Materielle Kultur und Mentalität

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Materielle Kultur und Mentalität
Die Bautätigkeit blieb rege, die in Klausenburg 1655 abgebrannten 1800 Häuser und das 1689 völlig eingeäscherte Kronstadt wurden relativ schnell wieder aufgebaut. Der bedeutendste Schulbau für die Unterbringung der Internatsschüler, das Klausenburger reformierte Kollegium, wurde nach den Plänen des Italieners Antonio Serra errichtet. Bezeichnend für die Unternehmungslust des Hochadels ist der Bau des Teleki-Schlosses von Schoresten, des Bethlen-Schlosses von Klosdorf sowie die Renovierung des Schlosses von Kreisch und der Herrenhäuser von Bethlen, Petersdorf und Bachnen. Für den Kirchenbau war die Holzarchitektur charakteristisch, der monumentale Glockenstuhl von Kleinfarken wurde 1699 eingeweiht. Im Gebiet Fogarasch entstanden mehrere griechisch-orthodoxe Kirchen aus Stiftungen reicher griechischer Kaufleute.
Der Wohnsitz des Hoch- und Mitteladels umfaßte einen eingezäunten Gebäudekomplex von Schloß und Kurie. Das Hauptgebäude ist das Wohnhaus des adligen Grundherrn, eine Kurie mit oft vier, allgemein aber eher acht, zehn oder mehr Räumen, mit Obergeschoß und hölzerner Veranda. Der Wohntrakt im Obergeschoß ist geteilt in Männer- und Frauenräume. Gemeinsam sind Speisezimmer und Audienzsaal, oft bereits mit Kristallfenstern. In den Stadtpalästen und Bürgerhäusern waren bleigefaßte Glasfenster, Ziegeldach, außenbeheizte Öfen oder Kamine üblich. Überall verbreiteten sich Gemütlichkeit und Bequemlichkeit. Die Möbel waren bemalt oder poliert, mit Intarsien verziert. In den Heimen der Aristokraten wurden die muschelverzierten Möbel aus den Niederlanden heimisch, die über Polen nach Siebenbürgen gelangten. Über die Bauernwohnungen war bereits die Rede. Zu Ende des 17. Jahrhunderts begannen in den wohlhabenderen Heimen offensichtlich die aus bearbeiteten Brettern zusammengesetzten Möbel die geschnitzten zu verdrängen. Das einzige Bett im Bauernhaus war das Großbett, außerdem gab es eine Schlafbank oder Bank, bei den Wohlhabenderen mit herabklappbarer Lehne. In den Gebirgsgegenden blieben die geschnitzten Möbel erhalten. Die Wände in den Schlössern der Vornehmen bedeckten venezianer, holländische, französische und spanische Tapisserien, Gobelins mit den bekannten Szenen der antiken Mythologie oder der biblischen Geschichten, während die Wände der schlichteren Wohnungen bemalte Tapisserien und „festékes“ genannte Kelims zierten. 399Weitverbreitet waren türkische Teppiche in großer Zahl, von denen die sog. siebenbürgischen Teppiche eine besondere Gruppe bildeten.
Eine Einheit von Material und Funktion bei den Beleuchtungskörpern verkörperten die Kupfer- und Eisenleuchter, eine neue Mode waren gläserne Lampen. Beim Hochadel tauchten im Ensemble der silbernen und goldenen Pokale, Kelche, Becher und Bestecke in immer größerer Zahl Porzellangegenstände, Gläser, Holz und irdenes Geschirr auf, denn das entwickelte siebenbürgische Töpfer- und Keramikgewerbe versorgte nicht nur die Bauernwohnungen. Tongefäße mit farbiger Zinnglasur gehörten zum Alltag, feinglasierte Tonkrüge und mit Kacheln belegte Zimmerwände zierten die anspruchsvolleren Wohnungen. Die zahlreich erhalten gebliebenen Inventare der Schlösser, Kurien und Bürgerheime belegen eine entwickelte Hygiene. Unverzichtbare Einrichtungsgegenstände waren die verschiedenen Kupfer- und Holzbadewannen für Kinder und Erwachsene, silberne, kupferne und irdene Waschbecken sowie mannigfache Hand- und Gesichtstücher. Berühmt waren die Kronstädter Wasserleitungsbauer und die Sauerwasserhändler aus dem Szeklerland. Siebenbürgen war reich an Heilquellen, die Schwefel-, Kohlensäure-, Salz- und Warmbäder wurden nicht nur aus gesundheitlichen Gründen aufgesucht, sondern dienten auch schon als Ort der Erholung, als Zentren des gesellschaftlichen und sogar des politischen Lebens. Die städtische Badekultur beruhte auf alten Traditionen.
