Schule und Bildung

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583Schule und Bildung
Am Beginn der bürgerlichen Periode stand das Schulwesen der drei siebenbürgischen Nationen auf sehr unterschiedlichem Niveau. Historisches Erbe und Wirtschaftskraft der einzelnen Gesellschaften sowie die Haltung des Volkes zur institutionalisierten Kultur unterschieden sich stark voneinander. Alle diese Differenzen wurden noch verstärkt durch die Aktivitäten der jeweiligen Staatsmacht, welche die Weiterentwicklung des Schulsystems entsprechend ihren eigenen Zielen beeinflußte. Zu Beginn unserer Periode waren die Schulen überdies vollständig in der Hand der Kirchen, und dies änderte sich auch in dem nun folgenden halben Jahrhundert nicht wesentlich.
Eine zusammenfassende Geschichte der ungarischen Schulen in Siebenbürgen muß noch geschrieben werden, liegen doch nicht einmal genaue Zahlen der Unterrichtseinrichtungen vor. 1851 waren von den 2146 siebenbürgischen Schulen 949 ungarisch (742 rumänisch und 455 sächsisch). Als nach dem Ausgleich die ungarische Regierung die Volksschulen 1869 zählen ließ, waren von 2654 Schulen 866 ungarisch (1436 rumänisch und 273 deutsch-die übrigen gemischtsprachig). Von den damals 113 000 schulpflichtigen ungarischen Kindern besuchten nur 47 000 die Schule, und von ihnen auch nur die Hälfte das ganze Jahr über, die sächsischen Kinder dagegen zu 80 %. Ein beachtlicher Teil der Eltern – besonders im Dorf – stand dem Unterricht mehr oder weniger feindselig gegenüber. Das Ministerium für Kultus und Unterricht stellte 1870 zu seiner eigenen Überraschung fest, daß sehr oft auch die vermögenderen Bauernfamilien bemüht waren, ihre Kinder vom verpflichteten Schulbesuch fernzuhalten.
Neben der allgemeinen Rückständigkeit war für die Ungarn Siebenbürgens die Vielfalt des konfessionellen Unterrichts kennzeichnend. Als die gegenüber der Schulpflicht aufgeschlossenste Konfession galten die Unitarier, zumindest wiesen sie die höchste Schülerquote auf; ihnen folgten die Reformierten und nach diesen, mit nur kleinem Abstand, die Katholiken. Daraus lassen sich aber keinerlei Schlußfolgerungen für das Niveau des Volksschulunterrichts ziehen, weil sich dieses nach Landschaft und Schule erheblich unterschied.
Nach dem Ausgleich favorisierte der Staat die ungarischen Schulen, teils um die ungarische Diaspora zu schützen, vorwiegend aber zu dem Zweck, zur Verbreitung der ungarischen Sprache unter den Nicht-Magyaren beizutragen. Zweifellos förderten der staatliche Schulbau und die gelegentlichen Beihilfen für die kirchlichen Schulen die Entwicklung des ungarischen Volksschulunterrichts. Zur Jahrhundertwende gab es allein in den von Szeklern bewohnten 4 Komitaten 797 Bildungseinrichtungen mit doppelt soviel Schülern, als zur Zeit des Ausgleichs Magyaren in ganz Siebenbürgen zur Schule gingen.
Der Absolutismus modernisierte und vereinheitlichte den Mittelschulunterricht, während der dualistische Staat bereitwillig neue Gymnasien und Fachschulen errichtete. Die traditionsreichen Gymnasien und Hochschulen konnten ihre herausragende Bedeutung bewahren. Die Mittelschulen von Klausenburg, Straßburg und Neumarkt verfügten landesweit über einen guten Ruf, und – nicht nur – das Klausenburger Piaristengymnasium wurde stets auch von einer großen Zahl rumänischer Schüler besucht. Dem reformierten Gymnasium von Zillenmarkt gehörten nicht nur der geniale ungarische Dichter der Jahrhundertwende Endre Ady, sondern auch 584Iuliu Maniu, einer der großen rumänischen Politiker des 20. Jahrhunderts an.
