Unionslandtag in Klausenburg

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Unionslandtag in Klausenburg
Wenn es Schmerlings Politik auch nicht gelang, den Widerstand der ungarischen Liberalen zu brechen, so erzielte sie doch Erfolg bei dem Versuch, ihn aufzuweichen. Der lange andauernde Absolutismus hatte der besitzenden Klasse keinen wirtschaftlichen Aufstieg beschert, wohl aber in den Jahren 1860–1862 zu neuen Belastungen geführt, da auch die öffentliche Rolle teuer kam: Sie mußte gewissermaßen die Verwaltung der gesamten Mikó-Periode auf eigene Kosten übernehmen. Ihre nicht abgegrenzten, im Rahmen der Bauernbefreiung bislang noch keiner Regelung unterworfenen Besitzungen verloren viel von ihrem Wert. Nach Aussage des gut informierten rumänischen Oberkapitän vom Land Fogarasch hätte man den gesamten Boden Siebenbürgens für ein paar Millionen aufkaufen können. Der Zwang, einen Ausweg suchen zu müssen, stärkte das Lager jener, die sich mit dem Hof einigen wollten.
Im Frühjahr 1865 begannen mit Deáks berühmtem „Osterartikel” die Vorbereitungen für den Ausgleich. Deák erklärte, die ungarischen Interessen, die Gesetze von 1848, ließen sich mit „dem festen Bestand des Reiches” vereinen, und betonte eine der wichtigsten Forderungen der ungarischen Liberalen, daß nämlich auch für die österreichische Reichshälfte eine konstitutionelle Regierung eingeführt werden müsse. Während der Sondierungen für den Ausgleich wurden am 26. Juni 1865 der ungarische Kanzler Zichy und der siebenbürgische Kanzler Nádasdy entlassen, wobei das Amt des letzteren der General der Kavallerie Graf Ferenc Haller übernahm. Auch die Seele des Systems, Schmerling, stürzte und wurde durch Graf Belcredi ersetzt. Wien fand sich mit der Wiederherstellung der Union ab, Franz Joseph rief Şaguna (er war Ende Dezember 1864 zum unabhängigen Erzbischof der orthodoxen Rumänen in Ungarn und Siebenbürgen ernannt worden) sowie 548Sachsenkomes Konrad Schmidt zu sich, denen er seine Ausgleichsabsicht mitteilte und eine Garantie der Rechte der nicht-magyarischen Nationen in Aussicht stellte, falls sich die Sachsen und Rumänen der neuen Situation anpassen würden.
Für den 19. November 1865 berief der Monarch einen neuen Landtag nach Klausenburg ein, dessen „einziger und ausschließlicher Gegenstand” die Neuverhandlung „des Gesetzes Nr. I vom Jahre 1848 über die Vereinigung Ungarns und Siebenbürgens” war. Die Munizipalverwaltung wurde wieder „restauriert”, wobei die 1861 gegründeten Gremien erneut in ihrer früheren Zusammensetzung zu arbeiten begannen.
Der Zensus für die neuen Wahlen wurde unter Berücksichtigung der Wahlrechte von 1791 und 1848 festgelegt, womit er weit höher als der von 1863 lag. Trotz der Erhöhung des Zensus scheint – mangels zuverlässiger Daten auf Schätzungen angewiesen – die Zahl der Wahlberechtigten um einige tausend höher gelegen zu haben als 1863. Nun konnten die das Bauernlos teilenden Kleinadligen „nach altem Recht” wieder wählen – und sie bildeten immerhin die Reserve der ungarischen politischen Kräfte.
Der politische Kurswechsel und das neue Wahlrecht wirkten auf die rumänische Intelligenz wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Der rumänische Vizepräsident des Guberniums meinte, auch dieser Versuch werde nur von kurzer Lebensdauer sein, man müsse nur auf seinen Mißerfolg warten. Er ermutigte den griechisch-katholischen Erzbischof Şuluţiu und seine Anhänger zum Widerstand, die daraufhin – dem jüngsten Beispiel der Magyaren folgend – den Boykott erprobten. Şuluţiu selbst wollte eine nationale Konferenz einberufen, für die er aber weder aus Wien noch aus Klausenburg eine Genehmigung erhielt. Im letzten Augenblick stimmten Bariţiu und seine Anhänger für eine Teilnahme an den Wahlen.
Die sächsische Nationsuniversität stellte sich gegen die neuen Maßnahmen, war aber dennoch bereit, am Landtag teilzunehmen, und akzeptierte „im Falle einer vorhergehenden staatsrechtlichen Garantie der munizipalen Verfassung ihrer sächsischen Nationalität” auch die Union.
Bei den Novemberwahlen hatte das Aufgreifen der Unionsfrage seitens des Monarchen ebenso eine psychologische Wirkung wie die Einengung des Kreises der rumänischen Wähler. Ihr sich der Union widersetzendes oder sie an konkrete Bedingungen knüpfendes Lager bestand aus 14 gewählten rumänischen Abgeordneten (und 34 Regalisten). Gegenüber den gewählten 59 Abgeordneten des ungarischen Lagers (sowie 137 Regalisten) geriet das aus den Rumänen und den 30 gewählten Sachsen (sowie 20 Regalisten) bestehende Lager der Nationalitätenabgeordneten in eine schwache Minoritätsposition. Auch ohne Regalisten besaßen damit die Unionsanhänger die Mehrheit.
