Zerfall und Rückzug

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Zerfall und Rückzug
Die 20er Jahre des 3. Jahrhunderts sind der letzte friedliche Abschnitt in der Geschichte Daziens. Als Kaiser Severus Alexander im Jahre 231 mit den Detachements der illyrischen Armee in den Krieg gegen die Perser zog, war zur gleichen Zeit auch die Gotenwanderung vom Nordwesten zum Schwarzen Meer beendet, deren erste Phase die Völker des Karpatenbeckens in Bewegung gebracht hatte. Die Goten ließen sich – da ihnen das Schwarze Meer das Weiterwandern versperrte – in der Südukraine und an der Nordküste des Meeres nieder. Das aber wiederum brachte weder dem Reich noch Dazien Frieden. Die kurze, friedliche Periode waren nur Jahre des Kräftesammelns der Goten, die dann Mitte der 30er Jahre mit ihren Angriffen jahrzehntelang derartige Zerstörungen in den balkanischen Provinzen und Dazien verursachten, wie sie das Römische Reich bisher noch nicht erlebt hatte. Zur Zeit Kaiser Maximins (235–238) erfolgte der erste Angriff auf Dazien. Der Herrscher nahm 236 unter seine Titel das auf einen Sieg im Kriege verweisende Attribut Dacicus maximus auf, was daraufhin deutet, daß die Kämpfe auf dem Gebiet Daziens stattgefunden hatten. Die Provinz wurde in erster Linie von den durch die Goten nach Westen gedrängten freien Dakern und Karpen angegriffen. Die Kämpfe wurden unter der Herrschaft Gordians III. (238–244) fortgesetzt, zu dieser Zeit griffen die Karpen den Limes Transalutanus an. Den Schrecken über ihre Angriffe beweisen zahlreiche Schatzhortfunde in Dazien, in der Dobrudscha und Mösien. Die Bedrohung bezeugen mehrere Dutzend Münzfunde, die unter seiner Herrschaft und seinen Nachfolgern versteckt wurden. Der Provinziallandtag Daziens brachte auf einer Inschrift (CIL III, 1454) Gordian noch seinen Dank zum Ausdruck. Dann aber griffen die Karpen 245 bis 257 weitaus stärker als bisher an der Ostfront an, und der Limes jenseits des Alts brach zusammen. Um Dazien zu helfen, zogen auch pannonische Truppen auf. Trotz vorübergehender Erfolge mußte der Limes Transalutanus aufgegeben werden. Da archäologische Angaben fehlen, ist der genaue Zeitpunkt nicht bekannt, es muß aber bis 248 erfolgt sein, da die innere Linie, der Alt-Limes, Frontlinie wurde. Das am Alt gelegene Romula wurde von Legionskommandos aus Moesia Superior und Germanien mit einer Schutzmauer umgeben (IDR II, 324–328).
In den Jahren 246/47 wurde – nachdem die lokale Münzprägung in Mösien eingestellt worden war – zwecks Beseitigung der Soldauszahlungsprobleme im 53unteren Donaugebiet in Viminacium eine Münzprägestätte eingerichtet, die Dazien 11 Jahre lang mit Münzen versah. Zudem erhielt die Provinz selbst das Recht zur Münzprägung.
Die Kämpfe aber wurden nicht eingestellt. Auf einer Inschrift aus Apulum wird Traianus Decius (249–251) als restitutor Daciarum, als Erneuerer der dazischen Provinzen, bezeichnet. In Sarmizegethusa wurde ihm zu Ehren eine Bronzestatue aufgestellt. 