Der Wiederaufbau

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Der Wiederaufbau
Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts in Siebenbürgen wurde ganz vom Streben nach Wiederaufbau beherrscht. Die Führungskräfte des Landes bemühten sich bewußt um eine Wiederherstellung der Zustände vor dem Fünfzehnjährigen Krieg. Der Wiederaufbau Weißenburgs wurde besonders intensiv betrieben, aber auch für Klausenburg sowie für die Renovierung der wichtigsten Festung, Wardein, wurden Gelder bereitgestellt. Gabriel Bethlen begann die Arbeiten, konnte sie aber nicht beenden. Georg I. Rákóczi ließ von ausländischen Maurern die berühmte Kirche in der Farkas-Straße von Klausenburg neu errichten und renovierte in Thorenburg eine seit Jahrzehnten in Trümmern liegende Kirche. In Desch mußte er die Gebäude und Brücken im Besitz der Salzkammer erneuern und in Wardein beseitigte er einen ganzen niedergebrannten Stadtteil. Aus der Herrschaftszeit seines Sohnes erwähnen die Chronisten jedoch keine Renovierungen mehr, sondern nur Neubauten.
Demnach dauerte es ungefähr vier Jahrzehnte, bis die Schäden des Fünfzehnjährigen Krieges in Siebenbürgen überwunden waren, eine lange, für die siebenbürgische Architekturgeschichte aber bedeutsame Periode, da sie – wie Neubauphasen nach großen Verwüstungen im allgemeinen häufig – den Durchbruch einer neuen Stilrichtung brachte. Es kam damals zur weitläufigen Verbreitung des Renaissance-Stils. Gabriel Bethlen und die beiden Georg Rákóczi hatten daran einen großen Anteil. Ihre mehr oder weniger konsequent angewendeten Architekturprinzipien verkörperten die Ideale der Renaissance. Infolge der Baumaßnahmen der Fürsten entstanden 341wundervolle Arkadenreihen, luftige Gebäude – aber das wichtigste Moment der Aufbauperiode ereignete sich unabhängig von ihrer Tätigkeit.
Dieses wesentlichste Moment war zwar in der Architektur präsent, bezog sich aber auf die gesamte Kultur. In der Architektur zeigte es sich darin, daß der Renaissance-Geschmack bis zu den Bauten der dörflichen Meister vordrang. Die kulturelle Bedeutung lag darin, daß die Lebensauffassung der Renaissance auch die Bauernschaft erreichte. Das soll nicht heißen, als hätten die Dorfhütten seit dem 17. Jahrhundert Treppen mit Loggien und Fresken mit mythologischen Gestalten geziert. Nein, diese kostspieligen Attribute der Renaissance blieben in Siebenbürgen nur den Schlössern der vermögenderen Grundherren und den Häusern der reichsten Bürger vorbehalten. Der Wandel in der Lebensauffassung brachte die Bauersfrauen auch nicht dazu, Spinett zu spielen, und die Männer setzten sich nach dem Pflügen nicht nieder, um die Naturschönheiten zu besingen. Aber das Wesen der Renaissance, die Klärung des Verhältnisses des Menschen zur Natur, drang in die Dörfer Siebenbürgens ein. Nicht zufällig wandelte sich in der Renaissance vor allem der Wohnraum und die Wohnungsumgebung. Es verschwanden die kleinen Winkel und Nischen zusammen mit dem Niveauunterschied zwischen den Zimmern, den inneren Stufen und die Flucht sichernden, willkürlich angebrachten Ausgängen. Die Fenster vergrößerten sich und erhielten Glasscheiben – man konnte nun hinaus- wie hineinschauen. Und die Bewohner zog es hinaus aus den Mauern, sie legten Gärten an. Ebenso wie man die Wohnung um den Garten erweiterte, erhielten die Städte Spaziergelegenheiten. Damals erschienen die ersten Ausflügler in der Umgebung der Städte.
Auch die Siedlungen selbst veränderten sich, am auffälligsten in ihrer Struktur. In den Städten entstanden keine engen Gassen mehr, an den Straßenkreuzungen ließ man freie Plätze, auf denen man Springbrunnen und Statuen aufstellte und eventuell noch durch Parkanlagen erweiterte. Man begann, über Kanalisation nachzudenken, und alles war gewissermaßen luftiger, übersichtlicher geworden.
