Die Wiedergeburt der rumänischen Nationalbewegung

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Die Wiedergeburt der rumänischen Nationalbewegung
Die Stürme der 30er Jahre trafen die rumänische Gesellschaft Siebenbürgens ziemlich unvorbereitet. Denn in ihrem Kreis war die Kontinuität der Aufklärung ebenso gebremst, das kulturelle Leben der Siebenbürger Rumänen zog sich wieder in den kirchlichen Bereich zurück. Wesentlich ungünstiger als für die ungarische waren die gesellschaftlichen und institutionellen Voraussetzungen für eine rumänische Nationalbewegung, doch ihr in der ungleich höheren Bevölkerungszahl angelegtes Potential erhielt im Rahmen der bürgerlichen Umgestaltung völlig neue Möglichkeiten, sich in Richtung einer politischen Bewegung als Träger ihrer nationalen Forderungen zu entfalten. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte ja Inochentie Micu-Klein unter Hinweis auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit seine Forderung nach nationaler Gleichberechtigung der Rumänen durchzusetzen 466versucht, sowie noch zusätzlich damit argumentiert, daß sie als Mehrheitsvolk auch den größten Beitrag zu den Staatsausgaben beisteuern würden.
Ihre Eingliederung in die ständische Gesellschaft der drei Nationen als nunmehr vierte erwies sich schon deshalb als unmöglich, da die Rumänen mehrheitlich in Erbuntertänigkeit lebten und deshalb überhaupt kein politisches Gewicht besaßen. Nun aber hatte die bürgerliche Umgestaltung mit der Bauernbefreiung die gesellschaftliche Emanzipation der Rumänen auf die Tagesordnung gesetzt, und die rumänische Intelligenz verband den Anspruch auf gesellschaftlichen Aufstieg mit der Anerkennung als Nation. Die Nationalbewegung begann, eine moderne politische Ideologie zu entwickeln, um ebenfalls eine Beteiligung an der Macht fordern zu können, doch lag zwischen Ideen und Möglichkeiten, Ansprüchen und Voraussetzungen noch immer ein tiefer Abgrund.

