Schule, Buchdruck, Wissenschaft

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Schule, Buchdruck, Wissenschaft
Die zielstrebige Kulturpolitik des Fürsten hat im Verein mit dem System gesellschaftlicher Stiftungen eine neue Entwicklungsphase der Dorfschulen seit den 1660er Jahren begründet. Muttersprachenunterricht und Mädchenschulen nahmen einen großen Aufschwung. Aus dem Recht der vier anerkannten Konfessionen und der griechisch-orthodoxen Kirche, Schulen zu errichten, wurde auf gesellschaftlichen Druck hin eine Pflicht. So entstanden die reformierten Kollegien in Broos und Hofmarkt, die unitarischen Schulen festigten ihre Stellung, und für ein griechisch-orthodoxes 396Schulsystem wurden die Grundlagen gelegt. Apafi verbesserte nicht nur die materielle Lage der von der Fürstin Zsuzsanna Lorántffy 1657 gestifteten rumänischen Schule von Fogarasch, sondern trug durch seine besondere Fürsorge dazu bei, daß sie sich zur niveauvollsten rumänischen Lehranstalt entwickelte. 1699 wurde das allererste rumänische Lehrbuch, das kyrillische Abc, die „Bucoavna“, herausgegeben.
Das gut ausgebaute ausländische Stipendiensystem der protestantischen Schulen erweiterte sich noch durch Stipendien in Frankfurt an der Oder, Leiden, Groningen und Zürich; zwischen 1700 und 1703 schrieben sich 53 Siebenbürger in Wittenberg ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Interesse sich vorwiegend noch auf die Universitäten in Holland, der Schweiz und England konzentrierte. 1702 nahm der aus Konstantinopel heimkehrende englische Gesandte auf der Durchreise aus Siebenbürgen drei ungarische und einen sächsischen Studenten nach London mit.
Die katholischen Schulen bekamen durch die Ankunft der Jesuiten neuen Auftrieb, aber die Habsburgerregierung setzte Apafis Bestrebungen um eine Universitätsgründung nicht fort.
Rákóczi gründete in Klausenburg die Gesellschaft der adligen Jugend, eine höfische Anstalt zur Ausbildung junger Leute für Funktionen in den Staatsbehörden und im Militär, in das mehrere siebenbürgische Studenten, Ungarn, Sachsen und auch ein Rumäne, aufgenommen wurden.
Das Unterrichtssystem war zunehmend daraufhin ausgerichtet, mehr Sorgfalt als früher auf die weite Verbreitung des Schreibens und Lesens zu verwenden, während in den Kollegien die Bedeutung der Naturwissenschaften zunahm.
Schwere Verluste erlitt die Buchkultur Siebenbürgens, die bereits ein hohes Niveau erreicht hatte. Die fürstliche Bibliothek in Weißenburg wurde 1660 von den Tataren in Brand gesteckt, die Kronstädter Bibliothek wurde 1689 ein Raub der Flammen und die des Straßburger Kollegiums von kaiserlichen Soldaten zerstört. Möglicherweise sank der Preis der Bücher, ihr Wert jedoch stieg. Apafi ließ an seinem Hof einen neuen Bau für die Landesbibliothek errichten. Immer häufiger entstanden Privatbüchereien, und die Kollegiumsbibliotheken wurden um die Bücherschränke der Lehrer erweitert. Bücherinventare bezeugen, daß auch das Lesebedürfnis der Frauen und Kinder befriedigt wurde. Der Anteil ungarisch geschriebener Bücher nahm zu. Ein Arzt in Hermannstadt, Sámuel Köleséri, besaß eine Bücherei von 4000 Bänden.
Dem gewachsenen Lesebedürfnis konnten die siebenbürgischen Druckereien kaum entsprechen. Zwischen 1650 und 1680 erschienen in Kronstadt, Hermannstadt, Klausenburg, Weißenburg, Wardein, und später mit den Typen der Wardeiner Druckerei in Debreczin und Hermannstadt fast 400 Bücher. Zwei in Holland ausgebildete Drucker, Ábrahám Szenci Kertész und Mihály Veresegyházi Szentyel, gaben dem siebenbürgischen Buchdruck Auftrieb, und sein Erneuerer Miklós Misztótfalusi Kis hatte ebenfalls in Holland sein Handwerk gelernt und dieses dann auf einen international ebenbürtigen künstlerischen Stand gehoben. Fürstliche Unterstützung verhalf ihm in Klausenburg zu seiner zweigeschossigen Tipografica Officina, in der er billige und zugleich anspruchsvoll gestaltete Bücher in hohen Auflagen herausbrachte, bis sie nach dem Machtwechsel von 1690 nur mehr ein kümmerliches Dasein fristete und schließlich ihren Betrieb ganz einstellte.
