Kampf um die lokale Macht

Full text search

Kampf um die lokale Macht
Gegen den komplexen ungarischen Widerstand unternahm Schmerling den Versuch, wenigstens in Siebenbürgen einen Landtag einzurichten, der die neue Regelung akzeptierte. Damit wäre das Gewicht der Pester Ablehnung verringert und die Zerschlagung der ungarischen Opposition beschleunigt worden.
Im Sommer 1861 versprach Schmerling den Rumänen, den Wahlrechtszensus auf 4,5 Forint (die Hälfte dessen von 1848) zu senken, was eine rumänische Landtagsmehrheit garantiert hätte. Franz Joseph wiederum erklärte einer rumänischen Delegation sogar zweimal: „Ich kann Ihnen versichern, meine Herren, daß was die Union Siebenbürgens und Ungarns betrifft, ich diese Union niemals genehmigen werde.”*
Corespondenţa lui Ioan Raţiu cu George Bariţiu (1861–1862) (Korrespondenz von Ioan Raţiu und George Bariţiu [1861–1862]). Hrsg. von K. HITCHINS und L. MAIOR, Cluj 1970, 51.
In dem im Frühjahr 1861 entstandenen System der Doppelherrschaft, im Widerstreit des von Kemény und Mikó im Sinne einer maßvollen Union geleiteten Apparates und der zentralistischen Schmerling-Regierung wurde in Siebenbürgen der lokale Verwaltungsapparat aufgebaut. Im Frühjahr 1861 verfügte der Monarch auch für Siebenbürgen die Abschaffung der absolutistischen inneren Verwaltung, die Wiederherstellung und Reorganisation der Komitate, Stühle und königlichen Freistädte auf der Grundlage der Selbstverwaltung.
Die Taktik der ungarischen Liberalen war darauf ausgerichtet, im Einvernehmen mit der Pester Opposition und teilweise dem Rat des emigrierten Kossuth folgend, auf der Basis der Munizipalinstitution den Kampf gegen die Wiener Zentralisierungsbestrebungen aufzunehmen. Die lokale Macht hatte bis 1848 der Vollversammlung des Munizipiums unterstanden; diese wählte und kontrollierte die Verwaltungsbeamten und Gerichte, legte die Steuerbemessung fest sowie die allgemeinen Richtlinien für den politischen Kurs im jeweiligen Territorium. Bei der Bildung der Komitatsausschüsse sowie den Beamtenwahlen erlangte die Grundbesitzer- und Intellektuellengruppe um János Bethlen d. J. und Domokos Teleki im Frühjahr 1861 eine Reihe bedeutender Positionen im politischen und administrativen Leben Siebenbürgens. Unter Ausnutzung der damit gebotenen Möglichkeit wandte sie sich sowohl gegen das Oktober-Diplom wie gegen das Februar-Patent, bestand auf „Einhaltung der Verfassung”, auf Wiederherstellung der Gesetze von 1848 und forderte, die Union Siebenbürgens als ein auch gesetzlich sanktioniertes Faktum anzusehen, infolge dessen auch die Abgeordneten Siebenbürgens zu dem sich damals versammelnden Pester Parlament eingeladen werden sollten.
Die große Frage war, inwieweit ein praktisches Einvernehmen mit den Vertretern der Rumänen erzielt werden konnte. Diese hatten zwar den überwiegenden Teil der 48er Gesetze, die Maßnahmen zur Bauernbefreiung 541und Verbürgerlichung gebilligt. Gestärkt durch die Unterstützung der Wiener Regierungskreise, bestanden sie jedoch auf der Autonomie Siebenbürgens. Sie forderten eine Garantie der Freiheitsrechte auf nationaler Grundlage, lehnten dabei aber außer der Union auch die ungarische Auffassung ab, daß die Nationalitätenfrage in erster Linie durch Garantie der individuellen und kulturellen Rechte gelöst werden könnte. Die Magyaren akzeptierten, daß in den mehrheitlich rumänischen Gebieten Nösnerland und Fogarasch eine rumänische Verwaltung aufgebaut werde (Ober-Fehér und Hunyad wurden ebenfalls von rumänischen Obergespanen geleitet). Auf dem Königsboden hielt man eine gewisse Expansion der Rumänen für wünschenswert, in den Komitaten aber – diesen uralten Bastionen der ungarischen Politik – war man höchstens dazu bereit, die Rumänen an