Der zweite Weltkrieg und das geteilte Siebenbürgen

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Der zweite Weltkrieg und das geteilte Siebenbürgen
Die nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus veränderten politischen Verhältnisse in Mittel- und Südosteuropa führten innerhalb weniger Jahre zur Hegemonie des Deutschen Reichs über Ungarn und Rumänien. Die herrschende Klasse Ungarns unterstützte mit gewissen Vorbehalten die faschistischen Mächte und konnte als Gegenleistung dafür ihre internationale Position stärken. 1938 erhielt Ungarn mit Einverständnis der Kleinen Entente das gleiche Recht auf Rüstung, was nicht einmal ein Zugeständnis war, sondern eher ein Sich-Abfinden mit den neuen Machtverhältnissen. Die Kleine Entente war schwach geworden, und mit der Liquidierung der Tschechoslowakei 1938/39 hörte sie überhaupt auf zu existieren.
Unter dem Eindruck der neuen internationalen Lage brach auch Rumänien mit der bisher ausschließlich englisch-französischen Orientierung seiner Außenpolitik und ging zu einer Gleichgewichtspolitik zwischen den früheren Schirmherren und Berlin über. Damit war die paradoxe Lage entstanden, daß einerseits Ungarn für seine Revisionspläne deutsche Hilfe suchte, andererseits sich Rumänien bemühte, Deutschland zur Unterstützung gegen die ungarischen Bestrebungen für sich zu gewinnen. Im März 1939 wurde das umfangreiche deutsch-rumänische Wirtschaftsabkommen geschlossen, das Rumänien eine Atempause verschaffte. Als Budapest sah, daß es auf deutsche 679Hilfe nicht rechnen könne, wurde ein neuer Plan ausgearbeitet und erwogen, daß Ungarn in einem international günstigen Augenblick allein einen Krieg gegen Rumänien beginnen solle, wobei man die militärische Macht Ungarns sowie die innenpolitischen Schwierigkeiten des Nachbarlandes weit überschätzte. Im Herbst 1939 teilte Ribbentrop Ungarn mit, Deutschland werde einen Angriff gegen Rumänien nicht dulden; Italien mahnte Ungarn zur Ruhe, und auch die Westmächte lehnten ein militärisches Unternehmen ab. Im Februar 1940 verzichtete die Teleki-Regierung auf den Kriegsplan und informierte darüber auch London und Paris.
Der Frühling 1940 bildete in der ungarischen Politik eine Periode deutschfreundlicher Neutralität. Als Budapest erfuhr, daß die Deutschen einen Plan für eine eventuelle Besetzung der rumänischen Ölfelder ausarbeiteten, erkundigte sich Ungarn in London, ob es die deutschen Truppen durch das Land lassen solle. Aufgrund der verneinenden englischen Antwort entschied sich Teleki für eine Aufrechterhaltung der bewaffneten Neutralität. Infolge der unerwartet erfolgreichen deutschen Offensive im Westen entstand aber eine neue Lage; nun erschien es der Budapester Regierung als dringlich, die Frage Siebenbürgens wieder aufzuwerfen, zumal es deutlich wurde, daß sich das offizielle Rumänien ganz auf die Seite Hitler-Deutschlands schlug. Am 1. Juli kündigte die rumänische Regierung die englischen Garantien und gab eine Erklärung über ihre außenpolitische Schwenkung ab, unmittelbar danach ernannte der König eine deutschfreundliche Regierung, an der auch die Führer der Eisernen Garde teilnamen. Noch am 27. Juni beschloß die ungarische Regierung – auch von der neuen Wende in der Bessarabien-Frage inspiriert –, ihren Gebietsforderungen Geltung zu verschaffen, wofür sie auch militärische Maßnahmen traf. Im Juli ließ Hitler Ministerpräsident Pál Teleki zu sich bitten und teilte ihm mit, er werde die Frage Siebenbürgens selbst in die Hand nehmen. Er suchte nach einer