Gleichgewichtspolitik und das Bündnis mit Frankreich

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Gleichgewichtspolitik und das Bündnis mit Frankreich
Apafi und seine Regierung sahen auch nach dem Mißerfolg des internationalen Türkenkrieges von 1664 klar, daß die osmanische Macht geschwächt war und der Zeitpunkt für eine Rückeroberung Ungarns – wenn auch unter ungünstigeren Bedingungen, als seine Vorgänger angenommen hatten – früher oder später doch eintreten könnte. Apafis Politik verfolgte das Ziel, die Werte des Fürstentums zu bewahren und die Souveränität seines Staates zu stärken. Es gelang ihm, zwischen der türkischen und der Habsburgermacht eine Gleichgewichtspolitik zu verwirklichen, durch die er die inneren Verhältnisse des Fürstentums zu stabilisieren vermochte. Seine außenpolitischen Beziehungen entwickelte er, indem er alle Möglichkeiten nützte, die ihm die internationale Mächtekonstellation bot. In seiner unmittelbaren Umgebung waren gebildete und markante Persönlichkeiten als Politiker tätig: der bejahrte Kanzler János Bethlen, als erster Rat der junge Mihály Teleki, der Klausenburger Kapitän Dénes Bánffy und später der junge Miklós Bethlen. Diese und schließlich auch die gut ausgebildeten Aristokraten und Bürgerlichen, die den diplomatischen Dienst von der Pforte über Polen bis hin zu den deutschen Fürstentümern versahen, gehörten mehrheitlich bereits zur in den Ideen von Descartes erzogenen Intelligenz.
Den Ausbau seiner Zentralmacht betrieb er zielstrebig, indem er eine ganze Reihe von Reformen vom häufig einberufenen Landtag annehmen und beaufsichtigen ließ. Diese Reformen bezogen sich auf die Modernisierung des Heerwesens sowie der Wirtschaft des Landes, die auf Inlandskrediten, Freihandelspolitik und den Unternehmungen der Schatzkammer basierte. Außer den Deputierten der „drei Nationen“, des ungarischen Komitatsadels, der Szekler Stühle sowie der Städte und der sächsischen Nationsuniversität, berief er auch den Vertreter der einzigen Institution der Siebenbürger Rumänen, den Bischof ihrer griechisch-orthodoxen Kirche, in den Landtag. Es gibt zwar für die Zeit seiner Herrschaft keinen Beleg dafür, daß der Bischof sich dort zu Wort gemeldet hätte, dennoch hatte Apafis Neuerung epochale Bedeutung, da zum ersten Mal im Laufe der Geschichte die Siebenbürger Rumänen in der griechisch-orthodoxen Kirche ein politisches Forum erhielten.
Nach dem Eisenburger Frieden verlangten die neuen politischen Verhältnisse im Königreich auch vom Fürstentum eine Richtungsänderung. Geführt vom Palatin Graf Ferenc Wesselényi suchten die höchsten Würdenträger des Königreichs – Iudex Curiae Graf Ferenc Nádasdy, der Banus von Kroatien 363Graf Péter Zrínyi und Erzbischof György Lippay – gemeinsam nach Möglichkeiten, den ungarischen Staat zu erhalten. Das habsburgisch-osmanische Abkommen verbot auch jede Verteidigungsaktion. Doch die türkischen Grenzwachen brachen regelmäßig in das Königreich ein, verlangten riesige Kontributionen und vereinnahmten Gebiete von der Größe eines halben Komitats für das Paschalik Ofen. Wesselényi und sein Kreis weihten in ihre Pläne Georg II. Rákóczis Sohn ein, den noch 1652 zum erblichen Fürsten gewählten Franz (Ferenc) I. Rákóczi, der nach seines Vaters Tod zum Katholizismus konvertierte und mit seiner Mutter, der Fürstin Zsófia Báthory, auf den oberungarischen Familiengütern lebte. Nachdem Wesselényi vergeblich versucht hatte, französische und später polnische Hilfe zu erhalten, suchte er die engere Zusammenarbeit mit Fürst Apafi. Bei der Beratung der politischen Bewegung der ungarischen Stände im Sommer 1666 in Murány wurde Siebenbürgen von Mihály Teleki und Miklós Bethlen vertreten. Ein Gegenstand der Verhandlungen war der Grenzverlauf zwischen dem Fürstentum und dem Königreich, falls es gelingen sollte, die Türken aus dem Land zu vertreiben. Bis dahin aber sahen Palatin Wesselényi und seine Gefährten keine andere Möglichkeit, das Land vor der völligen Zerstörung zu bewahren, als einen Sondervertrag mit der Pforte zu schließen und für die Zahlung einer größeren jährlichen Summe die Sicherheit des Restlandes zu erkaufen. Apafi stellte ihnen seinen gut bewährten diplomatischen Apparat für die Kontaktaufnahme zur Pforte zur Verfügung, doch blieb diesem Versuch ein Erfolg verwehrt. Großwesir Achmed Kőprülü war mit der Belagerung Kandias beschäftigt und wollte keinen Krieg mit dem Habsburgerreich, besagte doch das Geheimabkommen, daß keiner den Untertanen des anderen helfen sollte; so