Die ersten Kriegsjahre

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Die ersten Kriegsjahre
Während der auf das Attentat von Sarajewo folgenden politischen Krise war anfangs nur der ungarische Ministerpräsident gegen einen Krieg mit Serbien. In seiner Stellungnahme spielte die Angst vor einem siebenbürgischen Einfall eine wichtige Rolle. Tisza rechnete von Anfang an die Streitkräfte des Königreichs Rumänien zu den Gegnern. Er war der Ansicht, man könne keinen Krieg anfangen, „wenn wir Rumänien bereits in etwa verloren haben, ohne dafür Ersatz erhalten zu haben“.* Aber auch Tiszas Widerstand zerbrach unter dem Druck der deutschen Regierung, nachdem diese die Neutralität Rumäniens garantiert hatte. Der Generalstab seinerseits versprach, die Grenze Siebenbürgens zu stärken sowie gewisse Streitkräfte dorthin zu verlegen.
Tiszas Memorandum zitiert in Magyarország története. A.a.O., 1086–1087.
Am 26. Juli wurde in einem breiten Grenzstreifen von Serbien bis Galizien – d. h. auch in ganz Siebenbürgen – der Ausnahmezustand erklärt: der Grenzübertritt, das Versammlungsrecht, die Verwaltungskompetenz der Komitate wurden eingeschränkt, die Geschworenengerichte aufgehoben und das beschleunigte Strafprozeßverfahren eingeführt. Im ganzen Lande kam es zum Einsatz der Pressezensur, den Behörden wurde die Kontrolle des Post-, Telegramm- und Fernsprechverkehrs erlaubt. Pferde und Fahrzeuge wurden für Kriegszwecke beschlagnahmt und massenweise Wehrpflichtige eingezogen.
Das formell gesehen verbündete Rumänien blieb zu Beginn des Weltbrandes neutral. Die nüchterne politische Überlegung diktierte ihm die Notwendigkeit, seine militärische Kraft möglichst lange unbeschadet zu erhalten. Bereits bei Kriegsausbruch hatte ein Wettstreit zwischen der Entente und den Mittelmächten eingesetzt, Rumänien für sich zu gewinnen, womit auch Siebenbürgen ganz plötzlich zum Einsatzobjekt der internationalen Kriegspolitik wurde.
634Jene rumänischen Politiker, die sich aus Angst vor dem zaristischen Rußland zu den Mittelmächten hingezogen fühlten, versuchten über Wien und Berlin Druck auf die Budapester Regierung auszuüben, sie empfahlen die Autonomie Siebenbürgens und die Übergabe eines Teils der Bukowina. Damit hofften sie, Rumäniens Eintritt in den Krieg an der Seite der Mittelmächte fördern zu können. Der deutsche Botschafter in Bukarest erfuhr von König Karl, Rußland habe ihm Siebenbürgen versprochen, mit dem Zusatz, dazu auch das Einverständnis Englands und Frankreichs zu erhalten. Die Deutschen verstärkten ihren Druck auf Tisza: Kanzler Bethmann-Hollweg ersuchte persönlich um Zugeständnisse. Tisza meinte jedoch, nur Sieg oder Niederlage auf dem Schlachtfeld werde das Verhalten Rumäniens schließlich entscheiden. Im ersteren Falle bedürfe es keiner Konzessionen, im zweiten Falle könnten sie nichts erreichen. Nur wurde seine Meinung nicht von allen geteilt; anfangs erkannte man nicht, daß allein die Bukarester Konservativen den Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte wünschten, während sich Brătianu lediglich eine vorübergehende Neutralität Rumäniens durch österreichisch-ungarische Konzessionen bezahlen lassen wollte. (Die am 1. Oktober 1914 getroffene russisch-rumänische Vereinbarung versprach Rumänien ebenfalls für seine Neutralität Siebenbürgen und die Südbukowina.) Unter dem allseitigen Druck stellte Tisza schließlich am 12. September im Kronrat größere Zugeständnisse in Aussicht. Anderntags ließ er die Leiter der rumänischen Partei zu sich rufen, gab ihnen das Versprechen, die Sprachenrechte zu erweitern, das Apponyi-Schulgesetz zu revidieren und mehrere rumänische Wahlkreise einzurichten, falls die „ganze rumänische Rasse“ gemeinsam für die Monarchie eintrete. Während Vaida einwilligte, blieb Maniu derart zurückhaltend, daß Tisza die Verhandlung unterbrechen mußte.
