Umgestaltung der Landwirtschaft

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Umgestaltung der Landwirtschaft
Wälder und grasbewachsene Hügelhänge dominierten die Naturlandschaft, doch spielte die Pflanzenproduktion der Flußtäler eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur.
In den ersten drei Jahrzehnten nach 1848 wurden die Bande der feudalen Zusammengehörigkeit der bäuerlichen und der Gutsherrenwirtschaft teilweise abgeschafft und umgestaltet. Diese Wende jedoch schuf eher noch zusätzlich neue Probleme in der Wirtschaft, als daß sie die alten gelöst hätte. „In der heutigen Welt steht ein lediglich pflügendes und säendes Volk nur auf einem Bein. Und da unsere Landwirtschaft krank ist, ist auch das eine Bein verkrüppelt“* – schrieb ein liberaler Politiker 1865. Die Einführung des modernen Steuersystems nach 1850 förderte nicht die Produktion, sondern führte eher zur Verarmung, da die Pro-Kopf-Steuersumme höher war als im entwickelteren Transdanubien. Zu Beginn der 60er Jahre schätzte man die Summe, die nach dem mit 13 bis 15 Millionen angenommenen landwirtschaftlichen Einkommen in Form direkter oder indirekter Steuern von den siebenbürgischen „Gutsbesitzer” gezahlt wurde, auf rund 12 Millionen. Die Zeitgenossen meinten, auch der sparsame Bürger könne die Steuerlasten nicht tragen, und berechneten bereits, wann das steuerzahlende Volk Siebenbürgens zahlungsunfähig werden würde.
[D. TELEKI], Siebenbürgen und die Österreichische Regierung in den letzten vier Jahren 1860–1864. Leipzig 1865, 141.
Charakteristisch für die Übergangsperiode war, daß ein ehemaliges Herrschaftsgut nur selten rentabel Körnerfrüchte erzeugen konnte, die Kosten der Ackerproduktion lagen – laut Zeitgenossen – viermal höher als vor 1843. Die Bauernwirtschaft war gerade ihrer Gerätschaften, ihrer Tiere und unzähliger Mehrleistungen wegen auch als Verkäufer auf dem Markt lange Zeit den Herrschaftsgütern gegenüber im Vorteil. Aus Mangel an Arbeitskräften, Geräten und Krediten kam es auf den Herrschaftsgütern als Zwangslösung oftmals dazu, daß Bauern ihre Boden-, Weide- und Waldnutzung abarbeiteten bzw. das System der Anteilsarbeit eingeführt wurde. Anfang der 70er Jahre begann aufgrund der plötzlich verbesserten Preis- und Kreditverhältnisse die Mechanisierung der Großwirtschaften und setzte sich– 571trotz mehrfacher Stockungen – in der gesamten Periode fort, sie kompensierte gleichzeitig den Nachteil der Großgüter, daß der überwiegende Teil des Viehbestandes bei den Bauernwirtschaften verblieben war.
Gut zwei Drittel der Bodenfläche waren in der Hand von Bauernwirtschaften, die hauptsächlich Weizenarten und Mais im Rahmen des modernisierten Dreifeldersystems anbauten, in den bergigen Gegenden dagegen häufig noch im Zweifeldersystem. In den 60er Jahren begann in den Bauernwirtschaften der Gerätewechsel, es erschien der Eisenpflug, von dem es 1872 erst wenige gab, bis er sich nach der Jahrhundertwende allgemein durchsetzte. Nur auf einigen Gebirgsböden sahen sich die Bauern gezwungen, vom Eisenpflug wieder zum alten Pflug zurückzukehren. Im Sachsenland begann sich, hauptsächlich als Folge des stärkeren Anbaus der Reihenbearbeitung erfordernden Hackfrüchte, die Sämaschine durchzusetzen. Den Widersinn der Entwicklung zeigt die Tatsache, daß bereits ein Jahrzehnt vor der allgemeinen Verbreitung der Sense auch maschinell geerntet wurde.
Bis zur Jahrhundertwende war demnach die aus früheren Jahrhunderten vererbte landwirtschaftliche Produktionstechnik ganz verdrängt, und die Geräte und Maschinen hatten sich gründlich geändert, obwohl zahlreiche Ausrüstungsgegenstände auch weiterhin genutzt wurden. Die Weiterentwicklung der Geräte, das Auftauchen westlicher Rinderrassen und die Marktnachfrage beschleunigten die Auflösung des alten Brache-Fruchtwechsel-Systems. Seine Beseitigung bzw. Verdrängung oder die qualitative Verbesserung der Dreifelderwirtschaft und die zumindest teilweise realisierte Flurbereinigung führten zu einer historisch bedeutsamen Entwicklung in der Landwirtschaft. Lagen in den 50er Jahren noch 40 % des Ackerbodens brach, so verringerte sich dieser Anteil bis 1910 auf 20 % (mit der Ausnahme Kronstadts, dort unter 5 %), und von 2 163 067 Morgen (1 Morgen = 0,57 ha) im Jahre 1857 erhöhte sich die Ackerfläche bis 1910 auf 2 741 642 Morgen.