der Verwaltung partizipieren zu lassen. Die Komitatsausschüsse wurden in der Regel aus den noch lebenden 48er Mitgliedern gebildet, doch ein Viertel von ihnen und ein Teil der Beamtenstellen wurde von den Obergespanen mit Rumänen besetzt. „Man sucht die Rumänen für die Ämter, wie man sich die Soldaten angelt“* –schrieb der Korrespondent der Gazeta Transilvaniei aus Doboka. Die rumänische Sprache fand nicht nur im öffentlichen Leben Berücksichtigung, sondern wurde in einzelnen Gebieten sogar vorherrschend. Im Nösnerland hielt selbst der Vorsitzende auf der Gründungssitzung der Munizipalbehörde, Regierungskommissar Graf Gábor Bethlen, seine Eröffnungsrede in rumänischer Sprache …
Foaie pentru mime, inimă şi literatură, 26. April 1861. Zitiert von S. RETEGAN, Dieta românească a Transilvaniei (1863–1864) (Rumänischer Landtag Siebenbürgens [1863–1864]). Cluj-Napoca 1979, 48.
Zwischen der patrizisch-bürokratischen Führung der Sachsen und den Vertretern der auf dem Königsboden an Zahl und Vermögen bereits bedeutenden rumänischen Bürgerschaft gab es in der Frage der Union keine Meinungsunterschiede: Beide Seiten lehnten sie in der Regel ab. Zu schweren Konfrontationen zwischen ihnen kam es aber schon in der Frage des rumänischen Anteils an der Verwaltung. Im Vergleich zu den Komitaten waren die Rumänen hier in einer benachteiligteren Lage. Sachsenkomes Salmen wollte die mit dem Prinzip der bürgerlichen Gleichberechtigung bereits kaum zu vereinbarende (1805 eingeleitete) Restauration dadurch modernisieren, daß er ein oder zwei Ämter den Rumänen überließ. Erstmals in der mehrjahrhundertjährigen Geschichte gelangten damit vier Rumänen als Abgeordnete in die Nationsuniversität. Eine große Delegation ersuchte Salmen darum, die Nationsuniversität möge aus elf sächsischen und elf rumänischen Abgeordneten, der Senat vom Stuhl Hermannstadt ebenfalls aus einer gleichen Anzahl rumänischer und sächsischer Senatoren gebildet werden, und bei der Wahl der Stuhlbeamten dürften die Rumänen nicht länger benachteiligt werden.
Während in den Komitaten die rumänische Intelligenz im Gegensatz zur ungarischen Besitzerklasse für sich die Unterstützung Wiens erhoffte, wurden die Beschwerden der Rumänen vom Königsboden auf traditionelle Weise vom ungarisch geleiteten Gubernium oder Hofkanzler Ferenc Kemény voller Entgegenkommen behandelt. Auch die ungarische Presse war bemüht, den Kampf der Rumänen im Sachsenland zu unterstützen.
542Bis zum Herbst 1861 war die Reorganisation der Munizipien abgeschlossen. Wie bereits erwähnt, war ein relatives politisches Gleichgewicht zwischen den einzelnen Nationen entstanden, an dem nun bereits auch die Rumänen Teil hatten. Ruhe war damit jedoch noch nicht eingetreten. In den von Magyaren geleiteten Komitaten waren es die politischen Wortführer der Rumänen, in den von Rumänen geleiteten Munizipien die der Magyaren, welche gegen die Hegemonie der jeweils anderen Seite protestierten und mit feierlichem Verlassen der Komitatssitzungen, mit passivem Widerstand und Protest-Denkschriften deutlich machten, daß sie die entstandenen Machtverhältnisse nicht als Lösung akzeptieren wollten.
Ein Gesamtkonzept für die Bewältigung der nationalen Gegensätze wurde erneut von der Emigration ausgearbeitet.

 

 

Noviny Arcanum
Noviny Arcanum

Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť

Arcanum logo

Arcanum Adatbázis Kiadó, popredný poskytovateľ obsahu v Maďarsku, začal svoju činnosť 1. januára 1989. Spoločnosť sa zaoberá hromadnou digitalizáciou kultúrneho obsahu, jeho triedením do databáz a publikovaním.

O nás Kontakt Tlačové správy

Languages







Noviny Arcanum

Noviny Arcanum
Zaujíma Vás, čo o tejto téme písali noviny za posledných 250 rokov?

Zobraziť