ließ er sich gar nicht in Verhandlungen mit dem Gesandten Wesselényis ein. Als er dann 1669 Kandia erobert hatte und sich auf einen neuen Krieg, den Angriff auf Polen, vorbereitete, schloß er mit dem Wiener Hof ein Abkommen, um in Ungarn den Frieden zu wahren und den habsburgisch-türkischen Handel ungestört zu betreiben. Mit dem Tod des Palatins Wesselényi hatte die politische Bewegung der ungarischen Stände ihren überragenden Führer verloren. Sie wurde nun vom Wiener Hof beseitigt. Unter der Anklage der Verschwörung und der Konspiration mit den Türken wurden folgende Personen vor Gericht gestellt, des Hochverrats verurteilt und hingerichtet: der Iudex Curiae Ungarns Nádasdy, der Banus von Kroatien Péter Zrínyi, sein Schwager Ferenc Frangepán, der steirische Graf Erasmus Tattenbach und einer der Führer des mittleren Adels, der steirische Regimentsrat Ferenc Bónis (1671). Die Verfassung des Königreichs wurde außer Kraft gesetzt, die ungarischen Besatzungen der Grenzburgen (ca. 10 000 Soldaten) wurden entlassen und durch kaiserliche Einheiten ersetzt (1672). Der Wiener Hof beseitigte die Selbstverwaltung der Städte und stellte die protestantischen Pastoren in Preßburg vor ein Sondergericht. Viele Familien des mittleren Adels Oberungarns emigrierten wegen des Verdachts der Konspiration (1670-1674). Apafi bewahrte in dieser schlimmen Periode seine Souveränität und erreichte, daß Siebenbürgen weder zum Werkzeug der türkischen noch der Habsburgermacht wurde. Als einzige Verkörperung ungarischer Staatlichkeit bot Siebenbürgen den Verfolgten Zuflucht und informierte Europa über die ungarischen Verhältnisse.
Das Geheimnis der erfolgreichen Gleichgewichtspolitik Apafis beruhte auf seinen von ihm ausgebauten, modernen internationalen Beziehungen. Er 364schloß ein Abkommen mit den Polen und Frieden mit den Woiwoden der Moldau und Walachei, die mit ihm zumeist ungarisch korrespondierten. Mit England, Holland, den deutschen Fürstentümern und Schweden gestaltete er die auf der Grundlage der vorzüglichen kirchlichen Kontakte ausgebauten kulturellen und politischen Beziehungen enger. Ferner regelte er vertraglich das Verhältnis Siebenbürgens zu Kaiser Leopold. Er bezog die sich zuspitzenden Gegensätze zwischen den Habsburgern und den Bourbonen in seine Kalkulation mit ein und nutzte sie ungewöhnlich rasch, auch wenn dies im königlichen Ungarn seit Pázmány und Zrínyi bereits alte politische Tradition war und schon früher die praktische Politik der siebenbürgischen Fürsten bestimmt hatte.
Die Beziehungen des Fürstentums mit Frankreich intensivierte er über den Wiener Gesandten, die französischen Residenten bei der Pforte und die franzosenfreundlichen polnischen Politiker. Im November 1673 entsprach er der Bitte Hetman Jan Sobieskis, der einen glänzenden Sieg über die Türken erlangt hatte, Siebenbürgen möge gemeinsam mit Frankreich in dem seit 1672 tobenden polnisch-türkischen Krieg vermitteln. Im folgenden Jahr wechselte Apafi ganz offen die Richtung: er schlug die innere Opposition gegen die französische Orientierung blutig nieder und ließ ihren Repräsentanten in der Regierung, Dénes Bánffy, enthaupten. Im März 1675 kam es durch Vermittlung des französischen Beauftragten Roger du Fresne Akakia, der in Begleitung des Gesandten des polnischen Königs in Siebenbürgen eingetroffen war, zu einem französisch-siebenbürgischen Vorvertrag, zur Vereinbarung von Fogarasch. Im Mai 1677 unterschrieben Marquis François Gaston de Selles Bčthune, der neue französische Gesandte in Polen, und der Vertreter des Fürstentums Dániel Absolon in Warschau den siebenbürgisch-französischen Bündnisvertrag: Das im Krieg mit den Habsburgern stehende Frankreich hilft mit 100 000 Talern den an der Grenze Siebenbürgens versammelten und in eine Armee verwandelten Exulanten. Darüber hinaus sollte eine großangelegte Militäraktion gegen die Habsburger auch durch französische und polnische Truppen unterstützt werden. Siebenbürgen stellte der Exulantenarmee den militärischen Führungsstab und ihren Kommandanten in der Person von Mihály Teleki und sicherte für sie das Rückzugsgebiet. Doch ließ sich das Fürstentum in keinen offenen Krieg mit dem Habsburger als ungarischen König verwickeln. Dessenungeachtet hat König Ludwig XIV. in seinem später mit der Habsburgerregierung ausgehandelten Frieden die Interessen Siebenbürgens berücksichtigt. Im Falle eines türkischen Straffeldzuges gegen Siebenbürgen übernahm der König von Frankreich die Bürgschaft und dessen Verteidigung.
