Das wissenschaftliche Leben im Wandel

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Das wissenschaftliche Leben im Wandel
Schon in der Reformzeit war das ungarische wissenschaftliche Leben Siebenbürgens eng mit dem eigentlichen Ungarn verbunden, und unter dem Absolutismus erfüllte es – wie das Beispiel des Siebenbürgischen Museumsvereins zeigte – eine geradezu national-politische Sendung. Mit dem Ausgleich wurde jedoch seine Sonderstellung endgültig aufgehoben, sofern wir nicht die ortsgeschichtlichen Forschungen, die Arbeit der lokalen archäologisch-historischen Gesellschaften als solches gelten lassen wollen, die sich im übrigen auch im landesweiten Rahmen vollzog.
Die 1872 erfolgte Gründung der Klausenburger Universität bildete ein über Siebenbürgen weit hinausweisendes Ereignis, zugleich aber auch eine Zäsur in der Wissenschaftsentwicklung. „Der letzte Polyhistor”, der debattierfreudige Professor Sámuel Brassai, setzt zwar seine vielseitige Tätigkeit weiter fort, aber die kommenden Jahrzehnte stehen schon ganz im Zeichen der Fachwissenschaftler.
Die sechsbändige Geschichte Siebenbürgens des noch zur 48er Generation gehörenden László Kővári ist noch ausgesprochen politisch orientiert, ebenso wie seine 1861 erschienene Darstellung über Siebenbürgen in den Revolutionsjahren 1848/49. Sándor Szilágyi verfaßt bereits eine modernere, kulturgeschichtlich geprägte Gesamtdarstellung der Geschichte Siebenbürgens. In seiner vorzüglichen Geschichte Klausenburgs schreibt der Archivar Elek Jakab auch über 1848/49 ein zusammenfassendes Kapitel.
Danach aber gewinnen die Quellenausgaben zunehmend an Bedeutung, beginnend mit der Serie Erdélyi történelmi adatok (Quellenmaterial zur Geschichte Siebenbürgens) von Imre Mikó; die bekannteste ist wohl die 21 Bände umfassende Ausgabe der Erdélyi országgyűlési emlékek (1540–1699) (Dokumente der siebenbürgischen Landtage 1540–1699), herausgegeben von Sándor Szilágyi. Ab der Jahrhundertwende festigt sich die neue Spezialdisziplin der sog. Heimatgeschichte, es entsteht eine Reihe bis heute brauchbarer Komitatsmonographien, die fast alle von Balázs Orbáns monumentaler A Székelyföld leírása (Beschreibung Siebenbürgens, Budapest, 1868–1873) beeinflußt sind. Trotz ihrer Spezialisierung löst sich die Historiographie nicht vollständig von der Politik, exemplarisch belegt dies die öffentliche und historiographische Tätigkeit Benedek Jancsós, der die rumänischen politischen Bestrebungen bekämpft und seine Stellungnahme mit gründlichen historischen Studien untermauert.
An der Klausenburger Universität wurden besonders hervorragende Fachleute im Bereich der Naturwissenschaften ausgebildet. Nach der Jahrhundertwende entstand das moderne Gebäude der Universitätsbibliothek, zugleich die zweitgrößte öffentliche Bücherei des Landes. Von den hier ausgebildeten Gelehrten sollen – mehr oder weniger willkürlich – der Philosoph Károly Böhm, der Zoologe Géza Entz, der auch für den Nobel-Preis vorgeschlagene Zoologe István Apáthy, der Pionier der Farbphotographie 588Ferenc Veress, der mit Flugzeugtheorie befaßte Lajos Martin und der Geologe Gyula Szádeczky Kardos hervorgehoben werden. Auf einen besonderen Weg führte die Tätigkeit Hugó Meltzls, der Petőfis Gedichte an Nietzsche vermittelte und mit Brassai zusammen seit 1877 die 12sprachigen, auch international bahnbrechenden Összehasonlító Irodalomtörténeti Lapok (Vergleichende literaturhistorische Blätter) herausgab.
Für die Entfaltung eines rumänischen Wissenschaftslebens war die Ausdauer und Spendefreudigkeit einzelner Personen von großer Bedeutung, da ein organisatorischer, institutioneller Rahmen beinahe zur Gänze fehlte; selbst im rumänischen Staat hat ein solcher erst in den 80er Jahren langsam Gestalt angenommen.