Lösung, die den Vorbereitungen für den Krieg gegen die Sowjetunion am besten entsprach und den Deutschen an der Ostfront das rumänische Erdöl, die ungarischen Agrarprodukte und das Eisenbahnnetz beider Länder zur Verfügung stellte. Hitler bewog Rumänien zu Verhandlungen mit Ungarn über die Abtretung siebenbürgischer Gebiete. In den rumänisch-ungarischen Verhandlungen am 16., 19. und 24. August in Turnu Severin konnte man sich nicht einmal über die Grundprinzipien einigen, Ungarn wollte vor allem Gebiete haben, während Rumänien – vielleicht, um Zeit zu gewinnen – vor allem einen Bevölkerungsaustausch vorschlug. Danach beschäftigte sich die ungarische Regierung mit dem Gedanken einer eigenständigen Militäraktion, und Bukarest brachte einzelnen Quellen zufolge ein Schiedsgerichtsverfahren zur Sprache. Dies hatte Hitler auch schon früher erwogen, und am 27. August entschied er sich für eine der von deutschen Experten ausgearbeiteten Grenzvarianten zur Aufteilung Siebenbürgens und ließ die Vertreter der ungarischen und rumänischen Regierung nach Wien rufen. Nach einigem Schwanken stimmte Ungarn dem Schiedsgerichtsverfahren zu, ebenso der rumänische Kronrat.*
B. VAGO, Le second diktat de Vienne: Le partage de la Transylvanie. East European Quarterly Vol. V, 1971, No. 1, 57–60; GY. JUHÁSZ, The Second Vienna Award. Danubian Historical Studies Vol. 1, No. 1, 1987, 23–38; Documents on German Foreign Policy. Series D. X. London 1957. Doc. 234, 376, 399.
680Der am 30. August 1940 verkündete deutsch-italienische zweite Wiener Schiedsspruch sprach Nord- und Ostsiebenbürgen (43 492 km2) Ungarn zu. Diese Entscheidung war weder ethnisch noch insbesondere wirtschaftlich begründet und nur dazu geeignet, das Prinzip „divide et impera“ zur Geltung zu bringen. Ethnisch bedeutete dies, daß aufgrund der Angaben der ungarischen Volkszählung von 1941 der Muttersprache nach 1 344 000 Ungarn (52,1 %), 1069000 Rumänen (41,5 °%) und 47 000 Deutsche (1,8 %) zu Nordsiebenbürgen gehörten.* Auch Komitate mit rumänischer Mehrheit wie Bissritz-Nösnerland oder Marmarosch kamen zu Ungarn. Die willkürlich gezogene Grenze zerschnitt eine wirtschaftliche Einheit, trennte Städte von ihrem traditionellen Hinterland und schuf enorme Verkehrsschwierigkeiten (zum Szeklerland bestand z. B. keine ungarische Eisenbahnverbindung mehr).
Siehe Z. FOGARASI, A népesség anyanyelvi, nemzetiségi és vallási megoszlása törvényhatóságonként 1941-ben (Muttersprachliche, Nationalitäten- und religiöse Verteilung der Bevölkerung nach Munizipien 1941). Magyar Statisztikai Szemle 1944, Bd. 1. 1 ff. Rumänischen Angaben zufolge betrug die Zahl der Rumänen 1 171 000 (49,1 %) und der Ungarn 912 000 (38,2 %). Analele Institutului Statistic al României (Jahrbücher des Statistischen Instituts Rumäniens). Vol. I, Bucureşti 1942. 340 ff.
Politisch ließ der Schiedsspruch Ungarn und Rumänien zu Spielbällen Hitlers werden: Die deutsche Politik machte das weitere Schicksal Siebenbürgens von der Teilnahme beider Länder am Krieg gegen die Sowjetunion abhängig. Budapest hoffte, die erworbenen Gebiete durch die Gnade der Deutschen behalten zu können, Bukarest dagegen erwartete die Rückgabe des verlorenen Territoriums. Ministerpräsident Teleki verkündete an die Rumänen gerichtet zwar „brüderliches Einvernehmen und friedliche Zusammenarbeit“, aber angesichts der Maßnahmen seiner Regierung und vor allem der Militärbehörden und infolge der aus aufgepeitschtem nationalen Haß entstandenen Spannungen blieben dies bloße Worthülsen.