397Das wissenschaftliche Leben Siebenbürgens wurde seit den 60er Jahren von den ungarischen Kartesianern bestimmt. Deren herausragende Gestalt der ersten Generation, Sámuel Enyedi, vertrat eine der rationalen Philosophie des Regius näherstehende Richtung und betonte den Dualismus Descartes’. Nach dem Fall der Stadt Wardein schuf die zweite Kartesianergeneration – János Nadányi, Márton Dézsi und andere – im Straßburger Kollegium gemeinsam mit Enyedi das wissenschaftliche Zentrum des siebenbürgischen Kartesianismus. Descartes’ Philosophie faßte die herausragende Gestalt der dritten kartesianischen Gelehrtengeneration, der in Basel ausgebildete Arzt Ferenc Pápai Páriz, in den 90er Jahren zusammen. Miklós Apáti, der seine Studien im Poiret-Kreis absolviert hatte, vertrat in seinem (in Amsterdam erschienenen) wichtigsten Werk die Ansicht, daß die Willensfreiheit der Hauptpfeiler unseres Selbstbewußtseins sei, und betonte in Anwendung der Descartesschen Methodologie, das wichtigste Mittel der Naturerkenntnis sei die Mathematik. In der internationalen Debatte um Descartes’ Philosophie lenkte der Lehrer am unitarischen Kollegium von Klausenburg Mihály Régeni in ganz Europa damit die Aufmerksamkeit auf sich, daß er die Lehrmeinung von Tschirnhaus, einem Vorläufer Newtons, unterstützte. In Siebenbürgen wurden bereits die Lehren des Kopernikus, die Erkenntnisse der heliozentrischen Astronomie verbreitet. Pionierarbeiten in dieser Richtung waren die mathematischen Notizen des an englischen und holländischen Universitäten ausgebildeten Lehrers Sámuel Kaposi von Neumarkt, János Köpeczis Werk „De Cometis“ und die Abhandlung des Arztes und Physikers Sámuel Köleséri über das Licht. Ein wissenschaftlicher Denker hohen Ranges war der Sachse Andreas Teutsch, der sein Arztdiplom in Utrecht erworben hatte. Aus Leipzig brachte er Speners Forderung, Glauben und Wissenschaft voneinander zu trennen, und aus Halle Franckes Prinzipien einer pietistischen Bildungspolitik mit heim ins Sachsenland, wo er als Arzt und Königsrichter tätig war. Lange vor Maria Theresias Verordnung verbot er die Hexenprozesse auf dem Königsboden. Bartolomeus Bausner aus Reps, der in Amsterdam studiert hatte, schrieb Abhandlungen über den Blutkreislauf und über die Harmonie der Teile des menschlichen Körpers. Regius beruft sich in seinem mehrfach neu aufgelegten ärztlichen Werk auch auf die Arbeiten dreier junger siebenbürgischer Ärzte – János Sikó, Sámuel Enyedi und János Gunesch. Die Rezepte über die Herstellung der Arzneimittel von János Bánffihunyadi aus Frauenbach gelangten in das 1681 erschienene Pharmaziewerk des englischen Chemikers und Mitglieds der Royal Society Goddard. Bahnbrechend an den Werken Köleséris ist die Beobachtung und Beschreibung der Bergleute-Berufskrankheiten; daneben unternahm er große Anstrengungen, die Armen im Rahmen einer staatlichen Fürsorge zu heilen und die Verbreitung der Pestseuchen durch staatliche Maßnahmen einzudämmen.
Das herausragende Werk der siebenbürgischen medizinischen Wissenschaft ist Ferenc Pápai Páriz’ Buch „Pax Corporis azaz a testnek nyavalyáiról, okairól, fészkeiről és azok orvoslásának módjáról való tracta“ (Pax Corporis oder Traktat über die Krankheiten des Körpers, ihre Ursachen, Herde und die Weise ihrer Heilung – 1690). Überwiegend lag die Behandlung und Heilung von Kranken noch in der Hand von lokalen Badern in den Dörfern, Kurien und Oppida, während die Behandlung von Knochenbrüchen, das Zahnziehen und die Wundheilung von im Zunftrahmen tätigen Feldschern und Barbieren vorgenommen wurden, obwohl es schon in allen größeren Städten Siebenbürgens 398Ärzte mit Universitätsausbildung gab. Pápai Páriz vermittelte seine neuen Fachkenntnisse verständlich und systematisiert in ungarischer Sprache an die lokalen Heilpraktiker weiter. Die Bedeutung dieses ersten medizinischen Werkes in ungarischer Sprache liegt darin, daß er die Rolle der Wissenschaft für die Heilung betonte, Vorbeugung und Bedeutung der Hygiene darin einbezog und sich schließlich auf die autonome Verantwortung des Menschen berief, womit er jede Prädestination ablehnte. Das Buch wurde zum Handbuch des Volkes, im 18. Jahrhundert gab es bereits 11 Ausgaben, und im 20. Jahrhundert fand man es noch bei den „Csángó“, einer in mehreren Dörfern in der Moldau lebenden ungarischen Volksgruppe, als häuslichen Ratgeber, da diese in ihrer Region über keinen wissenschaftlich ausgebildeten Arzt verfügten.

 

 

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