Umgestaltung der Regierungspolitik

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Umgestaltung der Regierungspolitik
Anfang 1895 bildete der siebenbürgische Politiker Baron Dezső Bánffy eine Regierung. Bánffy hatte sich in seinen früheren Ämtern (seit 1875 Obergespan in mehreren Komitaten) als Förderer der ungeduldigen Magyarisierung und der mit Polizeimethoden kombinierten patriarchalischen Unterdrückung in den Kreisen der rumänischen und sächsischen Intelligenz verhaßt gemacht. Selbst seine ungarischen Zeitgenossen kannten ihn als „Dobokaer Pascha”. Er war überzeugt, daß ohne Störung des Ausgleichs, in vollem Einvernehmen mit der Dynastie und mit Österreich alle Kraft gegen die Nationalitäten eingesetzt und die Magyarisierung beschleunigt werden müsse. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, bedeutete dies nichts anderes als für die Wien gemachten Zugeständnisse eine Kompensation der ungarischen nationalistischen Öffentlichkeit mit gesteigertem Chauvinismus.
Die von Bánffy verfolgte Nationalitätenpolitik verwarf die bisherige Magyarisierung auf dem Gesetzgebungsweg und unter Vermeidung von Repressalien. Er institutionalisierte und bürokratisierte die Nationalitätenpolitik. Sein Ziel war die fortlaufende Information der Regierung über kulturelles Leben und politische Bewegungen der Nationalitäten, so daß bei jeder Maßnahme, in allen Bereichen jene nationalistischen Gesichtspunkte konsequent zur Geltung kommen konnten, die von den früheren Regierungen lediglich instinktiv und unsystematisch berücksichtigt worden waren.
Der erste notwendige Schritt in diese Richtung war die Einrichtung einer „Nationalitätensektion” im Amt des Ministerpräsidenten, deren Lenkung Bánffy sich selbst vorbehielt. Seiner listenreichen Politik entsprechend genehmigte er den nach Budapest einberufenen serbisch-slowakisch-rumänischen Nationalitäten-Gesamtkongreß, der sich in seinem Beschluß am 10. August 1895 zur territorialen Integrität bekannte, aber auch die Gravamina der Nationalitäten aufzählte und sich für die politische Anerkennung des Vielvölkercharakters des Landes, für die Einführung der Nationalitätenautonomie in den Komitaten aussprach. Der Kongreß schuf eine Koordinierungskommission zur Lenkung der gemeinsamen Kampfmaßnahmen, wobei allerdings aus dieser Zusammenarbeit – wie die Regierung erwartet hatte – bis auf einige Beratungen, Briefwechsel und einen Protest gegen die Millenniumsfeierlichkeiten nichts herauskam.
Auch die rumänische Nationalitätenbewegung stagnierte wegen der inneren Krise. Die Aufregung, in welche der Memorandum-Prozeß Volksmassen und Behörden versetzt hatte, legte sich sehr schnell. Die noch inhaftierten Verurteilten des Prozesses wurden 1895 begnadigt. Das ungarische nationalistische Lager war ohnehin der Prozesse und damit der „Produktion von Märtyrern” überdrüssig geworden. In Rumänien gelangte die Liberale Partei an die Macht, die die siebenbürgische Bewegung immer stärker beeinflußte; ihr Führer Sturdza gab eine Treue-Erklärung zur Monarchie ab und ließ damit seinen eigenen früheren Standpunkt fallen. Er erklärte, die Monarchie sei, „so, wie sie geschaffen ist, eine erstrangige Notwendigkeit für das europäische Gleichgewicht” und für die Sicherheit des rumänischen Staates, weshalb die Beendigung „aller Mißverständnisse und Streitereien” zwischen 621Ungarn und Rumänen wünschenswert sei.* Er unterband einen Großteil der den rumänischen Kirchen und Schulen in Siebenbürgen im Geheimen zugehenden, doch bereits allgemein bekannten Bukarester Hilfe, womit diese auf eine jährliche Subvention von 150 000 bis 200 0000 Kronen verzichten mußten. Nur die Finanzierung des Kronstädter orthodoxen Gymnasiums und der dazugehörigen Schulen blieb bestehen, da sich Bánffy ausnahmsweise mit deren – freilich über Budapest laufenden – Auslandshilfe abfand, obwohl sie selbstverständlich gesetzwidrig war. Im Besitz der rumänischen Unterstützung konnte das hochangesehene Gymnasium nicht mehr zur Annahme der (ungarischen) Staatshilfe gezwungen werden und entging so auch der Gefahr einer effektiven staatlichen Kontrolle.
T. MAIORESCU, Istoria contimporană a României (Zeitgenössische Geschichte Rumäniens). Bucureşti 1917, 332–337; B. JANCSÓ, A román irredentista mozgalmak története (Geschichte der rumänischen irredentistischen Bewegungen). Budapest 1920, 229.
