2. Die Hunnen (376/424–455)

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782. Die Hunnen (376/424–455)
Das Schicksal Gothias wurde von den Hunnen besiegelt; infolge ihrer unaufhörlichen Vorstöße verschwand aus diesem Gebiet die gotische Bevölkerung, welche noch Kontakte zum Römischen Reich gepflogen hatte, mit dem sie zumindest als Nachbarn zusammengelebt hatte. Es ist aber unklar, wo und wie die Hunnen sich nach ihrem Sieg von 376 in Osteuropa aufgehalten haben. Gebiete des Oströmischen Reiches griffen sie erstmals 395 an, als ihre die Donau überquerenden, vorgeschobenen Kräfte bereits aus der Walachei aufbrachen. Im Dezember 400 metzelten sie hier Gaina und dessen Goten nieder, die aus dem Reichsgebiet hierher geflüchtet waren. Kurz danach löste das Vordringen verschiedener hunnischer Scharen Richtung Westen die „zweite Panik vor den Hunnen“ aus, die Wandalen und Sueben flohen aus dem Karpatenbecken, und Alarich mit seinen Wisigoten versuchte erstmals von Dalmatien aus in Italia einzudringen (401/02).
Der erneute oströmische Krieg (die Besetzung Castra Martis im Jahre 409) der von Uldin geführten hunnischen Armee an der unteren Donau mißlang zwar, aber bevor die Regierung in Konstantinopel mit den Hunnen Frieden zu schließen vermochte (412), hatte Uldin bereits die römischen Gegenfestungen am linken Ufer der unteren Donau von Sucidava (Celei) in der Nähe der Altmündung bis zu dem westlich des Eisernen Tores gelegenen Lederata (Neu-Palank) besetzt, eingeäschert und damit den vorgeschobenen römischen Festungsgürtel beseitigt. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die gesamte Walachei von den Hunnen besetzt und besiedelt – nirgendwo in Europa kommen so viele archäologische Belege der frühhunnischen Bewegung und Ansiedlung zum Vorschein wie in dieser von wasserreichen Flüssen durchzogenen Ebene (von hier stammen die meisten hunnischen Opferkessel aus Kupfer und Grabfunde mit Golddiademen). Im Jahre 422 leitete Großkönig Ruga bereits die von hier nach Thrakien vordringenden Hunnen, und wenn er selbst und die hunnische Hauptmacht dann auch weiter ins Karpantenbecken vorstießen, siedelten sich doch an ihrer Stelle erneut hunnische Kräfte aus dem Osten hier an. Sie waren so bedeutend, daß sich zwischen 435 und 445 irgendwo im Buzău-Tal die Lagerstadt (ordu) des Vizefürsten Attila befand. Aus dieser Gegend sind reiche hunnische Funde bekannt, und wahrscheinlich hängt eine hunnische Goldschnalle aus Kronstadt mit diesem ordu außerhalb der Karpaten zusammen. Im Sommer mag ein höherer hunnischer Würdenträger über den Bodsauer Paß ins Burzenland gezogen sein. (Die Zeit wird durch einen in Kronstadt gefundenen, um 430 geprägten Solidus des Theodosius II. fixiert.)
Großkönig Ruga und die hunnische Hauptmacht hatten 424/25 ihr Lager bereits in der Großen Ungarischen Tiefebene südlich der Kreisch aufgeschlagen, wo sie ihr neues Haupt-ordu zu errichten begannen, in dem 449 selbst der Oströmer Priskos weilte. Die sich der hunnischen Macht unterwerfenden Gepiden wurden aus der Tiefebene von der Linie Kreisch-Schnelle Kreisch nach Norden verdrängt, woraufhin sie – wie es scheint – nach Siebenbürgen bis zum Großen Samosch einsickerten. Südlich dieses Gebietes erstreckte sich das Land der Hunnen.