Karte 18. Mittel- und Hochschulen 1846
467Die dynamischste Schicht der rumänischen.Gesellschaft Siebenbürgens bildete die Intelligenz, die den von den Kirchen gewährten Bewegungsspielraum als viel zu eng empfand. Diesen kirchlichen Rahmen versuchte sie aber nicht zu sprengen, da die Schule eng mit der Kirche verflochten war. In den 30er Jahren konnte die Blasendorfer griechisch-katholische Schule erweitert und zum Lyzeum erhoben werden, mit jährlich bereits 250 Schülern und einem erwachenden geistigen Leben, was eine Annäherung an die ungarischen Städte mit ihren tausend Schülern (Straßburg, Klausenburg, Hofmarkt, Neumarkt) bedeutete, in denen es übrigens ebenfalls viele rumänische Schüler gab. Von den 1200–1300 Schülern an den katholischen Gymnasien im Jahre 1847 waren ebenfalls ein Drittel und von den 250 Schülern des Klausenburger Lyzeums fast ein Viertel Rumänen. Unter den 200 Rechtspraktikanten an der Königlichen Tafel von Neumarkt fanden sich auch 30 Rumänen.
So relativ gering an Zahl die rumänische Intelligenz auch noch war, wurden dennoch mehr von ihnen ausgebildet, als gebraucht wurden, und ihre Arbeitsplatzsorgen waren daher noch drückender als bei den Ungarn und Sachsen. Insgesamt konnten 30-40 Rumänen die Beamtenlaufbahn einschlagen und auch das nur auf unterer Ebene. Zwar gab es viele rumänische Geistliche (1400 griechisch-katholische, 1100 orthodoxe), doch wurden im allgemeinen die weniger ausgebildeten, aber auch geringere Gehälter beanspruchenden Seminaristen bei der Besetzung der Ämter den Absolventen der Hochschulen vorgezogen. Als 1849 die Rumänen selbst erhoben, wer von den früheren Würdenträgern und Stellungslosen sich für eine Beamtenlaufbahn eignete, kamen bezeichnenderweise kaum mehr als 300 Personen mit Gymnasialausbildung in Frage, von denen fast die Hälfte nicht älter als 30 Jahre war. Nach Schätzungen verläßlicher Zeitgenossen konnte dennoch ein Fünftel der „zahlreichen walachischen Intelligenz“ in ihrer Ausbildung entsprechenden Berufen unterkommen, ein Fünftel, das „das Gesetzesstudium beendet“* hatte, übernahm mangels Besserem die väterliche Wirtschaft und lebte von seinem Bauernhof, zwei Fünftel wanderten in die Donaufürstentümer aus und ein Fünftel magyarisierte sich.
George Bariţ an Samu Wass. Kronstadt, 10. Dez. 1841. Biblioteca Academiei RSR (Bucureşti), Ms. rom. 973, 263–264.
Eine solche Assimilation wurde aber von der nationalen Erweckungsbewegung immer wirksamer unterbunden. Selbst wer besser ungarisch sprach als rumänisch, unterstützte begeistert die Sache der rumänischen Nation, weil in ihm das Bewußtsein seiner ethnischen Zugehörigkeit noch lebendig war. Die junge rumänische Intelligenz stand unter einem weit größeren Druck als die ungarische: Sie mußte es hinnehmen, nur geduldet zu sein, gerade wenn sie aus der leibeigenen Bauernschicht hervorgegangen war. Ähnlich ihren Vorfahren schöpfte sie ihr Selbstwertgefühl aus der sorgsam behüteten Idee ihrer römischen Abstammung. Diese Idee bot ihnen Sicherheit und eine entscheidende Orientierungshilfe für ihr Bestreben, den Kult der ungarischen Liberalen um Sprache und Nation aufzunehmen und umzusetzen in eine emotional genauso starke Verehrung der eigenen Sprache und Nation. Sándor Bölöni Farkas’ Nordamerikabuch war auch für sie das Feuerzeichen aus einer neuen Welt. Immer mehr wurden vom romantischen Glauben an die Sendung der Volkmassen ergriffen.
468Eine qualitative Wende in der Orientierung und Lageanalyse der Siebenbürger Rumänen bewirkte die Entwicklung der Donaufürstentümer, insbesondere deren Programm, die kulturellen und politischen Bestrebungen der Rumänen in den verschiedenen Ländern zu vereinigen. Von den Mitgliedern der Siebenbürger Schule war allein Ioan Piuariu-Molnar jenseits der Karpaten gewesen. Seit den 20er Jahren nahm die Auswanderung der rumänischen Intelligenz Siebenbürgens und Ungarns in die Moldau und Walachei beachtlich zu, vermutlich eine Folge der sich beschleunigenden Entwicklung der rumänischen Kultur jenseits der Karpaten sowie der wachsenden Zahl der einheimischen Intelligenz.