Am 19. November 1865 wurde der Landtag vom Baron Ferenc Kemény eröffnet, der bereits 1848 Landtagspräsident gewesen war. Eigenartigerweise betrachtete kein Repräsentant der wichtigen politischen Kräfte den Landtag als rechtsgültig. Die Rumänen bezeichneten seine Einberufung als rechtswidrig und forderten die Fortsetzung des Hermannstädter Landtags. Auch die Mehrheit der ungarischen Abgeordneten betrachteten ihn als eine den Herrscher bloß beratende Versammlung, mit der einzigen Aufgabe, die Union von 1848 wieder einzuführen. Die vorherigen Kontaktaufnahmen zwischen ungarischen, rumänischen und sächsischen Politikern hatten kein Ergebnis 549gebracht, die öffentlichen Beratungen begannen mit der Teilnahme von lediglich 32 der 46 rumänischen Abgeordneten; die übrigen blieben demonstrativ fern. Auf den mit schönen Reden ausgefüllten Sitzungen nahmen die Abgeordneten zur Frage der Union Stellung und wiederholten nur alle Argumente, die sich zwischen 1848 und 1865 angesammelt hatten. Trotz des Protestes von Şaguna und Maager und mit 29 rumänischen und 26 sächsischen Gegenstimmen billigte der Landtag mit 166 (darunter vier rumänischen und acht sächsischen) Stimmen den vorgelegten ungarischen Antrag. Die Union wurde einerseits als historisches Recht für notwendig erklärt, und andererseits unter dem Aspekt der Großmachtstellung des Reiches, welche eine Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit des ungarischen Staates verlange. Sie sei auch für Siebenbürgen eine Lebensfrage – erklärt der Beschluß, wobei er sich auf die wirtschaftliche Rückständigkeit, die Verarmung und die Unfähigkeit zur Steuerzahlung beruft; der materielle Aufschwung könne „von einer rechtlichen und natürlichen Interessen- und Kräftevereinigung” erwartet werden. Schließlich legt er in der Frage der Gleichberechtigung der nicht-magyarischen Völker fest: Seiner Majestät „väterliches Herz sowie der anerkannte Liberalismus der ungarischen Gesetzgebung“* böten ausreichende Garantien für die auf der Rechtsgleichheit der Staatsbürger fußende Durchsetzung der Interessen aller Konfessionen und Nationalitäten.
Erdélyi Hirlap, 28. Dezember 1865; L. ÜRMÖSSY, a.a.O., 4. Buch, 251.
Dem Beschluß fügte man die durch Şaguna eingereichte Stellungnahme der rumänischen Minderheit hinzu, die einen nach den Vorschriften des Jahres 1863 einzuberufenden Landtag forderte, damit die Rumänen auf der Grundlage eines angemessenen Wahlrechts über die Union verhandeln könnten. Eines der ebenfalls beigefügten sächsischen Sondervoten machte die Zustimmung zur Union von einer Garantie der Sonderrechte der einzelnen Nationalitäten abhängig. Die Sitzung wurde bis zur auf die Adresse eintreffenden königlichen Antwort vertagt, obwohl eine solche nach der Unionsrede Franz Josephs zur Eröffnung des Pester Parlaments nur noch Formsache war.
Am 10. Januar 1866 wurde das königliche Reskript verlesen, das „erlaubte”, daß Siebenbürgen Abgeordnete ins Pester Parlament schicken dürfe, andererseits aber versuchte, das Inkrafttreten der Union von dem endgültigen Abschluß der österreichisch-ungarischen Ausgleichsverhandlungen abhängig zu machen, und die besondere Bedingung stellte, daß die „akzeptierbaren” Rechtsansprüche der Nationalitäten und Konfessionen zuvor erfüllt werden müßten. Dies war den Sachsen und den Rumänen zu wenig, während die ungarischen Liberalen in der Betonung der Bedingungen eine Wahlfängerei für den Ausgleich sahen. Nachdruck verliehen sie ihrer Gegenmeinung jedoch nicht mehr, und mit der Erklärung, der Erfüllung ihres Endziels einen großen Schritt näher gekommen zu sein, ging der Klausenburger Unionslandtag zu Ende.
Die Autonomie Siebenbürgens hörte mit diesem Schritt tatsächlich auf zu bestehen. Nicht allein der Druck der siebenbürgisch-ungarischen politischen Kräfte hatte die erneute Einführung der Union durchgesetzt, sondern sie war zugleich eine unentbehrliche Voraussetzung für den Erfolg der auf Stabilisierung der Monarchie ausgerichteten Ausgleichsverhandlungen. Einen großen 550Anteil daran hatte freilich die stärkste politische Kraft Siebenbürgens, das ungarische liberale Lager, welches dadurch verhindern konnte, daß entsprechend der zentralistischen Pläne des Reiches Siebenbürgen als autonome Einheit, in erster Linie gegenüber Ungarn, „stabilisiert” würde.
Die Wiederherstellung der Union ermöglichte es Siebenbürgen, sich nun bereits nicht mehr als arme Grenzprovinz, sondern als Teil eines größeren, sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich und politisch höher entwickelten Mutterlandes in die Habsburger-Monarchie zu integrieren und über diese, die gerade im Begriff war, den Weg ihrer kapitalistischen Entwicklung einzuschlagen, an den Wachstumsprozessen der europäischen Wirtschaft teilzuhaben.
Die Zukunft mußte entscheiden, ob sich im Rahmen der Union ein genügend großer Spielraum für die kulturelle und politische Entwicklung der Nationen ergeben würde, um unter den bereits günstigeren Bedingungen den historisch entstandenen und seit geraumer Zeit stark belastenden wirtschaftlich-gesellschaftlichen Rückstand aufzuholen.

 

 

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