Die bürgerliche Revolution in Siebenbürgen

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Die bürgerliche Revolution in Siebenbürgen
Die Entstehung einer Konfliktsituation, die die Gefahr eines Bürgerkrieges in sich trug, hing eng mit der Strukturkrise des Reiches und der Verschleppung der bürgerlichen Revolution zusammen. Allerdings zeigten sich in Ungarn ähnliche chronische Krisensymptome. In Ofen hatte der Oberbefehlshaber auf die Demonstranten schießen lassen; ein nicht geringer Teil des Offizierskorps betrachtete die ungarische Regierung als Gegner. Der Banus von Kroatien leistete offenen Widerstand, die Serben strebten nach dem Status eines von Ungarn unabhängigen selbständigen Kronlandes und lösten in Südungarn den Bürgerkrieg aus. Am 15. Mai brach jedoch in Wien erneut die Revolution aus, was die Position der ungarischen Regierung im Kampf um die Union gegenüber den Anhängern einer Reichszentralisation am Hof stärkte. Ministerpräsident Batthyány entwaffnete seine Gegner und gewann den Herrscher mit der Taktik, für die Verteidigung der „Gesamtmonarchie“ aufzutreten. Unter Berufung hierauf rief er schon am 19. Mai die Szekler zu den Waffen, um sie auf dem Schauplatz des Bürgerkrieges in Südungarn einzusetzen. Am 29. Mai versprach König Ferdinand, an der Eröffnung der ungarischen Volksvertretung des Parlaments Anfang Juli teilzunehmen, und unterstellte den Generalkommandant von Siebenbürgen entgegen dem Votum der österreichischen Regierung dem Palatin Ungarns, Erzherzog Stephan, der als königlicher Statthalter bis zum September mit der ungarischen Regierung zusammenarbeiten sollte. Und da Generalkommandant Antal Puchner zugleich königlicher Kommissar des Siebenbürger 489Landtags war, bedeutete diese Anweisung zugleich auch den Befehl, sich nicht in die Gesetzgebungsarbeit einzumischen.
Die Beharrlichkeit der ungarischen Liberalen, die revolutionäre Stimmung Klausenburgs sowie Erwägungen über die Folgen der Wiener Revolution und die Entwicklung der außenpolitischen Situation entschieden sehr bald die Frage der siebenbürgischen Union. Die ungarische Öffentlichkeit gab mit ihrer Losung „Union oder Tod“ dem Wissen um die Notwendigkeit einer Selbstverteidigung Ungarns Ausdruck. In ihrer Entschiedenheit bestärkte sie aber auch das Wissen von der Union als friedlicher Revolution. Die ungarische Einschätzung der nichtmagyarischen Bestrebungen wurde davon überschattet, daß man hier eher das Wirken einer „verborgenen Hand“ zu sehen glaubte, eine direkte Verbindung zwischen der nationalen Radikalisierung der Rumänen und Sachsen und den stärker werdenden Wünschen nach Zentralisierung des Reiches. Unheildrohende Gerüchte kursierten, die Konservativen wollten Siebenbürgen zur Vendée machen.
rIn einer hitzigen, bis in die Nacht reichenden Debatte stimmten die Landtagsabgeordneten der Sachsen mehrheitlich der Union zu. Ausschlaggebend waren die Argumente des Schäßburger Abgeordneten Carl Gooss über die zu erwartenden positiven Folgen der bürgerlichen Verfassungsentwicklung und der deutschen Einheitsbestrebungen. Am 30. Mai konnte der Klausenburger Landtag – mit seinen drei rumänischen Mitgliedern – dann in einmütiger Begeisterung die Wiedervereinigung der „beiden Schwesterländer“ beschließen.
Das erste Gesetz „über die Union Ungarns und Siebenbürgens“ kodifizierte die bürgerliche Gleichheit: „infolge [der Wiedervereinigung] werden die im Schwesterland Ungarn deklarierte und eingeführte Rechtsgleichheit aller Einwohner auf die gleiche Weise auch hier für alle Bewohner des Landes, ohne Unterschied der Nation, Sprache und Religion, als ewiges und unveränderliches Prinzip anerkannt und die diesem widersprechenden bisherigen Gesetze hiermit als erloschen erklärt“.* Die Wiedervereinigung garantierte das Institutionensystem der bürgerlichen Verfassung, weil aber das ungarische Wahlrechtsgesetz auf Siebenbürgen nicht anwendbar war, mußte in Klausenburg ein gesondertes Wahlrechtsgesetz beschlossen werden. Da die weitere Regelung der spezifischen siebenbürgischen Verhältnisse aber bereits in die Kompetenz des neuen gesamtungarischen Parlaments fallen sollte, wurde sofort ein sog. Unionsausschuß bestellt, um an der Ausarbeitung der Gesetzesvorschläge der Regierung teilzunehmen.