Die osmanische Macht, die mittlerweile mit Polen Frieden geschlossen hatte, wagte es nicht, ihre französischen Beziehungen aufs Spiel zu setzen und offen gegen die selbständige Außenpolitik Siebenbürgens und deren Westorientierung vorzugehen. Doch machte sie einen Versuch, Apafi zu stürzen. Zu diesem Zweck organisierte sie eine türkenfreundliche Partei innerhalb Siebenbürgens, die insgeheim von Pál Béldi – der sich dazu angeboten hatte – unterstützt wurde. Dem Fürsten gelang es jedoch, diese Verschwörung aufzudecken; Béldi flüchtete nach Konstantinopel.
Der die Exulanten kommandierende Emerich (Imre) Thököly, der noch als Kind bei der Aufdeckung der Wesselényi-Bewegung nach Siebenbürgen geflohen war, erwies sich als außerordentliche militärische Begabung. 1677/78 365besetzte er mit einer ganz Europa in Erstaunen versetzenden Serie militärischer Erfolge bedeutende Teile im Norden des Königreichs, deren östliche Hälfte er sogar halten konnte. Diese Militäraktion trug viel zu dem Haupterfolg der siebenbürgischen Diplomatie bei: Frankreich nahm Siebenbürgen in den Frieden von Nymwegen auf. Die Bedeutung des Punktes 31, der die Interessen des Fürstentums allgemein formulierte, wird von einem Brief Ludwigs XIV. vom 8. Juni 1679 an Apafi unterstrichen, in dem Ludwig bestätigt, daß Frankreich laut Friedensvertrag auch Siebenbürgen als Verbündeten betrachte. Bald danach empfing Apafi den Gesandten von Johann (Jan) Sobieski (seit 1676 Johann III., polnischer König) und sandte Dániel Absolon als offiziellen Vertreter nach Paris. Unter dem Eindruck der internationalen Bedeutung der siebenbürgischen Diplomatie und der Erfolge Thökölys hat die Wiener Regierung den ungarischen Landtag 1681 nach Ödenburg einberufen und die ungarische Verfassung wieder in Kraft gesetzt. Die ungarischen Würdenträger wurden wieder in ihre traditionellen Positionen eingesetzt und unter gewissen Beschränkungen auch die Glaubensfreiheit der Protestanten bestätigt. Andererseits gelang es dem Wiener Hof nicht, Thököly mit seinen fast 20 000 Soldaten für sich zu gewinnen. Thököly, der auch die Unterstützung der reichen Bürger der oberungarischen Städte Eperies, Bartfeld und Leutschau genoß, heiratete die Witwe des gewählten siebenbürgischen Fürsten Franz I. Rákóczi, Ilona Zrínyi, und steigerte seine Macht zusammen mit den gewaltigen Rákóczi-Besitzungen auch durch das traditionell hohe Ansehen der Familien Rákóczi und Zrínyi. Währenddessen hatte die Pforte in Thökölys Auftreten die Möglichkeit erkannt, einen Keil in die ungarische Politik zu treiben, und befahl 1682 Thököly, als er in bravouröser Weise Kaschau eingenommen hatte, ins Lager des die Burg Fülek belagernden Paschas von Ofen, wohin – unter Androhung eines tatarischen Strafzuges – auch Apafi mit seinen Truppen befohlen wurde.
Die Burg Fülek, die zwischen den beiden nördlichen Teilen des Königreichs, des westlichen „Unterungarn“ und des östlichen „Oberungarn“, die Verbindung sicherte, nahm Ibrahim Pascha unter großen Opfern ein. Zum Höhepunkt der Siegesfeier rief er Thököly zum Fürsten von Oberungarn aus. Es hat den Anschein, als habe Apafi diese türkische Spaltungspolitik und die weitreichenden Gefahren einer selbständigen Herrschaft Thökölys erkannt, doch überforderten diese Ereignisse bereits seine Kräfte. Der alte Fürst mit seinen ebenfalls allmählich alternden Politikern konnte die schlimmen Folgen dieses unerwarteten Ereignisses nicht mehr verhindern.

 

 

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