Politische und religiöse Bewegungen bei den Rumänen

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Politische und religiöse Bewegungen bei den Rumänen
Die Grundlagen für die Kirchenunion wurden bereits in der vorhergehenden Periode, an der Jahrhundertwende gelegt. Der Beginn war zwar vielversprechend, aber die Stürme des Rákóczi-Aufstandes machten den Erfolg fast völlig zunichte. Wer von den Mitgliedern der siebenbürgischen griechischen Kirche in den fünfzig Jahren nach 1711 orthodox oder uniert war, läßt sich kaum feststellen. Es gab bloß eine legale griechische Kirche, nämlich die unierte, aber die Behörden mußten das orthodoxe Zentrum in Kronstadt zur Kenntnis nehmen, und die ohne bischöfliche Organisation bestehende siebenbürgische orthodoxe Kirche fand Beschützer außerhalb Siebenbürgens: den serbischen orthodoxen Erzbischof von Karlowitz, das Russische Reich und die Kirchen der beiden rumänischen Fürstentümer. Die Unierten wurden vom Staat beträchtlich unterstützt, ihre Bischöfe erhielten Grundbesitz, und die Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Geistlichen wie auch für ihre weltliche Intelligenz waren in der Union ungleich besser als bei den Orthodoxen. Neben der heimischen Jesuitenhochschule konnten sie auch an den Universitäten Tyrnau und Wien und im Collegium de propaganda fide in Rom studieren.
Die unierte Kirche wurde von der Regierung politisch anerkannt. Man verlieh den Bischöfen Ioan Pataki und Inochentie Micu-Klein die Würde eines Barons, und letzterer durfte ab 1732 als Zeichen der königlichen Gnade am Landtag teilnehmen. Dieser, die größte rumänische Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts, trat sein Amt 1729 an und begann eine großangelegte Tätigkeit im Interesse seiner Kirche und seiner Geistlichen, die sich eigentlich aber auf alle Rumänen Siebenbürgens erstreckte, da er seine Jurisdiktion auch über die Griechisch-Orthodoxen durchsetzen wollte. Die juristische Basis seiner Bestrebungen war das umstrittene zweite Diploma Leopoldinum über die Union vom 19. März 1701: Dieses befreite die unierten Pfarrer von der Fron und rechnete nicht nur die Geistlichen, sondern auch die Laien und sogar die Gemeinen (plebeae conditionis homines) zu den katholischen Ständen und betrachtete diese als gleichberechtigte Mitbürger, wenn sie der Union beitraten. Nach hartnäckigen Auseinandersetzungen erreichte Micu-Klein, daß der König im Dezember 1732 einen Ausschuß für die Untersuchung seiner Beschwerden einsetzte. 1733 wurden seine Bittschriften auch dem Landtag vorgetragen. Die Stände bezweifelten aber die Stabilität der Union – und das mit Recht. Sie forderten den Bischof auf, den Katechismus und das Bekenntnis seiner Kirche vorzulegen; sie fanden beides in Ordnung, erachteten aber auch die Konskription der rumänischen Geistlichen und Gläubigen für notwendig.
In den Äußerungen Micu-Kleins von 1735 wurde die Sache der Siebenbürger Rumänen zum Politikum. Aufgrund der Konskription von 1733 argumentierte der Bischof, die Rumänen seien die größte Nationalität in Siebenbürgen und durch das zweite Diploma Leopoldinum über die Union 419auch berechtigt, jedes öffentliche Amt zu bekleiden, dennoch würden sie den Reformierten und Lutheranern gegenüber benachteiligt. (Aus taktischen Gründen verschwieg er, daß in den öffentlichen Ämtern bereits die Katholiken überwogen.) Es sei unwahr – schrieb er zu Recht –, daß es unter den Rumänen keine gebildeten, adligen, für ein Amt kompetenten Männer gebe. Er bitte daher den König, ihm die vakante Stelle eines der Gubernialräte zu verleihen. Seine Forderung blieb unerfüllt, die Ministerialkonferenz nahm gegen ihn Stellung. Sein Auftreten hatte aber indirekt zur Folge, daß 1736 Petru Dobra, der erste bedeutende rumänische weltliche Politiker nach 1711, zum Fiscalis-Director Siebenbürgens ernannt wurde.
