Siedlung und Urbanisierung

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Siedlung und Urbanisierung
Der Boden Daziens wurde durch die Eroberung staatliches Eigentum und verwaltungsmäßig in verschiedene Kategorien unterteilt (militärisches und municipales Territorium, kaiserlicher Besitz). Trajan verlieh Dazien kurz nach der Eroberung den Status einer Provinz. Die Ansiedlung in der Provinz hätte wohl kaum Anziehungskraft besessen, solange in dem neu eroberten Gebiet noch eine militärische Verwaltung existierte, die den Anschein der Unsicherheit vermittelte. Um die zivile Verwaltung zur Erledigung der Angelegenheiten der Bevölkerung einzuführen, mußte Trajan Zivilsiedlungen und -städte gründen, was spätestens 110–112 erfolgte. Der Kaiser siedelte in der von ihm gegründeten Colonia Ulpia Traiana Augusta (Sarmizegethusa) die Legionsveteranen der dakischen Kriege an. Es ist kaum anzunehmen, daß bei der Gründung die in diesem Umkreis lebenden und nicht geflüchteten Daker den Veteranen der Legionen gegenüber irgendwie bevorteilt wurden. Ohnehin gab es in dieser bergigen Gegend nicht sehr viel zur landwirtschaftlichen Bearbeitung geeigneten Boden, und eine Aussiedlung der Urbewohner war hier noch weitaus dringlicher als im Falle anderer Colonia-Gründungen. Diese Colonia blieb bis zur Herrschaft Hadrians die einzige Stadt der Provinz. Die neue Stadt bewahrte den Namen des Sitzes von Decebalus, Sarmizegethusa Regia, obwohl sie von der einstigen dakischen Hauptstadt 37 Kilometer westlicher lag und keinen dakischen Siedlungsvorgänger hatte.
Es entsprach römischer Praxis, die geographischen Namen der Urbevölkerung zu übernehmen. Die Bewahrung der einstigen Ortsnamen wurde dadurch möglich, daß die römische Armee das Gebiet im Laufe des ersten dakischen Krieges besetzte, als diese Siedlungen noch bestanden und sie deshalb deren Namen noch kennenlernten. Daß das tatsächlich so war, dafür ist der Kaiser selbst Zeuge. In seiner über die dakischen Kriege geschriebenen Arbeit hat Trajan die Aufmarschstationen notiert. Dem einzigen erhaltenen Bruchstück seines Tagebuches nach „…zogen wir von hier nach Bersobis und dann nach Aisisis“.
Es versteht sich von selbst, daß die Beibehaltung der von der Urbevölkerung gegebenen geographischen Namen nicht auch das Fortbestehen der einstigen Siedlungen bedeutete, besonders dann nicht, wenn die römische Stadt später anstelle eines aufgegebenen Militärlagers oder neben diesem 42gegründet wurde, wie das in Dazien die Regel war. Die Errichtung eines Lagers bedeutete eine Unterbrechung im Leben der eventuell dort vorhandenen dakischen Siedlung. Wenn das Lager in der weiteren Umgebung der Siedlung gebaut wurde, so übernahm man den Namen der Siedlung der Urbevölkerung, wie das z. B. in Pannonien im Falle Brigetios oder in Mösien im Falle Singidunums geschah. In Dazien macht das Beispiel von Sarmizegethusa Regia und Colonia Dacica darauf aufmerksam, wie frei die Eroberer die dakischen Ortsnamen bei der Namensgebung benutzten. Darum kann man die dakischen Namen der römischen Lager weder zur Identifizierung der dakischen Siedlungen noch zur Bestimmung einer dakischen Siedlungskontinuität heranziehen.
Zur Zeit der Organisation der Tres Daciae hat Hadrian zur Erledigung der Zivilangelegenheiten zwei neue Städte gegründet. In Dacia Inferior wurde aus der Zivilsiedlung (vicus) des Lagers von Drobeta am Ufer der Donau ein Municipium. Die Wahl dieses Platzes war dadurch bedingt, daß die Bedeutung der den nördlichen Brückenkopf der dortigen Steinbrücke bewachenden Siedlung durch den großen Verkehr schnell gestiegen und sie durch die vermehrte Bevölkerung geeignet war, die städtische Autonomie zu erhalten. In der nördlichen Provinz, in Dacia Porolissensis, bekam Napoca (Klausenburg) den Rang eines Municipiums.
