Maßnahmen nach den Kriegsoperationen

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Maßnahmen nach den Kriegsoperationen
Nach der Vertreibung des Gegners geschahen spektakuläre Gesten zur Beruhigung der ungarischen und sächsischen Einwohner Siebenbürgens. Anfang November 1916 machten der Thronfolger, der bayerische König und im darauffolgenden Herbst der deutsche Kaiser einen feierlichen Besuch. Es wurden staatliche und gesellschaftliche Hilfsprogramme eingeleitet. Gleichzeitig griffen die Zivil- und vor allem die Militärbehörde zu scharfen Vergeltungsmaßnahmen gegen die Rumänen, schon um damit ihr Schuldgefühl zu verschleiern, daß sie Siebenbürgen zuvor vollkommen ohne Schutz gelassen hatten. Internierung, Verhaftungen und Prozesse folgten aufeinander, während zugleich mehrere hunderttausend Rumänen mutig unter den Fahnen der Monarchie kämpften. Das Innenministerium gab im Herbst 1917 638die Internierung von 825 Personen zu, aber die Rumänen wußten von mehr als 1000 Menschen.
Nachdem die Tisza-Regierung Mitte 1917 abgelöst worden war, ging Graf Albert Apponyi als neuer Minister für Kultus und Unterricht daran, in den Randgebieten zu Rumänien die sog. Kulturzone zu schaffen, in der sämtliche rumänische Konfessionsschulen von staatlichen Schulen abgelöst werden sollten. Nur 15 bis 18 namhafte Lehranstalten mit großer Vergangenheit wollte er im Besitz der rumänischen orthodoxen Kirche belassen. Nach seinem Plan wären innerhalb von vier bis fünf Jahren 1600 staatliche Volksschulen und 8000 Kindergärten eingerichtet worden. Für die rumänischen Lehrerausbildungsstätten wurde als Ministerialkommissar ein ständiger Inspektor ernannt. Im Juni 1918 entzog man in dieser Zone den 477 Lehrern von 311 rumänischen Konfessionsschulen jegliche staatliche Hilfe. Die Umgestaltung des Schulsystems im Grenzgebiet wurde mit den Geschehnissen im Herbst 1918 obsolet. Die Wekerle-Regierung gab 1917 jene Verordnung heraus, die in Siebenbürgen (und in Oberungarn) den Immobilienverkehr einschränkte. Sie verbot den rumänischen Bauern nicht den Kauf von Boden, erschwerte ihn aber auf bürokratische Weise, um dem rumänischen Bürgertum dörflichen Besitzerwerb unmöglich zu machen.
Die auf den rumänischen Angriff folgenden Kriegsoperationen verursachten zwar – vor allem im Szeklerland – ernsthafte materielle Schäden, hatten jedoch keineswegs solche Folgen wie auf den großen Kriegsschauplätzen im Westen und Osten. Siebenbürgen konnte mit einiger staatlicher Hilfe die Folgen des anfänglichen Chaos und der Verwüstungen relativ schnell überwinden. Die Industrie prosperierte noch trotz mancher schwerer Probleme in der Eisenherstellung, im Bergbau und Verkehr. Eine Reihe von Unternehmen, Kreditinstituten – so auch die rumänische Economul – nahmen eine Kapitalerhöhung vor. Allein 1917 wurden 19 neue Aktiengesellschaften gegründet, die gesamte Kapitalerhöhung betrug im engeren Siebenbürgen nahezu 33 Millionen Kronen. Seit 1911 hatte es keinen solchen Geldüberfluß gegeben. Neue Industriezweige entwickelten sich, wie die Gasverarbeitung, das Chemiekombinat von Martinskirch oder die Bauxitförderung in Bihar.
Die Bauern trugen die Hauptlasten des Krieges, sie wurden mit Ablieferung belegt, litten unter dem großen Arbeitskräftemangel und stellten die meisten Soldaten. Das bestellte Ackerland verringerte sich, Viehbestand und Erträge gingen zurück. 1917 wurde eine Requirierung eingeführt, nach der den Produzenten pro Familienmitglied monatlich nur 10 bis 12 kg Getreide verblieben und der nach der Aussaat verbliebene Rest nachträglich eingezogen wurde. Wenn auch ein organisiertes Hungern wie in Deutschland vermieden wurde, war die Land- und vor allem die Stadtbevölkerung dennoch hin und wieder gezwungen zu darben. Die Volksküchen vermochten nur sehr wenig an der Lage der Armen zu ändern.
Infolge der sinkenden Reallöhne und vor allem des Lebensmittelmangels kam es ab 1916 auch zu Arbeiterunruhen. Bekanntlich fielen diese Kämpfe mit dem der Kriegsermüdung folgenden Friedenswunsch zusammen, dem sichtbaren Ausbruch der politischen Krise. Im Mai 1916 kam es in den Kohlengruben des Schil-Tales zu einer Streikserie, die mit Verhaftungen und Prozessen endete. Nach der Februarrevolution 1917 in Rußland erstarkte die Arbeiterbewegung, am 1. Mai fanden Arbeiterdemonstrationen in Klausenburg, Kronstadt, Arad und Temeschwar statt. Es gab erneut Eisenbahner 639und Bergarbeiterstreiks, und bis 1918 war auch weitgehend die Angst vor der repressiven Macht geschwunden. Die Forderungen bezogen sich überall auf die Verbesserung der Lebensbedingungen, auf das allgemeine Wahlrecht und den Frieden. In diesen Bewegungen erhöhte sich sprunghaft der Einfluß der Gewerkschaften.
Schon wegen der Gefahr einer Explosion im Inneren wurde der Frieden immer dringlicher. Die Krise verbreitete sich jedoch so schnell, daß den Regierungskreisen kaum Zeit für einen raschen, rettenden Friedensschluß blieb.

 

 

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