Die politischen Bestrebungen der Rumänen

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Die politischen Bestrebungen der Rumänen
Als der ungarische Sprachgesetzvorschlag auf dem Landtag von 1841 an die Öffentlichkeit gelangte, sah die rumänische Intelligenz in ihm eine tödliche Bedrohung der nationalen Existenz ihres Volkes. Selbst wenn die ungarische Sprache nur auf die bisher lateinsprachigen Bereiche des Staatslebens ausgedehnt werden sollte, würde sich für die rumänische Intelligenz vorerst nichts ändern, wurde doch im Landtag und im Komitatsleben schon bisher ungarisch gesprochen. In der Verwaltung spielte das Rumänische – wie der Alltag das forderte – in der Rechtsprechung auf einfacher Stufe auch bisher bereits eine Rolle: Die Beamten verkehrten rumänisch mit dem Volk. Die ungarischen Sprachbestrebungen durchkreuzten in erster Linie die Vorstellungen und Hoffnungen der nationalen Entwicklung. Die Gruppe der Führer und Sprecher der ungarischen Liberalen distanzierte sich vergeblich von jeder gewaltsamen Magyarisierung, die Rumänen reagierten immer empfindlicher auf den Sprachgesetzvorschlag, wollte dieser doch das Ungarische nicht nur an den Blasendorfer Schulen, sondern auch für die Matrikelführung vorschreiben. Und wenn die Unterrichtssprache an den Grundschulen auch offen blieb, fürchtete man, daß auch sie früher oder später das Ungarische werden würde.
Blasendorf war aufgeschreckt wie ein Bienenkorb, den Widerstand leitete der Philosoph Simion Bărnuţiu. Ausgehend von den naturrechtlichen Thesen und dem Liberalismus der kantianischen Philosophie Krugs und der Ansicht Herders entwickelte er sein philosophisches System, das Axiom von den natürlichen Rechten der Selbstverwirklichung des Einzelnen, übertrug dieses auf die Nationsgemeinschaft und verband es mit dem Sprachnationalismus seiner Zeit: Die Sprache ist Maßstab und Mittel der Kultur, „ir ihr wurzeln Charakter und Nationalität eines Volkes“, weshalb sie „untrennbar ist von unserer Seele, Religion und von allem, was uns auf dieser Erde am heiligsten 470und wertvollsten ist“.* Er stellte der Auffassung vom ungarischen einheitlichen Nationalstaat die Forderung nach dem Multinationalitätenstaat gegenüber und verlieh dem nationalen Bestreben eine spezifische kulturelle Ausrichtung: „Kultur und Glück sind die Hauptziele jedes siebenbürgischen Volkes, welche die Ungarn auf dem ungarischen, die Sachsen auf dem sächsischen und die Rumänen auf dem rumänischen Wege, jeder auf seinem naturgegebenen Wege erreichen wollen. Alle diese Wege sind rechtens, seit Jahrhunderten gingen wir sie in Frieden, und sie münden in dem Hauptweg vom allgemeinen menschlichen Glück und Kultur.“* Die ungarischen Bestrebungen zensurierte er mit moralischen Kategorien, während er anerkennend von der ungarischen Philosophie und den gesellschaftlichen Reformbestrebungen des Landtags sprach. So durchzog seine Argumentation noch nicht jener große Widerspruch seiner Zeit, obwohl sein Ausspruch von den Rumänen als den Kolonisten Trajans, die nicht schlafen, sondern sich zu großen Taten rüsten, auch schon den auf das Recht der Geschichte gegründeten Hegemonietraum bedeuten könnte, der später über den humanen Gedanken vom angestrebten Multinationalitätenstaat siegen sollte.
S. BĂRNUŢIU, O tocmeală de ruşine şi o lege nedreaptă (Ein beschämender Pakt und ein ungerechtes Gesetz). Mitgeteilt in: GH. I. BOGDAN-DUICA, Viaţa şi ideile lui Simion Bărnuţiu (Leben und Ideen von Simion Bărnuţiu). Bucureşti 1924, 201, 204.
Ebd., 211
Fast einhellig protestierte die rumänische Gesellschaft Siebenbürgens gegen den Sprachgesetzvorschlag. Als jedoch die Ungarn alle die Rumänen unmittelbar verletzenden Bezüge fallen ließen, zerfielen die rumänischen politischen Bestrebungen in verschiedene Richtungen. Politisches Handeln blieb allein den Bischöfen vorbehalten, vorrangig dem griechisch-katholischen, der als Regalist am Landtag teilnehmen konnte. Der Blasendorfer Bischof Ioan Lemény wählte die Zusammenarbeit mit den ungarischen führenden Kreisen. Mit Ioan Moga hatte er noch 1835 ein Gesuch in Wien eingereicht, in dem er auf der Linie des Supplex Libellus Valachorum um eine Garantie der rumänischen nationalen Rechte ersuchte. Deren Ablehnung bewog ihn dazu, gemeinsam mit dem orthodoxen Bischof die Forderung nach Beilegung der Gravamina der Rumänen vom Königsboden in den Mittelpunkt seiner Forderungen zu rücken. In einem neuerlichen Gesuch beanstandeten sie, daß die Rumänen vom Königsboden dem lutherischen Pfarrer den Zehnten zahlten, bei der Ämterverteilung benachteiligt und bei der Weidenutzung eingeschränkt seien. (Die Sachsen beriefen sich dagegen auf ihre Privilegien, wonach jeder Dorfbewohner, der eine sächsische Hufe bewirtschaftet, an den lutherischen Pfarrer abgabenpflichtig ist. Mit Recht konnten sie auch darauf verweisen, daß die sächsischen Landwirte viel höhere Steuern zahlten als die von der Schafhaltung lebenden Rumänen. Zweifelsfrei genossen die Rumänen im Sachsenland auch größeren Wohlstand und mehr Freiheit als die Komitatsbauern.)