Ebenfalls 1735 artikulierte Micu-Klein die historische Konzeption der dakorumänischen, genauer der römischen Kontinuität: „Wir sind seit Kaiser Trajan die ältesten Bewohner Siebenbürgens“ – schrieb er in einer Bittschrift an den König, und dieses Argument war von zukunftsträchtiger Bedeutung. Drei Faktoren bestimmten und begünstigten nun den Prozeß der politischen Gruppenbildung innerhalb der Rumänen Siebenbürgens: die unierte Kirche als organisatorischer Rahmen (der nach Auffassung des Bischofs alle Siebenbürger Rumänen umfassen sollte), eine mit historischen Argumenten legitimierte Ideologie als Basis für das politisch-nationale Bewußtsein und schließlich zumindest der Anspruch auf Vertretung in den öffentlichen Ämtern.
Vom Frühjahr 1736 bis 1738 setzte sich Micu-Klein auf zahlreichen Landtagen für das Recht der unierten Pfarrer auf den Zehnten ein – allerdings ohne Erfolg. Als er sich im Herbst 1737 „totius nationis per Transylvaniam valachicae nomine“ äußern wollte, protestierten die Stände gegen diesen Begriff. Doch ließ der Bischof, dieser einsame Vorkämpfer der Nationalbewegung, in seinen Anstrengungen nicht nach: Im August 1742 reichte er in Wien aufs neue eine Bittschrift ein, in der er bereits ausdrücklich auf die Aufnahme der Siebenbürger Rumänen als vierte in das System der bisherigen drei Nationen bestand. Da eine territoriale Absonderung der vierten Nation kaum möglich war, stellte er sich eine solche politische Partizipation so vor, daß sich die rumänische Nation in den ungarischen Komitaten der ungarischen, in den Szekler und sächsischen Munizipien der Szekler und sächsischen Nation anschließen sollte. Ein Novum – und zugleich ein Zeichen der politischen Genialität Micu-Kleins – war die Forderung, der steuerpflichtigen Bevölkerung keine unerträglichen Lasten aufzubürden und die Zahl der Frontage auf zwei zu beschränken. Es handelte sich nicht bloß darum, daß der „Hirte“ seine „Herde“ schützt: Hier werden vielmehr erstmals die nationalen mit den sozialen Forderungen zu einem Programm der rumänischen Nationalbewegung in Siebenbürgen vereinigt, das für diese auch in der Folgezeit ein Charakteristikum geblieben ist. Im Laufe der Zeiten entwickelte sich dieser Gedanke zur These „ungarischer Grundherr – rumänischer Untertan“. Es sei angemerkt, daß der Anteil der siebenbürgisch-rumänischen Untertanen wirklich höher lag als der der Rumänen an der Gesamtbevölkerung.
Die rumänische Nationalbewegung verschwand aber bald für lange Zeit vom Forum der politischen Auseinandersetzungen. Nach langem Ringen wurde schließlich 1744 Existenz und Pfründe des griechisch-katholischen Bistums in Siebenbürgen gesetzlich anerkannt. Es schien, als könne nun die Angelegenheit der unierten Kirche und damit die der Siebenbürger Rumänen als politischer Faktor ganz von der Tagesordnung abgesetzt werden.
420Im Frühling 1744 kam aber Visarion Sarai, ein serbischer orthodoxer Mönch – der nicht einmal rumänisch sprach –, aus dem Banat nach Siebenbürgen. Dieser heiligmäßige Mönch hielt während seiner Reise nach Hermannstadt selbst mit Hilfe eines Dolmetschers noch suggestive Predigten, unter deren Einfluß in Südsiebenbürgen wie mit einem Schlag die Union beinahe ganz zusammenbrach: Die unierten Rumänen verjagten ihre Pfarrer, und sogleich waren orthodoxe Pfarrer da, ihre Stellen einzunehmen. Visarion wurde zwar verhaftet und nach Wien gebracht, wo seine Spur verschwand. Dieses Ereignis kam aber all jenen sehr zustatten, die den Scheincharakter der Union betonten. (Der reformierte Adel wiederum unterstützte an vielen Orten nachdrücklich die Orthodoxie, einerseits um des bewährten Friedens mit den Untertanen willen, andererseits vom Geist der selbst dem katholischen Druck widerstehenden Toleranz geleitet.) Micu-Klein wäre bereit gewesen, die Bewegung mit sanfter Gewalt unschädlich zu machen, als Gegenleistung dafür verlangte er aber die Erfüllung seiner bereits zehn Jahre alten Forderungen. Damit