Magyar Törvénytár. 1540–1848. évi erdélyi törvények (Ungarisches Gesetzbuch. Siebenbürgisehe Gesetze 1540–1848). Hrsg. S. KOLOZSVÁRI, D. MÁRKUS, K. ÓVÁRI Budapest 1900, 667–668.
Am 6. Juni beschloß der letzte siebenbürgische Ständelandtag das von den Liberalen erarbeitete Gesetz zur Bauernbefreiung und legte den 18. Juni als Datum der Aufhebung der Urbariallasten fest. Gubernator József Teleki veröffentlichte das Gesetz ohne königliche Sanktion landesweit, wie dies auch der ungarische Ministerpräsident im März getan hatte. Mehr als 160 000 Familien (fast die halbe Bevölkerung) waren nun von den Urbariallasten befreit. Da anstelle feudaler Besitzverhältnisse jetzt bürgerliche Eigentumsverhältnisse entstehen mußten, war die entscheidende Frage, wer in welcher 490Menge Boden als frei verfügbares bürgerliches Eigentum erhalten sollte. Die Bestimmung der Propositionen der Besitzaufteilungen und Anteilsgrößen als Grundlage der gesellschaftlichen Schichtung war gleichfalls Aufgabe des Parlaments, doch fixierte dessen Gesetz mit seinem Kompromißcharakter nicht klar, wo die Grenzen zwischen Allodial- und Urbarialböden lagen, was zum früheren Adelsbesitz und was zum früheren Urbarialbauerneigentum gehören sollte. Festgelegt war hingegen, daß ohne Gerichtsurteil die Bauern und Häusler nicht in der Nutzung des „in ihren Händen“ befindlichen Bodens eingeschränkt werden dürften. Sollte der Status des von ihnen genutzten Bodens ungeklärt sein, waren sie bis zum Gerichtsentscheid der Dienstleistungen ledig. In diesem Punkt kamen die bäuerlichen Interessen noch stärker zum Tragen als in der Preßburger Vorlage: Das Motiv zu solch gesetzgeberischer Selbstbeschränkung der Adligen war gleichermaßen ethisch wie pragmatisch und lag zum einen im selbstgesetzten Anspruch auf soziale Gerechtigkeit und Billigkeit, zum anderen aber in der zu erwartenden hohen Zahl möglicher Streitfälle. Nach den Vorstellungen der Liberalen konnte so mindestens ein Drittel mehr an Acker und Wiesengrund zum Eigentum der befreiten Bauern werden als nach den Daten der Cziráky-Konskription. Verständlicherweise fühlte sich der Adel durch diese schnelle Veränderung im selbstgeschaffenen Mythos der eigenen Großherzigkeit nur bestätigt.
Das Gesetz schrieb die staatliche Entschädigung der Grundherren vor. Damit verschonte es die Bauern davor, im Tausch für die Aufhebung der Dienste den früheren adligen Grundherrn direkt mit Geld entschädigen zu müssen wie in den österreichischen Erblanden oder mittels Abgabe eines Teils des Bodens wie z. B. in Preußen. Im Prinzip gelangte die siebenbürgische Bauernschaft unter relativ günstigen Bedingungen auf die Entwicklungsbahn des bürgerlichen Zeitalters, wobei allerdings die Gegebenheiten und Möglichkeiten der Warenproduktion wesentlich bescheidenere als selbst die ungarischen waren.
Die unzureichend definitive Regelung der Feudalbesitzverhältnisse blieb noch jahrzehntelang eine Quelle von Kämpfen und Zwistigkeiten, und wer kein Grundeigentum erhalten hatte, blieb auch weiterhin zur Dienstleistung in Form von Arbeit gezwungen. Dennoch war die siebenbürgische Bauernbefreiung eine wichtige und frühe Station bei der Beseitigung des Feudalismus in Osteuropa. Im russischen Reich und den rumänischen Fürstentümern gelang es erst eineinhalb Jahrzehnte später, die Feudalinstitution der Leibeigenschaft aufzubrechen, ohne jedoch dort in der Folge jene Klein- und Mittelbauernschichten entstehen zu lassen wie in Siebenbürgen. Diese durchaus auch als Positivum in der Sozialentwicklung der Siebenbürger Rumänen gewertete Schicht bäuerlicher Kleinbesitzer verdankte ihre Existenz nicht zuletzt den fortschrittlichen Teilmaßnahmen der Bauernbefreiung.