Für die Bekleidung ist die Anfertigung des ungarischen Dolmans und des Überwurfs sowohl aus teurem englischen Tuch, türkischem Samt als auch aus billigem Kronstädter und später balkanischem Tuch bezeichnend. Es lassen sich hier türkische, polnische und österreichische Einflüsse ausmachen, und schnelle Verbreitung fanden die italienischen, französischen und deutschen Modeartikel. Der Reichtum an Schmuck zeichnet nicht nur die Vornehmen aus, sondern erstreckt sich auch auf die Kleidung der einfacheren Schichten. Berühmt waren der Gold- und Edelsteinschmuck der reichen sächsischen Frauen und die aus Zinn, Blech und Glasperlen gefertigten Schmuckstücke der sächsischen Bäuerinnen. Auch im persönlichen Besitz der armen rumänischen Magd finden sich Glasschmuck und Silberkette. Zur Kleidung des Adels gehörten unbedingt auch die mit Perlen und Goldfäden bestickte Tasche, die edelsteinverzierte Waffe und der goldene, silberne oder kupferne Federbusch mit den Federn, die den militärischen Rang markierten.
Unabhängig von Stand und Rang war für die Bevölkerung eine tiefe Religiosität und ein intensives Familienleben kennzeichnend. Mit den irdischen Gütern wurde besonders sparsam umgegangen, die Testamente bezeugen die Bemühungen, seine gesellschaftlichen Beziehungen und den guten Ruf für die Zukunft zu bewahren. Für die auch später weltbekannte siebenbürgische Gastlichkeit ist charakteristisch, daß sie durch ein schon zur Kunst entwickeltes Brauchtum geregelt wurde und das Gastrecht unverletzlich blieb.
Die Ungarn und Sachsen verfügten über ein ausgeprägtes ethnisches Bewußtsein, in dem sich Standesbewußtsein und Kartesianismus mit dem bürgerlichen Identitätsbewußtsein der Puritaner und Pietisten miteinander vermischten. Das ethnische Bewußtsein der Rumänen wurzelte in der griechisch-orthodoxen Kirche und erhielt durch die Kirchenunion neuen Auftrieb. Besonders bei der Stadtbevölkerung entwickelte sich ein Bewußtsein von den neuen zeitgemäßen Werten der Epoche. Die für die adlige und 400städtische Intelligenz daheim schon unentbehrliche Uhr erscheint nun auch am Tor der Kurien und auf den Märkten der Burgen. Müßiggang wird zur Sünde und die nutzlos verbrachte Zeit zum unwiederbringlichen Verlust, die „Zeit der Kaufleute“, die historische Zeit, setzt sich durch, und unter den Gebildeten dominiert bereits der relativierte Zeitbegriff. Die Kalenderliteratur übt einen großen Einfluß auf die Mentalität aus. Sie erscheint im Rahmen der konfessionellen Struktur der siebenbürgischen Gesellschaft und geht immer von der Zeitrechnung vor der Kalenderreform aus.
Die natürlichen, klimatischen und geschichtlichen Verhältnisse des Landes bestimmen den Lebensrhythmus und die Kollektiverfahrungen der siebenbürgischen Bevölkerung, gefiltert in den Traditionen und der Märchenwelt des Volkes. Der für die Agrargesellschaft ganz Europas typische Lebensrhythmus orientiert sich am kirchlichen Festkreis und an den spezifischen Umweltbedingungen. Die entwickelte Gartenkultur liefert den symbolischen Schmuck für Feste, Familienereignisse und markante Lebenszäsuren sowie auch die Heilkräuter oder dient wie im Fall der Gärten der Vornehmen mit Bächen, Brücken und Fischteichen den Bedürfnissen der Erholung.
Kutsche, verglaste Kutsche, Reitpferd, eine hochwertige Waffe und vorrangig die Uhr werden zu Statussymbolen. Schon taucht die „englische Uhr“ in den Inventaren auf, und Uhren, welche die Zeit mit der Bewegung des Sternhimmels, mit Kampfszenen oder tanzenden Figuren angeben, sind der Stolz aristokratischer Häuser.

 

 

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