Der liberale Zentralisierungsversuch

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Der liberale Zentralisierungsversuch
Insbesondere wegen der vielen, den Provinzen gemachten Zugeständnisse wandten sich das deutsch-österreichische Großbürgertum sowie die zentrale Bürokratie inzwischen offen gegen das Oktober-Diplom, während der gerade im Entstehen begriffene lokale Verwaltungsapparat in Ungarn eher die Opposition unterstützte. Die demonstrativen ungarischen und rumänischen Nationalfeierlichkeiten, die Steuerverweigerungen, die vor allem unter den rumänischen Bauern in den Forst- und Weidebesetzungen manifest gewordenen sozialen Spannungen verringerten das Ansehen der neuen Ordnung, noch bevor sie überhaupt wirksam geworden war.
Mitte Dezember 1860 nahm der anfänglich liberal gesinnte Anton von Schmerling, der unter Einsatz absolutistischer Mittel einen gemäßigten bürgerlichen Parlamentarismus schaffen wollte, eine Schlüsselstellung in der Regierung ein. Das am 26. Februar 1861 erlassene sog. Februar-Patent gab mit seiner zentralistischen Uminterpretation des Oktober-Diploms dem ganzen Reich eine „Verfassung”. Die Zentralisierung des Gesamtreiches neuen Typs wurde zum offiziellen Regierungsprogramm erhoben. In das 343 Mitglieder umfassende Abgeordnetenhaus des Reichsrates konnte Ungarn 85, Siebenbürgen 26 und Kroatien 9 Vertreter entsenden. In dem Patent wurde natürlich nicht von einer dem Parlament verantwortlichen Regierung sowie 539von einer ministeriellen Gegenzeichnung der Beschlüsse des Monarchen gesprochen. Dieser konnte unter Umgehung des Landtages zu jeder Zeit direkt Abgeordnete in das Reichsparlament wählen lassen, so daß er im Notfalle jahrelang scheinbar auf der Basis liberaler Grundprinzipien regieren konnte, d. h. ohne das ungarische Parlament einzuberufen.
Verständlicherweise nahmen die ungarischen Liberalen all das, was Franz Joseph und seine Minister ihrerseits in einer Sondervereinbarung als äußerste Zugeständnisse betrachteten, mit großer Abneigung auf. Das im April 1861 zusammentretende ungarische Parlament forderte mit dem Inkrafttreten der Gesetze von 1848 die Schaffung bzw. Wiederherstellung eines in den inneren Angelegenheiten völlig selbständigen bürgerlichen ungarischen Staates. Demgemäß bestand es darauf, daß auch die gewählten Abgeordneten Siebenbürgens und sogar Kroatiens an seiner Arbeit teilnähmen, wozu es allerdings nicht kam. Aus den ethnisch gemischten Gebieten, dem Banat, aus Arad, Bihar, Sathmar und Marmarosch, entsandte man übrigens 19 rumänische Abgeordnete ins Pester Parlament, die völlig abweichend von ihren siebenbürgischen Politikerkollegen die Zukunft der Nationalitäten auf dem Wege einer Übereinkunft mit den ungarischen Kräften zu sichern suchten.
Um ein gemeinsames Auftreten herbeizuführen, nahm Deák in seine berühmte Parlamentsadresse von 1861, welche die Grundprinzipien der ungarischen liberalen Politik zusammenfaßte, auch das Anliegen einer dringenden Lösung der Nationalitätenfrage auf; Eötvös wiederum rief einen Parlamentsausschuß zur Vorbereitung eines gesonderten Nationalitätengesetzes ins Leben, in dem zwölf nicht-magyarische Abgeordnete mitarbeiteten und der bereits im August 1861 seinen Vorschlag vorlegte: „Die Bürger Ungarns aller Zungen bilden in politischer Hinsicht selbstverständlich eine Nation, die dem historischen Begriff des ungarischen Staates entsprechende einheitliche und unteilbare ungarische Nation”, aber zugleich wurde auch die Forderung erhoben, daß die Ungarn, Slowaken, Rumänen, Serben, Deutschen und Ruthenen „als gleichberechtigte Nationalitäten anzusehen sind”,* denen es freistehe, ihre eigenberechtigten Nationalitätenforderungen auf der Grundlage ihrer individuellen und der Vereinigungsfreiheit ohne jede Einschränkung durchzusetzen. Der Vorschlag garantierte in den Gemeinden und Komitaten den freien Sprachgebrauch und sprach den Nationalitätenkomitaten und -gemeinden das Recht zu, in ihrer eigenen Sprache miteinander zu korrespondieren sowie in dieser auch die offiziellen Dokumente herauszugeben. In einem Sondervorschlag der Ausschußminderheit akzeptierten die rumänischen Abgeordneten Vlad und Popovici den Begriff der „politischen Nation” mit der Modifizierung, daß sie die jeweilige Individualität der einzelnen Nationalitäten hervorhoben („sie werden als mit der ungarischen gleichberechtigte Nationen anerkannt und bilden in ihrer Gesamtheit die politische Nation Ungarns”).* In seinen Details wies dieser Entwurf in Richtung einer Föderation der speziellen Nationalitätengebiete.
GY. SZABAD, a.a.O., 558.
I. MIKO, Nemzetiségi jog és nemzetiségi politika (Nationalitätenrecht und Nationalitätenpolitik). Kolozsvár 1944, Budapest 21989, 179.
Das Pester Parlament des Jahres 1861 konnte schließlich kein Gesetz verabschieden, denn Ende August wurde es durch Franz Joseph und 540Schmerling aufgelöst, da es nicht bereit war, sich dem Herrscher zu unterwerfen und zu einer Einigung mit ihm zu gelangen, sondern vielmehr auf die Wiedereinführung aller 1848er Gesetze bestand.

 

 

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