An den Doktrinen der Liberalen orientiert, verfolgte die ungarische Nationalitätenpolitik auch in Siebenbürgen vorerst weiter die Linie der Reformzeit. Gern hätten es wohl einige Rumänen gesehen, wenn der Landtag gleichsam als Geste der historischen Wiedergutmachung die Rumänen als „vierte Nation“ anerkannt hätte, noch bevor das Nationensystem aufgehoben wurde. Der Ungar Károly Szász formulierte einen Gesetzentwurf, dessen zentrale Passage lautete: „Die walachische Nation, die nach den früheren Gesetzen ihrer Heimat verschiedenen Pressionen und der Unterordnung unterworfen […] wird von den übrigen anerkannten Nationen Siebenbürgens 491hiermit als gleichberechtigte und den gleichen Pflichten obliegende mit großer Freude in ihren brüderlichen Kreis aufgenommen: und statt des alten Namens dieser Nation, Walache (oláh), an den sich die Erinnerungen an Unterdrückung und verschiedenste Unbilligkeiten knüpfen, sollen sie von nun an […] den Namen Rumäne (román) benutzen.“* Doch waren die ungarischen Liberalen zu vorsichtig, aber auch zu doktrinär, um dies zu akzeptieren. Da die Frage auch die Rumänen in Ungarn berührte, wollten sie nicht der Arbeit des Pester Abgeordnetenhauses vorgreifen und begnügten sich mit einem Landtagsbeschluß, der „alle Pressionen und Unterordnungen beseitigte, die im Sinne der bisherigen Gesetze hinsichtlich der verschiedenen siebenbürgischen Völker und vorzüglich der Walachen sowie der verschiedenen Religionen bestanden“.* Es wurde auch ein Gesetzesvorschlag verfertigt, der die Orthodoxie zur anerkannten Religion erklärte. Damit konnten aber die Spannungen bei weitem nicht in dem Maße abgebaut werden, wie dies der ursprüngliche Vorschlag von Károly Szász bewirkt hätte. Zudem gelang es dem Herrscher dadurch, daß er der rumänischen Delegation aus Blasendorf die gesetzliche Erfüllung der rumänischen Ansprüche – und zwar als Auftrag der ungarischen Regierung – in Aussicht stellte, erneut die Rolle des Beschützers der Rumänen zu spielen.
Mitgeteilt von A. MISKOLCZY, Társadalmi és nemzeti kérdés az utolsó erdélyi rendi országgyűlésen (Die soziale und nationale Frage auf dem letzten Siebenbürger ständischen Landtag). Sz 1979/5, 875.
Zitiert von MISKOLCZY, a. a. O., 881.
Die Mehrheit der ungarischen liberalen Staatsmänner und Politiker bestand in der Frage des öffentlichen Sprachgebrauchs auf der Allgemeingültigkeit der Staatssprache und sah in jeglichem Nachgeben den Beginn eines gewaltigen Dammbruches, der, einmal ausgelöst, die Ungarn der Gefahr der nationalen Unterdrückung aussetzen mußte. Sie vertraten so konsequent die Idee eines strukturell einheitlichen Nationalstaates, daß Wesselényi angesichts der Vertiefung der inneren nationalen und sozialen Gegensätze, aber vor allem angesichts eines möglichen österreichischen Versuchs zur Gegenrevolution und der drohenden Haltung des russischen Zaren am 10. Juni in seinem Schreiben an einen der Minister die Möglichkeit der Gründung eines ethnisch, genauer im Staatsbürgerbewußtsein einheitlichen, neuen, territorial kleineren ungarischen Nationalstaates erwog. Da er Vereinigungs- und Trennungsbestrebungen bei den Rumänen voraussetzte, hielt er einen Bevölkerungstausch für wünschenswert, bei dem die zwischen Rumänen siedelnden Ungarn ihren Wohnsitz mit dem der „näher zu den Grenzen des wirklich von Ungarn bewohnten Gebietes siedelnden“ Rumänen tauschen sollten. In liberalem Optimismus setzte er voraus, auch die Sachsen würden sich im neuen Ungarn eine neue Heimat suchen. Diese „noch beispiellose, aber nicht unmögliche […] Völkerwanderung […] wäre mittels dem Geist und der Kultur der jetzigen Zeit angemessener und friedlicher Traktaten durchzuführen“.* Dieser zwar rationale, aber nicht realisierbare Gedanke war noch in der Atmosphäre des drohenden Bürgerkriegs geboren. Mit der erstarkenden Position der ungarischen Regierung schien die Gefahr jedoch gebannt. Am 10. Juni sanktionierte der Herrscher das Unionsgesetz des Siebenbürger Landtages.
