Die Siebenbürger Deutschen auf der Suche nach einer neuen Orientierung

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Die Siebenbürger Deutschen auf der Suche nach einer neuen Orientierung
Laut der Volkszählung von 1930 lebten in den an Rumänien angeschlossenen westlichen Gebieten 543 852 Deutsche. Einer ihrer Siedlungsräume lag zwischen dem Mieresch und den Karpaten, im Gebiet der ehemaligen sächsischen Stühle, der andere, größere, der der Schwaben, im Banat, in der Umgebung von Temeschwar. Wie schon erwähnt, verabschiedeten die Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen am 8. Januar 1919 in Mediasch 677ihre Anschlußerklärung an das Königreich Rumänien und begrüßten das Nationalitätenprogramm des Karlsburger Beschlusses, dessen Verwirklichung sie als Vorbedingung für ihre Erklärung betrachteten. Einige Monate später gaben auch die Banater Schwaben eine solche Erklärung ab. Der Grund für diese Absage der Siebenbürger Deutschen an den ungarischen Staat muß in den Gegensätzen zwischen dem deutschen Bürgertum und der ungarischen herrschenden Klasse gesucht werden – die Deutschen hofften im neuen Staat ein gutes Auskommen zu finden. Dieser wohlüberlegte Anschluß brachte den Deutschen gewisse Vorteile: sie konnten ihre wirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen, viele konnten im öffentlichen Dienst bleiben, ihre Vertreter kamen leichter ins Parlament, sie hatten größere Möglichkeiten im Schulwesen und im kulturellen Leben, und ihre Konfessionsschulen bekamen vom Staat – anders als die ungarischen Schulen – regelmäßige Unterstützungen. Bald stellte es sich aber heraus, daß die rumänische Politik auch im Fall der Deutschen die in den internationalen Verträgen und in Karlsburg gegebenen Zusicherungen nicht einhielt. Die Agrarreform wurde so durchgeführt, daß die deutsche evangelische Kirche bzw. die sächsische Nationsuniversität den größeren Teil, etwa 55 % ihres Vermögens verloren. Der Rest vom Vermögen der Nationsuniversität wurde 1937 zwischen der evangelischen Kirche und einer rumänischen kulturellen Organisation (Aşezământul Cultural Mihai Viteazul) aufgeteilt.
Den Statistiken zufolge waren bloß 54,1 % der Deutschen im Agrarsektor tätig (dieser Anteil war bei den Banater Schwaben etwas höher), 24 % im Bergbau und in der Industrie, 7,2 % im Handel, Kreditwesen und Verkehr. Im Sektor Bergbau-Industrie war nur der Prozentsatz der Juden höher, im Sektor Handel-Kreditwesen-Verkehr auch der der Ungarn (aber nicht bedeutend). Im Unterrichtswesen war der Prozentsatz der Deutschen am höchsten, während bei den Saisonarbeitern nur der Anteil der Rumänen höher war.
Die deutschen Bauern wirtschafteten im allgemeinem auf hohem Niveau, was ihnen ihren Wohlstand sicherte. Da aber die eingeleiteten Maßnahmen die rumänischen Bauern bevorzugten, gerieten auch die deutschen Bauern in eine ungünstigere Lage, die Verbitterung bei ihnen auslöste. Die deutschen Handwerker und Einzelhändler mußten die im Kreditwesen eingeführten Beschränkungen durch größere Anstrengung ausgleichen.
Die kulturelle Entwicklung der Deutschen wurde in hohem Maße durch die evangelische Kirche unterstützt, die auch zu kirchlichen Kreisen in Deutschland enge Beziehungen unterhielt; sie vermochte einen konfessionellen Unterricht und ein Gemeinschaftsleben in größerem Umfang aufrecht zu erhalten. In ihrem kulturellen Leben spielten das von Richard Csaki geleitete Kulturamt und die Zeitschriften Ostland und Klingsor eine bedeutende Rolle; letztere wurde von Heinrich Zillich redigiert und hatte auch belletristischen Charakter. Auch die Siebenbürger Sachsen suchten in ihrer Literatur ihre Besonderheiten künstlerisch zum Ausdruck zu bringen, wie z. B. in den Werken von Schriftstellern wie A. Meschendörfer, E. Wittstock und H. Zillich. Das bekannte Organ der deutschen Wissenschaft war die von Karl Kurt Klein redigierte sozialwissenschaftliche Zeitschrift Siebenbürgische Vierteljahrschrift.
Im Vergleich zu den früheren Perioden bedeutete die Beendigung der traditionellen politischen Abgrenzung zwischen Sachsen und Schwaben eine 678entscheidende Zäsur: beide ethnische Gruppen vereinigten sich auch organisatorisch, das sächsische Bewußtsein trat allmählich hinter ein Selbstbewußtsein aller Rumäniendeutschen zurück, was auch in der Benennung ihrer Partei und in den Bezeichnungen ihrer Institutionen und Zeitungen zum Ausdruck kam. In der 20er Jahren war die Deutsche Partei tonangebend, die auf der Basis der bürgerlichen Verfassung stand und manchmal auch mit der Ungarischen Partei kooperierte, obschon sie eher durch Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen rumänischen Regierungsparteien ihre Parlamentspositionen sicherte. (Eine Zeit lang war Rudolf Brandsch Staatssekretär für die Minderheitenangelegenheiten.)
Von den deutschen Arbeitern nahmen viele an der Arbeiterbewegung teil, nicht wenige von ihnen waren auch in der Kommunistischen Partei Rumäniens tätig. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Rumänien, die Politik der nationalen Unterdrückung und die Machtergreifung Hitlers in Deutschland förderten den Einfluß des Nationalsozialismus vor allem in der Jugend. Nach 1935 bekamen die Anhänger des Nationalsozialismus in der sog. Erneuerungsbewegung das Übergewicht und verbanden das Schicksal der deutschen Minderheit mit Deutschland, in Unterordnung selbst der eigenen Interessen unter die außenpolitischen Bestrebungen des Reiches. Die herrschende Klasse Rumäniens war besonders nach 1938 bemüht, diesen Kräften in die Hände zu spielen, da sie als Vermittler der neuen rumänischen Außenpolitik auftraten, die sich vom französich–englischen Bündnis plötzlich ab- und Hitler-Deutschland zuwandte. Ein Teil des deutschen Bürgertums, die vom evangelischen Bischof Viktor Glondys geführte liberale Patrizierschicht, war gegen den Nationalsozialismus, aber im Rahmen der allgemeinen Rechtsradikalisierung gerieten sie rasch in eine ganz isolierte Position.

 

 

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