Reine Renaissance-Städte entstanden in Siebenbürgen nicht, doch änderten die alten ihr mittelalterliches Bild. So stellte Gabriel Bethlen in Weißenburg zwei Springbrunnen auf, auf dem Marktplatz und hinter der Stadtkirche. Georg I. Rákóczi erweiterte in Julmarkt den Markt, um den Ausblick aus den Häusern zu verschönen. In Weißenburg schuf er mittels Bodenverbesserung auf einer Bastion Obst- und Blumengärten. Bei den Sachsen zeigten in Hermannstadt und Bistritz vielfach im gleichen Stil errichtete Gebäude in einer Straße, daß das Stadtbild bewußt geplant wurde, und bei den größeren ihrer Siedlungen kannte man schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts Ausflugsorte.
In den siebenbürgischen Dörfern beschleunigte sich der seit dem Mittelalter zu beobachtende Wandel der Siedlungsordnung. Wo die Bauern nach der Flucht ihre Wohnstätten neu errichteten, geschah dies meist in Form neuer Grundrisse der Hof- und Straßenanlagen. Die Blutsverwandten siedelten nicht mehr unbedingt in der Nachbarschaft. Anstelle der früheren „Haufendörfer“ registrieren die Konskriptionen des 17. Jahrhunderts überwiegend systematisch – in Straßenzügen – errichtete Dörfer mit stabilem Grundriß, die den Besitzstand der Bewohner widerspiegeln. Um ein natürliches oder künstlich gestaltetes Zentrum herum wohnten die Reichsten und in systematischer 342Anordnung mit zunehmender Entfernung die immer Ärmeren. Diese zwar nicht überall angewandte dörfliche Siedlungsform setzte sich dann bleibend durch, wohl weil sie überaus zweckmäßig war – sie hat sich über die Zerstörungen von Jahrhunderten und den sozialen Wandel bis heute erhalten.
Doch bildet sie nur das Skelett. In Wirklichkeit unterscheiden sich die Dörfer wie das Aussehen von Menschen trotz gleichen Knochenbaues. In der Herrschaft Fogarasch 1637 variierte z. B. die Hufenzahl in den Dörfern zwischen 5 und 67. In manchen Siedlungen kam von einer ganzen Hufe bis zur Achtelhufe jede Größe vor, in anderen waren alle Hufen gleich.
Zur gleichen Zeit, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, setzten sich auch die neuzeitlichen Merkmale der Bauernwohnung durch. Vor allem verlor diese ihren provisorischen Charakter. Die Mehrheit der bäuerlichen Wohnhäuser erhielt nun zeitbeständige Qualität. Deutlich wird dies daran, daß die Konskriptionen sie noch nach mehrjähriger Unbewohntheit als „leeres Haus“ registrierten, sie fielen also nicht einfach zusammen wie Hütten. Eine Neuerung in der Innengestaltung war, daß man die früher ungeteilten Gebäude nun in mehrere Räume zu gliedern begann und Böden und Keller als Lagerräume ausbaute.
Mehrräumige Häuser mit Keller und Dachboden mögen bei den Bauern in der Mitte des 17. Jahrhunderts schon erheblich weit verbreitet gewesen sein. Nichts jedoch wissen wir bisher von den Wohnungen der mit den Hufenbauern in einer Wirtschaft zusammenlebenden Menschen.
Auch die Existenz bäuerlicher Blumengärten können wir nur im Rückschluß ermitteln, z. B. aus dem vielsagenden Bild eines rumänischen Mädchens, der Illustration eines in Nürnberg erschienenen Buches des Hermannstädter Studenten Johannes Troester. Das Mädchen trägt auf dem Kopf eine jungfernkranzartige dichte Blumenkrone, von der Troester schreibt, sie sei aus Rosen und anderen Blumen gebunden; die rumänischen Mädchen sähen darin aus, als bereiteten sie sich auf die römischen Floralien vor. Die Rose galt als typische Herrenblume, anscheinend wurde sie aber auch in bäuerlichen Gärten gezogen. Und ein Domänengärtner züchtete in seinem Zimmer – in Töpfen – Veilchen und Nelken.

 

 

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