Miklós Wesselényis Brief an Gábor Klauzál. Klausenburg, 18. Juni 1848, zitiert von MISKOLCZY, a. a. O., 877–878.
492Die Leitung der siebenbürgischen Verwaltung und Rechtsprechung lag auch weiter in der Hand des Guberniums. Die Siebenbürgische Kanzlei in Wien war aufgelöst und durch die ungarische Regierung ersetzt worden. Als königlicher Kommissar wurde Graf Miklós Vay nach Siebenbürgen entsandt, der mit politischem Augenmaß und großer Umsicht viele lokale Konflikte glättete. Die umfassende Regelung der siebenbürgischen Verhältnisse fiel natürlich in erster Linie dem Parlament zu. Im übrigen ging die ungarische Regierung bei den nationalen Bedürfnissen der Rumänen von den Verhältnissen aus, wie sie in Ungarn selbst bestanden und die auf diesem Gebiet um vieles günstiger als in Siebenbürgen waren. Die Mehrheit der Rumänen in Ungarn verlangte im allgemeinen den Gebrauch der Muttersprache in Verwaltung, Schule und Kirche und vermied es sorgfältig, die Forderung nach einer gesonderten politischen Nation zu stellen. Das kleine Lager derer, die vor allem im Banat mit kämpferischeren nationalen Ansprüchen auftraten, besonders die Grundbesitzer und Geistlichen, wuchs sich erst später zu einer regelrechten habsburgorientierten und Territorialautonomie fordernden Richtung aus. Den Gegenpol hierzu bildeten die rumänischen Adligen von Marmarosch, die sich „ungarische Bürger“ rumänischer Zunge nannten und auf der ungarischen Verfassung bestanden.
Hauptanliegen der Rumänen in Ungarn war zunächst die Autonomie der rumänischen orthodoxen Kirche. Sie wollten sich aus den Banden der kirchlichen Hierarchie unter serbischer Führung befreien, und da sie sich von den serbischen Bestrebungen bedroht fühlten – das serbische Nationalprogramm vom Mai erhob auch auf erhebliche von Rumänen bewohnte Gebiete Anspruch –, suchten sie Unterstützung bei der ungarischen Regierung; dies umso mehr, als die bürgerliche Verfassung, wie sie in den Preßburger Gesetzen niedergelegt war, in vieler Hinsicht Garantien bot für die Entwicklung ihres Volkes und der sich mit ihm identifizierenden Intelligenz. Auch die bäuerliche Unzufriedenheit brach sich nicht mit solcher Vehemenz Bahn wie in Siebenbürgen. Eftimie Murgu, der 1845 unter der Anklage des Dakoromanismus und der Volksaufwiegelung verhaftet und im März 1848 auf die Forderung der Pester ungarischen Radikalen hin aus dem Gefängnis entlassen wurde, berief mit Einwilligung der ungarischen Regierung für Ende Juni eine Volksversammlung nach Lugosch ein. Dort wurde unter Berufung auf die serbischen Bestrebungen um die Aufstellung einer rumänischen Nationalgarde gebeten, des weiteren um kirchliche Selbständigkeit und die Benutzung der rumänischen Sprache in der Verwaltung. Anstelle weitgesteckter, im allgemeinen aber doch ferner liegenden Zielsetzungen suchten die Bewohner von Bihar, aus der Umgebung von Kővár und dem Banat nach Möglichkeiten, ihre direkten, alltäglichen nationalen Ansprüche zu verwirklichen, und paßten sich besser der Politik der ungarischen Regierung an. Die Union fand unter dem Aspekt einer internen Integration des Rumänentums ihre begeisterte Unterstützung. Im Zeichen dieser Integration konnte der Kronstädter Bariţ betonen, „die neuen Gesetze Ungarns und Siebenbürgens annullierten sämtliche das rumänische und andere Völker unterdrückende Gesetze“, und die neuen Gesetze „ließen sämtliche Punkte“ der Blasendorfer Versammlung Wirklichkeit werden, „mit Ausnahme der im engsten Sinne des Wortes verstandenen Nationalität“.*
Gazeta de Transilvania, 14./26. Juni 1848, Nr. 48.
