Die Anfänge des aufgeklärten Absolutismus

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Die Anfänge des aufgeklärten Absolutismus
Im politischen Leben Siebenbürgens machten sich die Bestrebungen des aufgeklärten Absolutismus ab 1770 zunehmend bemerkbar.
Die am wenigsten glückliche Hand bewiesen die Habsburger in wirtschaftspolitischen Fragen; ihre diesbezüglichen Aktivitäten erschöpften sich in der Einrichtung unterschiedlichster Kommissionen, deren wirtschaftspolitische Konzeptionen von vornherein nicht geeignet waren, den Unterschied zwischen den industriell entwickelteren westlichen Provinzen des Reiches und Siebenbürgen zu verringern, ja dieser erhöhte sich eher noch durch die Ablehnung, Manufakturen einzurichten sowie durch die Beschränkung der Industrieproduktion auf Alltagsgüter. Einige Manufakturen Siebenbürgens entstanden oder entwickelten sich im Gegensatz zu dieser Politik, manchmal gerade auf Anregung von Regierungsorganen (z. B. die Papiermühle in Winsberg, die Eisen- und Edelmetallverhüttung).
Auch auf dem Gebiet der Urbarialregulierung war der aufgeklärte Absolutismus nicht erfolgreicher. Die Regierung konnte und wollte zum Teil auch keine andere Lösung erreichen als die Aufrechterhaltung des Status quo. Maria Theresia fürchtete sich davor, daß sich die Auswanderung aus Siebenbürgen verstärken würde, da die Bauern in der Moldau Gerüchten zufolge vor dem türkisch-russischen Krieg von den Fronlasten befreit worden waren. Deshalb verfügte sie im Juni 1770 die Ausarbeitung eines Planes für die siebenbürgische Urbarialregulierung unter Berücksichtigung der Durchführungsverordnungen derselben in Ungarn, aber der Versuch scheiterte an der Bürokratie.
Die Religions- und Schulpolitik des aufgeklärten Absolutismus hatte schon mehr Erfolg. Die Zentralregierung war jetzt bestrebt, die katholische Kirche stärker zu kontrollieren, und nahm den kirchlichen Würdenträgern die Möglichkeit bzw. schränkte diese erheblich ein, öffentliche Ämter zu bekleiden. Der katholische Bischof verlor das Recht auf den Vorsitz im 433Gubernium. Die Staatsmacht griff tief ins Leben der katholischen Kirche ein: sie stellte deren organisatorische und materielle Angelegenheiten und eigentlich das gesamte Schulwesen unter ihre eigene Aufsicht. 1781 erging der Erlaß Norma Regia mit folgenden Bestimmungen: Die Leitung des Schulwesens auf Landesebene übernimmt das Gubernium (und dessen neu gegründeter Schulausschuß, die Commissio Litteraria); das einheitliche Unterrichtssystem hat für die Schulen aller Konfessionen Gültigkeit; Einführung des Prinzips der allgemeinen Schulpflicht ab dem sechsten Lebensjahr; die Oberschule kann nur der besuchen, der nicht nur über die geistigen Fähigkeiten, sondern auch über eine ausreichende materielle Basis verfügt.
Man pflegt das „zweite Jahrzehnt“ des aufgeklärten Absolutismus mit der Person Josephs II. (Thronbesteigung 1780) zu identifizieren. Die Gestalt des Kaisers wurde von seinen Zeitgenossen sowie der Geschichtsschreibung recht konträr dargestellt. Die Anhänger der Unabhängigkeitsbestrebungen sahen in den Maßnahmen des Kaisers und seiner Regierung einen Angriff auf die ungarische Unabhängigkeit und die ungarischen Interessen. Andererseits entstand das Bild eines Kaisers, der nicht einmal mehr Reformer, sondern fast schon Revolutionär war, der in seinem Reich ein in allen Bereichen vollkommen neues System einführen wollte, woran ihn die Kräfte der alten Ordnung hinderten. Beide Modelle haben zahlreiche Varianten