In den 40er Jahren war die Maisanbaufläche doppelt so groß wie die des Weizens, danach folgten Hafer, Roggen und Gerste. Den ertragreichen Mais (und die zu einem wichtigen Handelsartikel werdenden Hülsenfrüchte) bauten in erster Linie die rumänischen Bauern an, Roggen vor allem die Sachsen um Kronstadt, während Hafer fast überall wuchs, da er dem Klima Siebenbürgens am ehesten entsprach. Bis zur Jahrhundertwende hatten sich die mit Weizen und Mais bebauten Flächen größenmäßig nahezu angeglichen.
In den getreideproduzierenden Komitaten entsprach der Weizenanteil dem ungarischen Durchschnitt, doch auffallend große Flächen wurden mit weniger ertragreichem und qualitativ schwächerem Sommerweizen bestellt. In einem guten Erntejahr deckte das Getreide Siebenbürgens den Eigenbedarf, während schon in Jahren mit mittlerem Ertrag Einfuhren erforderlich wurden. Solcher Weizen kam aus Rumänien oder der Großen Ungarischen Tiefebene bzw. in der zweiten Hälfte der Periode ausschließlich aus der Tiefebene. Mais wurde mehrfach aus dem Ausland bezogen.
Bei den Industriepflanzen waren Hanf und Flachs für das bäuerliche Hausgewerbe seit jeher wichtige Grundmaterialen für die Bekleidung. Durch den Bau zweier großer Zuckerfabriken wuchs die Zuckerrübenproduktion am Ende des Jahrhunderts bedeutend. Sie belegte zwar zur Jahrhundertwende nur 0,42 % der Anbaufläche Siebenbürgens, hatte aber im Komitat Kronstadt einen weit über dem Landesdurchschnitt liegenden Anteil und brachte hohe Erträge.
572Im Einzugsbereich größerer Städte waren bereits früher Gemüseanbauflächen entstanden, wie das Klausenburger Hóstát oder Dörfer im Stuhl Aranyos, die Thorenburg bzw. das Erzgebirge versorgten. In der Nähe von Neumarkt wurden auf dem Schwemmboden von Nyárád im „Möhrenland” Mohrrüben, Petersilie, Zwiebeln und Melonen angebaut. Dank solcher Traditionen war in Siebenbürgen der Ertrag bei einzelnen Produkten, so bei Kartoffeln und Kohl, lange Zeit höher als in Ungarn.
Der Weinbau erstreckte sich bereits um 1848 auf etwa 0,5 % des produktiven Bodens, in teils so alten Weinanbaugegenden wie an den beiden Kokel sowie um Karlsburg und Straßburg. Doch ging seit den 80er Jahren auch hier die Anbaufläche ständig zurück, die Phylloxera befiel 1889 von den ohnehin schon verringerten 38 000 Morgen weitere 10 000 und vernichtete im Verlauf der Jahre eine ganze Reihe kleinerer örtlicher Kulturen. Mit der Verteilung von verbilligten Weinsetzlingen, von Kupfervitriol sowie der Gewährung von Steuervergünstigungen leistete der Staat Hilfe bei der Wiederanpflanzung.
Die überall anzutreffenden Pflaumen stellten in Siebenbürgen zwei Drittel des Obstes. Eine stärkere Verbreitung von Obstsorten setzte im letzten Drittel des Jahrhunderts ein, um die Jahrhundertwende registrierten die Statistiken elf Millionen Obstbäume. Zur selben Zeit erweiterten sich die Verkaufsmöglichkeiten, selbst der siebenbürgische Apfel kam auf den Weinapfelmarkt nach Stuttgart, auf dem übrigens Obst aus Ungarn 30 % des Angebotes ausmachte.