Bukarester und Berliner Kreise entwarfen nun den Plan eines eigenen rumänischen Ministeramtes, der Ernennung einiger Obergespane, der Einrichtung eines vollständigen rumänischen Schulnetzes und einer eigenen Universität sowie des Versprechens von 40 Wahlkreisen; er wurde durch die Botschafter der Monarchie und Deutschlands in Bukarest bei Gesprächen mit Vaida, Vlad und Goldiş ausgearbeitet, die der Überzeugung waren, ihre Partner seien „ganz offensichtlich kaisertreu“.* Das deutsche Außenministerium kannte zu dieser Zeit die Geschichte der Bestrebungen der Siebenbürger Rumänen bereits sehr gut, ja sogar das umfangreiche Material der vor dem Kriege geführten rumänischen Verhandlungen Tiszas. „Die Verantwortung für die feindliche Stimmung der rumänischen Öffentlichkeit gegen uns trifft Ungarn, und Graf Tisza müßte endlich Zugeständnisse machen, solange noch Zeit dafür bleibt“ – resümierte der deutsche Gesandte in Bukarest im Einvernehmen mit dem Kanzler seine Ansicht.* Tisza wollte jedoch mit Hilfe lediglich bescheidener Erweiterungen der vor dem Krieg gemachten Zugeständnisse die führenden Kreise Rumäniens in Unsicherheit belassen und deren Entscheidung verzögern, in der Hoffnung, der ungarischen Politik werde es gelingen, das gesamte Problem ohne größere Opfer zu überwinden.
Telegraphischer Bericht des Bukarester deutschen Gesandten Bussche vom 18. Oktober 1914. PA AA Bonn, Österreich 104. Bd. 13, A 2720.
Ebd.
Am B. November 1914 wurde der Briefwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Erzbischof von Hermannstadt veröffentlicht, in dem 635Tisza noch im September, in Anerkennung der Treue der rumänischen Untertanen zum ungarischen Staat und ihrer Selbstaufopferung im Kriege, die Erweiterung der Nationalitätenrechte versprach. Die Presseprozesse wurden eingestellt, die wegen politischer Vergehen verurteilten Rumänen amnestiert, und der Gebrauch der rumänischen Nationalfahne wurde erlaubt. Während dies in Rumänien keinen besonderen Eindruck machte, verübelten es ihm die ungarischen nationalistischen Kreise jedoch sehr. In seinem Interview für Az Újság (Die Zeitung) verlangte Maniu von Tisza einen detaillierteren Vorschlag für eine institutionelle Garantie der rumänischen Nationalitätenrechte. In der Tat war die Lage der Siebenbürger Rumänen unter dem Einfluß des diplomatischen Kampfes um Rumänien verhältnismäßig günstig. Über die erwähnten Maßnahmen hinaus hütete sich die Regierung seit Ende 1914 besonders davor, die rumänische Öffentlichkeit zu reizen. Das Blatt der Nationalpartei – Românul – wurde direkt auf Wunsch der Regierung am Leben erhalten, während es seine Redakteure bereits Ende 1914 wegen der Zensur hatten einstellen wollen.
1915 wurde das Verhältnis zwischen den Mittelmächten und Rumänien gespannter. Der deutsche Druck blieb gleichbleibend stark, sowohl bei verschlechterter Kriegslage als auch bei Erfolgen an der Ostfront – das Kriegspotential Rumäniens wäre durchaus willkommen gewesen. Der Sonderbeauftragte Berlins, Mathias Erzberger, hielt sich im Mai und im Juni in Budapest und Wien auf, er verhandelte mit den rumänischen Führern auch bereits über eine föderative Umgestaltung der Monarchie. Davon wollte Tisza natürlich nichts wissen und reiste im Juni selbst nach Berlin, um auf all dies mit einem klaren Nein zu antworten und solchen Bestrebungen entgegenzutreten.
Die vorübergehende Verbesserung der Kriegslage und der Kriegseintritt Bulgariens erleichterten auch die Lage der ungarischen Regierung. Die rumänischen Zeitungen wurden gerügt, da sie die verschiedenen Treueerklärungen nicht kommentierten. Maniu wurde – als entschlossenster Oppositioneller – an die Front geschickt und die Kompetenz der Polizei erweitert. Im März 1916 wurde schließlich auch der Românul eingestellt.

 

 

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