3. Kulturelles Leben und multinationale Gesellschaft

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5793. Kulturelles Leben und multinationale Gesellschaft
Das geistig-kulturelle Leben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand ganz im Zeichen der alles beherrschenden Idee des liberalen Nationalismus. Allerdings ist in den auf die 48er Revolution folgenden nationalen Konflikten und im Sturm des Bürgerkrieges auch in Siebenbürgen die Einheit von Liberalismus und Nationalismus zerbrochen, und in den politischen Auseinandersetzungen stießen die beiden Ideen wiederholt heftig aufeinander. In der Weltanschauung der Zeitgenossen hat sich jedoch diese Einheit Jahrzehnte hindurch behauptet. Das geistig-kulturelle Leben eines halben Jahrhunderts wurde vornehmlich von der Generation gestaltet, für die das Jahr 1848/49 nach wie vor ein Schlüsselerlebnis geblieben war, das nicht nur die Geschichte, sondern auch die Menschen geprägt hat.
In der Epoche der Nationsbildung und der Integration ihrer Gesellschaft wurde die vielseitige Entwicklung der muttersprachlichen Kultur und deren Verbreitung, die möglichst alle soziale Schichten erfassen sollte, zu einer erstrangigen Aufgabe der jeweiligen Nation. Die drei in Siebenbürgen beheimateten Nationen waren Träger höchst unterschiedlicher und voneinander wesentlich abweichender Kulturtraditionen; da sie aber territorial gesehen eng miteinander verflochten waren, bildeten sie aus diesem Grund einen nicht auflösbaren Komplex. Weder unter dem Aspekt der quantitativen Proportion der einzelnen Ethnika, noch ihres politischen Gewichtes, ihrer Wirtschaftskraft und ihrem Entwicklungsstand war ein echtes Gleichgewicht entstanden, so daß die jeweilige Intelligenz den ethnisch-kulturellen Bestand ihres eigenen Volkes ängstlich hütete, um diesen vor dem Einfluß einer sprachlichen Assimilation oder gar eines kulturellen Übergewichts der „anderen Nation” zu bewahren. Die Sorge um die Zukunft der Nation und die Hoffnung auf ihren Aufstieg waren für die Zeitgenossen die Hauptantriebskraft für ihr kulturelles Schaffen.
Siebenbürgens kulturelle Eigenständigkeit ging eigentlich schon verloren, bevor die Selbständigkeit als Provinz 1848 und dann endgültig 1867 aufgehoben wurde. Lokal gefärbte Kulturen pflegen im Rahmen gesamtnationaler Kulturen zu verschwinden; dieser Prozeß vollendet sich im Absolutismus und besonders nach 1867, in der dualistischen Periode: So geht das ungarische Kulturleben Siebenbürgens völlig in dem des Mutterlandes auf, während sich das Kulturleben der Rumänen immer enger mit dem der rumänischen Nation jenseits der Karpaten verbindet. Dieser zwei entgegengesetzte Richtungen einschlagende Verschmelzungsprozeß vollzieht sich nicht im gleichen Tempo, weil die Entwicklung beider Nationen zu unterschiedlich war; das trifft auch auf die politischen Voraussetzungen zu, denn die Karpaten bildeten für Jahrhunderte eine Grenzlinie, und auch im 19. Jahrhundert blieb die kulturelle Entwicklung des rumänischen Staates noch hinter der des ungarischen Mutterlandes zurück. So bestanden bei den Siebenbürger Rumänen – im Gegensatz zu ihren ungarischen Landsleuten – relativ lange noch landschaftsspezifische Literaturen, im Banat wie in Bihar. Eine traditionell selbständige, lokale geistige Prägung ihrer Kultur bewahrten bis zum Ende der Periode allein die Sachsen, trotz der geistigen Osmose mit Deutschland, daß die sächsische Intelligenz ihre Vergangenheit als Teil der 580deutschen Geschichte und sich selbst als Vorposten des Deutschtums betrachtete.
Von einem eigenständigen Kulturleben in Siebenbürgen kann man in dieser Periode folglich nur bei den Sachsen sprechen, bei den Rumänen nur mit Einschränkungen und bei den Ungarn nach 1867 überhaupt nicht mehr. Dementsprechend konzentriert sich der folgende gedrängte Überblick vor allem auf die im allgemeinen weniger bekannte rumänische und sächsische Kultur.

 

 

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