493Die liberale Verfassungsmäßigkeit gestaltete sich allerdings nicht frei von Widersprüchen. Aus Sorge vor einem rumänischen Übergewicht setzten die Klausenburger Gesetzgeber bei der Kodifizierung des siebenbürgischen Wahlrechtsgesetzes den Zensus zu hoch an; in den Komitaten war das Wahlrecht an jährliche Steuerzahlungen von mindestens 8 Silbergulden gebunden, und die früheren Wähler behielten durchweg ihr Wahlrecht. Von den 73 siebenbürgischen Abgeordneten hätten auch so noch 14 Rumänen sein können. Es wurden jedoch nur 6 gewählt, vor allem wohl deshalb, weil die alten Wahlbräuche und Loyalitäten noch lebendig waren. (Im engeren Ungarn wurden 15–16 Rumänen Parlamentsabgeordnete.) Dies löste bei der Intelligenzschicht der die siebenbürgische Bevölkerungsmehrheit stellenden Rumänen zu Recht Frustrationen aus. Bei einem niedrigen Zensus wäre wiederum die politisch erfahrene Schicht der Grundbesitzer stärker abgedrängt worden, zu einer Zeit, in der Vermögen und geistiges Kapital die Grundlage bedeuteten für eine Teilnahme an der politischen Macht. Kurzfristig erwies sich der Liberalismus als ungeeignet, die Voraussetzungen für einen allseits akzeptablen Kompromiß zu schaffen. Langfristig dagegen sicherte er die bürgerliche Entwicklung des Rumänentums und die Möglichkeit, sich nach einiger Zeit als gleichrangige Partner gegenüberzustehen.
Vorerst vertrauten die Führer der rumänischen Nationalbewegung darauf, daß nun, nachdem im Juni endlich die Revolution auch in der Walachei ausgebrochen war, die provisorische Regierung in Bukarest die Forderungen der Siebenbürger Rumänen bei der ungarischen Regierung konsequent würde durchsetzen können, war doch auch diese an einem Bündnis mit der Walachei interessiert. Dessen Voraussetzung war für die Siebenbürger Rumänen die Garantie ihrer nationalen Rechte. Aus diesem Grunde und aus einer gewissen Enttäuschung über das heimische politische Leben heraus warnte Bariţ die Leser seines Blattes: „das Schicksal der rumänischen Nation wird in Bukarest und Iaşi, nicht aber in Klausenburg, Blasendorf oder Ofen entschieden“.* Deshalb beteiligte er sich an der Vorbereitung der walachischen Revolution, indem er verschiedene Kampfaufrufe veröffentlichte, und stellte sogar die Waffenhilfe der Siebenbürger Rumänen in Aussicht, während er sich häufig über das rumänisch-ungarische „natürliche Bündnis“ und die daraus resultierenden Verpflichtungen ausließ.
G. BARIŢ, Terorismul străin in Moldavo-România (Fremder Terrorismus in Moldavo-Rumänien). Gazeta de Transilvania, 27. Mai/8. Juni 1848, Nr. 43.
Die Idee des rumänisch–ungarischen Bündnisses und die darauf basierenden Bestrebungen nach einer Donaukonföderation waren in den Pariser polnischen Emigrantenkreisen entstanden, gleichzeitig mit den Bemühungen um die Einheit und Unabhängigkeit der rumänischen Nation. So wie diese Vorstellungen einander durchkreuzten, konnten sie sich das andere Mal auch miteinander verbinden. Ein rumänischer Staat vom Dnjestr bis zur Theiß erregte als Wunsch und Vision viele rumänische, besonders aber walachische Gemüter. Dieser Wunsch mußte aber auf lyrische Bekenntnisse und konspirative Planspiele beschränkt bleiben, denn ihn öffentlich und laut zu betonen, hieß außenpolitische Gefahren heraufzubeschwören. Gerade unter Hinweis auf die sog. dakorumänischen Bestrebungen drohte der russische Außenminister mit der militärischen Besetzung der Donaufürstentümer, und auch die kaiserliche Militärführung in Siebenbürgen betrachtete die dakorumänischen 494Pläne mit Mißtrauen. Auf der Blasendorfer Versammlung sprach Bărnuţiu öffentlich nur vom Erfordernis kultureller nationaler Einheit sowie davon, daß eine Nation auch unter mehreren Regierungen existieren könne.
