Krieg in Italien und Aktionen der ungarischen Emigration

Full text search

Krieg in Italien und Aktionen der ungarischen Emigration
Das im Krimkrieg als europäische Macht aufgetretene Piemont gewann die Unterstützung Napoleons III. für die von ihm angeführten italienischen Einheitsbestrebungen; es rüstete sich daher für einen Krieg, um die Habsburger aus Italien zu vertreiben. Auch in der Geschichte der ungarischen Emigration beginnt nun ein neues Kapitel. Piemonts Ministerpräsident Cavour wird zur Hauptstütze Kossuths und seiner Anhänger, und die Emigration unternimmt den Versuch, als eigenständiger Verbündeter der sich gegen Österreich zusammenschließenden Mächte aufzutreten. Anfang 1859 wurde Alexandru Ion Cuza zum gemeinsamen Herrscher der beiden rumänischen Fürstentümer gewählt, der anfänglich eine österreichfeindliche Politik betrieb und die ungarische Emigration begünstigte.
Als sich 1859 die Koalition gegen Österreich abzeichnete, wurden Vorbereitungen zur Aufstellung einer ungarischen Legion auf italienischem Boden und zur Errichtung einer zweiten, ungarischen Front getroffen. Napoleon III. sandte den ehemaligen Honvedgeneral Klapka zu Cuza, um den neuen Fürsten als Verbündeten zu gewinnen. Klapka schloß mit ihm ein Militärabkommen ab, das durch eine politische Vereinbarung ergänzt wurde. Cuza gab seine Zustimmung zur Einrichtung ungarischer Waffenlager in der Moldau. Als Gegenleistung versprach Klapka im Namen Ungarns, Cuza bei der geplanten Eroberung der Bukowina sowie der Organisation der rumänischen Soldaten in Sondereinheiten zu unterstützen. Er versprach auch die Gewährung der individuellen und (auf dem Gebiet der Religion und Bildung) der kollektiven nationalen Gleichberechtigung sowie der Selbstverwaltung der Gemeinden und Komitate. Als Fernziel stellte er eine Konföderation Ungarns mit Serbien und den rumänischen Fürstentümern in Aussicht. Der Hauptpunkt der ergänzenden Vereinbarung bezog sich jedoch auf die künftige Zugehörigkeit Siebenbürgens. Dieses Land sollte eine eigene Regierung erhalten, wenn sich eine zukünftige Landesversammlung gegen die 1848 verkündete Union aussprechen würde. Das war das Maximum dessen, was die Emigration in der siebenbürgischen Frage nachzugeben bereit war.
Dieses Abkommen konnte jedoch nur teilweise realisiert werden. Die Niederlage Österreichs stellte sich mit der Schlacht von Solferino im Juni 1859 so schnell ein, daß der ungarische Aufstand nicht mehr einzuleiten war. Die Emigrantenregierung – das Ungarische Nationale Direktorium, das auch den Vertretern Siebenbürgens einen Platz einräumen wollte – war damit gezwungen, seine Waffentransporte einzustellen. Die Niederlage auf dem Schlachtfeld faßten die oppositionellen Kräfte des Reiches als Niederlage des Absolutismus und den Auftakt für politische Veränderungen auf. (Die ohnehin als politisches Verhalten gewertete „Steuerverweigerung” nahm solche Ausmaße an, daß die Hälfte der siebenbürgischen Haushalte mit Strafmaßnahmen belegt wurde; im engeren Ungarn erhielt der Fiskus nur ein Siebentel der direkten Steuer auf dem vorgeschriebenen Wege.) Der Monarch dachte an Zugeständnisse und entließ Bach und Kempen, die beiden Hauptprotagonisten der Willkürherrschaft.
535Die Wellen der von Pest ausgehenden politischen Bewegung hatten Siebenbürgen rasch erreicht. Nach der Kazinczy-Gedenkfeier der Akademie wurden auch in den Städten Siebenbürgens Gedenkabende veranstaltet, wobei in den Festreden die Verflechtung von Literatur und Politik keineswegs verheimlicht wurde. Sammlungen für kulturelle Zwecke, das Studium der ungarischen Literatur und des ungarischen Staatsrechts wurden zu echten politischen Modeerscheinungen. Ende November reiste unter der Leitung von József Eötvös eine Delegation der Akademie nach Klausenburg, um dort die Gründungsversammlung des Siebenbürgischen Museumsvereins mit Festbeleuchtung der Stadt und einem Fackelzug mit Transparenten „Gott segne die beiden Bruderländer” festlich zu begehen. Auf dem anschließenden Bankett wurden oppositionell gefärbte Reden gehalten, und ein sächsischer lutherischer Pastor artikulierte im Namen der Kronstädter Sachsen seine Freude über das im Entstehen begriffene Einvernehmen der Völker seiner Heimat.