Die Regierung unternahm in zwei Richtungen Versuche, die Schulaufsicht zu reorganisieren. Sie versuchte, den Kirchen und Gemeinden, die die vorgeschriebenen Minimalgehälter der Lehrer nur schwer oder überhaupt nicht zahlen konnten, die Staatshilfe aufzuzwingen. Dagegen wehrten sich die Rumänen im Gefühl der Verletzung ihrer kulturellen Autonomie auf unterschiedliche Weise: durch Zurückweisung des erhöhten Gehaltes oder der nominellen Gehaltserhöhung. Bánffy rief daraufhin alle Komitate auf, von allen Gemeinden, die Schulen unterhielten, die für die Gehaltserhöhung notwendigen Summen einzuziehen und die Betroffenen durch die sog. Kultussteuer (z. B. in Arad 70–100 % der Vermögenssteuer) zur Beantragung der Staatshilfe zu zwingen. Dieser Versuch schlug jedoch auch auf den Staat, auf den Apparat zurück, weil die Kirchenbehörden die Kosten des Schulbeitrages nur veranlagten, aber seine Eintreibung, d. h. die politisch gesehen unangenehmere Aufgabe, den Verwaltungsorganen überließen. Die Schaffung einer das Vermögen der beiden rumänischen Kirchen kontrollierenden Organisation wiederum blieb ein undurchführbarer Plan.
Eine typische Magyarisierungsmaßnahme dieser Periode war das Gesetz Nr. IV/1898 „über die Gemeinde- und sonstigen Ortsnamen”, das besagte, daß jede Gemeinde nur einen amtlichen Namen besitzen dürfe. Von den Sachsen und Rumänen wurde dieses Gesetz mit großer Empörung aufgenommen, weil nun auf den Straßenschildern und in amtlichen Schriftstücken die ungarische Namensvariante verwendet werden mußte, obwohl in Lehrbüchern und Schriftsachen der Schulen ergänzend die eigenen Benennungen aufgenommen werden konnten und Presse wie auch Unternehmen die Bezeichnungen ebenso nach eigenem Belieben verwendeten wie die Sprache ihres Geschäftsverkehrs.
Die gewaltsame Nationalitätenpolitik Bánffys war jedoch wenig erfolgreich. Die Sachsen waren durch nichts zu erschüttern, die rumänischen Führer hatten die Auswirkungen der Verfolgung nach ein bis zwei Jahren überwunden. Doch auch der Hauptplan Bánffys, mit dem Programm der Verfolgung der Nationalitäten sowie der Sozialisten die uneinigen ungarischen politischen Kräfte auf Dauer in einem Lager zu vereinen, blieb nur ein Stück Papier. Bánffy wurde seitens der Parlamentsopposition des Verrats der ungarischen nationalen Rechte an Österreich angeklagt und im Februar 1899 gestürzt. Er riß dabei auch das Bukarester Sturdza-Kabinett mit, da an die dortige 622Öffentlichkeit gelangte, daß Bánffy und Sturdza bei der Behandlung der Siebenbürger Rumänen einvernehmlich vorgegangen waren, was die Bukarester Öffentlichkeit empörte.
Bánffys Nachfolger, Ministerpräsident Kálmán Széll, brach mit den Methoden seines Vorgängers. Mit der Dreier-Losung „Recht, Gesetz, Wahrheit” versprach er dem Land die Rückkehr zu den sauberen Regierungsmethoden unter Deák und Eötvös. Mit der neu erstarkten Regierungspartei hinter sich konnte er 1901 freie Wahlen ansetzen; von diesem Zeitpunkt an glaubten die Nationalitäten, eine Verbesserung aller Voraussetzungen für ihre Rückkehr ins Parlament bemerken zu können. Ihrer Beruhigung diente – auch aus außenpolitischen Überlegungen – die Auflösung der Nationalitätensektion und die Beseitigung der kleinlichen Polizeimethoden.
Die Behandlung der Nationalitätenfrage wurde vom Jahrhundertende an dem polizeilichen Aufgabenbereich entzogen, sie wurde fachgemäßer, wobei jede Regierung diese Frage zu ihren politischen Alltagssorgen zählte, ohne aber ihre Regelung als eine wirklich dringende Aufgabe zu betrachten.
Zu jener Zeit zeichnete sich eine neue, aus der Sicht der Magyaren Siebenbürgens wichtige Bestrebung ab: die Absicht, die Magyaren indirekt zu stärken. Es wurden Planungen zur Verbesserung des siebenbürgischen Kreditwesens und zur Ausdehnung der Genossenschaftsbewegung aufgenommen sowie Schritte zur Vorbereitung einer sozial-national gefärbten Siedlungspolitik getan. Der wichtigste war der „Szekler Kongreß” 1902 in Tuschnad, der ein staatlich unterstütztes Komplexprogramm zur Entwicklung des Szeklerlandes aufstellte. Später kündigten auch die Rumänen ihren Anspruch auf eine ähnliche staatliche Unterstützung für einzelne ihrer eigenen ärmeren Gegenden an.

 

 

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