Der Wert der Arbeit

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Der Wert der Arbeit
Die bäuerliche Gartentätigkeit zeigt, wie einfache Menschen zum Selbstzweck oder doch ohne reale Gewinnabsicht arbeiteten. Dasselbe taten sie für ihre eigene Bekleidung. Im 17. Jahrhundert begannen die siebenbürgischen Bauern farbige, bestickte oder gemustert gewebte Kleidung mit kompliziert appliziertem Schmuck an Festtagen zu tragen, deren Anfertigung keine geringe Arbeit bedeutete.
Mit der verzierten Kleidung und der Gartentätigkeit war die aus Neigung verrichtete Arbeit der siebenbürgischen Bauern schon am Ende. Die Dorfvergnügungen blieben auch im 17. Jahrhundert im allgemeinen bei den aus dem Mittelalter bekannten Formen. Man tanzte Paar- und Gruppentänze. Die Rumänen pflegten einen dreitaktigen Männerrundtanz, von Pfeifenmusik begleitet. Über die Berghirten wurde notiert, daß sie schön musizierten.
Die farbige, verzierte Kleidung und der bäuerliche Garten sind dennoch wichtige Merkmale, die zeigen, daß die Arbeit auch für die einfacheren 343Schichten der Gesellschaft zum Mittel gehobenerer Vergnügungen werden konnte. Doch war diese trügerische Farbänderung der Arbeit nur ein Aufblitzen, sie machte ihr wahres Wesen nur deutlicher. Denn die Arbeit ist eben nicht das Vergnügen derer, die sie verrichten, eher eine unerhört schwere Last. Dies erkannte man nicht zufällig gerade in einer Zeit, als für eine Hälfte der Gesellschaft die Möglichkeit zur unbeschwerten Freude eben nur aufblitzte, während sich auf der anderen Seite ungebremster Luxus ausbreitete.
In Siebenbürgen faßte János Szalárdi, Archivar im fürstlichen Archiv von Weißenburg, seine eigenen Erkenntnisse in Worte. Beim Anblick des mährischen Parker des Herzogs von Liechtenstein und aller seiner Finessen der Renaissance-Gartenkunst geriet er über die große Verschwendung in zornige Erregung. Viel mehr als das Geld beschäftigte ihn aber die für die Gestaltung des Gartens aufgewendete ungeheure Arbeit. Mit dem scharfen Auge des Außenstehenden bemerkte er, worüber sonst niemand spricht, daß hinter dem Glanz der Renaissance eine gewaltige menschliche Anstrengung steht.
Diese Anschauung, in den Wundern des Parks die handwerkliche Vollkommenheit zu sehen und die Schwere der aufgewendeten Arbeit zu erwägen, war in Siebenbürgen gerade im 17. Jahrhundert recht verbreitet. Gedichte von Provinzpoeten und Dorfpredigern würdigen Beruf und Arbeit, beschreiben, wie unverzichtbar für Herrn und Bauern alles ist, was die Arbeit hervorbringt. Darin ist freilich auch der Einfluß des neuen „puritanischen“ Denkens zu erkennen, dessen Träger die aus England und Holland stammende Reformationstheologie geworden ist. Übertrieben wäre es anzunehmen, solche Autoren hätten den wertschöpfenden Charakter der Arbeit erkannt, doch haben sie unzweifelhaft den Umfang und die Schwierigkeit der Arbeitsleistung für die Erschaffung ihrer Erzeugnisse erwogen und zugleich mit unerhörter Hochachtung davon geredet, mit dem gleichen Pathos, mit dem die berufenen Vertreter der Dichtung die geachtetste Tugend ihrer Gesellschaft, die ritterliche Virtus besangen.
Man würdigte die Arbeit, weil die Nachfrage nach Arbeitskräften unerhört gestiegen war. Der große Wandel in Lebensführung und -stil der Neuzeit war für alle, welche die lebensnotwendigen Güter produzierten, der neue Anspruch an ihre Tätigkeit.
Das neue Anforderungssystem traf die Bauern am unmittelbarsten, weil sich die Grundherren im Laufe des 17. Jahrhunderts eher auf Selbstversorgung einrichteten, d. h. die meisten ihrer Bedürfnisse von ihren Bauern erarbeiten ließen. Als deutlichster Beweis dafür wurden die Dorfhandwerker von den allgemeinen Dienstleistungen der Dorfbewohner befreit und in ihren Gewerben zum Dienst verpflichtet. Kürschner, Zimmerleute und Schmiede produzierten für die Ansprüche ihrer Grundherren. Die meisten Fachkräfte in den Dörfern dienten dem Bauwesen, eine geringe Zahl von ihnen war mit der Lebensmittelproduktion beschäftigt. Es gab in den Herrschaften aber auch städtische Gewerbe wie Schneider oder Tischler. Örtlich wurden in Fronarbeit sogar ausgesprochene Luxusansprüche befriedigt, durch Vogler, Gärtner oder Wildhüter.
Die durch Frondienstleistungen erzeugten Produkte gelangten bis in die Hände der Vornehmsten. Und von den höchsten Stufen der Gesellschaft, dem Fürstenschloß, hinunter bis zum dörflichen Herrenhaus wurde die Fronarbeit 344immer genereller eingesetzt. Die siebenbürgische Architekturgeschichte stößt überall auf Zeugnisse der Arbeit dörflicher Zimmerleute, der leibeigenen Handwerker, und ebenso wurde auch die Inneneinrichtung oft von Leibeigenen gefertigt. Unter ihren Wohnungstextilien verwendeten auch die Reichsten die Teppiche und Gewebe aus dem Volk, und unter den künstlerischsten Möbeln fehlten nicht die „Bauern“-betten, -tische und -bänke.
Offensichtlich kann jedoch die Forschung innerhalb der herrschaftlichen Haushaltseinrichtung die städtischen, die Zunfterzeugnisse nicht von den dörflichen unterscheiden, weil praktisch nichts von den Gegenständen des Privatlebens im 17 Jahrhundert erhalten blieb; unsere Kenntnisse stammen aus Inventarangaben. Aber so wahrscheinlich sich Erzeugnisse der leibeigenen Handwerker mit den schönsten Meisterwerken messen konnten, ebenso sicher gelangten auch die Zunfterzeugnisse in die Heime des Adels. Klarer als jeder technik- und gewerbehistorische Zusammenhang bezeugen dies die vergleichbaren Angaben aus den Adels- und Patrizierwohnungen. Da ja aber die Bürger nicht über Erzeugnisse der Leibeigenen verfügen konnten – denn diese gelangten nicht auf den Markt –, produzierten die Zünfte offensichtlich alles, was damaliger Geschmack oder Mode erforderten.
Damit nahmen also die Leibeigenen ähnlich den städtischen Gewerbetreibenden die neuen Ansprüche wahr. Man mußte in größerer Quantität und vor allem anderes produzieren als früher. Wenn die wachsenden Ansprüche innerhalb dieses Wandels auch eine Last bedeutet haben mögen, so haben sie schließlich die Lage der dörflichen und städtischen Handwerker zu ihrem Vorteil verändert. Deshalb vermochten die städtischen Handwerker noch am wirtschaftlichen Tiefpunkt der Periode ihr Lebensniveau beizubehalten. Als 1625 die Preise astronomische Höhen erreichten, blieben ihre Arbeitslöhne nicht hinter den Preisen zurück.

 

 

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