Die natürlichen Bedingungen waren für die Forstwirtschaft äußerst günstig. Mehr als die Hälfte des produktiven Bodens, 3,5 Millionen Morgen, bestand aus Wäldern. Nach der Bauernbefreiung besaß der ehemalige Besitzadel zwar mehr Wald als Ackerboden, dennoch war die Hälfte der Wälder in Form von Gemeinbesitz oder Mitbesitzer-Eigentum in der Hand der Bauern geblieben und stellte damit eine substantielle Einkommensform für die Dörfer dar. Die 1,2 Millionen Morgen Waldbesitz der Gemeinden und die weiteren Waldgüter im Kollektivbesitz lassen sich bis heute noch nicht befriedigend in das System der Bauernwirtschaft einordnen. Ihre Bedeutung wird auch dadurch belegt, daß um die Jahrhundertwende in den kollektiven Waldungen 210 000 Rinder und 300 000 Schafe weideten.
Die einfache Rodung war in den Kammergütern bereits früher von einer systematischen Bewirtschaftung abgelöst worden. Die Forstgesetze von 1858 und noch mehr von 1879 und 1898 setzten die in staatlicher Regie betriebene Forstbewirtschaftung durch. Seit der Jahrhundertwende bewirtschaftete der Staat auch die Komitats- und Gemeindeforste.
Seitdem führten kapitalstarke Gesellschaften die industriemäßige Holzgewinnung in den Wäldern ein. Der Holzhandel wurde zu einem sehr gewinnträchtigen Geschäft. Solche Firmen konnten das Schicksal der Bauern ganzer Regionen beeinflussen, lebte doch z. B. im Szekler Gebiet die Hälfte der Bevölkerung in irgendeiner Form vom Wald. Trotz der Expansion der Mammutunternehmen blieben viele kollektive Waldgüter erhalten, und kleine bäuerliche Sägemühlen waren nach wie vor in Betrieb. Zum Teil schufen sie die Basis der vom Holzlöffel, über Schindeln und Fässer bis zu Balken reichenden dörflichen Holzindustrie, für die Siebenbürgen während der ganzen Periode überall in der Monarchie bekannt war.
In der Viehzucht gehörte Siebenbürgen zu den Gebieten mit günstigeren Gegebenheiten. Begründet durch die geographischen Ähnlichkeiten sowie 573den insgesamt stolzen Viehbestand hofften die Zeitgenossen darauf, hier eine Schweiz des Ostens schaffen zu können. Am Ende des Jahrhunderts umfaßten die Gemeinde- und sonstigen gemeinsamen Weiden etwa 780 000 Morgen, 56 % der gesamten Weidefläche.
Die Schafhaltung war jahrhundertelang eine Produktionstätigkeit von entscheidender Bedeutung. In der gesellschaftlich-ökonomischen Arbeitsteilung der Monarchie übernahm diese Provinz – und vor allem die Rumänen in Südsiebenbürgen – die Funktion des Viehzüchters. Das traditionelle rumänische Hirtenleben hat hier auch in ihrer äußeren Erscheinung entwickelte Dörfer geschaffen, wie z. B. Städterdorf und Großdorf im Gebiet von Hermannstadt, die gleichzeitig zur wichtigen Basis des Nachwuchses der rumänischen Intelligenz aus dem Volk wurden.
Die spezifische Form der althergebrachten Viehhaltung, die als siebenbürgische Spezialität zu betrachtende Wanderschäferei (Transhumanz), verlor im Kapitalismus an Bedeutung. Vor 1848 wurden gut eine Million Schafe auf den Bergpfaden über die Karpaten an die untere Donau zum Überwintern getrieben. Dennoch verringerte sich der herumziehende Schafbestand schon in den 50er Jahren auf eine Zahl unter eine halbe Million, während die Zahl der Wanderhirten bis zum Jahr 1879 von früher 20 000–25 000 auf 10 000 zurückging. Viele von ihnen ließen sich in der Dobrudscha nieder. Dennoch wurden die Reste dieser archaischen Form der Viehhaltung durch den traditionellen Bedarf an Wolle, Fleisch und Milcherzeugnissen – als komplementärer Teil der Marktwirtschaft – noch lange am Leben erhalten.
In dem landesweiten Prozeß, den die Verringerung des Schafbestandes seit den 60er Jahren charakterisierte, nahm Siebenbürgen einen besonderen Platz ein. Eine Zeitlang verringerte sich auch hier die Anzahl der Schafe, worauf nach der Jahrhundertwende eine starke Zunahme folgte. Mehr als 90 des Schafbestandes hielten die Klein- und Zwergwirtschaften.
