Kunst und Literatur

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Kunst und Literatur
Die bedeutendste architektonische Schöpfung der Periode, das Klosdorfer Schloß mit seinem, lokalen Traditionen etwas aufgepfropften italienischen Renaissancestil, schuf der Bauherr Miklós Bethlen selbst. Die südliche offene Arkadenreihe verrät den Einfluß venezianischer Vorbilder. Unter den Händen örtlicher Meister entstanden mehrere Varianten eines siebenbürgisehen Renaissancestils. Die sächsische Renaissancearchitektur von Klausenburg, Kronstadt und Hermannstadt kennzeichnen die blumen- und rankenverzierten steinernen Tür- und Fenstergewände. Ein Werk der Renaissance und schon der frühbarocken Stilvariante im von Zsigmond Kornis erbauten Szentbenedeker Schloß sind die blumengemusterten Säulen, verziert mit mützentragenden ungarischen Köpfen. Die griechisch-orthodoxen Holzkirchen übernehmen die neuen Formen des byzantinischen Stils.
Die bildende Kunst entwickelte sich unter dem prägenden Einfluß der protestantischen Kirchen, zumeist im Rahmen des örtlichen siebenbürgisehen Kunsthandwerks. In ihrem Formenschatz dominieren die Blumenmotive der Renaissance sowie die antike und christliche Symbolik. Von besonderer Schönheit ist die Renaissancekanzel in der unitarischen Kirche von Klausenburg: Der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährende Pelikan an der Decke hat dieselbe Bedeutung wie der auf der Spitze der Sonnenuhrsäule im Hof des Oxforder Corpus–Christum–College oder überall sonst, in Rom oder Amsterdam.
Die Meister des blühenden Kunsthandwerks – Holzschnitzer, Holzmaler, Töpfer, Schlosser und Lederhandwerker – sind meist in der Anonymität 401verschwunden. Ein herausragender Meister der Goldschmiedekunst war Sebestyén Hann. Eine der schönsten Kassettendecken reformierter Kirchen ist die von Csíkszentmarton, welche Szekler Tischler ausmalten. Die barocke Kassettendecke der Kapelle von Csíksomlyó (bei Szeklerburg) ist das Werk eines Franziskaners italienischer Herkunft. Einer der frühesten Barockaltäre steht im Franziskanerkloster von Szárhegy, von der Hand des Malers Péter Lengyel, und den frühbarocken Altar der Schäßburger Kirche malte Jeremias Stranoves aus Hermannstadt. Der Motivschatz der reichen siebenbürgischen Volkskunst behielt sein uraltes Symbolsystem bei: Die einander zugewendeten Vögel bedeuteten die Liebe, die voneinander abgewendeten die Treue über das Grab hinaus, und der Lebensbaum die Transzendenz.
Die Literatur artikuliert sich in ihren für diese Epoche typischen Bereichen: im Drama, das von den unitarischen, reformierten und später den Jesuitenkollegien gefördert wurde. Mit kaiserlicher Erlaubnis trat der erste Theaterdirektor, György Felvinczi, auf und wollte mit seinen auf den Marktplätzen aufgeführten Dramen der Kultivierung der Seelen dienen. Er schrieb Dramen und übersetzte: „Az angliai országokban lévő Salernita Scolának a jó egészségről irott könyvé“ (Das Buch über die gute Gesundheit der Scola Salernita in den englischen Ländern) erschien 1693 in Klausenburg. Die in dieser Epoche beliebten Formen der Prosa waren das Tagebuch und die Memoiren, die ausnahmslos in der Muttersprache der Verfasser, ungarisch oder deutsch verfaßt wurden. Zu den bedeutendsten gehören János Keménys in tatarischer Gefangenschaft geschriebene Autobiographie und István Wesselényis umfangreiches Tagebuch aus der von Rabutin erzwungenen Haft in Hermannstadt. Miklós Bethlen begann seine „Önéletírás“ (Autobiographie) 1708, als er aus der Hermannstädter Haft nach Wien transportiert wurde, und beendete sie dort, in der Kaiserstadt, dem letzten Aufenthaltsort seines Lebens. Dieses ganz dem Realismus verpflichtete Selbstzeugnis wurde eines der ersten herausragenden Werke der ungarischen Prosa.
Die Tagebuch- und Memoirenschreiber übernahmen auch den Text vieler Zeitdokumente in ihre Beschreibung. Die „Historia“ von Mihály Cserei ist eine Sammlung sehr unterschiedlicher Meinungen zu den rasch wechselnden politischen Verhältnissen. Flugblätter und historische Gelegenheitswerke widerspiegeln die Hoffnungen des Krieges von 1663/64 und Siebenbürgens Engagement (1670–1672) für die Interessen der aus Ungarn Vertriebenen, um das europäische Gewissen zu wecken. Die traditionsreiche lateinische Geschichtsschreibung Siebenbürgens wird durch János und Farkas Bethlen fortgesetzt, und Kirchen- wie Schulgeschichte werden neu entdeckt. Wardeins Verteidigung und Fall inspirierte die erste selbständige Schöpfung eines ungarischen Geschichtsschreibers, des Kanzleiarchivars von Georg I. Rákóczi, János Szalárdis „Siralmas magyar krónika“ (Ungarische Klagechronik). Herausragende Bedeutung hatte die sächsische Historiographie mit ihrer reichen humanistischen Tradition, hochgehalten in den Werken von Georg Kraus, Johann Tröster, Lorenz Töppelt, Valentin Franck von Franckenstein und Mathias Miles. Der erste im pietistischen Geist schreibende siebenbürgisehe Historiograph war Andreas Teutsch, der das erste Repertorium der in Siebenbürgen gefundenen Münzen zusammenstellte und mit der „Brevis et diplomatica descriptio nationis Saxonicae“ und der „Historia Regni sive Principatus Transylvaniae“ die Grundlagen für eine Sammlung der sächsischen Geschichtsquellen legte.