In Reaktion auf den 1821 ausgebrochenen griechischen Freiheitskampf und den mit diesem verflochtenen, von Tudor Vladimirescu angeführten Freiheitskampf in der Walachei besetzte die Pforte die Throne der Donaufürstentümer nicht mehr mit griechischen Fanarioten. Während der fünfjährigen militärischen Besetzung nach dem russisch-türkischen Krieg von 1828 ließ General Kisseljow für die Fürstentümer eine modernere Verfassung der ständischen Repräsentation ausarbeiten, deren Bojarentum in zunehmendem Maß die aufblühende Nationalkultur als ihr Betätigungsfeld entdeckte. Die zur puritanischen Lebensform neigenden Siebenbürger Rumänen fühlten sich in der Welt der rumänischen Fürstentümer oft als Fremde, da sich in dieser Elend und Luxus, Elemente der östlichen mit der der westlichen Kultur vereinigten. Doch war ihnen zugleich klar, daß sie dort sich ihrer Berufung besser hingeben konnten. Sie vermittelten die „dakorumänische“ Geschichtsbetrachtung, welche sich die rumänische nationale Erweckungsbewegung begeistert aneignete und diese mit den Ideen des französischen und deutschen Liberalismus verband. Petru Maiors 1812 in Ofen erschienene rumänische Geschichte wurde zur Bibel der jungen Generation und Siebenbürgen im nationalen Bewußtsein „zum immerwährenden Asyl der rumänischen Nationalität“,* weshalb man auch den einstigen Michael den Tapferen als Schöpfer der rumänischen nationalen Einheit zu verehren begann.
N. BALCESCU, Mersul revoluţiei in istoria Românilor (Der Revolutionsablauf in der rumänischen Geschichte). Paris 1850. Mitgeteilt in ders., Opere (Werke). I. Bucureşti 1953, 309
Das Schwergewicht der rumänischen Nationalentwicklung verschob sich in Richtung Fürstentümer, und dennoch konnte in Siebenbürgen, in Kronstadt, jenes Presseorgan (Gazeta de Transilvania mit seiner Beilage Foaie pentru minte, 1838) gegründet werden, das das Bewußtsein der rumänischen Solidarität am wirkungsvollsten zu pflegen vermochte.
Getragen vom Unternehmungsgeist der rumänischen Kaufleute Kronstadts und dem weiten geistigen Horizont der Blasendorfer Jugend entstand die moderne rumänische Presse Siebenbürgens. Die Kronstädter rumänische Bürgerschaft befand sich auf der Höhe ihrer Erfolge, ihre reichsten Mitglieder zogen aus der traditionsreichen Vorstadt Bolgárszeg (Schei) in die sächsische Innenstadt und wollten nun als Nation auch an der Führung der Stadt partizipieren. Gleichzeitig bemühten sie sich, die gesamte Gesellschaftsschicht der Ost-Kaufleute der Stadt in den Dienst der rumänischen nationalen Ziele zu stellen, und versuchten deshalb auch, einen Buchverlag zu begründen.
Wie sehr sich die Ansprüche der rumänischen Leserschaft änderten, beweist der Mißerfolg der 1837 gegründeten rumänischen „literarischen“ 469Wochenzeitung. Die zumeist deutschen Blättern entnommenen, unterhaltsamen Geschichten fanden kein Interesse. Der Kronstädter Drucker Johann Gött erhielt hingegen ebenfalls die Genehmigung zur Herausgabe rumänischer Zeitungen, deren Redaktion er dem jungen George Bariţ überließ, der gerade aus Bukarest zurückgekehrt war und als Lehrer an einer von Kaufleuten gegründeten Schule unterrichtete.
Die Kronstädter rumänischen Blätter wurden sehr populär, selbst in den Fürstentümern. Sie hatten pro Jahr 500–800 Abonnenten (gegenüber den jahrelang nur 300 der zwei Bukarester Zeitungen in den 40er Jahren). Ihr Erfolgsgeheimnis lag darin, daß sie die Probleme einzelner Gruppen der Rumänen unter einem einheitlichen nationalen Gesichtspunkt darstellten, wobei sogar die Berichte über die ungarischen gesellschaftlichen Reformbestrebungen noch als Anreiz wirkten. Die Sympathie für den Zaren als orthodoxen Herrscher versuchten sie mit dem Argument zu vermindern, daß Religion und Nationalität keineswegs identisch seien. (Auch das Wort naţionalitate wurde durch die Gazeta de Transilvania zum Bestandteil des rumänischen Wortschatzes.) Daraufhin wurden sie vom russischen Konsul in Bukarest in den Fürstentümern verboten.

 

 

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