Die Sachsen

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Die Sachsen
Der von Sachsen bewohnte Königsboden behielt auch im 17. Jahrhundert seinen privilegierten Status bei, und die absolute Fürstenmacht ließ die inneren Verhältnisse der sächsischen Nation bis zur Mitte des Jahrhunderts unbehelligt.
Für die Bürger der Gebiete östlich der Elbe typische Verhältnisse innerhalb der Städte und ihrer Umgebung hatten sich bei den Sachsen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts stabilisiert: das Übergewicht des durch die reichsten Gewerbetreibenden ergänzten Handelspatriziats über die durch Zünfte geschützte, aber dennoch diesem ausgelieferte Handwerkerschicht. Ungeachtet der nie in Zweifel gezogenen prinzipiellen Rechtsgleichheit der Bürger entstand eine unüberbrückbare Kluft zwischen den führenden Familien und den armen Handwerkern. Zwischen den Städten und den Dörfern ihrer Umgebung verstärkte sich das Unterordnungsverhältnis, die Dörfer erhielten Schulzen (Hannen) aus der Stadt, und ihre Zünfte unterstanden der direkten Kontrolle der städtischen Zünfte.
Ganz eindeutig wurde das Übergewicht der Stadtsenate aber dadurch sichtbar, daß die Sachsen seit dem Mittelalter eine Globalsteuer zahlten, die früher durch königliche Verordnung festgelegt wurde. Im Fürstentum zahlten sie bereits eine Steuer, die 2000 Steuereinheiten in anderen Teilen Siebenbürgens entsprach. Die Aufteilung der Steuer wurde von der Versammlung der sächsischen Nation unter Vorsitz des Hermannstädter Königsrichters vorgenommen. So wurde letztlich der Hermannstädter Senat das Führungsgremium für alle Sachsen.
Die für die Ostmitteleuropa-Region typische Entwicklung hätte im 17. Jahrhundert diese Lebensumstände völlig verändert. Denn wie auch im königlichen Ungarn führte dort das Bürgertum im allgemeinen ein Doppelleben: Neben der gewerblichen Tätigkeit kaufte man sich Grundbesitz. Die Schrumpfung des gewerblichen Marktes führte zur Nutzung der Möglichkeiten der Agrarproduktion, wozu man sich Boden erwarb. Gleichzeitig damit zogen immer mehr Adlige in die Städte, während die Städte – als Korporationen – auf adlige Weise zu leben begannen und selbst Grundbesitz erwarben.
338Bei den Siebenbürger Sachsen kam es dazu aber nicht. Dank ihrer ständischen Vorrechte verloren sie niemals ihren bürgerlichen Charakter. Der Königsboden umfaßte seine Bewohner wie eine Stadt gewaltigen Ausmaßes. Der Besitz von Grund und Boden richtete sich nicht nach dem Adelsrecht und war Fremden verschlossen. Der Feudalismus vermochte bei den Sachsen daher weder indirekt noch in Gestalt seiner Repräsentanten einzudringen, und die Bürger waren weder individuell noch territorial auf Grunderwerb aus. Zwischen Städten und Dörfern blieb die prinzipielle Gleichberechtigung erhalten.
Neben ihren Privilegien basierte die Erhaltung dieses bürgerlichen Charakters auf den rumänischen Woiwodschaften. Die reichen sächsischen Bürger waren nicht darauf angewiesen, sich ihr Vermögen auf adlige Weise zu verschaffen, weil ihre Gewerbeerzeugnisse von den Woiwodschaften abgenommen wurden. Diese waren nämlich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nicht auf gewerbliche Selbstversorgung eingerichtet, so daß in der relativ langen Zeitspanne während der Erholung nach den Kriegen der Jahrhundertwende und der Konsolidierung der Politik seit ungefähr 1630 alle Produkte des sächsischen Gewerbes dort sehr gefragt waren. Selbstverständlich kam es auch in jenen Jahren zu Gegensätzen zwischen den Woiwodschaften und Siebenbürgen, wobei dann die Verbindungsstraßen durch Baumstämme versperrt wurden. War aber die Ruhe eingekehrt, trafen in Kronstadt oder Hermannstadt Briefe ein, man möge die Straßen öffnen und Schindelnägel schicken – den meistgewünschten Artikel –, sowie alles für den Bau von Schlössern und Kirchen Erforderliche. Darüber hinaus wurde ein ganz buntes Warensortiment auf den Weg geschickt, vom medizinischen Instrument bis zum Stiefel.
Nicht nur ihre Privilegien, sondern auch die Bedürfnisse der Woiwodschaften bildeten also wesentliche Faktoren für die Bewahrung ihrer inneren Ordnung. Um so schlimmer traf die Sachsen das voneinander unabhängige, aber gleichzeitige Verschwinden beider Faktoren um die Mitte des Jahrhunderts. Die politische Ruhe hatte die Konjunktur einer eigenen Gewerbeproduktion in den Woiwodschaften begünstigt, und man bemühte sich, die eigenen Märkte vor den siebenbürgischen Waren zu verschließen. Ungefähr zur gleichen Zeit wandte sich Georg II. Rákóczi gegen die sächsischen Vorrechte.
Seine Vorgänger hatten eher versucht, vom Reichtum der Sachsen zu profitieren. So hatte Georg I. ihnen z. B. mittels Bußen gewaltige Summen abgenommen, nie aber ihre Privilegien gefährdet, sondern diese sogar dreimal bekräftigt. Demgegenüber kümmerte sich Georg II. nicht um ihren Reichtum, begann aber, ihre Privilegien systematisch zu beseitigen.
Der Landtag von 1651 hob das Privileg auf, dem zufolge die Sachsen nicht direkt vor das Gericht des Fürsten geladen werden konnten. Zwei Jahre später wurde verfügt, daß auch Fremde in sächsischen Städten Häuser kaufen dürfen. Die zwei Verordnungen zusammen bedeuteten das Ende der sächsischen Selbständigkeit. Doch hatte dieser neue Zustand keinerlei Folgen, weil Rákóczi in Vorbereitung eines Polenfeldzuges Zugeständnisse machte und dann die 1658 einsetzende Verwüstung auch die fürstlichen Maßnahmen gegen die Sachsen verhinderte.

 

 

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