Diese rumänischen Forderungen griff der ungarische Adel nicht nur aus taktischen Gründen auf, um die sächsische Politik in Schach halten zu können, sondern auch deshalb, weil sie mit der ungarischen adligen Rechtsanschauung und der liberalen Weltsicht prinzipiell übereinstimmten. So war es mehr als eine Taktik, wenn Lemény auf dem Landtag im Namen der gesamten rumänischen Nation hervorhob, von ungarischer Seite sei „seit 1791 niemals 471eine walachische Klasse oder Person, nur weil walachisch, unterdrückt und von der Besetzung öffentlicher Ämter ausgeschlossen worden“.*
Az Erdélyi Nagyfejedelemség s hozzá visszakapcsolt Részek három nemes nemzeteiből álló rendeinek Kolozsvár szabad királyi városában 1841-ik év november 15-ik napján kezdődött országgyűlésökről készített jegyzőkönyv (Protokoll des am 15. November 1841 in der königlichen Freistadt Klausenburg begonnenen Landtags der aus den drei adligen Nationen bestehenden Stände des Siebenbürger Großfürstentums und des ihm wieder angeschlossenen Partiums). Kolozsvár 1841, 715.
Die Politik der rumänischen Bischöfe unterstützten neben den Rumänen aus dem Sachsenland hauptsächlich jene selbstbewußten rumänischen Adligen, die darauf vertrauten, die liberale Verfassung werde stufenweise auch die Verwirklichung der rumänischen Nationalansprüche ermöglichen. Alexandru Bohăţel machte in der Klausenburger ungarischen Presse „im Namen mehrerer Gefährten seiner Nation“ darauf aufmerksam, daß das ungarische Sprachgesetz den rumänischen Sprachgebrauch in der Gemeinde nicht berühre, und „da Siebenbürgen ein ungarisches Land“ sei, sollen „die Söhne meiner Nation ihre Sprache als Walachen pflegen und das Ungarische wie Bürger der Heimat lernen“.*
Rechtsanwalt Sándor Boheczel auch im Namen mehrerer nationaler Mitstreiter: Komoly szó a Gazeta de Transilvániához (Ein ernstes Wort an die Gazeta de Transilvania). Erdélyi Hiradó, 3. März 1843, Nr. 18.
Zum größten Problem aber entwickelte sich die Frage, wer das Recht habe, im Namen der Nation zu sprechen. Die Blasendorfer Lehrer mißbilligten überwiegend die Politik der Bischöfe. Sie verlangten die Einberufung einer Synode, in erster Linie Bărnuţiu, der die Kirche zum bildungspolitischen Interessenvertretungsorgan machen wollte. Lehrer und Jugend begannen gegen die Kirchendisziplin aufzubegehren. Ostern 1843 sprang der Zündfunke über: Der Bischof schloß einen Schüler von der gründonnerstäglichen Fußwaschung aus, woraufhin auch die übrigen der Zeremonie fernblieben. Am Gymnasium und Lyzeum kam es zur Spaltung; schließlich stellte die Regierung die Ordnung wieder her, entfernte einige aufrührerische Lehrer mit Brachialgewalt, darunter auch den Organisator Bărnuţiu mit einem Dutzend Schüler, die dann als Märtyrer der nationalen Sache durch Siebenbürgen zogen.
Die Kronstädter rumänische Presse verhielt sich gegenüber den Ereignissen und Problemen des politischen Lebens neutral. Bariţ mißbilligte die Kampagne gegen Lemény und wollte in erster Linie vermeiden, daß die Rumänen unvorbereitet ins Labyrinth des politischen Lebens gerieten. Statt ein Programm zu liefern, bemühte er sich um eine kartographische Erfassung der Ethnostruktur des Landes und um einen Dialog zwischen den Nationen. So mahnte er z. B. die ungarischen Liberalen, sich zu mäßigen und die Forderungen der Siebenbürger Rumänen zu erfüllen. Er versuchte deutlich zu machen, die Anerkennung der Rumänen als „vierte Nation“ sei rechtens und billig und nicht einfach ein feudales Bestreben, vielmehr gehe es hier um einen nationalen Anspruch, der auch die Rechtmäßigkeit aller Bestrebungen der übrigen Nationalbewegungen anerkenne und Hegemonieabsichten auf jeder Seite einschränke. Konsequent mißbilligte er auch das sich auf die Gleichheit der adligen Freiheit berufende antisächsische Taktieren der Rumänen. Damit sprach er alle in den verschiedensten Lebensbereichen miteinander konfrontierten Parteien zugleich an: „wen beschuldigen wir 472dessen, daß er als Ungar, Szekler, Sachse, Rumäne, Armenier usw. unter dem gleichen Klima, im gleichen Tal, am gleichen Fluß das Licht der Welt erblickt? [ …] Warum berufen wir den Geist unserer Ahnen noch aus dem Grab, uns gegenseitig erschreckend?“*
Gazeta de Transilvania, 15./27. Dez. 1847. Nr. 100.

 

 

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