Die Intelligenz

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Die Intelligenz
Die Elite der Intelligenz in der Mitte des Jahrhunderts bestand aus Puritanern, die aber bei weitem nicht die Mehrheit bildeten. Dennoch ist ihre Haltung typisch, weil sie trotz aller Schwierigkeiten im Lande tätig blieben. Außerordentlich wenige der Universitätsabsolventen kehrten aus dem Ausland nicht zurück, in 200 Jahren nur 2,4 %, der namentlich bekannten Personen.
Dabei kam es sehr wohl zu Berufungen. Viele hatten vor ihrer Rückkehr ernsthafte Angebote abgelehnt, obwohl sie genau wußten, daß sie aus den 347Zentren höchster Wissenschaftlichkeit urplötzlich in kleine Dörfer mit primitiven Verhältnissen gelangen würden. Sie spielten die entscheidende Rolle bei der Erneuerung des Schulwesens, sie waren lebende Vorbilder für die schicksalswendende Kraft des Lernens, und sie brachten die jungen Leibeigenen dazu, Millionen von objektiven und subjektiven Hindernissen zu überwinden, um Bildung zu erwerben.
Auch die Zusammensetzung der Intelligenz änderte sich nicht: Ein naturwissenschaftlich gebildeter Gelehrter war im 17. Jahrhundert unter den Siebenbürgern noch genauso selten wie früher. Nur 10,3 % der namentlich bekannten Personen mit ausländischem Universitätsabschluß im 16. und 17. Jahrhundert wurden in der Heimat Ärzte, Beamte oder Drucker, die übrigen arbeiteten als Lehrer und vorwiegend als Pfarrer.
Die wohl charakteristischste Gruppe der Rückkehrer sammelte sich an der Klausenburger Schule, wo eine ganze Serie von Ärzten lehrte, darunter solche Größen wie Máté Csanaki, der nach dem Besuch mehrerer namhafter Universitäten seinen medizinischen Doktorgrad in Padua erworben hatte. Die Erklärung liegt darin, daß die Unitarier nur in Polen Theologie studieren konnten und sich im Westen meist an medizinischen Fakultäten einschrieben, zu Hause aber häufig als Lehrer arbeiteten oder beide Berufe ausübten. Oft lehrten sie gemeinsam mit den aus Polen berufenen Professoren an den unitarischen Schulen Klausenburgs.
Von den in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach Siebenbürgen berufenen ausländischen Lehrern wurden an erster Stelle jedoch stets die an der Weißenburger Akademie Lehrenden erwähnt. Als erster kam einer der bedeutendsten deutschen Dichter seiner Zeit, Martin Opitz, nach Weißenburg, kehrte aber bald nach Hause zurück, da ihm das Leben hier nicht zusagte. Dann kamen 1629, in Bethlens letztem Lebensjahr, drei Professoren von der aufgelösten Universität Herborn. Der namhafte Enzyklopädiker Johannes Alsted und Johannes Bisterfeld, eigentlich ein Diplomat, blieben bis an ihr Lebensende hier.
Neben den Ausländern wirkte in Weißenburg die ausstrahlungsstarke, große Lehrerpersönlichkeit Pál Keresztúri, an dessen vorzüglichen Unterricht sich ganze Generationen erinnerten. Er wirkte dadurch als Erneuerer, daß er aus den unnahbaren Höhen des Professors herabstieg und nicht nur direkt den Stoff abfragte, sondern sich auch um die Aneignung, also den Lernprozeß kümmerte.
Nach 1640 wurde die Wardeiner Schule zum bedeutendsten wissenschaftlichen Zentrum des Fürstentums, in erster Linie durch Mihály Kecskemét Reformtätigkeit. Dort zuerst benutzte man die Lehrbücher von Comenius, Ramus und Amesius, führte Schulschauspiele auf, und die Schule lockte eine lange Reihe vorzüglicher Lehrer an. Der größte von ihnen war vermutlich der von einer holländischen Universität gekommene György Martonfalvi; er hätte gewiß den modernsten naturwissenschaftlichen Unterricht geboten, wenn nicht bald nach seiner Ankunft die Schule wegen der Türkenbelagerung Wardeins 1660 nach Debreczin ausgewichen wäre.
Die eigentlich zur kirchlichen Intelligenz gehörenden vorzüglichen Lehrer hatten im 17. Jahrhundert entscheidend dazu beigetragen, das gesellschaftliche Gewicht dieser Schicht zu erhöhen, wobei Gabriel Bethlen diesen Prozeß auch von sich aus unterstützte, indem er ganz besondere Beziehungen zu einer Gruppe der kirchlichen Intelligenz, den reformierten Predigern aufnahm. 348Sicher lag dieser Geste kein konfessionelles Vorurteil zugrunde. Bethlen mit seiner auffälligen Sachlichkeit jedem gegenüber verleugnete sich auch nicht in Dingen des Glaubens. Unter seiner Herrschaft wurde niemals jemand aufgrund seiner Konfession benachteiligt; jede Kirche genoß die Toleranz des Fürsten.