Vor der ungarischen Herrschaft in Nordsiebenbürgen flohen noch 1940 etwa 100 000 Rumänen nach Süden, hauptsächlich Beamte und Intellektuelle. (Bis 1944 erhöhte sich die Zahl der rumänischen Flüchtlinge auf 200 000–220 000). Die Anfang September einmarschierenden ungarischen Truppen stießen auf keinerlei Widerstand, dennoch kam es zu einigen Zwischenfällen, in Ipp und Teufelsbrunnen sogar zu schlimmen Grausamkeiten: Eine Truppeneinheit ermordete zahlreiche rumänische Einwohner. Die Maßnahmen der Militärverwaltung widersprachen vielfach selbst der Politik der Teleki-Regierung: Es wurden sogar rumänische Intellektuelle ausgewiesen, die der Ministerpräsident als Abgeordnete ins Parlament rufen wollte.
Aus Südsiebenbürgen flohen in dieser Periode etwa 100 000–150 000 Magyaren nach Nordsiebenbürgen (jetzt Ungarn), da es auch im Süden zu Diskriminierungsmaßnahmen, Verhaftungen und anderen rechtlichen Übergriffen kam. Die Existenzunsicherheit steigerte noch darüber hinaus, daß der rumänische Staat eine ganze Serie schwerer innerer Krisen erlebte.
Nun setzte die sog. reziproke Nationalitätenpolitik ein: Auf Ausweisungen, Internierungen und Schulschließungen der einen Seite antwortete die andere mit denselben Maßnahmen. Die deutsch-italienischen Offiziersausschüsse, die die Beschwerden auf beiden Seiten untersuchten, verurteilten beide Regierungen, die dagegen zwar heftig protestierten, aber keine nennenswerten Vorkehrungen zur Abhilfe trafen.
681Die wirtschaftliche Lage Nordsiebenbürgens wurde ganz von der Kriegswirtschaft dominiert. Man war bestrebt, die Naturschätze und Wälder völlig auszubeuten, zum gleichen Zweck wurden auch gewisse Industrieentwicklungen vorgenommen. Ein großes Problem war die Verkehrsentwicklung, vor allem der Ausbau einer Eisenbahnverbindung zwischen dem Szeklerland und den übrigen Gebieten Siebenbürgens.
Die Lebensumstände der Bevölkerung verschlechterten sich im allgemeinen, aber die wirtschaftliche Lage der Rumänen gestaltete sich wegen der Diskriminierung noch weit schlimmer. Die wehrpflichtigen Männer wurden in der Regel zum Arbeitsdienst einberufen, wodurch vielen Familien der Ernährer fehlte. Bei den wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnte die Genossenschaft Plugarul – die wichtige eigene wirtschaftliche Organisation der Rumänen in Nordsiebenbürgen – nur wenig Hilfe leisten.
Die 1345 rumänischen Volksschulen in Gebieten mit rumänischer Mehrheit blieben erhalten, doch wurde der ungarische Sprachunterricht zur Pflicht; im Bereich der Mittelschulen wurden bloß 14 rumänische Abteilungen bzw. Schulen zugelassen. Lange Zeit erschien nur eine einzige rumänische Tageszeitung, die Klausenburger Tribuna Ardealului, und auch später gab es nur vier rumänische Periodika. Obwohl manche Geistliche Belästigungen ausgesetzt waren, aktivierten die rumänischen Kirchen ihre kulturelle Tätigkeit.
In die Komitatsmunizipien wurden Rumänen nur in geringer Zahl gewählt oder an ihnen beteiligt, in den Gemeindeverwaltungen saßen sie schon häufiger. Sie hatten keine eigenen Abgeordneten im Budapester Parlament, bloß der griechisch-katholische Bischof Iuliu Hossu besaß einen Sitz im Oberhaus. Die einzige politische Organisation, die sowohl seitens Budapests wie auch Bukarests als Interessenvertretungsorgan anerkannt wurde, war die von Emil Haţieganu und Aurel Socol geleitete Rumänische Nationale Gemeinschaft – obwohl ihre offizielle Zulassung von den Behörden verweigert wurde.
