Geheimmitglied der Heiligen Liga

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Geheimmitglied der Heiligen Liga
Die politische Lage des selbständigen Fürstentums Siebenbürgen änderte sich durch den neuerlichen Türkenkrieg (1683–1699) grundlegend, jedoch nicht auf einen Schlag, und der Wandel nahm nur langsam deutlichere Konturen an. Frankreich intensivierte parallel zum Ausbau seiner politischen Stützpunkte im Rücken des Habsburgerreiches auch seine Beziehungen zur Pforte. Nach Großwesir Achmed Kőprülüs Tod (1676) wurde der innere Verfall des Osmanischen Reiches sichtbar. Die Janitscharenaufstände, die ständigen Finanz- und Versorgungsprobleme brachten Großwesir Kara Mustafa auf den Gedanken, mit einem neuen Eroberungsfeldzug das Reich zu 366neuem Leben zu erwecken. Nicht ohne Ermunterung Frankreichs begann er einen Feldzug zur Eroberung Wiens. Nachdem er mit seinem 100 000-Mann-Heer im Sommer 1683 durch Ungarn hindurchgezogen war, begann er die Belagerung der Kaiserstadt.
Apafis Regierung, die bereits viele Stürme überlebt hatte, wurde von dieser ganz Europa erschütternden osmanischen Unternehmung keineswegs geblendet. Dank des siebenbürgischen Goldes entsprach Apafi dem Sultansbefehl, der ihn in den Kampf rief, erst Ende des Sommers, und selbst dann nicht mit starker Streitmacht. Er zog nur mit einigen tausend Szeklern nach Ungarn, um sich dort dem Heer des Großwesirs anzuschließen. Mit den Truppen des Ofner Paschas Ibrahim bewachten sie die Raab- und Rabnitz-Brücken bei der Festung Raab; denn der von Anfang an mißtrauische Großwesir ließ sie nicht in die Nähe des Kampfplatzes.
Nach dem überwältigenden Sieg Karls von Lothringen und Johann Sobieskis vor Wien am 12. September 1683, als Apafis von Seuchen dezimierte Truppe durch das von den geschlagenen türkischen Truppen überflutete Königreich nach Siebenbürgen zurückkehrte, änderte sich Siebenbürgens Lage. Die Pforte ließ auf die Schockwirkung der verlorenen Schlacht von Párkány (am 9. Oktober 1683) hin Thököly als Sündenbock fallen, und um sich weiterhin auf Siebenbürgen zu stützen, bestätigte sie eilig den minderjährigen Sohn Apafis, Michael (Mihály) II., den die siebenbürgischen Stände schon vorher zum Fürsten gewählt hatten. Apafi suchte die Zukunft Siebenbürgens jedoch bereits im Anschluß an das christliche Lager zu sichern.
Im Frühjahr 1684 war unter dem Patronat von Papst Innozenz XI. und unter Beteiligung Polens, Venedigs und des Habsburgerreichs die Heilige Liga entstanden. Mitglieder dieser Mächtekoalition, die die Türken in Europa zurückzudrängen suchten, erkannten klar, daß in diesem von der Ukraine bis an die Küste des Mittelmeeres und die Balkanhalbinsel reichenden Krieg die Teilnahme Siebenbürgens unverzichtbar war, als strategischer Stützpunkt und als Rohstoff- und Nahrungsmittellieferant. Zudem war das Land auch protestantisch. Auch aus der Sicht der deutschen Fürstentümer und der materielle Hilfe leistenden Länder England und Holland war es wichtig, daß es auf der Seite der Christenheit an diesem historischen Kampf teilnahm. Darauf waren auch alle früheren, sich mit den internationalen Voraussetzungen der Türkenvertreibung befassenden Pläne ausgerichtet. Unter dem Eindruck solcher Traditionen und der internationalen Lage schlug Kaiser Leopold daher im April 1684 dem Fürsten Apafi vor, sich der Heiligen Liga anzuschließen.
Ein offener Anschluß verbot sich aber aus realpolitischen Gründen. An Siebenbürgens Westgrenze beobachteten die starken Garnisonen von Wardein, Temeschwar und einer Reihe kleinerer türkischer Burgen jede Bewegung im Fürstentum. Auf einen Wink aus Stambul hin standen die tatarischen Truppen bereit, durch die östlichen Karpatenpässe in das Land einzudringen und seine Dörfer und Städte in Schutt und Asche zu legen. Andererseits wollte Polen, der Vertreter des franzosenfreundlichen Zweiges der Heiligen Liga, Siebenbürgen zur Stärkung seiner Interessen in das Bündnissystem gegen den Türken einbeziehen, da das Verhältnis von König Johann Sobieski zum Kaiser sehr gestört war. Man mußte mit der Stärke der Osmanen rechnen, die eine Belagerung Ofens 1684 erfolgreich abgewehrt 367hatten. Trotz allem tat Apafi nur vorsichtige Vorbereitungsschritte, um sich – nach Sicherung der Interessen des kleinen Landes durch entsprechende Garantien – dem Kampf der Christenheit anzuschließen. Im Frühjahr 1685 kommt es in Kerz zu einer geheimen Vorvereinbarung mit dem Kaiser. Siebenbürgen schließt sich nun insgeheim der Heiligen Liga an, unter folgenden Bedingungen: Siebenbürgens Fürsten und die höchsten Würdenträger des Königreichs betrachten das Fürstentum für alle Zeiten als Teil der Ungarischen Heiligen Krone, Apafi erkennt die Herrschaft des ungarischen Königs an und übernimmt es, dem kaiserlichen Militär im Türkenkrieg Winterlager zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig garantiert der Kaiser die staatliche Souveränität des Fürstentums und die Selbständigkeit seiner Regierung. Zu seiner Sicherheit schloß Apafi gleichzeitig ein Schutzbündnis mit der Walachei gegen die Machtbestrebungen der Habsburger und der Türken, doch mit Thököly konnte er keine Übereinkunft erreichen.