Die Urbanisierung der Provinz ging schleppend voran. Die Einführung der Zivilverwaltung erforderte die Gründung der ersten Colonia und die der folgenden beiden wiederum die Gründung neuer Provinzen. Über Gründungsbedingungen und chronologische Reihenfolge der Entstehung der späteren Städte ist kaum etwas bekannt. Der Lagervicus von Romula (Reşca in Oltenien) wurde nach der Verlegung des Militärs vielleicht unter Antoninus Pius oder Mark Aurel zum Municipium. Mark Aurel verlieh der Zivilsiedlung neben dem Legionslager den Rang eines Municipiums (Apulum 1), und etwas später wird es bereits als Colonia erwähnt: Diese Rangerhebung kann spätestens unter Commodus erfolgt sein. Die Urbanisierung wurde unter der Herrschaft des Septimius Severus zu einem allgemein verbreiteten Prozeß. Die Canabae des Legionslagers von Apulum (Apulum II) und Potaissa wurden zu dieser Zeit Munizipien. Die Lagervicus Dierna (Orschowa) und Tibiscum (Zsuppa) wurden im 3. Jahrhundert Munizipien, vielleicht noch unter den Severern, Drobeta wurde Colonia. Potaissa und Apulum II verlieh Caracalla den Rang einer Colonia.. Die Stadt Malva kann vorerst noch nicht identifiziert werden: Einige sind der Meinung, sie sei mit Romula, anderen nach mit einer woanders zu suchenden, 230 Colonia gewordenen Stadt identisch.
Die Zahl der Städte Daziens betrug 11 bis 12, davon 3 oder 4 Munizipien und 8 Colonien (der Rang Ampelums ist ungewiß, die Identität Romulas und Malvas umstritten). Im Vergleich mit anderen Provinzen ist die Zahl der Städte gering. In dem kleineren Moesia Superior gab es 13 Städte und in dem nicht viel größeren Pannonien 20 bis 23 Städte. Während man bei den anderen Provinzen danach trachtete, ein sich über ihr gesamtes Gebiet erstreckendes gleichmäßiges Netz von Städten auszubauen, konzentrierte sich ein solches in Dazien auf die westliche Hälfte der Provinz.
In der gesamten Provinz fehlte in dem „Zivilisationsprozeß“ die Urbevölkerung, die anderswo eine so große Rolle spielenden civitates. Es scheint, daß gerade ihr Fehlen einer der wichtigsten Gründe für die erst späte, 43unter Septimius Severus erfolgte Verleihung des Stadtrechtes an einen bedeutenden Teil der Siedlungen (5 oder 6) war. In Dazien konnten Städte nur aus den nahe der Lager entstandenen Militärsiedlungen hervorgehen, denn allein dort entwickelten sich dazu geeignete, größere Gemeinschaften. Dafür aber bestanden im 2. Jahrhundert noch Hindernisse. Auf den unter militärischer Verwaltung stehenden Territorien lebten die Familienangehörigen der Soldaten, Veteranen, Händler und Handwerker. Mit der Municipiumwerdung dieser Siedlungen wäre aber auch die Aufgabe eines Teiles des Territoriums verbunden gewesen: Man hätte der Stadt die sie umgebende Flur anschließen müssen, obwohl diese bei der Versorgung des Militärs eine Rolle spielte. Zur Aufgabe des militärischen Territoriums konnte es erst unter Septimius Severus kommen. In der Stadtentwicklung verursachte dies die verspätete Urbanisierung Daziens. Der vielen Lager wegen war das als militärisches Territorium in Anspruch genommene Gebiet ausgedehnt. Zur Errichtung von größeren, von vornherein für Zivile gedachten Siedlungen waren jedoch durch die späte Eroberung und die geringe Zivilbevölkerung die Möglichkeiten nicht gegeben. Durch die kleine Zahl der Städte, zudem in einem begrenzten Gebiet (Westdazien), konnten sie nicht die Rolle übernehmen, erfolgreich und auf größeren Gebieten die römische Kultur zu verbreiten.