und Überschneidungen. Nicht nur die ungarischen, sondern auch andere nationale Motivationen mögen an diesem Bild mitgewirkt haben, da der aufgeklärte Absolutismus den Vertretern der rumänischen Nationalforderungen bisher unbekannte Verwirklichungsmöglichkeiten bot. Die Rechtsposition der sächsischen Nation wiederum wurde durch nichts so sehr bedroht wie durch dieses gnadenlos rationale System. Der Josephinismus handelte grundsätzlich und überall im Interesse einer Stärkung des Reiches. Zugleich aber machte Joseph II. einen sehr wichtigen Schritt in Richtung einer Verwirklichung der modernen Glaubens- und Gewissensfreiheit mit seinem im ersten Jahr seiner Herrschaft, 1781, erlassenen Toleranzpatent, das auch für Siebenbürgen Gültigkeit erlangte.
Die gesamte Josephinische Wirtschaftspolitik ist von zwei Haupttendenzen gekennzeichnet: Einerseits wird das Prinzip der freien Konkurrenz anerkannt und das System der gewerblichen Privilegien innerhalb des Reiches abgelehnt, andererseits die Schutzzollpolitik der Zentralregierung gegenüber dem Ausland aufrechterhalten. Das Ziel Josephs II. war die Errichtung einer das ganze Reich umfassenden autarken Wirtschaftseinheit. Er hob die Zollgrenze zwischen Ungarn und Siebenbürgen auf, was neben der schon früher entstandenen Verwaltungseinheit auch die wirtschaftspolitische Einheit beider Reichsteile bedeutete. Aber die die böhmisch-österreichischen Erblande begünstigende Zollpolitik blieb erhalten, und auch die Verstärkung der Autarkiebestrebungen förderte keineswegs eine Verringerung des Unterschieds im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau zwischen den einzelnen Reichsteilen.
Der Josephinismus besaß keine umfassende Konzeption für die Entwicklung von Gewerbe und Industrie in Siebenbürgen, in der Praxis waren aber keine diskriminierenden Maßnahmen bemerkbar. Gallaratis Unternehmung zur Seidenproduktion wurde ja durch die Regierung eindeutig unterstützt, auch der Aufschwung des Eisenhüttenwesens in der Gegend von Eisenmarkt setzte zu dieser Zeit ein. Für die siebenbürgischen Industrieprodukte wurden 434Zollerleichterungen manchmal selbst für die Einfuhr in die Erblande gewährt, und zwar weil Siebenbürgen – wie Joseph II. betonte – steuerlich höher belastet war als Ungarn.
In der Leibeigenenfrage war die Tendenz eindeutig positiv. Die siebenbürgische Variante des Josephinismus kann am besten dadurch charakterisiert werden, welche Maßnahmen diese Tendenz hervorbrachte. Joseph II. forderte während einer seiner Reisen in Siebenbürgen (1783) den siebenbürgisch-ungarischen Vizekanzler Pálffy auf, den Erlaß über die Abschaffung der Leibeigenschaft sofort zu verfassen. Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Kanzlei, aber der kaiserliche Erlaß vom 16. Juli 1783 sicherte den Leibeigenen das Recht zu, ohne Zustimmung des Grundherrn Ehen zu schließen, geistige und Handwerksberufe zu lernen und auszuüben sowie frei über ihr rechtmäßiges Eigentum zu verfügen. Im Sinne des Erlasses war es nicht gestattet, die Leibeigenen ohne richterliches Urteil von ihrer Hufe zu verjagen, aus einem Komitat ins andere umzusiedeln und von ihnen Dienste zu fordern, die im Gegensatz zu den bereits erlassenen vorläufigen Verordnungen standen. Bevor noch die Urbarialregulierung oder die Abschaffung der Leibeigenschaft realisiert wurden, brach 1784 einer der größten Bauernaufstände in der Geschichte des siebenbürgischen Feudalismus aus.

 

 

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