Anfänglich schien der Wiener Schiedsspruch den Ungarn im Norden eine günstige Lage verschafft zu haben. Bald stellte sich aber heraus, daß die Begünstigungen eher nur einer schmalen Schicht zugute kamen. Die ehemaligen Grundbesitzer zogen die Bodenreform von 1921 in Zweifel und strengten zahlreiche Prozesse zumeist gegen rumänische Bauern an, die manchenorts zur Rückgabe ihrer Güter oder Teile von diesen gezwungen wurden. Auch die ungarischen Unternehmer und sogar die Einzelhändler und Handwerker erreichten gewisse Vorteile; sie konnten Kredite aufnehmen und hie und da neue Investitionen durchführen. Ebenfalls günstig gestaltete sich die Veränderung auch für die Intellektuellen, die nach Jahren der Not wieder Funktionen erhielten oder als Staatsbeamte tätig sein konnten. Die Lage der Bauern und Arbeiter veränderte sich jedoch nicht (anfangs, zur Zeit der Umstellung der Wirtschaft, wurden viele arbeitslos) und die der Szekler war schwer, deren gewohnte Pendel-, Wander- und Erwerbsmöglichkeiten und Märkte nun geringer geworden waren, was die Regierung kaum ausgleichen konnte.
Für die Ungarn brachte der Wiener Schiedsspruch eine echte Befreiung nur auf dem Gebiet des Sprachgebrauches und der kulturellen Entwicklung. Es entstanden wieder ungarischsprachige staatliche Volksschulen, das ungarischsprachige Mittelschulnetz wurde erweitert, Klausenburg hatte wieder 682eine ungarische Universität, und zur Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit wurde das Erdélyi Tudományos Intézet (Siebenbürgisches Wissenschaftsinstitut) gegründet. Gleichzeitig verlor das geistige und vor allem künstlerische Leben etwas von seiner Vielfalt, weil die sozialistischen und radikalen bürgerlich-demokratischen Richtungen in den Hintergrund gedrängt wurden; das erfüllte auch die besten siebenbürgischen Schriftsteller mit Unzufriedenheit, deren Zeichen gegen Ende des Krieges hin sich verstärkten. Der Intelligenz war deutlich geworden, daß die nationale Frage nicht vom gesellschaftlichen Fortschritt zu trennen war und die Teilung Siebenbürgens – trotz wirklicher teilweiser Vorteile – keine Lösung bedeutete: die Koexistenz des rumänischen und ungarischen Volkes müsse im Sinne einer progressiven Politik auf ganz neue Grundlagen gestellt werden. Ein Teil der siebenbürgisch-ungarischen Intelligenz suchte Kontakte zur Budapester Linken, zu den populistischen Schriftstellern, Sozialdemokraten und Kommunisten.
Ab 1940 wurde Nordsiebenbürgen von Angestellten und Beamten aus Ungarn überflutet. Die Siebenbürger Ungarn beklagten ihre Verdrängung, aber auch den chauvinistischen Geist, den diese Schicht und noch mehr die zwei Monate dauernde Militärverwaltung vertraten. Das konservative politische Denken, die Gentry-Gesinnung, der Protektionismus und nicht zuletzt die Revanchewünsche, die schnelle Bereicherung zum Ziel hatten, erregten in breiten Kreisen Unzufriedenheit und Empörung. Unter den sich verschlechternden Wirtschaftsverhältnissen des Krieges war das arrogante, protzige Benehmen der Verwaltungsbeamten und vor allem des Offizierskorps besonders unerträglich.
Die linke Presse wurde bereits von der Militärverwaltung zum Schweigen gebracht, fast alle progressiv politisierenden Organisationen wurden schnellstens verboten, und bald begann die Verfolgung der Linken, vor allem der Kommunisten – ohne Rücksicht auf ihre Nationalität. Die einzige legale proletarische Organisation, die Sozialdemokratische Partei, und die Gewerkschaften, die mit gewissem Erfolg auch gegen die Entlassungen der rumänischen Industriearbeiter kämpften, standen unter Beobachtung und waren ständigen Belästigungen ausgesetzt.
Die Abgeordneten und Mitglieder des Oberhauses, die nach dem Wiener Schiedsspruch aus Siebenbürgen ins Parlament geholt worden waren, gründeten die Siebenbürgische Partei, die die Regierungspartei unterstützte, aber auch versuchte, die besonderen Interessen des Gebietes zu verteidigen – ohne allzu großen Erfolg. Zumindest gab die Partei dadurch zu erkennen, daß sie mit der herrschenden Politik nicht völlig einverstanden war, manche unmenschlichen Äußerungen des Faschismus, so die augenfälligsten Formen der Judenverfolgung, ablehnte und bestrebt war, in sozialen Fragen einen progressiveren Standpunkt einzunehmen. All das bedeutet aber nicht, daß sie sich den Konservativismus und Nationalismus der herrschenden Kreise in seinen Grundzügen nicht zu eigen gemacht hätte; der Nationalismus wurde besonders durch die Gewißheit bestärkt, daß die siebenbürgische Frage bei weitem noch nicht entschieden war. Trotzdem suchte in den letzten Kriegsjahren nicht nur die ungarische Linke, sondern auch ein Teil der herrschenden Klasse im Interesse Siebenbürgens nach Möglichkeiten für ein gemeinsames Auftreten mit den Rumänen gegen das Deutsche Reich.