Vervollständigt wurde das ungarische Schulsystem durch die 1872 geschaffene Klausenburger Franz-Joseph-Universität, die auf der Basis der damit aufgehobenen Rechtsakademie, des Chirurgischen Instituts und des Siebenbürgischen Museumsvereins entstand. Anfangs hatte sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dank ihrer Professoren und der zunehmenden staatlichen Unterstützungen entwickelte sie sich bis zur Jahrhundertwende aber zu einem wertvollen Zentrum für Lehre und Forschung. Nach der Universitätsgründung wurde Klausenburg zu einer wahren Schulstadt, deren Bevölkerung vor dem Weltkrieg zu einem Viertel aus Lehrern und Schülern bestand.
Das sächsische Schulnetz durchlief eine nicht nur für die Verhältnisse im Karpatenbecken, sondern auch im europäischen Maßstab beispielhafte Entwicklung.
Unter dem Absolutismus wurde die auch von der Regierung geförderte Modernisierung der sächsischen Gymnasien vorangetrieben, ohne daß sie – wie übrigens auch die Hermannstädter Rechtsakademie – vom Staat übernommen wurden. Aus dem Vermögen der Nationsuniversität hatte man noch im Jahre 1850 einen eigenen Schulfond gebildet, der für den Unterhalt der Unterrichtseinrichtungen aufkommen sollte. 1869 besuchten bereits 80 % aller sächsischen Kinder die Schule und übertrafen damit die Ungarn und noch mehr die Rumänen bei weitem. Der hohe Vermögensstand der Sachsen und ihre beispiellose Opferbereitschaft reichten auch in der Periode des Dualismus dazu aus, die wiederholten Magyarisierungsversuche der Regierungen von ihren Unterrichtsanstalten fernzuhalten und staatliche Subventionen nur insoweit anzunehmen, als diese ihre Schulautonomie nicht gefährdeten. (Die sächsischen Gemeinden spendeten zwischen 1907 und 1910 1,3 Millionen Kronen für wohltätige – in erster Linie schulische – Zwecke.) 1907 wurde aus den Waldverkäufen der Nationsuniversität erneut eine Stiftung von 18 Millionen Kronen geschaffen, die mit den nach 1910 bereits umfangreicheren staatlichen Subventionen den fälligen Neubau von Gymnasien finanzieren konnten. An diesen Gymnasien unterrichteten überwiegend Lehrer mit deutscher Universitätsausbildung, von denen auch viele in der Forschung tätig waren. Der bekannteste von ihnen ist wohl der bereits in seiner Schulzeit experimentierfreudige Hermann Oberth, nach dem Kriege einer der Pioniere der Raumfahrt.
Bis zum ersten Weltkrieg war bei den Sachsen der Analphabetismus völlig verschwunden, denn in jeder Gemeinde gab es eine Schule mit insgesamt 700 gut bezahlten Lehrern. Auch nach Auffassung der Zeitgenossen deckten die 5 Gymnasien, 1 Oberrealschule, 2 Unterrealschulen, 1 Untergymnasium und 2 Lehrerbildungsseminare die Bedürfnisse der 230 000 Sachsen. Stärke und Bedeutung der sächsischen Gymnasien erweisen sich auch daran, daß beinahe ein Viertel ihrer Schülerschaft aus ungarischen und rumänischen Schülern bestand.
Die Schwäche des rumänischen Schulnetzes blieb die gesamte Periode hindurch eine der schmerzlichsten Tatsachen für die rumänische Intelligenz, darüber hinaus aber auch für die gesamte rumänische Gesellschaft in Siebenbürgen und Ungarn, und bildete ein schweres nationales Gravamen in der Zeit des Neoabsolutismus und Dualismus.