Das von hohen Bergen umgebene und bewaldete Mittel- und Südsiebenbürgen diente den Hunnen teils als östlicher Verbindungsweg (über den 79Rotenturm-, Bodsauer und Borgóer Paß), teils als Sommerquartier und herbstliches Jagdgebiet. Im Verlauf der gesamten Geschichte Siebenbürgens war dies der Tiefpunkt der menschlichen Besiedlung: Siedlungsspuren sind nur in den Tälern von Mieresch, Müllenbach/Sebesch und Großer Kokel sowie an den zu den Pässen führenden Straßen zu finden und auch dort nur äußerst spärlich. Aus Nordsiebenbürgen sind keine hunnischen Funde bekannt.
Sämtliche Hunnenzentren, vielleicht auch ein gelegentliches Lager (durch Priskos ist bekannt, daß es zur Zeit Attilas mehrere solche gab), mögen in der Gegend der heutigen Stadt Mühlbach gelegen haben, wo ein Goldsolidus des Theodosius II. aus dem Jahre 429/30 sowie 12 Goldmünzen des kuschanisch sassanidischen Königs Varakhran V. (420–438) gefunden wurden – letztere können nur durch die in den 420er Jahren in Mittelasien kriegführenden Hunnen hierher gelangt sein. Auch andere zeitgenössische ost- und weströmische Goldmünzen zeigen die Herrschaft der Hunnen und ihren Vormarsch (Karlsburg, Marosludas, Salzburg) an – sie stammen aus dem Tribut, der den beiden römischen Imperien abgepreßt worden war, und spiegeln genau das Gebiet wider, in dem sich die Hunnen und mit ihnen verbündeten Völker bewegten.
Ein bedeutender hunnischer Fund aus Siebenbürgen ist eine Zikade aus reinem Gold – ein hunnisches Glaubenssymbol und Rangabzeichen –, die in Scharnberg am Mieresch gefunden wurde; es ist nicht ausgeschlossen, daß die germanischen Goldfibeln mit Edelsteinen – des Typs Szilágysomlyó! – von Wölz an der Kleinen Kokel ebenfalls einer reichen hunnischen Frau gehörten. Wahrscheinlich handelt es sich auch bei dem in Tschepan im Nösnerland begrabenen Vornehmen mit einer Goldmünze des Theodosius II. und Goldschmuck um eine hunnenzeitliche Einzelbestattung. Von diesen abgesehen, sind aus Siebenbürgen nur noch hunnenzeitliche Funde des Gemeinvolkes bekannt, die aber außerordentlich charakteristisch sind. Es handelt sich um Henkelkrüge mit eingeglätteter Verzierung und andere Gefäße sowie Glasbecher, wie sie sich in genau gleicher Form und Zusammensetzung im gesamten von den Hunnen besetzten mittleren Donaugebiet verbreiteten (Neumarkt, Stumpach – aus Gräbern oder Siedlungen). In Familiengrabstätten mit einigen Gräbern, wie sie die Hunnenzeit von den Alpen bis zur Moldau und zum Schwarzen Meer einheitlich kennzeichnen, sind in den vergangenen Jahren in Neudesch und Pretai keilschnittverzierte Fibeln (vom sog. Perse-Lewenz-Typ) gefunden worden, die für die hunnenzeitlichen Alanen, Hunnen und Germanen generell charakteristisch sind, in den Gräbern von Pretai auch zusammen mit hunnenzeitlichen Plattenfibeln vom sog. Brigetio-Mártély-Typ. Ein ähnlicher Fund ist auch von Arad-Mikelaka bekannt, wo der Mieresch Siebenbürgen verläßt. Eine alanische Fibel kaukasischen Typs aus Karlsburg-Partosch schließt die kleine Gruppe der hunnenzeitlichen Funde in Siebenbürgen ab, die man noch mit den hunnischen Gräbern von Großwardein-Szalka-Terrasse am Austritt der Schnellen Kreisch in die Tiefebene ergänzen kann. (Die in den früheren Theorien einen zentralen Platz einnehmenden Mojgráder „hunnischen“ Funde sind neuzeitliche Fälschungen.)
Südsiebenbürgen wurde während der ein halbes Jahrhundert dauernden hunnischen Herrschaft zu einer verlassenen, verwilderten Gegend. Das zur Besiedlung und zum Ackerbau geeignete Gebiet schrumpfte in katastrophalern 80Ausmaß zusammen. Die großen Flußtäler dienten nur als Durchzugsgebiete, das in ihrer Umgebung erreichbare Gelände wurde zum Jagdgebiet der hunnischen Fürsten und Würdenträger.

 

 

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