Der Versuch Rumäniens, Siebenbürgen zu besetzen

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Der Versuch Rumäniens, Siebenbürgen zu besetzen
Die militärischen Niederlagen der Monarchie ließen im Sommer 1916 in der Bukarester Regierung die Absicht heranreifen, in den Krieg einzutreten. In einem Memorandum ersuchte Tisza den Monarchen, Streitkräfte zur Abschreckung an der siebenbürgischen Grenze zu konzentrieren. Er wollte auch deutsche Hilfe herbeirufen, im Tausch dafür wäre er auch zum Verzicht der Monarchie auf Polen geneigt gewesen. Die deutschen, österreichisch-ungarischen, bulgarischen und türkischen Generalstäbe einigten sich darauf, notfalls in einem gemeinsamen Gegenangriff Rumänien zu schlagen.
Die Bukarester Regierung sah die militärische Niederlage der Mittelmächte näherrücken, weshalb sie dem ständigen französischen Druck nachgab und sich am 17. August in Bukarest in einem Geheimvertrag der Entente anschloß. Die Entente wiederum übernahm es, Rumänien mit Offensiven an der Saloniki-Front und auf dem galizischen Kriegsschauplatz sowie durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Als Gegenleistung für den Kriegseintritt, 636von dem man sich enorme Ergebnisse erwartete, versprach man Rumänien einen Teil der Bukowina, das gesamte Banat, das historische Siebenbürgen sowie die sich ihm westlich anschließenden Gebiete, im großen und ganzen bis zur Theißlinie, dabei jedoch Ungarn die engere Umgebung von Debreczin und Orosháza belassend. Auf einer letzten Kronratssitzung erklärte Ministerpräsident Brătianu: „Wer weiß, ob es im Laufe der Jahrhunderte noch einen so günstigen Augenblick wie den gegenwärtigen geben wird?“* Noch am Sonntagabend, dem 27. August, wurde in Wien der Monarchie die Kriegserklärung überreicht, während die Truppen des das Erbe Karls I. antretenden Königs Ferdinand noch in der Nacht die Karpatenpässe überschritten.
Zitiert von V. ATANASIU–A. IORDACHE–M. IOSA-I. M. OPREA–P. ORESCU, Romănia in primul război mondial (Rumänien im ersten Weltkrieg). Bucureşti 1979, 139
Die ungarische Grenze war praktisch nur von Gendarmerie bewacht: Die früher hierher kommandierten Truppen waren längst an die russische Front geschickt worden. Die Behörden begannen am ersten Tag mit der Evakuierung der gefährdeten Zone, sie riefen die Bevölkerung auf, die Gebiete jenseits des Mieresch zu verlassen, was vorwiegend die ungarische und sächsische Stadtbevölkerung und das Szeklerland betraf. Die Anzahl der Flüchtlinge lag über 200 000.
Der rumänische Angriff erschütterte ganz Ungarn, obwohl niemand bezweifelte, daß man ihn zurückschlagen werde. Auch die rumänische Nationalbewegung war in einer schweren Lage. Ihre Partei selbst schwieg zwar, willigte aber in die verschiedenen feierlichen Treueerklärungen der führenden Persönlichkeiten ein, in denen der rumänische Angriff verurteilt wurde. Die Sympathie der Siebenbürger Rumänen für die einziehenden Truppen scheint damals geringer gewesen zu sein, als dies die rumänischen oder ungarischen offiziellen Kreise erwartet hatten. König Ferdinand äußerte, „selbst die Siebenbürger Rumänen empfingen [sie] als Feinde“, der Politiker und Professor Iorga merkte an: „kein einziges Wort der Begrüßung kam aus ihren Reihen, als die rumänischen Heere 1916 die Grenze überschritten“.* Dies sind natürlich Übertreibungen der Verbitterung. Viele freuten sich, viele glaubten, nun werde es zur nationalen Vereinigung kommen. Die Mehrheit jedoch war zurückhaltend. Der Obergespan des Komitats Hermannstadt konstatierte in einem vertraulichen Bericht über den rumänischen Einmarsch, trotz seiner Beschwerden hinsichtlich der Intelligenz „können wir [mit der Haltung der Rumänen] im großen und ganzen zufrieden sein“.*