585Vor 1848 besaßen die orthodoxen Rumänen kein einziges Gymnasium, und Blasendorf genügte nicht einmal für die Bedürfnisse der Griechisch-Katholischen. Um die Rückständigkeit auf schulischem Gebiet aufzuholen, hielt man in den 1850er Jahren 18 Gymnasien für nötig. Trotzdem kam es in der absolutistischen Periode nur zur Errichtung des Kronstädter kirchlichen (1850) und des Nußdorfer Stiftungsgymnasiums (1863). Die Volksschulen – über deren Zahl wir aus dieser Zeit keine zuverlässigen Angaben haben – waren ebenfalls in der Hand der beiden Kirchen. In den 50er Jahren wurden rumänische und deutsche Grammatik sowie der Deutschunterricht eingeführt und später auch rumänische Geschichte als Unterrichtsfach.
Nach dem Ausgleich führte das 1868er Volksschulgesetz von Eötvös die allgemeine Schulpflicht (von den rumänischen Kindern besuchten damals nur 28–33 % die Schule) und zugleich die Freiheit der Lehre ein. Als Folge davon kam es zu einer Welle von Schulgründungen; es wurden viele kirchliche und eine Reihe von gemeindeeigenen Schulen errichtet. Zwar verpflichtete das Gesetz den Staat, in ärmeren Gegenden muttersprachliche Elementarschulen zu schaffen, doch blieb diese Vorschrift selbst in ungarischen Gebieten auf lange Zeit ein papierener Trost, und rumänische Schulen wurden vom Staat überhaupt nicht eingerichtet. Das rumänische Schulwesen wurde deshalb auch weiterhin von den Kirchen getragen, der Geistliche der Gemeinde war der „Direktor”, der Protopope der Schulinspektor und das Erzbistum die oberste Schulbehörde. Die Regierung gab rumänischsprachige Unterrichtsmaterialien heraus, und Eötvös gründete 1868 in Diemrich ein rumänisches Lehrerbildungsseminar. Im allgemeinen aber blieb der Unterricht den Schulträgern überlassen, die nur einige grundlegende fachliche Verpflichtungen einhalten mußten. In den Volksschulen war der Ungarischunterricht nicht verbindlich. Die Schulbücher der Siebenbürger Rumänen waren auch in Rumänien vielfach in Verwendung.
Das Jahrzehnt nach 1868 kann als Blütezeit der rumänischen Schulen bezeichnet werden. 1879 bestanden auf dem ungarischen Staatsgebiet 2755 rumänische Volksschulen. Durch die damals einsetzende Schulpolitik der Magyarisierung stagnierte danach allerdings die Entwicklung. 1879 wird auch für die nicht-magyarischen Volksschulen die ungarische Sprache als Lehrfach vorgeschrieben. Schulen, die sich darüber hinwegsetzten, wurden vom Staat mit Vorbedacht geschlossen, um an ihrer Stelle ungarische oder gemischtsprachige Schulen einzurichten. Ärmere Gemeinden waren von sich aus bestrebt, die Lasten des Schulträgers abzuschütteln, was den Verstaatlichungsbestrebungen ebenfalls entgegenkam. So konnte der Rückstand – trotz nennenswerter Fortschritte bei der Alphabetisierung – letztlich nicht aufgeholt werden, und zur Jahrhundertwende war der Analphabetismus unter den Rumänen noch immer am höchsten. (In Szolnok-Doboka konnten nur 20,8 % lesen und schreiben, und fast eben so schlimm war die Situation in den Komitaten Kolozs und Hunyad.) Als 1908 die Lex Apponyi die Erhöhung der Lehrergehälter vorschrieb, mußten viele rumänische Schulen die Staatsbeihilfe annehmen, die mit verstärktem ungarischen Sprachunterricht verbunden war, und eine Reihe von Schulen wurden geschlossen. 1904 registriert die staatliche Statistik 2433 rein rumänischsprachige und 407 gemischtsprachige rumänische Schulen, und 1913 sind es insgesamt nur mehr 2170; allerdings waren bei den rumänischen Kirchen mehr, nämlich insgesamt 2665 Schulen registriert, und 3350 Lehrer erhielten Staatsbeihilfen.