683Das zahlenmäßig kleine Deutschtum in Nordsiebenbürgen wurde ein Teil der ungarndeutschen Volksgruppe; diese Organisation erhielt aber nicht so umfangreiche Befugnisse wie in Rumänien. So konnte die evangelische Kirche die Konfessionsschulen behalten. 1942 vereinbarten die deutsche und die ungarische Regierung, daß die SS auch unter den Ungarndeutschen werben dürfe. Die Meldung war zwar freiwillig, die Volksgruppe sorgte aber für den nötigen Druck auf die Deutschen auch in Siebenbürgen.
Einige Tage nach dem Wiener Schiedsspruch übernahm General Ion Antonescu die Macht in Rumänien und regierte neben dem Sohn des abgedankten Karl II., König Michael I. als Staatsführer (Conducător), anfangs gemeinsam mit der Legion (Eisernen Garde) und nach der Niederschlagung ihres Versuches, die Macht zu übernehmen, allein. Am 22. Juni 1941 zog er das Land in den Krieg gegen die Sowjetunion hinein, wovon er sich nicht nur die Rückeroberung Bessarabiens und die Eroberung der Gebiete jenseits des Dnjestr, sondern auch die Rückgabe Nordsiebenbürgens erhoffte. (Das war einer der Gründe dafür, daß er bedeutende Militärkräfte, anfangs 12 Divisionen, an die Ostfront schickte, deren Zahl bis 1944 auf etwa 25 Divisionen erhöht wurde.) Das Deutsche Reich unterstützte dies, besonders nachdem 1942/43 der ungarische Ministerpräsident Miklós Kállay mit seiner sog. Schaukelpolitik versucht hatte, die westlichen Alliierten zu gewinnen und einen Frieden zu erreichen. Im März 1944, in den Tagen der deutschen Besetzung des für ihn unzuverlässig gewordenen Ungarn, äußerte Hitler unverblümt, „halte es Deutschland nicht für angebracht, weiterhin als Signatar des Wiener Schiedsspruch zu fungieren“.*
Staatsmänner und Diplomaten bei Hitler. II. Hrsg. von A. HILLGRUBER. Frankfurt 1970, 391 f.
Bereits der Krieg traf die Bevölkerung Rumäniens schwer, aber der über den Verlust Nordsiebenbürgens noch stärker aufgeputschte Nationalismus drängte in Südsiebenbürgen alle progressiven Kräfte zurück und stärkte die Positionen des Faschismus, der gegen die rumänischen Kommunisten und die fortschrittlich gesinnten Menschen den gleichen Vernichtungskrieg führte wie gegen die Ungarn. In der siebenbürgischen Frage konnte sich die rumänische Rechte auf die früheren Anhänger der bürgerlichen Demokratie und auch auf einen großen Teil der Intelligenz stützen, der den Wiener Schiedsspruch für ungerecht hielt. Unter solchen Umständen war es ein Leichtes, alle Kräfte im Unterricht, in der Presse und sogar in der Wissenschaft in den Dienst der nationalistischen Propaganda zu stellen.
Infolge der Teilnahme Rumäniens am Krieg verschlechterten sich in Südsiebenbürgen die wirtschaftlichen Verhältnisse, aber einige Industriezweige entwickelten sich weiter. Im allgemeinen hatte der Krieg auf den rumänischen Bevölkerungsteil nicht so negative Auswirkungen wie auf den magyarischen. Denn ein bedeutender Teil der Magyaren, etwa 500 000, war in Südsiebenbürgen geblieben. Viele mußten zum Arbeitsdienst einrücken, andere wurden interniert oder sogar inhaftiert. Ihr kulturelles Leben wurde eingeschränkt, allein der Siebenbürgische Wirschaftsverein konnte für dieses noch einen gewissen organisatorischen Rahmen bieten. Die führenden Repräsentanten der aus der Zeit der königlichen Diktatur erhaltengebliebenen Ungarischen Volksgemeinschaft, Elemér Gyárfás, Pál Szász und Bischof Áron Márton, versuchten verzweifelt, zwischen Bukarest und Budapest zu 684vermitteln, um auf beiden Seiten den schweren Druck auf die Nationalitäten zu mildern.