250 nahm auch er den Titel Dacicus maximus an. All das deutet darauf hin, daß es gelang, die Angriffe zurückzuschlagen. Mitte des 3. Jahrhunderts wurde in den Militärlagern Ostsiebenbürgens der Geldumlauf eingestellt. Das kann darauf hindeuten, daß das Militär die Festungen verlassen hatte. Für die Räumung der nordöstlichen Gebiete spricht die Mitte des Jahrhunderts gefertigte Karte, die Tabula Peutingeriana, auf der weder der Limes Transalutanus noch die römischen Straßen Ostsiebenbürgens eingetragen sind. Der Einfall der Karpen setzte nachweisbar die Abwanderung der Bevölkerung von der Donau nach Süden, nach Mösien, in Gang. Die Mutter des späteren Kaisers Galerius verließ Dazien aus Furcht vor den Karpen zur Zeit der Herrschaft des Philippus (Lactantius, De mortibus persecutorum 9, 2; Aurelius Victor, Epitomae de Caesaribus 10, 16). Sie ist wahrscheinlich nicht die einzige gewesen, die bereits zu diesem Zeitpunkt diesen Weg wählte.
Von den Einfällen in Dazien berichten die Quellen kaum etwas. Denn der Schauplatz der schwerwiegendsten Kriegsereignisse war nicht Dazien, das seine militärische Rolle und Bedeutung verloren hatte, sondern der Balkan. Gallienus wurde 257 Dacicus maximus, was ein Zeichen für sein Auftreten gegen die Karpen ist. Spätestens zu dieser Zeit werden in dem einen oder anderen Lager der Provinz noch Bauarbeiten vorgenommen. Die breiten Toröffnungen des Lagers von Énlaka, Rosenau, Sebesváralja und Porolissum werden teilweise oder ganz zugemauert, um den Zugang zu erschweren. Unter der Herrschaft des Gallienus (bis 260) wird – laut unseren Kenntnissen – die Aufstellung von Inschriften in Dazien eingestellt. Der Rückgang des Geldumlaufs in Westdazien wird dadurch bestätigt, daß aus den Lagern und Städten – mit Ausnahme des Militärzentrums Apulum – aus dieser Zeit kaum noch Münzen zum Vorschein kommen. Der Geldmangel – eine Begleiterscheinung der Krisen Mitte des 3. Jahrhunderts – wird noch durch die Einstellung der Münzstätte in Viminacium 257/58 gesteigert, sie wird aufgelöst und abtransportiert. Während der drei Jahrzehnte des Krieges versank das Reich infolge des erfolglosen Kampfes an mehreren Fronten, der katastrophalen Wirtschaftslage, des ständigen Geldmangels und der inneren Machtkrisen in Anarchie. Am Ende der 50er Jahre jedoch, nach dem durch die früheren Einfälle verursachten, maßlose Leiden mit sich bringenden Tiefpunkt, begann Gallienus mit starker Hand die Reorganisation des Reiches. Aus den Sondertruppen, die von den Legionen abgezogen wurden, stellte er ein bewegliches Heer auf und vertrieb mit dessen Hilfe im Jahre 260 die bis nach Italia vorgedrungenen Alemannen und festigte die Front am Rhein.
Zum Schutze Italias und Illyricums organisierte Gallienus in dem zentral gelegenen Poetovio ein militärisches Zentrum, in dem in den 60er Jahren unter dem Kommando des Flavius Aper praepositus die Legionen Daziens, die legio V Macedonica und die legio XIII Gemina stationiert wurden. Das Militär richtete sich dauerhaft in dieser Stadt ein. Seine Anwesenheit beweisende Inschriften auf Marmor und Reliefs sind in einem der Mithras-Heiligtümer der Stadt zum Vorschein gekommen, der Neuaufbau des 54Heiligtums und dessen Einrichtung ist das Ergebnis seiner Tätigkeit. Die Anwesenheit des militärischen Stabs, des Kommandobüros in Poetovio zeigt, daß die beiden Legionen, wenn auch nicht zur Gänze, so doch mit zahlreichen Sondertruppen in der Stadt stationiert waren. Aus Dazien, das seine militärische Bedeutung endgültig verloren hatte und von Barbaren umgeben war, wurden daher die Truppen abgezogen. Das war die Fortsetzung der früheren teilweisen Gebietsaufgabe und ein Vorspiel zu den späteren Ereignissen.