Die Ansiedlungen nach der Eroberung erbrachten offenbar kein befriedigenderes Ergebnis. In den 60er Jahren des 2. Jahrhunderts setzte dann auch die Abwanderung ein. Durch den langdauernden Krieg und die Pestepidemie hat die Vernichtung der Bevölkerung noch zugenommen, deren Mangel eine Entwicklung des städtischen Lebens verhinderte. Die schlechte wirtschaftliche Lage nach den Markomannenkriegen, die fehlende Städteautonomie verursachten Unruhen. Darum mußte man durch radikale Maßnahmen eine Verbesserung der Lage und die Besiedlung fördern. Dies hatte die Ius-Italicum-Verleihung zum Ziel. Spätestens unter Septimius Severus bekamen Sarmizegethusa, Napoca, Apulum, Potaissa und vielleicht auch Dierna die seltene Begünstigung der Grundsteuerfreiheit, um damit die Ansiedlung in Dazien erstrebenswert zu machen. Diese Maßnahmen waren zweifellos erfolgreich, denn durch Syrer und Ansiedler aus dem Osten stieg die Zahl der Bevölkerung. Zur gleichen Zeit – aber mit großer Verspätung – entstanden in der Severerzeit die Organisationen des provinzialen Kaiserkultes und des Provinziallandtages. Sehr auffallend ist das frühere Fehlen dieser – die bürgerliche Loyalität zum Ausdruck bringenden – Organisationen. Der Provinziallandtag war die die Städte und die Civitates der Urbevölkerung zusammenfassende höchste Organisation und hatte neben der Pflege des Kaiserkults die für die Bevölkerung wirklich wichtige Aufgabe der Interessenvertretung: Gegen den Statthalter konnte – nach Ablauf seines Mandats – wegen eventueller ungerechter Maßnahmen oder Machtüberschreitungen beim Kaiser Klage erhoben werden. Die Existenz einer solchen Organisation in Dazien vor der Machtergreifung der Severer ist nicht bewiesen, aber dann bezeugen zahlreiche Inschriften ihre Existenz. Die mit dem Sitz des Provinziallandtages im Zusammenhang stehende Bezeichnung „metropolis“ in dem Namen Sarmizegethusa kommt erst unter Severus Alexander (222–225) auf.
Die ungewöhnlich späte Einführung des Provinziallandtages hat wahrscheinlich zwei Gründe gehabt: Einerseits erachtete es die Regierung im 442. Jahrhundert wegen der geringen Städtezahl weder als notwendig, den Provinziallandtag einzuführen, noch den Kaiserkult besonders zu fördern. Die Zeremonien des Kaiserkultes wurden in den Lagern ohnehin regelmäßig vorgenommen, in den Städten wiederum versahen die augustales diese Aufgabe. Andererseits hielt die Regierung die lokale Bevölkerung für zu geringfügig, auch fehlte die Civitas-Organisation. Unter den Severern aber stieg mit der Zahl der Städte auch die der Zivilbevölkerung, und dadurch schienen die Bedingungen für den Provinziallandtag und eine Kaiserkultorganisation auf provinzialer Ebene gegeben. Den obersten Priester des Kaiserkultes bezeichnete man nach dem Sprachgebrauch in den östlichen Provinzen als coronatus, als Kranztragenden.
Die Städte und ihre höheren Organisationen waren bis zur Severerzeit entstanden. Zu dieser Zeit bestand Dazien bereits seit einem Jahrhundert und hatte in seiner Geschichte noch zwei bis drei friedliche Jahrzehnte vor sich, wodurch der Romanisierung der Städte ebenfalls Grenzen gesetzt waren.
Über die dörflichen Siedlungen ist wenig bekannt. Es scheint, daß durch das urbanisierte Gebiet auch die Verbreitung von Dorfwirtschaften beeinflußt wurde. Für solche Zentren des Grundbesitzes errichtete Gebäude kamen insbesondere in der westlichen Hälfte der Provinz, hauptsächlich in Siebenbürgen, und auch dort in der Nähe von Städten zum Vorschein. Die Hauptgebäude waren im allgemeinen nicht sehr groß, sie hatten meistens einen Grundriß von 400 m2. Die Innengestaltung war einfach, der fehlende Luxus (keine Mosaiken, Wandmalereien, Marmorverkleidung usw.) deutet darauf hin, daß die Villen Klein- oder Mittelgrundbesitzern gehört haben. Aus der für landwirtschaftliche Zwecke besser geeigneten Ebene Olteniens sind kaum Dorfwirtschaften bekannt.

 

 

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