Die Geschichtsschreibung als typisch „nationale Wissenschaft” war auch bei den Siebenbürger Rumänen von zwei Tendenzen beherrscht: Ab den 50er Jahren entstehen zusammenfassende Werke, welche durch Aufdeckung der wechselvollen und heroischen Vergangenheit der Nation deren rechtlichpolitische Emanzipationsbestrebungen zu unterstützen suchen (A. T. Laurian, A. Papiu-Ilarian), andererseits setzt die Herausgabe von Quellen als Grundlage jeder wissenschaftlichen Historiographie ein. Als eine repräsentative Gesamtdarstellung in der Zeit nach dem Ausgleich ist das 1889-1891 in Hermannstadt herausgegebene 3bändige Werk von Bariţ zu bezeichnen: Părţi alese din istoria Transilvaniei pe 200 de ani in urmă (Ausgewählte Abschnitte der Geschichte Siebenbürgens aus den letzten zwei Jahrhunderten), das zugleich eine Zäsur markiert. Denn seine Nachfolger untersuchen nur mehr kürzere Perioden und konzentrieren sich auf die Geschichte der einen oder anderen Landschaft, Persönlichkeit oder auch der Kirchen und Schulen und geben immer häufiger Quellen heraus. Fachwissenschaft und Tagespolitik trennen sich freilich auch in den Folgejahren nicht völlig voneinander, auch nicht bei jenen, die die Budapester Universität besuchen – dies wird schon durch die politisch-nationalen Kämpfe verhindert. Bezeichnenderweise ist auch das repräsentative 8bändige politisch-historische Werk der Jahrhundertwende, Teodor V. Păcăţians Cartea de aur, sau luptele naţionale ale românilor de sub corona ungară (Das Goldene Buch, oder die nationalen Kämpfe der Rumänen unter der ungarischen Krone), eine Quellenausgabe im Dienst der unmittelbaren Ziele der rumänischen Nationalbewegung.
In der zweiten Jahrhunderthälfte spielt Siebenbürgen bei der Entwicklung der rumänischen Sprachwissenschaft eine zwar noch wichtige, aber an Bedeutung eher abnehmende Rolle. Der gelehrte Blasendorfer Domherr Timotei Cipariu, der die Traditionen der Siebenbürgischen Trias weiterführte, gab die erste philologische Zeitschrift heraus und beschäftigte sich nicht nur mit Sprachgeschichte und Phonetik, sondern betrieb die Einführung der – im übrigen stark von der gesprochenen Sprache abweichenden-etymologisierenden lateinischen Schreibweise. Eine Wende tritt dann in den 60er Jahren ein: Die siebenbürgisch-rumänische Presse geht von der kyrillischen zur lateinischen Schrift über. Der Versuch der Etymologisierung, der auf die Beseitigung der nicht-lateinischen Elemente und Wörter abzielte, fand natürlich auch jenseits der Karpaten Anhänger, die Bukarester Akademie hat ihn übernommen, und erst nach jahrzehntelangen Debatten gelang es, die starken Übertreibungen zu eliminieren.
In der Periode nach 1867 waren bei den siebenbürgisch-rumänischen Gelehrten drei Tendenzen vorherrschend: Die einen setzten die begonnenen 589Traditionen fort und siedelten nach Rumänien über oder bildeten sich dort zum Fachwissenschaftler aus – wie der Schöpfer der rumänischen Slawistik Ioan Bogdan –, andere waren nach Studien an ausländischen und ungarischen Universitäten in Budapest tätig (Victor Babeş, G. Alexici), wieder andere – und diese Tendenz wurde immer stärker – suchten und fanden nach ihrem Universitätsstudium Arbeit im rumänischen Schulwesen Siebenbürgens und wurden bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit von der ASTRA oder der Kirche unterstützt. Ausnahmen bilden jene schöpferischen Techniker wie der Flugzeugbauer Aurel Vlaicu, der auch über die Grenzen beider Länder hinaus bekannt wurde.

 

 

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