Der Fürst Oberungarns hielt sich ebenfalls von der Belagerung Wiens fern und versuchte sofort, mit seiner 20 000-Mann-Streitmacht zu den Christen überzutreten. Doch verschloß sich die dynastische Partei in der Habsburger Regierung heftig all diesen Annäherungsversuchen, obwohl der hervorragende Heerführer Karl von Lothringen Thökölys kampferprobte Soldaten für den ungarischen Kriegsschauplatz für unverzichtbar hielt. Die Pforte erließ den Befehl, Thököly zu ergreifen, Apafi ignorierte aber nicht nur diesen Befehl, sondern informierte wahrscheinlich Thököly sogar darüber, ohne freilich verhindern zu können, daß die siebenbürgischen Stände dessen siebenbürgische Güter konfiszierten und seine Anhänger ins Gefängnis warfen. Der Wardeiner Pascha konnte den Fürsten Oberungarns im Herbst 1685 mit einer List festnehmen. Thökölys auch für die Verteidigung der Positionen des Königreichs und Siebenbürgens unverzichtbares Heer zerstreute sich darauf und kämpfte truppweise in den kaiserlichen Regimentern gegen die Türken.
Im Frühjahr 1686 gelang es der päpstlichen Diplomatie, den polnisch-russischen Krieg zu beenden. Das Moskauer Zarentum schloß sich der Heiligen Liga an und band von da an die Kräfte der Krimtataren, Wien wiederum gab die Belagerung der für die Verbindung zwischen Polen und Siebenbürgen strategisch wichtigen Burg Munkács auf, die von Thökölys Ehefrau Ilona Zrínyi mit 4000 Mann Besatzung erfolgreich verteidigt worden war. Anschließend belagerten die verbündeten Truppen, von ganz Europa aufmerksam beobachtet, Ofen. Nun erst konnten die Gesandten des Fürstentums mit den Mitgliedern der Wiener Regierung die Bedingungen für einen Anschluß Siebenbürgens ausarbeiten.
Gemäß dem am 28. Juni 1686 vom Siebenbürger Gesandten János Haller, Kanzler Theodor Heinrich Strattmann und dem Präsidenten des Kriegsrates Hermann von Baden gegengezeichneten Vertrag schloß sich jetzt das Fürstentum der Heiligen Liga an. Der Vertrag sollte bis zur Rückeroberung Wardeins geheim bleiben. Solange Temeschwar und Belgrad in türkischer Hand seien, werde Siebenbürgen nicht am Kampf teilnehmen, sondern mit jährlich 50 000 Reichstalern in bar, mit Transportdiensten und Lebensmitteln zum Kampf gegen die Türken beitragen. Um eine reibungslose Ausführung dieser Vereinbarungen zu sichern, sollten für die Zeit des Krieges Klausenburg und Diemrich von kaiserlichen und fürstlichen Truppen im Verhältnis 2:1 bewacht werden. Siebenbürgen als Teil der Ungarischen Heiligen Krone 368erkennt die Oberhoheit des ungarischen Königs an, Kaiser Leopold wiederum garantiert die freie Fürstenwahl, die Unverletzlichkeit aller kirchlichen und weltlichen Privilegien und eine autonome Regierung. Der Frieden nach Abschluß des Krieges solle die Interessen Siebenbürgens berücksichtigen.
Nach der Rückeroberung Ofens (am 2. September 1686) reorganisierte die Pforte ihre Streitkräfte, und der Großwesir versuchte, mit einem recht starken Heer im Sommer 1687 das Zentrum der ungarischen Herrschaft des Osmanischen Reiches zurückzugewinnen. Doch die alliierten Truppen unter Karl von Lothringen und Kurfürst Max Emanuel von Bayern errangen am 12. August 1687 in der Schlacht am Berge Harsány einen glänzenden Sieg über die Türken. Mit diesem und der im Jahr darauf erfolgten Einnahme von Belgrad war die Rückeroberung des Königreichs militärisch endgültig gesichert. Um die Inbesitznahme Ungarns für die Habsburgermonarchie auch politisch abzusichern, marschierte Karl von Lothringen mit seiner Armee bald nach der Siegesfeier von Harsány quer durch Ostungarn nach Siebenbürgen. Dieser kühne Feldzug über die vom Herbstregen aufgeweichten Wege, der nur aufgrund umsichtiger Vorbereitung auch des Nachschubs gelang, stellte die Regierung des Fürstentums vor vollendete Tatsachen. Denn das plötzliche Erscheinen des kaiserlichen Heeres Mitte Oktober 1687 in Siebenbürgen, mit dem dort zu diesem Zeitpunkt niemand gerechnet hatte, bedeutete einerseits wirksamen Schutz des Fürstentums vor den Türken, andererseits seine faktische Eingliederung in den direkten Machtbereich der Habsburgermonarchie. Gestützt auf seinen Überraschungscoup konnte Karl von Lothringen dem Fürsten praktisch seine Bedingungen diktieren, legte aber dennoch darauf großen Wert, in kluger Zurückhaltung die diplomatische Form zu wahren.
Nach kurzen Verhandlungen wurden am 27. Oktober im Vertrag von Blasendorf die Bedingungen für das Winterlager festgelegt, unter weitgehender Berücksichtigung der Sicherheit und der Interessen der Bevölkerung. Dieses mit den Unterschriften von Karl von Lothringen und Mihály Teleki ratifizierte Abkommen bestätigte von neuem den Vertrag von 1686, der dem Fürstentum die selbständige Regierung garantierte.

 

 

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