586Relative Armut der rumänischen Gesellschaft und staatliche Schulpolitik der Magyarisierung hatten zum Ergebnis, daß die Kirchen das rumänische Schulnetz nicht mehr weiterzuentwickeln vermochten. Die beiden Kirchen konnten mit der erhaltenen staatlichen Schulbeihilfe (1914 3 Millionen Kronen) den erreichten Stand gerade noch halten. Unter diesen Umständen waren 10–20 % – nach anderen Berechnungen ein Drittel – der rumänischen Schüler dazu gezwungen, ungarische oder deutsche Schulen zu besuchen. Außerdem war bei den Rumänen der Anteil derer, die überhaupt nicht die Schule besuchten, noch höher (39,2 %) als bei den Ungarn.
Während des Dualismus bestanden 5 rumänische Gymnasien, für weitere hatten entweder die Kirchen kein Geld, oder der Staat verhinderte ihre geplante Errichtung, wie z. B. in Karansebesch. Die offizielle Schulpolitik legte auf die Magyarisierung des Mittelstufenunterrichts besonderes Gewicht. Mit dem Argument, die ungarische Diaspora zu schützen, errichtete die Regierung Gymnasien in nicht-ungarischen Gebieten, wie in Hermannstadt, Fogarasch, Karansebesch und Orawitza, die dann von zahlreichen nicht-ungarischen Schülern besucht wurden. (Im Schuljahr 1911/12 besuchten 1913 rumänische Schüler rumänische und 4256 ungarische und deutsche Mittelschulen.) In fünf staatlichen Gymnasien gab es fakultativen Rumänischunterricht. Wie sehr der Mittelstufenunterricht zu jener Zeit eine national-politische Frage war, zeigt die Tatsache, daß rumänische Mittelschullehrer und -schüler periodisch wiederkehrend „unpatriotischer Haltung” bezichtigt wurden. Im Zusammenhang mit solchen Anschuldigungen wurde 1889 das rumänische Gymnasium von Belényes teilweise magyarisiert. Im gleichen Zusammenhang standen der um die Jahrhundertwende entbrannte Streit über die aus Rumänien stammenden Subventionen für das Kronstädter rumänische Gymnasium und schließlich die Tatsache, daß in den Verhandlungen der rumänischen Nationalpartei mit Graf István Tisza vor dem Weltkrieg die Einrichtung weiterer rumänischer Mittelschulen eine wesentliche Rolle spielte.
Auch an der Hochschulausbildung waren die Rumänen weit unter ihrem Bevölkerungsanteil beteiligt. Außer drei orthodoxen und vier griechischkatholischen Priesterseminaren gab es vor dem Weltkrieg sechs rumänische Lehrerbildungsanstalten mit jährlich rund 400 Studenten. Eine rumänische Rechtsakademie war trotz der Forderung der 48er Generation nicht eingerichtet worden. Wer als Rumäne ein Universitätsstudium beginnen wollte, ging nach Klausenburg, lieber aber noch nach Budapest, Wien oder an deutsche Universitäten. Die Pester Universität besaß 1862 einen rumänischen Lehrstuhl, dessen erster Leiter Alexandru Roman, trotz seiner politischen Presseprozesse und Verurteilungen, bis 1897 im Amt blieb. Die Klausenburger Universität wurde gegen rumänischen Wunsch nicht zweisprachig eingerichtet, sie erhielt lediglich einen rumänischen Lehrstuhl, dessen erster Leiter Grigore Silaşi 1885 aus politischen Gründen pensioniert wurde, seinen Nachfolger Grigore Moldovan hielten viele wegen seiner scharfen Auseinandersetzungen mit der rumänischen Nationalpartei für einen Renegaten. Die beiden ungarischen Universitäten und die Rechtsakademien hatten in den Jahren vor dem Weltkrieg 600–700 rumänische Hörer.
Eine bedeutende Hilfe für die Schulanstalten der rumänischen Jugend leisteten die national geprägten Vereine, Banken und Stiftungen. Neben den Kirchen war die wichtigste von ihnen die 1871 geschaffene Gozsdu-Stiftung, 587die bis zum Weltkrieg rund 3000 Stundenten mit mehr als 1 Million Kronen für Stipendien versorgte. Dasselbe taten aber auch die Nußdorfer und Karansebescher Vermögensgemeinschaften, die ASTRA und nicht wenige Einzelpersönlichkeiten.

 

 

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