Die Zurückdrängung der extensiven Rinderhaltung war mit der Auflösung der traditionellen Wirtschaftsweise, der Umwandlung der alten gemeinsamen Weiden in Ackerland und der Abnahme des Brachlandes verbunden. Wie sich dies alles in Siebenbürgen langsamer vollzog als im mittleren und westlichen Teil des Landes, ebenso verspätet kam es zum Wandel im siebenbürgischen Rinderbestand. Bis zur Mitte der 50er Jahre stiegen die Rinderpreise, und dieses Preisniveau (nach dem Preisverfall der 80er Jahre) erhöhte sich allmählich in bescheidenem Ausmaß. Die ersten siebenbürgischen Eisenbahnen transportierten viele Rinder und Schweine nach Pest, wobei aber eine zahlenmäßige Verringerung des Bestandes bereits 1868 zu bemerken war. Ein neuer Zug der Entwicklung war der Austausch der Rassen, der durch den sächsischen Wirtschaftsverein in den 70er Jahren mit staatlicher Unterstützung eingeleitet wurde. Die aus Österreich oder der Schweiz eingeführten Tiere hatten eine wesentlich kürzere Wachstumszeit, größeres Gewicht und brachten teilweise eine über 1000 Liter höhere Milchleistung als die siebenbürgische Rasse. Die Einführung der neuen Rassen blieb hinter dem Landesdurchschnitt zurück, wobei eine Rolle spielte, daß sich Siebenbürgen auf Zugvieh spezialisiert hatte. Die alte siebenbürgische Rinderrasse war nicht nur eine wesentlich bessere Zugkraft, sondern auch rund zehnmal widerstandsfähiger gegen Krankheiten als die westlichen Rassen. Das Szeklerland, Groß- und Klein-Küküllő sowie Unter-Fehér wurden durch das 574Landwirtschaftsministerium zu Schutzzonen der siebenbürgischen Rinderrasse erklärt und entsprechende Zuchtmaßnahmen eingeleitet.
Als gemeinsame Resultante von Traditionen, Marktforschung und behördlichen Maßnahmen machte die Rinderzucht Siebenbürgens eine Entwicklung durch, die ihr zugleich auch die Vielseitigkeit erhielt. (Auch der Büffel blieb erhalten, ja verbreitete sich sogar.) Am Ende der Periode galt die Region als Gebiet mit geringerer Viehbestandsdichte, doch hielten die Bauernwirtschaften hier mehr Rinder als im Landesdurchschnitt, während im Gebiet Fogarasch sogar 678,2 Tiere auf 1000 Einwohner kamen, was zu den günstigeren europäischen Kennziffern gehörte.
Beim Pferdebestand kamen die reinen Wirtschaftsaspekte weniger zur Geltung, da die Pferde von den Groß- und Mittelgütern auch aus Repräsentationsgründen gezüchtet wurden und die Pferdekäufe der Armee konjunkturunabhängig waren. Gerade durch die Verbreitung der Eisenbahnen stieg bei den Wagenpferden die Nachfrage, stagnierte jedoch am Ende des Jahrhunderts. Bei der Verbesserung des Pferdebestandes kamen dem nach dem Ausgleich gegründeten, auf Lipizzaner spezialisierten staatlichen Gestüt Fogarasch sowie dem sich der Erhaltung des siebenbürgischen Pferdebestandes widmenden Zuchtbetrieb von Kolozstorda besondere Bedeutung zu.
Die Gliederung des Viehbestandes nach Gebieten weist keine besonderen Spezifika auf. Der Rinder-, Pferde- und Schweinebestand der Sachsen war am größten; die Schafzucht blieb nach wie vor nahezu ein rumänisches Monopol; der Viehbestand in den rumänischen Gebieten war größer als in den ungarischen, die dortigen Kühe hatten eine höhere Milchleistung, während der Rinderbestand der ungarischen Gebiete ein höheres Durchschnittsgewicht aufwies. 1885 befanden sich mehr als 80 % der Tiere in den Bauernwirtschaften, und dieser Anteil veränderte sich auch später nicht. Im Vergleich zu Transdanubien besaßen die Großgüter pro Wirtschaft insgesamt ein Drittel und die Mittelgüter nur etwa die Hälfte an Rindern, während bei den Wirtschaften mit 5–20 Morgen der siebenbürgische Durchschnitt höher lag als in Transdanubien. Andererseits ließ sich das Vieh der Großgüter im Durchschnitt zu einem um 30 % höheren Preis verkaufen, darin zeigte sich der Vorteil des Großbetriebs hinsichtlich Qualität und Marktausnutzung. Wenn die Herrschaftsgüter in diesem Wirtschaftszweig Verdienste aufzuweisen hatten, so auf dem Gebiet der Rassenaufbesserung, während die breiten bäuerlichen Schichten auf ihren immer kleiner werdenden Weiden nahezu den vollständigen siebenbürgischen Viehbestand hielten.

 

 

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