N. IORGA, Supt trei regi (Unter drei Königen). Bucureşti 1932, 288; A. MARGHILOMAN, Note politice II (Politische Note II). Bucureşti 1927, 221–223.
Bericht vom 5. November 1916.OL, Miniszterelnökség (Ministerpräsidentenamt). 1917. XVI. 362 res. (1916. 6922 res.).
Nach dem rumänischen Operationsplan hätte die 400 000 Mann starke Armee innerhalb von wenigen Tagen die Mieresch-Linie erreichen und von dort von zwei Richtungen her in die Theißebene vorstoßen sollen. Obwohl auch noch nach der Ankunft der ersten Verstärkungen auf ungarischer Seite nur 70 000 Mann kämpften, kam man mit der Offensive nur langsam voran. Am 30. August rückten die rumänischen Truppen in das evakuierte Kronstadt ein und besetzten dann außer einem großen Teil des Szeklerlandes nur noch Petroscheni und Orschowa, selbst in das evakuierte Hermannstadt zogen sie 637nicht ein. Inzwischen schlugen Feldmarschall Mackensens Truppen die als Rückendeckung Rumäniens gedachten Streitkräfte an der bulgarisch-rumänischen Grenze, woraufhin die rumänische Militärführung Mitte September ihren Vormarsch in Siebenbürgen stoppte und ihre Truppen Verteidigungsstellungen einnehmen ließ.
Die Mittelmächte konzentrierten in Neumarkt die I. österreichisc-hungarische (defensive) Armee und im Südabschnitt des Mieresch die 9. deutsche (offensive) Armee, die aus von verschiedenen Fronten überstürzt abgezogenen deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen bestand. Die 9. Armee unter dem gerade als deutscher Generalstabschef entlassenen Falkenhayn fügte der rumänischen Armee am 26.–28. September im Gefecht bei Hermannstadt und am 7.–9. Oktober bei Kronstadt Niederlagen zu, während die 1. Armee unter dem (siebenbürgisch-sächsischen) General Arz die Kraft des Gegners südöstlich von Neumarkt brach. Es begann der rumänische Rückzug, bei dem auch Geiseln genommen wurden. Auch ein bedeutender Teil der rumänischen Intelligenz des südlichen Grenzgebietes floh; manchenorts schloß sich der gesamte Gemeindevorstand den rumänischen Truppen an. Nach schweren Kämpfen in den Karpaten erreichten die Armeen der Mittelmächte Mitte November die oltenische Ebene und zogen nach weiteren Gefechten am 6. Dezember in Bukarest ein.
Im Feldzug von 1916 verlor Rumänien 150 000 Mann als Kriegsgefangene und mehr als 100 000 an Toten. Mit Hilfe der französischen Militärmission Berthelots wurde die Armee neuorganisiert, und so konnte sie im Juli 1917 verhindern, daß auch die Moldau überrannt wurde. Zwei Drittel Rumäniens jedoch, und zwar gerade die reicheren Gebiete, gerieten – einschließlich der Erntevorräte von zwei Jahren – unter fremde Besetzung.
Nach der Oktoberrevolution in Rußland blieb Rumänien ohne direkte Hilfe und schloß trotz der Bedingungen der Entente im Frühjahr 1918 einen Sonderfrieden mit den Mittelmächten. Im Sinne des Bukarester Friedens kam seine Wirtschaft unter deutsch-österreichisch-ungarische Kontrolle, seine Armee hatte es entwaffnen müssen. Unter der Bezeichnung einer strategischen Grenzkorrektion wurde Ungarn ein schmaler Streifen von 2–10 km Tiefe mit 23 000 Einwohnern angeschlossen, und praktisch verlor Rumänien auch die Dobrudscha, es konnte aber zugleich das Anfang 1918 von Sowjetrußland erworbene Bessarabien behalten.

 

 

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