Entgegen der österreichischen Orientierung wollten die Protagonisten der walachischen Revolution in Anlehnung an die Donaukonföderationspläne der Pariser polnischen Emigration die nationalen Freiheitsbestrebungen der Rumänen und Ungarn zusammenführen. Das neue, in seiner Mitgliederzahl und Existenzform noch unbestimmte Staatensystem sollte als Bollwerk gegen den zaristischen Absolutismus zu einem Element der europäischen Politik werden.
Diese edle Absicht scheiterte nicht an der Haltung von Einzelpersönlichkeiten, sondern mangels vorteilhafter objektiver Bedingungen. Die ungarische Regierung konnte sich auf diese, jeder europäischen Unterstützung entbehrenden Unternehmungen gar nicht erst einlassen. Eher neigte sie zum Bündnis mit den Donaufürstentümern, was jedoch dadurch erschwert wurde, daß formal der Gesamtreichsrahmen weiterbestand. Die walachischen Regierungsbeauftragten unternahmen aber in diesem Bereich auch dann nicht viel, wenn sie Anweisungen für die Zusammenarbeit mit den Ungarn bekamen. Vorerst dominierte in der Außenpolitik der walachischen Revolution die Tendenz, die Hoffnung auf Verwirklichung der nationalen Einheit der Rumänen an das künftige Deutschland zu knüpfen. So empfahl beispielsweise der walachische Staatsmann A. G. Golescu, obwohl er seinen Landsleuten die ungarische Bauernbefreiung als Vorbild darstellte, den Siebenbürgern schon im Sommer das Bündnis mit den Kroaten und den Sachsen, die zum willfährigen Werkzeug der Gegenrevolution geworden waren. Seine Briefe wurden von ungarischen Regierungsorganen abgefangen und beeinträchtigten natürlich das ungarisch-rumänische Verhältnis erheblich. Gleichzeitig suchten auch die deutsch Orientierten nach Kompromissen, denn gerade der Delegierte der walachischen Regierung in Deutschland loan Maiorescu, der später seine Eingaben an die Frankfurter Nationalversammlung richten sollte, mißbilligte ebenfalls das Bündnis der Siebenbürger mit den gegenrevolutionären Kräften.
Die rumänischen Antipathien wuchsen noch angesichts der Schwächen und Verzögerungen der ungarischen Nationalitätenpolitik sowie einiger expansionistischer Stimmen. Die ungarische Seite war sehr darum bemüht, im europäischen System der Mächte den Platz zu suchen, der Ungarn eine moderne nationale Existenz gewährleisten sollte, und glaubte ihn mit der Übernahme des Erbes der Habsburgermonarchie auch gefunden zu haben. Als es so schien, als sollten die österreichischen Erblande zu Teilen des vereinten Deutschlands werden und damit die Selbständigkeit Ungarns stabilisieren, huldigten die ungarischen Staatsmänner – wie auch die ausländischen Beobachter – dem naiven Glauben, die rumänischen Donaufürstentümer würden sich freiwillig der ungarischen Krone anschließen.
Diese etwas realitätsfernen Äußerungen und Inkonsequenzen der rumänischen wie der ungarischen Außenpolitik waren zugleich ein Spiegelbild der Instabilität der außenpolitischen Verhältnisse in Europa. Auch unter dem Aspekt eines rumänisch-ungarischen Bündnisses wirkten sich die inneren Schwächen und äußere Bedrohung beider Revolutionen nachteilig aus. Die walachische Revolution kannte zwar kein Nationalitätenproblem, vermochte aber die Bauernbefreiung nicht durchzusetzen. Ende September zogen 495türkische und später dann russische Truppen in Bukarest ein, um dem Revolutionsversuch ein Ende zu bereiten.
Die fortschrittliche ungarische Öffentlichkeit – auch in Siebenbürgen – betrauerte in der Niederlage der walachischen Revolution zu Recht das Ende eines möglichen Bundesgenossen und Revolutionsgefährten, stand doch inzwischen auch Ungarn der Angriff der Gegenrevolution und seinem siebenbürgischen Landesteil sogar der Bürgerkrieg bevor.

 

 

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