Bedingt durch den Wiener Schiedsspruch lebten die Deutschen überwiegend in Südsiebenbürgen – fast eine halbe Million Menschen. Im November 1940 unterzeichnete die rumänische Regierung ein Übereinkommen mit dem Deutschen Reich, in dem sie die besonderen Rechte der deutschen Volksgruppe in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht anerkannte und auch die Lenkung der Konfessionsschulen der nationalsozialistischen Organisation überließ. Damit wurde der jahrelange interne Streit zwischen den nationalsozialistischen und den bürgerlich-demokratischen Gruppen der Deutschen eindeutig zugunsten der ersteren entschieden. Bloß innerhalb der Kirche gab es noch einige Möglichkeiten, sich dem politischen Druck zwar nicht entgegenzustellen, aber diesen im engeren Bereich abzumildern, um die moralischen Werte zu bewahren und z. B. die Einführung neuheidnischer Bräuche zu verhindern.
1943 unterzeichneten beide Länder zudem ein Übereinkommen, demzufolge die Rumäniendeutschen ins deutsche Heer einberufen werden konnten. Die SS hatte etwa 60 00 –70 000 rumäniendeutsche Mitglieder, und etwa 15 000 Personen waren in der deutschen Kriegsmaschinerie tätig.
Auf beiden Seiten paarte sich die faschistische Politik mit dem Antisemitismus. In Nordsiebenbürgen gab es der Volkszählung von 1941 zufolge 151 125 Personen jüdischen Glaubens, gegen die diskriminierende Maßnahmen getroffen wurden. Nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 kam es trotz der Proteste progressiver Intellektueller und Kirchenführer zur Deportation der jüdischen Bevölkerung. Wir verfügen über keine zuverlässigen statistischen Angaben über die Anzahl der Deportierten. Unterschiedlichen Quellen zufolge wurden im Mai durch die ungarischen Behörden 110 000–130 000 Personen aus Nordsiebenbürgen in die deutschen Konzentrationslager verbracht, von denen schätzungsweise 90 000-100 000 den Tod fanden. (Von den mehr als 400 000 Deportierten aus dem gesamten damaligen Ungarn fielen ungefähr 320 000 dem Holocaust zum Opfer.) In Südsiebenbürgen nahm die Antonescu-Regierung den Juden zwar alle ihre Rechte, aber zu ihrer – wenn auch geplanten – Deportation kam es nicht. (Die Judenverfolgung in Rumänien forderte vor allem in der Moldau, in Bessarabien und in den Gebieten jenseits des Dnjestr zahlreiche Opfer; Schätzungen sprechen von 280 000–380 000 umgekommenen Juden in diesen Gebieten.*)
Die Angaben über die schlimmen Verluste der jüdischen Bevölkerung sind auch heute noch sehr verschieden. Zu den hier erwähnten Zahlen s. I. SEMLYÉN, Demográfiai viselkedés – népesedési politika (Demographisches Verhalten – Bevölkerungspolitik). A Hét vom 3. September 1982, T. STARK, Magyarország második világháborús embervesztesége (Menschenverluste Ungarns im zweiten Weltkrieg). Budapest 1989, 46. M. CARP, Cartea neagră (Schwarzbuch). III. Bucureşti 1947, 13, 31. R. L. BRAHAM, The politics of genocide. The Holocaust in Hungary. Vol. 1–2. NewYork 1981.
Die siebenbürgisch-jüdische Bevölkerung bekannte sich auf beiden Seiten der damaligen Grenze zur ungarischen Muttersprache sowie zur ungarischen Kultur. Sie war hauptsächlich im Handel und Gewerbe tätig, in Nordsiebenbürgen relativ zahlreich auch in der Landwirtschaft. Quantitativ wie qualitativ bedeutend war die Intelligenz jüdischer Abstammung, die in hohem 685Maße dazu beitrug, die ungarische Kultur zu bereichern und zu verbreiten. Viele von ihnen nahmen an progressiven Bewegungen, so auch an den Kämpfen der Arbeiterklasse teil.