Abb. 2. Die von den in den 260er Jahren aus Dazien abgezogenen Legionen für Mithras errichteten Altäre im westpannonischen Poetovio
Die Reorganisation der Provinzen im Donaugebiet wurde dadurch gefördert, daß die gotischen Feldzüge nach den reihenweisen Angriffen an Kraft verloren hatten. Kaiser Claudius II. schlug 269 bei Naissus (Niš in Jugoslawien) ihre Armee, das Attribut Gothicus des Kaisers beweist den tatsächlichen militärischen Sieg über sie und wurde zum ständigen Bestandteil seines Namens. Sein Nachfolger, Aurelian, befreite Illyricum und Thrakien – bevor er in den östlichen Krieg zog – von den plündernden Barbaren, überquerte die Donau und errang über die Goten bereits auf deren eigenem Gebiet einen Sieg. In den Kämpfen fiel auch der König der Goten, Cannabaudes. Der Krieg kam zu dieser Zeit an der unteren Donau zum Stillstand. Der Sieg brachte Erleichterung für die Bevölkerung, Dazien aber konnte nicht mehr gerettet werden. Auf den zu Beginn der Herrschaft 55Aurelians, im Jahre 270 geprägten Münzen künden neben der Aufschrift GENIUS ILLYRICI die Aufschriften PANNONIA und DACIA FELIX von der Wichtigkeit Illyricums und dem Glück Daziens, das dem Reich erhalten geblieben war. Möglicherweise bezieht sich die Münzaufschrift tatsächlich auf die Rettung des trajanischen Daziens, wahrscheinlich ist aber, daß sie sich nur auf die Rettung der Bevölkerung bezieht und die neue, südlich der Donau gegründete Provinz Dacia gefeiert wird. Als sich nämlich Aurelian an Ort und Stelle von den Zuständen überzeugt hatte, hielt er es nicht mehr für sinnvoll, die von den Einfällen stark mitgenommene Provinz mit ihrer zusammengeschrumpften Bevölkerung weiterhin zu halten. Die noch dort stationierten Truppen wurden in kurzer Zeit abgezogen und die verbliebene Bevölkerung nach Mösien umgesiedelt. Um den Schein zu wahren, wurde zwischen den beiden Mösien unter dem Namen Dacia (Ripensis) eine neue Provinz gegründet, mit der Hauptstadt Serdica (Sofia).

Karte 3. Die Aufgabe Daziens
1 = Singidunum, 2 = Viminacium, 3 = Ratiaria, 4 = Oescus, 5 = Novae, 6 = Durostorum, 7 = Mitte des 3. Jahrhunderts verborgene Münzschätze als Zeichen der Zerstörung der alten Dacia
Die letzten 40 Jahre der Geschichte Daziens hatten erneut bewiesen, was bereits unter Hadrian klar geworden war: Der Provinz kam beim Schutz der Balkanprovinzen und den inneren Gebieten des Reiches keine eigentliche Bedeutung zu. Die Sarmaten und Goten konnten ungehindert in beide Mösien und Thrakien einfallen. Selbst mehrere Zehntausend Soldaten waren 56nicht in der Lage, diese hier sehr lange Grenze des Reiches zu schützen. Mit dem Abzug der Römer aus Dazien machte es Aurelian wieder möglich, die bedeutend verkürzte Grenze des Reiches zu schützen, genauso wie in Germanien und Rätien, in dem Dreieck zwischen Rhein und Donau. Den Donaulimes ließ er so verstärken wie am Ende des 1. Jahrhunderts. Die legio XIII Gemina zog nach Ratiaria, die legio V Macedonica wiederum an ihren ursprünglichen Standort vor 170 Jahren, nach Oescus. Durch die Verkürzung der Frontlinie konnte Aurelian einen Teil des illyrischen Militärs in dem Wissen nach Osten begleiten, daß die Balkanprovinzen nunmehr in Sicherheit waren.

 

 

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