402Der ertragreichste Zweig der siebenbürgischen Literatur war die Lyrik. Es blüht die Gemeinschaftslyrik: Meisterlob, Soldatengedichte, Heldenlieder, Studentengedichte und Lieder der Exulanten. Die erste ungarische Lyrikerin ist die im pietistischen Geist erzogene Kata Szidónia Petrőczy. Eine Sammlung der von humanistischer Rhetorik und barocker Symbolik durchdrungenen sächsischen Gelegenheitsdichtung bieten die zwei Bände von Comes Valentin Franck von Franckenstein (Hermannstadt 1679, Wien 1692). Die Gedichte des Sachsengräfen Andreas Teutsch („Daridische Harfen“, Hermannstadt 1707) dienten der religiösen Erneuerung.
Für Begrifflichkeit und Symbolik der aufgrund reicher Traditionen entstandenen Gedichtkultur ist die Welt der Renaissance und des Barocks gleicherweise typisch. Sie bewahrte die uralten Vorstellungen des Ungartums und artikulierte zugleich den Wandel vom Bild der neuen – alten – Welt, ohne daß sie die antike Symbolik aufgegeben hätte. Ihre Ausdrucksformen und Gedanken werden von den Erlebnissen der neuen religiösen Empfindungswelt bestimmt, von der ihren Eigenwert erkennenden Persönlichkeit, den politischen Kämpfen, der Gemeinschaft und der Sorge um das Land. Die gedankliche Achse der Historienlieder ist die nationale Idee, durchdrungen vom antiken Wertsystem, dem Heldenkult der Renaissance und dem Interesse an der Wirtschaft des Landes. Die Werke der meist unbekannten Verfasser wurden in Gestalt der Volkslieder und -balladen weiterentwickelt. Im Motivschatz der Balladen häufen sich die historischen Elemente, wie sich an der Ballade des 1664 bei Wardein gefallenen László Rákóczi oder Izsák Kerekes’ Balladenvarianten zeigen läßt, während die Balladen des Rumänen Grigore Pintea die Erinnerung an den Rákóczi-Freiheitskampf lebendig halten. Einzelne Teile und Motive der politischen Gedichte wiederum leben in den Volksliedern und Balladen über die Betyaren (arme Wegelagerer) späterer Jahrhunderte weiter. Handgeschriebene Liederbücher und mündliche Überlieferung tradierten die zeitgenössische ungarische Dichtung. Die sächsischen historischen Volkslieder erinnerten an den Märtyrer des Kronstädter Aufstandes gegen den Kaiser, Gaspar Kreischnek, und Lieder verewigten gleichfalls das tragische Schicksal des Sachs von Harteneck.
Die sächsischen und ungarischen Städte besaßen ein traditionell geregeltes, reichhaltiges Musikleben. Die Gesangskultur war in den Kirchen und Kollegien lebendig, in den Schlössern des Hochadels wurde die Hausmusik Mode, und man bemühte sich um eine musikalische Ausbildung der Kinder. Obwohl Puritanismus und Pietismus die Instrumentalmusik verurteilten und die kalvinistische Kirche auf die Orgel verzichtete, wurde im Straßburger Kollegium das Orgelfach im kirchlichen Unterricht gelehrt.
Eine lebendige Liedkultur besaßen auch die ungarischen, deutschen und rumänischen Dörfer. Siebenbürgen lag seit Jahrhunderten an den Kreuzwegen der europäischen Melodienwanderung. Die Musikwissenschaft wies Volkslieder nach, die im 17. Jahrhundert Kirchenmelodien waren oder als französische Chansons im 16. Jahrhundert weiterlebten. Eine Variante des Rákóczi-Liedes wurde im Csíker Kájoni-Kodex (1634–1670) notiert, eine andere im Vietorisz-Kodex als „walachischer Tanz“ bezeichnet. Seine Melodie wird – mit kirchlichem Text! – noch heute gesungen. Der größere Teil des ungarischen Melodienschatzes in Siebenbürgen gehört zum alten Typ, an der Wende zum 18. Jahrhundert tauchen die Vorläufer der zum neuen Melodietyp führenden Werbungsmusik auf.
403Das Werk, welches die reichen kulturellen Werte des letzten halben Jahrhunderts im siebenbürgischen Fürstentum auf dem Niveau der modernen Literatur zusammenfaßte, entstand im 18. Jahrhundert in der Emigration: Der Szekler Adlige Kelemen Mikes, Rákóczis Leibgardist, begleitete seinen Herrn über Polen und Frankreich ins türkische Rodosto. Sein dort entstandenes klassisches Werk „Törökországi Levelek“ (Briefe aus der Türkei) verfaßte er zwischen 1717 und 1758. Sein Geschmack wurde in Paris kultiviert, seine Betrachtungsweise vom Leben des Emigranten geprägt, aber die siebenbürgische Mentalität und das sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts langsam durchsetzende neue Bildungsideal verlieh dieser herausragenden Schöpfung der ungarischen Prosa ihre charakteristische Prägung.

 

 

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