Die Kommunisten sowohl Ungarns als auch Rumäniens verurteilten den Wiener Schiedsspruch, weil er den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus verhinderte und nicht den wahren Interessen des ungarischen und rumänischen Volkes diente. Die Kommunistische Partei Ungarns äußerte sich dazu wie folgt: „Mit dem unheilvollen Wiener Schiedsspruch wurde in der Mitte Siebenbürgens eine Grenze gezogen und eine jahrhundertealte wirtschaftliche und kulturelle Einheit in zwei Teile zerbrochen. Mit Hilfe der rumänischen und ungarischen Reaktionäre beraubten die deutschen Nationalsozialisten beide Länder ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, und die Völker Siebenbürgens sind weder dort noch hier frei.“* Viele der siebenbürgisch-ungarischen Kommunisten opferten ihr Leben dafür, gerade diese Einsicht der ungarischen Gesellschaft nahe zu bringen. Im Einverständnis mit der rumänischen und der ungarischen Partei wurde eine den neuen Umständen Rechnung tragende Politik ausgearbeitet, und man schickte auch eine Delegation nach Moskau, um dort die Aufgaben für den gemeinsamen Kampf international aufeinander abzustimmen. Die Aktionen der ungarischen Behörden, deren bedeutende organisatorische und Propagandatätigkeit in den Jahren 1941 und 1943 aufzurollen, konnten dieselbe nicht verhindern, ihre Wirkung strahlte bei der Organisation der Friedenspartei auch auf bürgerliche Kreise aus.
D. CSATÁRI, Román-magyar kapcsolatok. Történelmi vázlat (Rumänisch-ungarische Beziehungen. Historische Skizze). Budapest 1958, 166–167.
Ungarns Austritt aus dem Krieg wurde nirgendwo stärker und offener betrieben als in Siebenbürgen, ab 1943 auch seitens der Führer der Siebenbürgischen Partei. Als es deutlich wurde, daß die faschistischen Mächte den Krieg verlieren würden, drängten die siebenbürgischen Politiker die Budapester Regierung zu Verhandlungen über einen Kriegsaustritt. Die Nähe des deutschen Heeres, die schlechten Beziehungen zu den Nachbarländern, die Furcht vor dem Kommunismus und nicht zuletzt die Absicht, Nordsiebenbürgen behalten zu wollen, beraubten Budapest jedoch jeder Fähigkeit zum Handeln. Als im Frühling 1943 die ungarische Regierung den Siebenbürger Miklós Bánffy nach Bukarest schickte, um mit den bekanntesten Leitern der rumänischen Opposition zu unterhandeln, stellte es sich heraus, daß man auch dort erkannt hatte, in welch teuflisches Spiel Hitler beide Länder mit der Teilung Siebenbürgens hineingezogen hatte; das gegenseitige Mißtrauen und der Meinungsunterschied waren aber doch zu tiefgehend, um sich gemeinsam gegen das Deutsche Reich zu wenden.
Bei der Vorbereitung des Austritts Rumäniens aus dem faschistischen Krieg spielten die antideutschen Intellektuellenkreise und auch die Kommunisten eine bedeutende Rolle; mit dem Einverständnis des Königs und der bürgerlichen Opposition organisierten sie den Sturz der Antonescu-Diktatur. Militärisch gesehen ergab sich die Möglichkeit zum Austritt durch die Offensive der sowjetischen Armee, als diese im August 1944 bei Iaşi die Front durchbrach und in Richtung Bukarest vordrang. Diese günstige Lage nutzte der Aufstand in der Hauptstadt am 23. August, der die rumänische Armee gegen die deutschen Kräfte kehrte und damit deren Teilnahme am Kampf 686gegen den Faschismus sicherte. (Die rumänische Armee nahm an der Seite der sowjetischen Armee an der Befreiung Ungarns und der Tschechoslowakei teil, wobei sie große Verluste erlitt: fast 160 000 Gefallene, davon mehr als 40 000 in Ungarn.)

 

 

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