Die eine war die schon im Fünfzehnjärigen Krieg an Mózes Székelys Seite bewiesene Fähigkeit, immer das gerade Erforderliche perfekt zu erledigen, diplomatische Verhandlungen zu führen oder, wenn nötig, Soldaten. Er konnte mit Menschen umgehen, ob er nun einer Einzelperson gegenüberstand oder mittels Aufrufen Massen in Bewegung setzen mußte. Es 316fiel Bethlen leicht, Ereignisse, menschliche Kontakte oder Kriegsschauplätze in ihrer wesentlichen Bedeutung zu durchschauen, und diese vielseitigen Fähigkeiten bildeten die auffälligste Seite seiner Begabung.
Bethlens andere Stärke war seine absolute Sachlichkeit. Was den Realitätsgehalt seiner Pläne betrifft, so hat er in diesem Punkt seine Zeitgenossen keineswegs übertroffen; auch waren für ihn in der Diplomatie keineswegs nur Fakten ausschlaggebend. Bethlens Sachlichkeit bestand vielmehr darin, daß er sich bei der Durchsetzung seiner Pläne von keinerlei Nebenaspekten ablenken ließ. Ganz rational wählte er die Mittel zu Verwirklichung seiner Absicht, um diese dann ohne jeden Skrupel einzusetzen.
Der Sachlichkeit blieb er sein ganzes Leben treu, sie trat jedoch bei seiner Wahl zum Fürsten am deutlichsten hervor. Bethlen schuf sich in Siebenbürgen keine Partei, er kümmerte sich nicht um den König, um das königliche Ungarn und auch nicht um die heimische Öffentlichkeit. An die Pforte wandte er sich, weil er wußte, daß sich dort Siebenbürgens Schicksal entscheiden mußte. Nichts deutet darauf hin, er habe irgendwann die Verwüstungen der Truppen, die ihm zum Fürstentum verhalfen, bedauert oder sich für die Gewalt bei seinem Regierungsantritt entschuldigt. Die einstweilen nicht zu beseitigende Macht des Türkischen Reiches über Siebenbürgen begriff er ganz sachlich als unerbittliche Realität.
Trotz dieser nüchternen und konsequenten Parteinahme Bethlens für die Türken gestaltete sich sein Verhältnis zu Konstantinopel nicht harmonisch. Man verlangte für die Bestätigung seines Fürstentums Lippa und Jenő, wollte also das alte Versprechen mehrerer seiner Vorgänger von ihm einlösen. Sigismund Rákóczis Angebot der zwei Burgen hatte man noch ausdrücklich abgelehnt, und auch Gabriel Báthory mußte sie nicht übergeben. Nun aber, im September 1613, hieß es, Skender Pascha lagere jenseits der Grenze und wolle nach Bethlens Einsetzung die beiden strategisch höchst wichtigen Burgen zurückerhalten.
Diese Forderung brachte Bethlen in eine höchst schwierige Lage. Damals waren mit Jenő und Lippa weite Gebiete von der Türkenherrschaft befreit worden, mit einer großen Zahl von Ungarn, über deren Schicksal jetzt ebenfalls mitzuentscheiden war. Es gab in der ungarischen Geschichte kein Beispiel, daß ein Herrscher freiwillig Burgen der türkischen Macht überlassen hätte. Den Angriff Skenders durfte man allerdings nicht abwarten; selbst wenn die Pforte zu einem solchen entschlossen war, konnte Bethlen seinerseits keinen Türkenkrieg riskieren.
In dieser Krise unternahm der Fürst komplizierte Manöver, er verhandelte unter Einsatz aller seiner Pfortenkontakte und war damit zumindest teilweise erfolgreich – Jenő konnte er behalten. Bethlen entschloß sich für die Aufgabe von Lippa, weil dies näher an der Grenze zum Türkengebiet gelegen war und deshalb sein Verlust eine geringere Bevölkerungseinbuße bedeutete. Dessenungeachtet sah er sich dazu gezwungen, die Burg gegen seine eigenen ihm Widerstand leistenden Soldaten zu erobern. Danach erst konnte sie den Türken übergeben werden. Retten ließ sich die Lage nur dadurch, daß er die Soldaten von Lippa unter Gewährung der Haiduckenfreiheit in Vaja ansiedelte.
Mit der Übergabe von Lippa hatte Siebenbürgen den Tiefpunkt seiner bisherigen Geschichte erreicht. Das Land war den Willkür der Pforte völlig ausgeliefert. Wäre Bethlen damals gestorben, so zählten wir ihn heute zu den 317dunkelsten Gestalten der ungarischen Geschichte. Doch blieben ihm noch 13 Jahre der Herrschaft, mit denen er in die Reihe der größten historischen Persönlichkeiten aufstieg.

 

 

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