Durch die Bevorzugung der reformierten Prediger wurde also die religiöse Toleranz nicht eingeschränkt. Bethlen wählte sich nur – ähnlich anderen absolutistischen Herrschern jeder Zeit – eine herrschende Kirche. Auch hier ging er aber ebenso vor wie beim Ausbau seiner eigenen Herrschaft: er unterdrückte die anderen nicht, sondern erhob nur die Auserwählten in unüblichem Maße. Zwar nahm er keine kirchliche Persönlichkeit in den Fürstenrat auf, er integrierte aber die Vorsteher der reformierten Kirche in die Herrschaftselite.
Damit wurde das zunehmende gesellschaftliche Gewicht der kirchlichen Intelligenz so offensichtlich, daß auch die von der dominierenden Konfession am weitesten Entfernten, die rumänischen Pfarrer, davon profitierten. Gabriel Báthory hatte sie bereits von der Leibeigenschaft befreit, und unter Bethlen wie seinen Nachfolgern stieg ihr Ansehen verglichen mit dem anderer Elemente der rumänischen Gesellschaft noch höher. Auch zahlenmäßig nahmen sie in der ersten Jahrhunderthälfte zu: Statt 29 rumänischen Pfarrern in Siedlungen der Herrschaft Fogarasch von 1532 waren es 1640 mehr als doppelt so viele.
Allein bei den Sachsen schien ein entgegengesetzter Prozeß abzulaufen. Dort kontrollierte die Nationsversammlung die Kirche; um die Mitte des Jahrhunderts redete die weltliche Behörde bereits in alles hinein – von der Glaubensverkündigung in der Kirche bis zur Kleidung der Pfarrerfamilien. Einerseits lag dies daran, daß die Sachsen außerhalb der fürstlichen Kirchenpolitik verblieben und die weltlichen Vorsteher ganz natürlich die Rolle des Schutzherrn übernahmen. Zum anderen waren diese selbst außerordentlich gebildet, so hatte z. B. der Kronstädter Stadtrichter Michael Weiß vornehmere Universitäten besucht als der mit ihm amtierende Kirchenvorsteher – warum sollte er sich ihm unterordnen?
An Weiß zeigt sich auch, wie schwer sich der Begriff der säkularen Intelligenz im 17. Jahrhundert bestimmen läßt. Denn auch ein Studienabschluß ist kein eindeutiger Maßstab, und selbst die Funktion innerhalb der Gesellschaft entscheidet nicht unbedingt die soziale Stellung einer Person, wie das Beispiel eines anderen Stadtrichters, Tamás Borsos von Neumarkt, verdeutlicht. Während seiner langjährigen Dienstzeit als Diplomat gab er ständig seinen großen Sorgen Ausdruck, ob sein Gut daheim auch wirklich gut verwaltet werde.
Nur die Tätigkeit bestimmte also die Zugehörigkeit zur Gruppe der säkularen Intelligenz, die sich im 17. Jahrhundert stark vergrößerte. Mit der Ausweitung der Außenbeziehungen des Fürstentums benötigte die Diplomatie immer mehr Menschen. Auch wenn es eine ständige Vertretung nur in Konstantinopel gab, erschienen siebenbürgische Gesandte auch an den Höfen anderer Mächte, darunter vornehme Herren und auch Knechte als Kuriere, zumeist aber Vertreter des gesellschaftlichen Mittelstandes der Adligen und Städter. Auch die Beamtenschaft in den Zentralbehörden wird sich erweitert haben, obwohl die Struktur der zentralen Regierungsorgane im 17. Jahrhundert unverändert blieb. Erheblich wuchs aber der Bedarf an Dienstleistungen 349der Intelligenz und damit deren Zahl in den örtlichen Munizipalbehörden: in den Komitaten, Szekler Stühlen und Städten.
Die Unterschicht der säkularen Intelligenz setzte ihr üblicherweise durch kurzen einheimischen Schulbesuch erworbenes Wissen in den Dörfern, Landstädten und Gütern ein. Ihr sind auch die in den Herrenhäusern der Vornehmen dienenden und eventuell zu Rentmeistern aufgestiegenen Schreiber zuzurechnen. Die meist kleinadligen Hofrichter in der Güterverwaltung dagegen sind nur mit Vorsicht dazuzuzählen; im allgemeinen hatten sie keine höhere Schulbildung, verfügten aber über breitgefächerte praktische Kenntnisse und hatten meist auch eine eigene Wirtschaft. Für sie kennzeichnend war eine Harmonie der theoretischen und praktischen Bildung.

 

 

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