wurde er nicht nur den Ständen, sondern auch dem Militärkommandanten und sogar der Wiener Regierung verdächtig – für letztere zugleich auch schädlich und damit überflüssig: Im Juni 1744 wurde er nach Wien beordert. Der Bischof antwortete mit einem letzten kühnen politischen Schachzug. Er berief eine Synode nach Blasendorf ein, an der außer dem Klerus auch rumänische Laien (Adlige und Leibeigene) und selbst Orthodoxe teilnahmen. Das war bereits eine echte nationale Versammlung und zugleich die einzige derartige rumänische Versammlung vor 1848. Auch ihre Zusammensetzung und die folgende vom Bischof an sie gestellte Frage wiesen in die Zukunft: Da sich die Privilegien aus der Zeit Leopolds I. – die aufs neue ratifiziert werden müßten und die seinem Programm als Rechtsbasis dienten – auch auf das Volk beziehen, sollte man dieses fragen, ob es den Kampf um diese Privilegien unterstützen wollte und wenn ja, in welcher Form? Das lief bereits auf ein regelrechtes Plebiszit hinaus. Dem größten Siebenbürger Rumänen des Jahrhunderts so weit zu folgen, wagte aber niemand mehr. Obwohl die Synode prinzipiell mit dem Mitbestimmungsrecht des Volkes einverstanden war, wollte sie die Vertreter des Volkes in der gegebenen Situation nicht unmittelbar in die Verhandlungen einbeziehen.
Der Vorreiter war so weit vorgeprescht, daß ihm selbst die tapfersten Mitstreiter der Haupttruppe nicht mehr zu folgen wagten. Im Herbst 1744 wartete in Wien auf Micu-Klein eine Untersuchung, deren Ergebnis unbedingt seine Amtsenthebung gewesen wäre; deshalb floh er nach Rom, wo er als einsamer Greis in der Verbannung starb. Seine Nachfolger verlautbarten ihre nationalen Forderungen schon vorsichtiger, verzichteten aber nicht auf sie. Neben den Bestrebungen, ihr kulturelles Niveau zu verbessern, versuchten die Unierten ihre Position durch Zurückdrängung der Orthodoxie zu stabilisieren.
Die Orthodoxen orientierten sich zu dieser Zeit immer mehr nach Rußland, und das österreichisch-russische Bündnis von 1746 als eine der wichtigsten außenpolitischen Stützen des Reiches hat diese Orientierung begünstigt. Zur ersten politischen Reise einer siebenbürgisch-rumänischen Persönlichkeit nach Rußland kam es Ende der 1740er Jahre: Nicolae Pop, ein früherer unierter Dechant, konnte erreichen, daß Zarin Elisabeth ihren Gesandten in Wien aufforderte, sich über die Schwierigkeiten des siebenbürgisch-rumänischen Klerus und Volkes zu erkundigen und gegebenenfalls für diese 421auch am Wiener Hof einzutreten. Die Orthodoxie wurde aus der Walachei und auch durch die serbische orthodoxe Kirche Ungarns unterstützt, und als das Habsburgerreich zur Zeit des Siebenjährigen Krieges auf den russischen Verbündeten – und auch auf den inneren Frieden in Siebenbürgen – äußerst angewiesen war, mußte es auf die siebenbürgische Kirchenunion wenigstens zum Teil verzichten.
Im Sommer 1758 wurde in Wien der Beschluß gefaßt, einen vom Karlowitzer Erzbischof unabhängigen orthodoxen Bischof für Siebenbürgen zu ernennen, und im Jahr darauf erging das sog. orthodoxe Toleranzedikt, in dem die Investitur eines Bischofs noch immer eine bloße Zusage blieb. Das Volk verließ daraufhin die Union in großen Scharen, Leiter der Bewegung wurde der Mönch Sofronie (Stan Popovici), dem gegenüber sich die Behörden als ohnmächtig erwiesen. Nun schickte die Regierung eilends den ausersehenen Bischof – Dioniz Novaković, den früheren serbischen Bischof von Ofen – nach Siebenbürgen und betraute den Generalkommandanten Buccow, eine Trennung der unierten und orthodoxen Kirchengemeinden und ihrer Güter vorzunehmen. Das Ergebnis der Trennung waren 25 164 unierte und 126 652 orthodoxe Familien. Während die Regierung die Organisation und materielle Basis der unierten Kirche rettete, bestätigte sie die siebenbürgisch-orthodoxe Kirche durch Gesetz, jedoch nicht als „anerkannte“, sondern nur als „tolerierte“ Konfession.

 

 

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