Die rumänische Bevölkerung Südsiebenbürgens hatte bereits zu Jahresbeginn die Union der Moldau und der Walachei mit Freuden begrüßt, die Polizeiberichte sprachen aber auch von Sympathien für die Italiener und Garibaldi. Bis zum Ende des Jahres glaubten die Sicherheitsorgane, das Gespenst einer ungarisch-rumänischen bewaffneten Zusammenarbeit ausmachen zu können. Der Kommandant der Gendarmerie meldete, der unter ständiger Beobachtung stehende, seit Jahren kranke Avram Iancu habe im November in Topesdorf erklärt, er selbst werde in Kürze erneut führender Befehlshaber sein: „Auch das Szeklerland lebt noch, mit den Szeklern kann man ganz Europa erobern”.* Währenddessen weilten Agenten der ungarischen Emigration, insbesondere László Telekis, in Siebenbürgen, um dort Informationen zu sammeln und das zukünftige Verhalten der rumänischen Bevölkerung in Erfahrung zu bringen.
M. POPESCU, Documente inedite privitoare la istoria Transilvaniei între 1848–1859 (Unveröffentlichte Dokumente über die Geschichte Siebenbürgens zwischen 1848 und 1859). Bucureşti 1929, 306.
Einzelne Äußerungen der ungarischen Nationalbewegung wurden auch von den Rumänen und Sachsen mit Sympathie aufgenommen. Viele von ihnen nahmen an den die gesamte Provinz mobilisierenden Széchenyi-Requiems teil. Bei einem Violinkonzert von Ede Reményi in Klausenburg begrüßte das Publikum die von ihm vorgetragenen rumänischen Lieder mit stürmischen Ovationen. Auf der Bistritzer Hauptversammlung des sächsischen Vereins für Siebenbürgische Landeskunde im Sommer erschien gemeinsam mit den vornehmsten liberalen Grundbesitzern Siebenbürgens der 48er Minister, Schriftsteller und Philosoph Baron József Eötvös, um dadurch die Zusammenarbeit zu fördern. Das ganze Land wurde von einer Welle gegenseitiger Sympathien und Freundschaftserklärungen überflutet, doch beschränkte sich das Einvernehmen vorwiegend auf eine gemeinsame Verurteilung des Absolutismus. Wegen der tiefen Meinungsunterschiede über die Zukunft blieb die große Aufgabe der Vorbereitung eines möglichst wirkungsvollen Zusammenschlusses erneut der Emigration überlassen.
Als sich im Jahre 1860 Piemont im Interesse der italienischen Einheit auf einen neuen Krieg gegen das Habsburgerreich vorbereitete, schlossen die ungarischen Emigranten neue Vereinbarungen mit Cuza. Als Gegenleistung 536für das Versprechen, die Unabhängigkeit Rumäniens und die Durchsetzung der Nationalitätenrechte zu fördern, wünschten sie die Unterstützung der ungarischen Befreiungsbewegung und baten, Cuza möge mit seinem Einfluß zu verhindern suchen, daß sich die Siebenbürger Rumänen gegen die ungarische Nationalbewegung stellen. Die neuerlichen ungarischen Waffenlieferungen nach Rumänien blieben jedoch nicht geheim, so daß auf Druck der Großmächte die Waffen nach Italien zurückgeschickt werden mußten. So hielt der im Dezember bei Cuza eingetroffene Klapka seine Sache zunächst für verloren ähnlich Kossuth – und war vor allem über die Schwierigkeiten bei der siebenbürgischen Aussöhnung besorgt. Schließlich kam es am 8. Januar 1861 doch zu einer neuen Vereinbarung, die eigentlich eine Erneuerung des Abkommens von 1859 bedeutete, mit dem Unterschied, daß nun die Geheimhaltung der Vorbereitungen sowie die Idee einer dem rumänischen Fürsten später zu gewährenden Militärhilfe stärker betont wurden.
Doch auch diese Vereinbarung blieb nur ein Stück Papier. Cuzas Stellung festigte sich zunehmend, was ihn zugleich dazu bewog, jeder Auseinandersetzung mit Österreich vorsichtig auszuweichen. In der Moldau wurde die mit der ungarischen Sache sympatisierende Kogălniceanu-Regierung gestürzt – nicht zuletzt gerade wegen ihrer Sympathie für die Kossuth-Emigration. Entscheidend war jedoch, daß sich Piemont ohne Unterstützung Napoleons III. ziemlich und Cuza völlig machtlos fühlten. Eine französische Hilfe – und damit auch der Krieg – ließen noch immer auf sich warten.
Gegenseitige Sondierungen wurden noch einige Jahre hindurch wiederholt unternommen, solange die Emigranten sowie die ungarischen Politiker in der Heimat einen Zerfall des Habsburgerreiches für möglich erachteten. Die Rumänen forderten jedenfalls immer dezidierter ein von Ungarn separiertes Siebenbürgen.

 

 

Noviny Arcanum
Noviny Arcanum

Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť

Arcanum logo

Arcanum Adatbázis Kiadó, popredný poskytovateľ obsahu v Maďarsku, začal svoju činnosť 1. januára 1989. Spoločnosť sa zaoberá hromadnou digitalizáciou kultúrneho obsahu, jeho triedením do databáz a publikovaním.

O nás Kontakt Tlačové správy

Languages







Noviny Arcanum

Noviny Arcanum
Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť